Wieder in Afrika – Tag 16

Der vorletzte Tag bricht an. Die Luftfeuchtigkeit ist ziemlich hoch, irgendwie klebt alles, das Gewand und das Bett und heute Nacht gab es auch wieder vermehrt Moskitos, von denen einige einen Weg unter das Moskitonetz fanden.
Das Frühstück ist wie immer exzellent und Pandu verspätet sich ein wenig. Thomy möchte gerne einen kleinen Ausflug an die Südspitze von Sansibar machen. Das ist nicht weit und Pandu macht uns einen guten Preis, somit kommt es uns auch nicht teurer als wenn wir zwei oder drei Motorroller mieten und wir müssen uns nicht um die Strecke oder sonstwas kümmern.
Während wir auf Pandu warten unterhalten wir uns mit Asye und ich frage sie, wie das hier auf Sansibar mit den Muslimen so ist. Schließlich ist das die dominierende Religion auf der Insel.
Ihre Antworten und Ansichten sind für mich sehr interessant, weil sie das Bild, das wir von Muslimen haben, doch etwas modifiziert.
Kurz zusammengefasst:
1.) Mohammed hat gepredigt, dass die Kommunikation zwischen Menschen das wichtigste überhaupt ist. Dafür braucht man das Gesicht und die Hände. Deswegen ist es streng verboten diese zu verhüllen.
2.) Den Ramadan als Fastenmonat einzuhalten ist für sie ca. so wichtig wie es das Fasten bei uns ist. Wer es tun will – wunderbar, und wer nicht – auch kein großes Problem. Außerdem sei es jederzeit möglich das Fasten zu unterbrechen wenn man a.) krank oder b.) auf Reisen oder c.) schwanger oder d.) stillend ist oder sonst einen wichtigen Grund hat.
3.) Es ist vollkommen schwachsinnig Frauen das Autofahren zu verbieten, denn es gibt genügend Gelegenheiten, bei denen es notwendig ist, dass eine Frau das Autofahren beherrscht, etwa wenn der Mann einen Unfall hat und verletzt ist oder krank oder aus sonst einem wichtigen Grund. Dass Frauen das in Saudiarabien nicht dürfen, wusste sie nicht, findet es aber absolut daneben.
4.) Koran und Bibel sind für sie ursprünglich fast ident. Daher gibt es eigentlich keinen Grund Christen irgendwie abzulehnen oder abzuwerten.
5.) Im Koran steht, dass jeder Mensch die Pflicht hat seinem Nachbarn zu helfen, wenn dieser Hilfe nötig hat. Welchen Glauben der Nachbar hat, ist absolut egal.

Das klingt für mich alles recht vernünftig. Ich frage Asye dann noch, warum es auch in Sansibar Frauen gibt, die sich das Gesicht verhüllen (übrigens ähnlich viele wie bei uns, vielleicht einen Hauch mehr).
Sie meint, dass diese Frauen entweder leicht irre wären oder etwas Böses im Schilde führen und daher nicht erkannt werden wollen. Sonst gibt es für sie keinen Grund das zu tun.
Die Haare hat Asye allerdings auch bedeckt, das ist hier einfach Tradition und daher mache sie es. Junge Mädchen unterliegen keinerlei Bekleidungsvorschriften, erst ab der Geschlechtsreife.

Auch Juma ist schon aktiv und plant für heute eine Radtour mit einem Haufen Buben aus dem Dorf, die allesamt sehr motiviert erscheinen.

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Bild: Die Bubenpartie, die von Juma mit Helmen und anderer Ausrüstung ausgestatten werden.

Pandu taucht auf und wir starten unsere Tour. Sie führt uns an der Hauptstraße an dem mehrere Kilometer langen Ort Jambiani vorbei in den Süden. Pandu berichtet, dass jetzt immer mehr Plots verkauft werden, es entstehen neue Hotels und Ferienanlagen, aber auch Politiker aus der Hauptstadt würden sich hier das eine oder andere Haus bauen lassen.
Wir kommen in ein größeres Dorf an der Südspitze. Hier gibt es auch die berühmte „Dolphin Bay“, in der man Delphine besichtigen kann. Kaum sind wir aus dem Auto ausgestiegen, kommen auch schon mehrere junge Männer auf uns zu und wollen uns eine Delphin-Tour verkaufen. Gerade heute wäre es günstig und man könnte die Delphine tatsächlich sehen.
Wir lehnen dankend ab und besichtigen die für mich wesentlich interessantere Attraktion, einen riesigen Baobab-Baum.

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Bild: Durchmesser wie ein kleines Haus – der größte Baobab, den ich je gesehen habe.

Er ist unfassbar majestätisch und es ist Zeit für einen kleinen Exkurs über diesen phantastischen Baum.

Exkurs: Baobab – einer der afrikanischen Wunderbäume
Dieser Baum ist erstaunlich:
• Er wächst in verschiedensten Klimaten, meist jedoch tropisch
• Er wird bis zu 2.000 Jahre alt
• Er beherbergt jede Menge Leben, auf ihm, in ihm und um ihn herum, eine Art Mini-Universum.
• Er ernährt seine Umgebung und kann bis zu 140.000 Liter Wasser speichern
• Er erholt sich auch von argen Strapazen wie Elefanten-Angriffen
Ein paar Einzelheiten: (Quelle: www.safari-afrika.de/html/baobab.html)
Der Baobab kommt südlich der Sahara in ganz Afrika vor. Er ist die charakteristische Baumart der Trockensavannen, ist aber auch an der Küste und in Brackwassergebieten genauso anzutreffen wie in Höhenlagen bis zu 1500 m. Entsprechend seiner geografischen Herkunft kann er unterschiedlich in Form und Aussehen sein. In Regionen, in denen es jährlich kaum zu Niederschlägen kommt, kann er problemlos überleben, da er im adulten Stadium bis zu 140 000 Liter Wasser in seinem Stamm speichern kann. Somit ist er ein riesiges Wasserreservoir in der Trockenzeit für Mensch und Tier – quasi Ernährer und Lebensspender für seine Umgebung. Sein Holz ist daher auch als Brennholz völlig ungeeignet und sein schier unverwüstlicher Stamm widersteht sogar die Buschbrände fast unbeschadet. Ökologisch betrachtet ist diese Eigenschaft auch sein Bestandsschutz vor dem Raubbau der Menschen ihn als Brennholz zu verwenden. Bei einem mächtigen Stammumfang von bis zu 35 Metern und einer Höhe von bis zu 20 Metern käme eine Menge Holz zusammen. Mit diesem Maßen gehört der Baobab zu den mächtigsten Baumarten Afrikas.
Der sagenumwobene Baobab ist Afrikas Lebensbaum und Mythos zu gleich. Im Senegal ist er deshalb nicht ohne Grund auch im Wappen vertreten. In Kenia, Gambia und Senegal stehen noch viele Baobabs, die als Keimling heranwuchsen, als das Römische Reich in der Antike noch die Welt beherrschte. (der Baobab hat somit ein sehr langes Leben, geht also mit sich selbst sorgfältig um und hat die Langfristigkeit quasi in seiner Struktur).
In vielen Regionen ist er ein wichtiger Wasserspender und Rohstofflieferant für den täglichen Gebrauch. Seine zarte Rinde kann genutzt werden und wächst schon in kurzer Zeit wieder nach. Aus seinen Früchten kann man Heilmittel erzeugen und für die einheimischen Kinder ist die Baobabfrucht auch der Bonbon-Lieferant. Auf den Märkten in Dakar, Banjul und Mombasa kann man diese erwerben. Als Holz zum Kochen ist er durch seinen hohen Wassergehalt nicht geeignet. Die Rinde wird verwendet um Schnüre und Seile zu machen. Darüber hinaus werden daraus Netze, Matten, Gewebe, Hüte, Kanus, Tabletts, Kisten, Körbe und Papier gemacht. Die Asche der Rinde kann man noch als Dünger benutzen, und manche machen sogar noch Seife daraus. Die jungen Triebe und Blätter werden gegessen. Aus den gerösteten Samen und wird Kaffee gemacht und aus dem fleischigen Teil des Samens Bier, und man kann daraus auch Öl gewinnen.
Wie schon erwähnt, ist der Baobab von der Sahelzone in Westafrika über Zentral-, Ost- und Südafrika verbreitet, doch so viele Baobabs wie in Senegal gibt es fast nirgends. Ganze Baobab-Wälder befinden sich im senegalesischen Hinterland der Petite Côte, in der Region Kaolack sowie an der Strecke Kaolack – Tambacounda. Für jeden Senegalreisenden sind diese Regionen von besonderer Bedeutung, wenn man den Mythos Baobab erleben will. Auch in Kenia kann man in der Region um Mombasa stattliche Baobab-Exemplare sehen. So zum Beispiel den Kenyatta-Baobab bei Ukunda. Er ist ein mächtiger Baum von dem man fast annehmen könnte, dass er aus mehreren zusammengewachsenen Baobabs besteht. Doch der Schein trügt, der Kenyatta-Baobab ist nur ein Baum, benannt nach dem Staatsgründer der Republik Kenia. Wer also seinen Urlaub an der schönen Südküste Kenias verbringt, sollte unbedingt den Baobab bei Ukunda besuchen.

Mythen, Sagen und Legenden
Da die Menschen in Afrika den Baobab so vielseitig nutzen, ist es nicht verwunderlich, dass man sich vieles erzählt. Auch durch seine Heilkräfte und dem eigentümlichen Wuchs des Baumes gibt es viele Geschichten und abergläubische Weisheiten, die auf dem ganzen afrikanischen Kontinent berichtet werden.
Nach einer senegalesischen Redensart ist der Baobab unzerstörbar, je mehr man ihn auch verletzt und verstümmelt, er gräbt seine Wurzeln noch tiefer und fester in die Erde ein. Auf dem Lande erzählt man sich, dass man kein Land verkaufen darf, wo ein Baobab wächst. Er sei ein gutes Omen. Eine Legende berichtet, dass man von einem Löwen verschlungen wird, wenn man unvorsichtig ist und eine Blüte vom Baum pflückt. Eine Weisheit besagt, dass das Wasser, in dem die Samen des Baumes eingeweicht und umgerührt werden, als Schutz gegen Angriffe von Krokodilen wirken. Eine andere Weisheit besagt, wer einen Aufguss der Rinde trinkt, wird groß, stark und mächtig.
Die größte und bedeutendste Legende erzählt aber die Geschichte, wie der Baobab zu seinem Aussehen kam. Einst war der Baobab ein Baum wie jeder andere, aber er wollte anders sein und bat die Götter um mehr Platz zum wachsen. Der Wunsch wurde ihm erfüllt und er bekam seinen Platz in der Savanne. Wenige Zeit später hatte der Baobab erneut einen Wunsch. Jetzt wollte er einen mächtigeren Stamm haben um sich von jedem anderen Baum zu unterscheiden. Auch dieser Wunsch wurde erfüllt. Aber auch das reichte noch lange nicht aus und seine Wünsche wurden größer. Jetzt wollte er eine weiche und zartere Rinde haben und samtartige Früchte tragen. Auch dieser Wunsch wurde von den Göttern erfüllt. Doch die Wünsche nahmen kein Ende und der Baobab überspitzte jetzt seine Forderungen nach goldenen Blüten, um sich von allen Bäumen in der Savanne hervorzuheben. Jetzt zog sich der Baobab den Zorn der Götter zu sich und sie rissen ihn aus der Erde und setzten ihn verkehrt herum wieder ein. Von nun an schwieg der Baobab und hatte keine Wünsche mehr. Bis zum heutigen Tage können wir den Baobab beobachten, wie er sein bizarres Wurzelwerk in die Luft streckt.

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Bild: Hier der Baum in seiner ganzen Pracht. Leider gibt es davon nur ganz wenige. Und wir erleben ihn mit Blättern, was ich vorher noch nie gesehen habe.

Wir fahren weiter, durch eines der wichtigsten Dörfer der Südküste und Pandu gerät ins Schwärmen. Er berichtet wie enorm fruchtbar es hier ist und dass die Menschen ihr Dorf ständig weiterentwickeln würden. Viele Politiker kämen von hier, denn vor dreißig Jahren wurde an dieser Stelle eine Schule gebaut und das wirkt sich jetzt aus.
Die Insel ist übrigens punkto Nahrung Selbstversorger, Exportschlager sind vor allem Maniok-Knollen und Nelken. Leider gibt es wie überall so auch hier Korruption und Vetternwirtschaft.

Wir halten bei einer Frau, die aus zwei Bottichen Fische verkauft. Pandu kauft ein paar Thunfische für seine Familie und ein paar Freunde, die ihn darum gebeten haben. In Jambiani würden derzeit keine verkauft werden und deswegen würde er die Chance gleich nützen, meint Pandu.
Uns kommt eine Idee. Wir wünschen uns seit Tagen einen ganzen, großen, schönen Fisch, aber kein Restaurant konnte oder wollte uns das anbieten. Und hier gibt es auf einmal die Gelegenheit genau so einen zu kaufen.
Wir fragen Pandu ob uns Asye am Abend kochen würde – schließlich hat sie ja einen kleinen Sohn und es ist nicht sicher, dass sie eine Abendschicht einlegen möchte.
Pandu ruft sie an und sie ist einverstanden: ein ganzer Thunfisch mit einheimischem Gemüse bis wir platzen. Der Deal steht und Pandu kauft einen wunderschönen Thunfisch, der genau die richtige Größe für uns drei hat. Er kostet umgerechnet 2,80- Euro. Unglaublich, wenngleich Pandu diesen Preis bekommen hat, aber selbst etwas teurer wäre das noch spottbillig.

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Bild: Frische Thunfische, in der Nacht zuvor aus dem Meer gefischt.

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Bild: Leider wird hier auch an den Riffen gefischt, und zwar so, dass Riff-Fische herausgezogen werden. Das ist bei dem ohnehin schon stark gestörten ökologischen Gleichgewicht auf den stark unter Druck stehenden Riffen eine Katastrophe. Hier sehen wir Papageifische, die für den Großteil des Meeressandes verantwortlich sind. Sie brechen mit ihren scharfen Schnäbeln, die wie Papageischnäbel aussehen (daher ihr Name) Korallenstücke ab, zermahlen sie, verdauen die Nährstoffe und scheiden den Korallensand wieder aus. Als Taucher sieht man oft Papageifische vorbei schwimmen, die gerade eine Fontäne Sand hinten rauslassen.
Ohne Papageifische kein Sand, ohne Sand keine Strände und ohne Strände kein Schutz der Küsten – so einfach ist das.

Wir fahren zurück nach Jambiani und freuen uns, dass der Ausflug so erfolgreich war. Pandu zeigt uns noch einen schönen Baobab in Jambiani, der auch sehr toll ist, aber nicht vergleichbar mit dem anderen.
Als wir aussteigen, sind sofort ein paar Kinder da. Sie rennen hier den ganzen Tag irgendwo herum und spielen mit allem, was sich zum Spielen anbietet. Und wie alle Kinder dieser Welt sind sie neugierig und fangen sofort an uns anzustaunen, anzulächeln und anzugrapschen. Manche von ihnen sind gut angezogen, andere rennen in Lumpen herum, alle aber sind sehr fröhlich und freundlich. Sie freuen sich über „Sweets“ wenn wir welche haben und wenn nicht, dann ist es auch gut.

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Bild: Ein kleiner Bub in Jambiani

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Bild: Drei kleine Mädchen beim Baobab-Baum in Jambiani. Sie schneiden Grimassen und lachen die ganze Zeit.

Als wir zurück sind, macht sich Asye sofort an die Arbeit, und uns rinnt bereits jetzt das Wasser im Mund zusammen. Sie ist eine tolle Köchin und tatsächlich zaubert sie uns das hin, was wir in den Restaurants gerne gehabt hätten: Gewürzreis, Gemüse und exzellenten Fisch in mehreren Zubereitungsvarianten.
Vollkommen satt genehmigen wir uns noch einen guten Drink oder zwei und genießen den letzten Abend hier im Paradies.

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Bild: Das köstliche Abendessen von Asye

Wieder in Afrika – Tag 15

Pandu ist tatsächlich relativ pünktlich, denn wir planen um 10 Uhr zu einer Spicefarm zu fahren. Es gibt auf der Insel nur wenige Straßen, die Hauptstraßen sind sehr gut in Schuss und wir kommen flott voran, wenngleich Pandu generell einen sehr gemächlichen Fahrstil hat. Was mich ein wenig nervt ist die ständige Blinkerei. Immer wenn etwas entgegen kommt, blinkt Pandu. Er möchte damit hinter ihm fahrende Autos darauf aufmerksam machen, dass sie jetzt nicht überholen können. Das klingt einigermaßen vernünftig und passt irgendwie auch zum Stil des hiesigen Fahrens.

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Bild: Die Straße führt durch sehr fruchtbares Gebiet

Pandu blinkt aber auch, wenn hinter uns gar niemand ist. Er macht das aber sehr bewusst und akribisch und irgendwie macht mich das ein bisschen fertig.
Es gibt wohltuend wenig Autoverkehr auf der Insel, die meisten fahren mit LML-Rollern und oft wartet jemand am Straßenrand darauf, dass er mitgenommen wird.
Pandu meint, ca. 60% der Autofahrer haben gar keinen Führerschein. Da aber alle recht vorsichtig fahren, gäbe es eher wenig Unfälle. Wir wollten uns ja auch Roller ausborgen und ich hatte sogar einen Helm mit, es wurde aber nichts daraus, weil wir dafür einen internationalen Führerschein bräuchten, den Thomy und Philipp nicht haben. Es wäre ohnehin nur mäßig lustig gewesen, denn die Straßen geben nicht wirklich was her, und man hat überall Polizeikontrollen.
Pandu ist ja ein mehr als nur gemäßigter Salafist, auch sein sehr dezenter Bartwuchs lässt vielleicht nur dezente Radikalität zu. Das trifft auch auf seinen Fahrstil zu.
Wir fahren an 200 Jahre alten Mangobaum-Alleen vorbei und sind nach ca. einer Stunde Fahrzeit bei der Spice Farm. Es gibt davon eine ganze Menge und Pandu führt uns zu einer seiner Wahl. Da wir erstens den Unterschied zu anderen nicht kennen und ihm außerdem vertrauen, passt das sehr gut.
Es gibt private und staatliche Farmen, unsere ist eine Touristen-Farm, wo zwar auch Gewürze für den Verkauf erzeugt werden, das Geschäft aber in erster Linie auf Besichtigungen bzw. Vorführungen ausgelegt ist. Der Staat hat übrigens das Monopol auf Gewürznelken, die für den Export bestimmt sind und für den Export ganz generell.
Empfangen werden wir von „Mr. Spice“, wie ihn uns Pandu vorstellt (wahrscheinlich heißen die alle Mr. Spice). Sein Vater begründete die Farm 1972 und heute führt er sie als Familienbetrieb.
Die Tour selbst ist sehenswert, wir werden von einer Pflanze zur anderen geführt und Mr. Spice lässt uns raten, worum es sich jeweils handelt. Ich errate recht viel, aber auch für Thomy und Philipp ist die Tour sehr interessant. Thomy arbeitet ja in einer Gewürzfirma und sieht hier zum ersten Mal wie die Pflanzen der Gewürze aussehen, die sie in die Firma geliefert bekommen.
Wir bekommen so viele verschiedene Früchte und Gewürze präsentiert, dass ich sie weder alle fotografieren konnte noch kann ich sie jetzt hier aufzählen oder beschreiben. Ein paar davon darf ich als Beispiel präsentieren.

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Bild: Die tollste Frucht ist „Mangostan“, die ich bisher so überhaupt nicht kannte. Sie hat nichts mit Mangos zu tun, sondern sieht eher aus wie mehrere Lychis ineinander. Der Geschmack ist sensationell, leicht säuerlich und mir vollkommen unbekannt.

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Bild: Hochinteressant ist auch der Zimtbaum. Unter anderem wird hier die Rinde verwertet. Es wird jeweils ein Drittel heruntergeschnitten, dadurch überlebt der Baum und die Rinde wächst wieder nach. Es sind übrigens alle Bäume, die interessante Früchte haben, auch ausgesprochen attraktiv anzusehen.

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Bild: Vanille ist eher rar und unglaublich aufwändig in der Erzeugung. Mr. Spice erklärt uns genau wie die unzähligen Arbeitsschritte ablaufen.

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Bild: Eines meiner Lieblingsgewürze ist Kardamon. Er wächst auf unscheinbaren Sträuchern als Kapseln knapp über dem Boden. Sehr interessant.

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Bild: Das ist die Brotfrucht, die hier tatsächlich als Brot verwendet wird. Bei uns ist sie vollkommen unbekannt und man bekommt sie auch in exotischen Läden nicht zu kaufen.

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Bild: Besonders schön sind Muskatnüsse.

Als Abschluss der Tour bekommt jeder von uns ein Armband und eine Krawatte, die vom Assistenten aus Palmblättern geflochten werden. Wir bekommen außerdem ein erstklassiges Mittagessen in einer Art kleiner Halle serviert, Am Boden sitzend essen wir verschiedene Gewürzreisgerichte mit einem Gemüse, von dem ich noch nie auch nur gehört habe. Dazu gibt es Thunfischfilets und Mineralwasser.

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Bild: Das Mittagessen

Es ist das beste Essen des Urlaubs, jeder Bissen eine Geschmacksexplosion und gesund obendrein. Genau das würde ich in Jambiani auch gerne essen, da könnte ich auf all die Calamari fritti und Pommes locker verzichten.
Leider gibt es das nur hier, es ist einheimisches Essen, in dem Sinn nichts besonderes, günstig und gut zugleich. Mir ist unbegreiflich, warum wir das in Jambiani nicht bekommen können, in keinem der Restaurants.
Möglicherweise ist es so wie an vielen Orten dieser Welt, an denen die Touristen das Sagen haben, denn die meisten haben Angst vor allem, was nicht wie daheim schmeckt. Daher wollen Sie Schnitzel und Burger und Pommes und bekommen sie auch. Was ihnen entgeht, erfahren sie meistens nie.

Wir fahren gut gesättigt weiter, nachdem wir uns eine knappe Stunde auf den Palmblättermatten ausgestreckt und dem gerade niederprasselnden Regenschauer zugehört haben. Jetzt geht es nach Stonetown, der zweiten Attraktion Sansibars.
Die Fahrt dauert nicht lange, da wir uns sowieso schon im Norden der Insel befinden. Nachdem Thomy es strikt ablehnt einen Führer zu nehmen und die Altstadt unbedingt alleine erkunden will, machen wir mit Pandu aus, dass er uns in zwei Stunden wieder abholt.
Es ist superheiß und wir starten in die schattigen Gassen von Stonetown. Hier wurde Freddy Mercury geboren (er hieß eigentlich Farrokh Bulsara), damals war die Insel noch das Sultanat Sansibar, später wurde es dann von Tansania annektiert.
Ein klein wenig erinnert die Stadt an Venedig, ist aber natürlich noch deutlich exotischer und vor allem viel lebendiger, da sie ganz normal bewohnt wird, Venedig hingegen fast schon ein reines Museum ist.
Also ziehen wir los und lassen uns einfach durch die Gassen treiben. So richtig friedlich durchwandern kann man nicht, denn ständig kommen Mopeds, Roller und Motorräder durch die engen Gassen und man muss auf die Seite springen. Fahrverbote gibt es nicht oder sie werden nicht eingehalten, ähnlich halten es die Menschen auf Sansibar mit der Helmpflicht.

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Bild: Gasse mit Roller – aber auf dem Bild sind auch die Balkone gut zu sehen, die es fast überall gibt. Sie sind oft aufwändig gestaltet und passen gut in das Stadtbild.

Alles, was mit Vorschriften zu tun hat, wird hier lockerer gesehen als in Europa, viel lockerer. Das nächste Bild zeigt die elektrische Anlage an einem Häusereck in Stonetown.

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Bild: Für jeden Elektriker schöner als jeder Horrorschocker

Die Stadt ist natürlich gewachsen, verwinkelt und sehr authentisch. Alt trifft neu und man merkt, dass es sich nicht um ein Museum handelt.

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Bild: Irgendwo in Stonetown – uralte Häuser, dazwischen eine Wassertonne und ein modernes Auto.

Aber es wird nicht alles dem Zufall überlassen, es gibt Planung und staatliche Stellen, die sich um die Erhaltung der Altstadt kümmern. Das zeigen etwa die Kanaldeckel wie der folgende:

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Bild: Die „Stonetown Erhaltungs- und Entwicklungsbehörde Sansibar“ – es dürfte sie wirklich geben.

Die Stadt spiegelt ihr eigenes Image wieder – leicht geheimnisvoll, eine Mischung aus orientalisch und afrikanisch, traditionell, ein wenig verträumt, vielseitig und alt. All das stimmt irgendwie und gibt in seiner Mischung der Stadt ein gewisses Flair, das man erleben kann, wenn man sich nicht dagegen sträubt. Ein Symbol der Vergangenheit ist das alte Fort, das seinerzeit wohl zur Verteidigung gedient hat.

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Bild: Ein Blick auf das alte Fort

Es gibt aber nicht nur alte Steine in Stonetown. Moderne und teure Hotels, die aber so gebaut wurden, dass sie stilistisch nicht negativ auffallen, zumindest von außen. Und es wird renoviert, wenn auch auf die afrikanische Art:

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Bild: Ein Haus wird renoviert. Das dazu gehörige Gerüst würde bei uns sofort zu einem Großeinsatz der Feuerwehr führen, zur Sperrung einer ganzen Straße und zu einer Lawine von Anzeigen. Hier ist das alles ganz normal.

Da die Stadt natürlich gewachsen ist, sind ihre Gassen sehr verwinkelt und da wir keinen Führer haben, gehen wir hin und wieder im Kreis. Dann hilft es einen Einheimischen zu fragen, wo denn etwa der Weg zu der großen Kirche ist, die wir suchen. Dann hat man eine gute Chance eine Zeit lang das Kreisen fortzusetzen, denn die Antwortkombi „da vorne links, dann rechts, wieder links und dann seht ihr sie eh schon“ führt genau irgendwo hin, aber nicht zum gewünschten Ort. Wir hatten aber den Eindruck, dass sich die Leute ehrlich bemühen uns den richtigen Weg zu erklären. Geschafft hat es dann eine Amerikanerin, die uns die richtige links-rechts-Kombination verraten hat.
Dazwischen spazieren wir durch Gassen, die Touristenshops enthalten. Das Angebot entspricht mehr oder weniger dem vom Blue Market in Nairobi, nur steht auf den T-Shirts halt „Sansibar“ und nicht „Kenya“. Ich kaufe mir eine kleine Schatztruhe aus Ebenholz um freundliche zehn Euro, was mich eine Viertelstunde feilschen kostet und ein paar Nerven von Thomy, der weiterziehen möchte.

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Bild: Geschäfte gibt es nicht überall, aber in ausreichender Menge um daran nicht wirklich vorbeigehen zu können.

Das nette an Stonetown ist vor allem, dass man den Eindruck bekommt, dass sich die Stadt selbst nicht so wichtig nimmt. Sie ist ein ganz normaler Ort zu leben und daher gibt es auch schönere und weniger schöne Ecken. Etwas Besonderes sind jedoch die Türen, die seit Ewigkeiten aufwändig geschnitzt werden und zu den Sehenswürdigkeiten gehören, die in keinem Reiseführer fehlen und einen guten Teil des Images von Sansibar ausmachen.

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Bild: Eine der verzierten Türen. Sie sind nicht alle in gutem Zustand und auch nicht alle gleich aufwändig, aber sie gehören zum Bild der Stadt untrennbar dazu.

Weniger schön sind die Häuser, die krampfhaft versuchen modernen Komfort mit traditionellem Aussehen zu verbinden. Das wirkt gekünstelt und schlicht und einfach schiach:

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Bild: Ein Gebäude, das mit Plastikfenstern versucht alte Fenster nachhzuahmen. Dazu die Geschwüre der Klimaanlagen.

Das wichtigste der Stadt sind jedoch ihre Menschen. Sie machen Stonetown erst lebendig und bunt und vielfältig. Als wir um eine Ecke biegen kommen uns drei junge Damen entgegen, die Rollen in der Hand tragen. Aus irgend einem Grund spreche ich sie an, was mir in dieser Sekunde als Wagnis vorkommt, denn erstens wissen wir nicht, ob das erlaubt ist, und zweitens kann ich nicht abschätzen, wie sie reagieren werden. Egal – ich frage sie, was die Rollen bedeuten und sie antworten sehr offen und freundlich, dass sie gerade ihren Abschluss einer Hochschule gemacht hätten. Ich beglückwünsche sie dazu und sie haben eine Riesenfreude.

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Bild: Als die drei weiterziehen mache ich noch ein schnelles Bild. Sie ganz normal zu fotografieren hab ich mich nicht getraut.

An dieser Geschichte können wir selbst den Kulturunterschied erkennen, aber auch, wie schnell man ihn zumindest teilweise überwinden kann. Die Brücke, die ich zu den drei jungen Damen geschlagen habe, war schmal und nicht belastbar, aber sie war da.
Leichter ist der Kontakt zu den Kindern. Es gibt sie hier in größerer Zahl und wie auf Sansibar scheinbar üblich, rennen sie hier einfach herum, stets auf der Suche nach etwas Neuem bzw. ein wenig Spaß.

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Bild: Die Kinder in Stonetown sind genauso süß wie sonst überall. Sie sind nicht verschreckt und fangen sofort an Grimassen zu schneiden und herumzutanzen, ganz wie Kinder eben. Und sie betteln nicht, wenngleich sie natürlich etwas nehmen, wenn man es ihnen gibt. Sobald sie alt genug sind, um alleine gehen zu können, sind sie auf der Straße und begleiten ihre älteren Geschwister.

Es ist sehr heiß und wir rennen schon seit gut 1,5 Stunden ohne Pause durch die Altstadt. Da kann ein kühler Drink nicht schaden und wir schlagen uns zum Meer durch, denn die Strandpromenade ist nett und dort finden wir auch ein Lokal mit ein paar Plätzen. Ich bestelle ein „Soda“ – so heißen alle klassischen Limonaden, meist mit einer Unmenge an Zucker, weswegen sie wahrscheinlich so beliebt sind.
Mein Soda ist mit Tamarindengeschmack und wird wie so viele dieser Produkte von Coca Cola erzeugt.

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Bild: Cola, nur mit anderem Aroma

Wir hängen ein wenig an der Promenade herum und beobachten drei Ausflugsschiffe, die sich dem Hafen nähern. Ihnen entsteigt eine Unmenge an Pauschaltouristen, die meisten glaube ich Italiener. Sie mieten als große Gruppe so ein Schiff und fahren damit zur Sandbank hinaus, die zwischen Ufer und Riff entstanden ist. Sie ist nicht permanent, als Ausflugsziel aber scheinbar sehr geschätzt.
Wir machen uns langsam auf den Weg zum Treffpunkt, wo Pandu auf uns warten soll. Ach ja – Katzen gibt es auch auf Sansibar und sie sind so entspannt wie die Menschen.

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Bild: eine Katze am Motorroller, nicht sehr schreckhaft.

Pandu ist pünktlich und verlässlich und so machen wir uns wieder auf den Weg nach Jambiani, voll mit einer Menge toller Eindrücke und Erlebnisse. Auf der Fahrt sehen wir LKW mit Korallenblöcken. Pandu bestätigt meinen Verdacht, dass hier sehr viel mit solchen Blöcken gebaut wird. Das gefällt mir nur bedingt, weil die Korallenriffe sind der Schutz der Insel und ich kann mir nicht vorstellen, dass die „Ernte“ dieser Blöcke sich auf uralte und abgestorbene Korallen in unwichtiger Lage beschränkt.

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Bild: Lastwägen mit Korallenblöcken als Baumaterial.

Nach einer unspektakulären Rückfahrt kommen wir am späteren Nachmittag wieder in Jambiani an und können den Rest des Tages noch nützen um ein wenig schwimmen zu gehen oder ein gutes Buch zu lesen.
Als der Abend hereinbricht machen wir uns wieder auf die Suche nach einem guten Restaurant. Die Wahl fällt auf das „Sea View“, das sich als nicht besser oder schlechter als die anderen herausstellt. So gutes Essen wie zu Mittag werden wir wohl nicht mehr bekommen.

Wieder in Afrika – Tag 14

Ich habe das Gefühl, dass die Luftfeuchtigkeit von Tag zu Tag zunimmt. Gestern gab es auch einen kurzen Regenguss und hin und wieder Gewitterwolken. Asye meint, dass die Regenzeit wohl bald kommen würde, da die sonst übliche Erfrischung nach einem Gewitter jetzt nicht mehr da wäre.

Und dann gibt es noch die Mosquitos, am ersten Abend fast keine, am zweiten sehr viele, in der dritten Nacht wieder etwas weniger. Leider schaffen sie es trotz eines sehr guten Netzes irgendwie hinein zu kommen. Sie warten dann auf der Innenseite des Netzes bis ich schlafen gehe. Dann höre ich ein vielstimmiges Sirren vor allem von außerhalb des Netzes. Als es mir zu blöd wird ständig auf Gelsenjagd zu gehen, hole ich mir einen Spray und räuchere sie aus. Tierliebe darf Grenzen kennen.
Zudem schmerzt eine Stelle am Rücken, die ich gestern vergessen habe einzuschmieren. Die Sonne ist hier so stark, dass es ohne entsprechenden Sonnenschutzfaktor (30 aufwärts) einfach nicht geht, vor allem für Bleichgesichter nach einem langen Winter.

Exkurs: Ökologie auf Sansibar
Die Menge an Plastikmüll ist hier nicht ganz so drastisch wie in Kenia, aber auch nicht sehr viel weniger. Vor allem am Strand liegt jede Menge davon herum, in erster Linie Plastikflaschen, alte Flip-Flops, Aludosen und noch einiges mehr. Ich habe niemand gesehen, der den Müll wegräumen würde, nur vor den Ressorts rechen sie den Tang weg und vergraben ihn im Sand.
Ich habe die Vermutung, dass das gleiche gilt wie in Kenia: Plastik ist irgendwie „not in their mind“, sie sehen es nicht oder es ist ihnen egal. Ich weiß auch nicht, was sie mit ihrem Hausmüll machen – wahrscheinlich landet er auf einer Deponie oder wird einfach verbrannt.
Ihr Wasser beziehen sie aus der ominösen Höhle, von der ich schon berichtet habe. Der Strom kommt angeblich vom Festland und wird über eine Untersee-Leitung auf die Insel gebracht. Wie er in Tansania erzeugt wird, konnte mir niemand sagen.
Umweltschutz ist kein wirkliches Thema, wenngleich sie immerhin für ihren Strand kämpfen, indem sie die Parzellen in der ersten Reihe an finanzkräftige Ausländer verkauft haben. Allerdings dürfen Ausländer hier kein Land besitzen und deswegen läuft das über Strohmänner – unser Pandu ist z.B. so einer.
Was mir noch aufgefallen ist: Es gibt fast keine neuen Kokospalmen. Diese prägen sehr das Bild, aber die meisten sind schon relativ groß und somit älter. Kokospalmen spenden nicht nur Schatten und liefern vielseitig verwendbare Nüsse, sondern stützen auch den Strand vor Auswaschung. Das wird in den nächsten Jahren noch ein wichtiges Thema, nicht nur hier auf Sansibar.

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Bild: Müll am Strand

Heute ist Schnorcheln am Programm. Asye hat gute Kontakte zu Captain Dulla (eigentlich Abdullah) und ich bin schon sehr gespannt, wie die Lagune aussieht. Wir fahren mit einer Dhau hinaus, das ist immer wieder eine spannende Sache, denn die Einbäume mit ihren zwei Auslegern fahren sich recht witzig. Am besten bedient man sie zu zweit und die Dinger sind immer noch so konstruiert wie schon vor hunderten von Jahren. Damals waren die Dhaus die einzigen Segelboote, die aufkreuzen konnten. Die Europäer hatten dagegen keine Chance, weil sie immer nur mit dem Wind segeln konnten.
Die optimale Zeit ist zwischen Ebbe und Flut, in diesem Fall um 09:30 am Vormittag, also nach dem guten Frühstück.
Ich habe meine eigene Taucherbrille mit (geschliffen wegen der Kurzsichtigkeit), aber keine Flossen. Dulla hat die größten mitgenommen, die er finden konnte, aber sie sind mir zu klein und nach einer halben Stunde ziehe ich sie aus und schnorchle einfach ohne Flossen weiter.
Das Meer ist ruhig und die 10 Dollar waren eine gute Investition. Ich sehe viele alte Korallenblöcke, die abgestorben sind, aber von neuen Korallen wieder besiedelt werden. Zumindest an dieser Stelle in der Lagune sieht es gar nicht so schlecht aus, auch der Reichtum an Korallenfischen ist ganz okay, wenngleich auch nichts gegen das, was es früher gab.
Irgendwann fängt es zu regnen an, was beim Schnorcheln ein witziges Gefühl erzeugt, wenn der Regen auf den Rücken prasselt. Es ist schon etwas mehr als nur ein kurzes Gewitter und als ich bei der Dhau auftauche, sehe ich Dulla wie er gerade genüsslich Zähne putzt. Sein Kollege hält derweilen unter dem Segel ein kleines Nickerchen, alles ist hier eigentlich immer entspannt, ober und unter Wasser.
Es gibt für die Schnorcheltour auch kein Zeitlimit, als ich genug habe, segeln wir einfach wieder zurück.

Am Strand kann ich mir die Seaweed-Plantage genauer ansehen. Sie wirkt zum Teil nicht sehr gepflegt und auf Nachfrage erfahre ich, dass das sehr von dem Engagement der Frauen abhängt, ob eine Plantage gut oder schlecht betreut wird. Es handelt sich dabei um einer schwierige Aufgabe: kleine Büschel werden mit Nylonschnüren an längsgespannte Trägerschnüre angebunden und wachsen dann bis zur Ernte. Kleine Ableger können als Setzlinge verwendet werden.

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Bild: Seetang-Plantage

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Bild: Einzelne Seaweed-Büschel

Exkurs: Seaweed
Mein Nachbar hat zufällig die Seetang-Projekte mit aufgebaut und mich über die Hintergründe und Details aufgeklärt. Ein Schweizer hat die Idee vor vielen Jahren nach Sansibar gebracht und längere Zeit geforscht, bis er herausgefunden hatte, welche Seetangsorte wo am besten wächst. Wobei – genau genommen sind es ja Algen.
Die größten Pflanzungen sind auf der nördlich gelegenen Insel Pemba, aber es gibt sie auch in Jambiani. Es arbeiten ca. 25.000 Frauen in der Seaweed-Industrie, insgesamt schätzt man, dass ca. 150.000 Menschen davon leben. Das ist eine Menge, doch leider ist dieses aufkeimende und eigentlich zukunftsweisende Geschäft durch die Meereserwärmung ernsthaft gefährdet.
Die ursprüngliche Herausforderung bestand vor allem darin, dass die Männer es nur sehr ungern sahen und tw. immer noch sehen, wenn die Frauen eigenständig Geld verdienen. Es dauerte lang, bis hier erste Schritte möglich waren und mit einem Boot zu den besseren Pflanzgründen hinausfahren dürfen sie bis heute nicht. Reich werden sie ohnehin nicht – für ein Paket bekommen sie gerade mal 400 Shilling, das sind ca. 20 Euro-Cent.
Es ist jedoch nicht nur die Emanzipation der Frauen, auch das Potenzial des Seetangs selbst macht den Anbau höchst sinnvoll. Er kann für viele verschiedene Stoffe als erstklassiger Ersatz dienen, nicht zuletzt für Palmöl. Hoffen wir, dass dies auch in Sansibar von den richtigen Leuten erkannt wird.

Auch heute wird die Suche nach einem offenen und guten Restaurant zur Herausforderung. Wie immer gibt es Fisch nur in kleinen Stücken und wir finden auch heraus, was dahinter steckt: In den Küchen haben sie meistens keinen Strom und nur einen ein- oder zweiflammigen Gaskocher. Sie sind logistisch einfach überfordert.
Trotzdem essen wir gut und freuen uns auf den nächsten Tag, an dem wir eine Spicefarm besichtigen werden.

Wieder in Afrika – Tag 13

Trotz Wind war es eine heiße Nacht und ein paar Moskitos haben mich auch erwischt. Dafür ist das Wetter wunderschön, das Meer rauscht nur wenige Meter weit entfernt und in der Küche wird bereits eifrig das Frühstück vorbereitet.
Wir haben in dem Haus drei Zimmer gemietet, was 135 Dollar pro Nacht kostet, ein gutes Frühstück inklusive. Dabei gönnen wir uns den Luxus von Doppelbetten, um das Geld (bzw. ein klein wenig mehr) können auch drei Pärchen übernachten. Das Haus ist traumhaft in Schuss und mehr oder weniger auf westlichen Standard gebracht. Glücklicherweise gibt es keine Klimaanlage, aber es ist so gebaut, dass die Luft gut durchziehen kann und durch das Makuti-Dach wird eine Art natürliche Klimatisierung erreicht.
Leider muss diese Art von Dach ca. alle fünf Jahre erneuert werden und deswegen können sich nur Reiche ein Makuti-Dach leisten. Alle anderen haben Wellblechdächer.
Die weniger schöne Seite von Jambiani sind die zahlreichen Ruinen, die aus ca. 50 cm hohen Mauern bestehen. Es gibt hier ein Plot-Gesetz, nach dem man ein Grundstück innerhalb einer gewissen Zeit entwickeln (bebauen) muss, weil es sonst dem Staat verfällt. Der Bau von Grundmauern genügt aber scheinbar und so sieht das oft recht trist aus.
Die Straße durch den Ort ist eine Sandpiste, es gibt keine Straßenbeleuchtung, die meisten Häuser haben aber Strom, einige auch Wasser, das angeblich aus einer Höhle kommt, die einige Kilometer entfernt ist. Über Pumpen werden zwei Leitungen bedient, und je nachdem, ob beide Pumpen gerade funktionieren, hat man Wasser oder auch nicht.

Für unser Frühstück und das Haus ist Asya verantwortlich, eine junge Frau aus dem Ort, die immer lustig ist und „Hau di iba d´Heisa“ sagen kann. Wir haben mit ihr ausgemacht, dass wir gerne frische Früchte, Tee, Kaffee, Toast und Marmelade sowie ein großes Omelett mit Zwiebel, Paprika und Paradeiser hätten.

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Bild: Asya in der Küche

Gespeist wird quasi am Strand vor dem Haus. Genau genommen ist das noch nicht der Strand, sondern eine Art erhöhter Terrasse, die aber auch aus Sand besteht plus Kokospalmen und diversen bunten Tropenpflanzen.

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Bild: Thomy kurz bevor er sich ein ordentliches Frühstück reinhaut. Danach lächelt er auch mehr.

Wenn man durch eine kleine Türe und ein paar Stufen hinunter geht, ist man direkt am Strand. Die Flut kommt auch bis zu der kleinen Mauer, die hier alle Häuser haben und ohne die es den Strand hier nicht mehr gäbe. Das liegt am gestiegenen Meeresspiegel (ca. 20 cm seit 1900 und 1,5 cm seit 2014). Die Einheimischen haben vor einigen Jahren die Grundstücke am Strand an Weiße verkauft, weil sie sich den Bau der Schutzmauern nicht hätten leisten können. Sie sind in die zweite Reihe oder noch weiter nach hinten gezogen und deswegen stehen in der ersten Reihe jetzt lauter sehr schöne Ferienhäuser plus ein paar Hotels, etliche weitere sind in Bau.

Kurz gesagt: Es ist paradiesisch schön hier. Der blütenweiße Sandstrand, das luluwarme Meer, die Kokospalmen – und das alles mit nur 1-2 Stunden Zeitdifferenz.

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Bild: Der Strand von Jambiani

Leider sind wir vielleicht die letzten, die dieses traumhafte Haus mieten können. Es gehört einem Wiener Pärchen, die es aber nach 15 Jahren jetzt verkaufen, die ersten Interessenten sind schon in diesen Tagen zur Besichtigung gekommen. Der kolportierte Preis ist übrigens 150.000 Dollar, eigentlich ein Schnäppchen, da sich das Haus in erstklassigem Zustand befindet und 5 Schlafzimmer hat, jeweils mit Bad.

Der Sandstrand selbst ist ca. zwanzig Kilometer lang und hat ein vorgelagertes Hausriff, das leider vor ein paar Jahren durch den El Ninjo hart getroffen wurde. Die meisten Korallen sind durch die Korallenbleiche zugrunde gegangen. Dazu morgen noch mehr.

Wir lassen uns das Frühstück gut schmecken und beschließen, an diesem Tag einfach herumzuhängen. Dafür bieten sich einige Strandliegen an, die unter Schirmen aus Makuti-Dach stehen, oder auch die praktische Hängematte, die ich gleich in Beschlag nehme. Hier ist alles auf relaxen ausgelegt und das nehmen wir nach der anstrengenden Safari gerne in Anspruch.

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Bild: Die Hängematte

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Bild: Die Liegen im Vorgarten

Nur herumhängen und lesen (Thomy schafft ein ganzes Buch) wird aber auch fad und so beschließen wir einen kleinen Strandspaziergang. Ich schmiere mich dazu mit Sonnencreme ein, was ich hasse, weil das Zeug den ganzen Tag an mir klebt und wenn dann noch der Sand dazu kommt… nein, das werde ich nie mögen, aber jetzt gibt es leider keine Alternative.
Es ist Mittagszeit und unglaublich heiß. Deswegen sind wir auch die einzigen Idioten, die einen Strandspaziergang machen. In der Ferne ziehen ein paar Gewitterwolken auf, die allerdings auch dort bleiben, zumindest vorerst.
Jambiani ist ein mehrere Kilometer lang gezogener Ort, am Strand befinden sich kleine Restaurants, Privathäuser und Hotels bzw. Lodges. Einige davon haben ein Swimmingpool, insgesamt wirkt es jedoch nicht sehr entwickelt, wobei sich in den letzten Jahren sehr viel getan hat. So wurde etwa die Asphaltstraße erst vor kurzem bis nach Jambiani geführt, davor war es wesentlich schwerer zu erreichen.
Am Strand finden sich ebenfalls ein paar Ruinen, darunter das älteste Hotel im Ort, das angeblich von seiner Struktur veraltet war und somit nicht mehr funktioniert hat.

Als wir zurückkommen treffen wir Juma, der gerade von seinem Rennrad steigt. Er hat ein T-Shirt vom Sport Nora in Hernals und ich bin gespannt, wie es dazu gekommen ist.
Juma ist eine Art Trainer, der hier in Sansibar Radfahrer trainiert, vor allem Jugendliche. Und er war schon ein oder zwei Mal in Österreich bzw. hat auch eine Tour durch Europa gemacht.
Er ist ein lustiger Kerl, der eines der Zimmer bewohnt und meistens 2-3x am Tag trainieren geht.

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Bild: Juma, mit echter Hernalser Kopfbedeckung

Was er genau arbeitet und womit er sein Geld verdient, habe ich leider nicht eruieren können, aber er ist hier geboren und lebt zumindest jetzt hier. Bei seinem Österreichbesuch war er Teil einer Gruppe von Rennradfahrern, die sich regelmäßig bei der Löwenbrücke (heißt in Wien auch „Schemerlbrücke“) in Döbling treffen und von dort aus Trainingstouren fahren, bis zu 200 Kilometer an guten Tagen. Sie haben das Motto „wir warten auf niemanden“ und somit war klar: wer abreisst, ist weg.
Juma kannte damals keine Berge und irgendwann war er es, der zurückblieb. „Ich war ziemlich fertig“ meinte er. Da er sich in der Gegend (westlicher Wienerwald) nicht auskannte, wollte er irgendwie zurück nach Wien finden – dass er dorthin musste, wusste er. Also fuhr er einfach drauflos bis er ein Schild fand, auf dem „Wien“ geschrieben stand.
Er folgte dem Schild und fuhr auf die große Straße, höchst erfreut, wie gut und schnell diese zu befahren war. „Ich bin noch nie in meinem Leben so schnell mit dem Rad gefahren, die Straße war perfekt dafür“ meinte er. Und er wurde auch ständig von Autofahrern angefeuert, die beim Überholen das Fenster runterkurbelten und ihm etwas zuschrieen.
Nach einiger Zeit kam dann ein Auto, das ihn abstoppte. Das stellte sich als eine Polizeistreife heraus, die von ihm wissen wollte, was zum Teufel er hier machte.
„Ich habe meine Radgruppe verloren und fahre jetzt zurück nach Wien“ meinte Juma. Er wurde dann aufgeklärt, dass er sich auf der Autobahn befände und dass das verboten sei. „Ich fahre immer auf der besten Straße, die es gibt. Bei uns in Sansibar machen das alle – Mopeds, Ochsenkarren, Lastwägen und natürlich auch Radfahrer.“
Die Überholenden hatten ihn wohl doch nicht angefeuert – diese Erkenntnis kam Juma dann auch recht bald. Die Polizeistreife googelte dann nach dem Irren, der angeblich Radfahrer wäre, da sie ihn mangels Ausweis nicht ordentlich kontrollieren konnten. Nachdem klar wurde, dass seine Geschichte stimmt und einer der Polizisten auch schon einmal auf Sansibar Urlaub gemacht hatte, bekam er keine Strafe und wurde außerdem noch von der Polizei bis zur nächsten Ausfahrt eskortiert.
„Ich mag Österreich“ meinte Juma und ich wusste, dass ich wieder eine gute afrikanische Geschichte gehört hatte.
Juma wirkt ein wenig naiv, das hat aber damit zu tun, dass das Leben in Österreich so gänzlich anders abläuft als in Sansibar. Eines Tages ging Juma zum Billa einkaufen. Er sammelte die Ware in seinen Korb und ging zur Kassa. Die Kassiererin scannte alles ein und dann erschien der Preis von 19,50 Euro am Display.
Juma zog seine Börse und meinte, er wäre bereit 6 Euro zu bezahlen. Die Dame an der Kassa war erstaunt und entgegnete, dass das ein fixer Preis sei und nicht verhandelbar. Also bot ihr Juma 8 Euro, um noch ein wenig erhöhen zu können (er hatte 10 Euro eingesteckt).
Irgendwann wurde ihm klar, dass das so nicht funktioniert und dass er wohl nur das mitnehmen kann, was dem Wert von 10 Euro entspricht. In Sansibar läuft das nun einmal anders, da muss man immer bei allem verhandeln.

Es gibt in Jambiani nur ganz wenig Infrastruktur, eine Handvoll kleiner Läden, in denen man das Allernötigste für den Haushalt kaufen kann, auch Fruchtsäfte, die wir dringend brauchen um unsere Sundowner zu mixen – wir hatten vorsichtshalber zwei Flaschen Kenya Cane mitgenommen, weil irgendjemand geschrieben hatte, dass man auf der rein muslimischen Insel keinen Alkohol bekäme, zumindest keinen Schnaps.
Die Fruchtsäfte stellen sich als Nektar heraus, also eher wenig Früchte bei eher viel Wasser und Zucker, kein Vergleich mit dem, was man in Kenia bekommt.
Bier erhält man in den Restaurants schon, bei manchen steht es aber nicht auf der Karte, weil es offiziell nicht erlaubt ist.

Am Abend besuchen wir ein anderes Restaurant und merken, dass man Fisch scheinbar nur in kleinen Stücken bekommt. Eigentlich wollten wir einen ganzen Fisch essen, den wir uns vorher zeigen und dann zubereiten lassen. Das funktioniert aber aus unerfindlichen Gründen nicht. Fisch ja, ganze Fische nein. Dazu bekommt man Fritten, Reis und Gemüse – alles gut, aber ohne jede Raffinesse. Ich finde das schade, denn die Speisekarten sind leider sehr westlich orientiert und ich hätte gerne das, was die Einheimischen essen.
Zumindest heute sollte ich dazu leider keine Gelegenheit bekommen.

Wieder in Afrika – Tag 12

Ich bin auch ohne Wecker wach, bereits um vier Uhr, genauso wie Philipp und Thomy. Wir haben bereits alles gepackt und ich marschiere ein paar Meter nach vor zum Schranken, wo der Taxifahrer bereits auf uns warten müsste.
Tut er aber nicht – okay, er hat noch fünf Minuten Zeit. Wobei, so genau darf man das mit der Zeit bei den Afrikanern nicht halten, wie ich ohnehin schon öfter berichtet habe. Andererseits halten sie es am Flughafen sehr genau mit der Zeit und weil es ein „International Flight“ ist, müssen wir zwei Stunden vorher dort sein. Da ich über die „Precision Air“ nicht allzu viel Gutes gehört und gelesen habe, möchte ich lieber kein Risiko eingehen, so à la „der Flug ist überbucht und Sie sind leider zu spät hier“.
Es wäre also sehr fein, wenn der Taxifahrer pünktlich wäre, vor allem, weil er es inzwischen ohnehin nicht mehr ist, denn es ist schon 04:40 Uhr und er ist immer noch nicht da.
Die Securities am Schranken bieten mir einen Platz auf ihrer Bank an, was sehr nett ist, mir aber auch nicht weiter hilft. Also rufe ich den Typen an. Es läutet, dann hebt jemand ab und gähnt in den Hörer. Jemand, der offensichtlich gerade tief geschlafen hat.
Mir schwant Übles und ich frage ihn, wo er bleibt. Nach ein wenig Herumgestottere meint er, dass wir doch erst für morgen ausgemacht hätten.
Meine Stimme wird etwas lauter und ich frage ihn, ob er ein klein wenig deppert ist, denn es war sicher nie von morgen die Rede.
All das hilft uns aber jetzt nicht weiter. „Wann kannst du da sein?“ ist die entscheidende Frage, denn das hängt davon ab, von wo er wegfährt.
Er meint, dass er in zwanzig Minuten hier wäre.
Ich weiß nicht, ob ich ihm das glauben kann und bestehe noch darauf, dass er blitzschnell ist und tatsächlich nur zwanzig Minuten braucht.
Die Securities grinsen und meinen, 20 Minuten können auch eine Stunde sein, oder so. Und sie fragen mich, ob ich nicht ein Uber rufen könnte. Da ich nicht einmal wusste, dass es in Nairobi Uber gibt, fällt diese Möglichkeit flach und ich überlege fieberhaft, welche Alternativen wir noch hätten, während Minute um Minute vergeht.
Unser Torwächter in den Lake View Studios meint, er hätte auch noch 2-3 Nummern von Taxlern, aber die würden ebenfalls 20 bis 30 Minuten brauchen um herzukommen. Das hilft mir auch nicht weiter, genauso wenig wie die beruhigenden Worte des Torwächters, dass sich das alles schon noch irgendwie ausgehen würde.
Entspannt ist anders, und das alles zur wohl denkbar schlechtesten Gelegenheit. Ich beschließe mich einfach in das Schicksal zu fügen und zu hoffen, dass der Fahrer tatsächlich bald auftaucht.
Ein Auto biegt unten von der Hauptstraße ab und kommt zu uns herauf. Ich will schon jubeln, da meinen die Securities, dass das leider nicht mein Taxi wäre.
Also weiter warten. Minuten verrinnen. Es ist 05:10 und um 05:30 müssen wir am Flughafen sein. Das geht sich nicht mehr aus.
Plötzlich noch ein Auto – und tatsächlich, das ist unser Fahrer. Ich überlege, wie heftig ich ihn schimpfen soll, damit er einerseits genügend Gas gibt und andererseits nicht zu waghalsig fährt.
Scheinbar treffe ich die richtige Mischung und wir starten los. Glücklicherweise sind die Straßen um diese Zeit komplett frei und wir sind in wenigen Minuten unten am Uhuru Highway, den der Taxler mit 120 nimmt – mitten in der Stadt, wohlgemerkt.
Auch die Schnellstraße zum Flughafen ist relativ unbefahren und der Taxler schlängelt sich zwischen LKW und dem einen oder anderen unbeleuchteten Ochsenkarren durch, alles mit einem gepflegten Hunderter.
Dann kommen wir zum Flughafen und ich sehe eine Art Mautstelle mit 5-7 Schaltern, an denen je eine Kolonne steht. Der Fahrer erklärt uns, dass wir hier aussteigen und durch eine spezielle Kontrolle gehen müssten. Nur der Fahrer darf im Auto bleiben.
Das ist neu und damit habe ich nicht gerechnet, andererseits haben wir bei der Fahrt gut Zeit aufgeholt.
Wir hirschen durch die Kontrolle, steigen wieder ein und fahren zum Check-in. Dann funktioniert glücklicherweise alles weitgehend reibungslos, zumindest für kenianische Verhältnisse. Gezählte sechs Passkontrollen später haben wir es geschafft und sind im Abflugbereich.
Wir haben noch fast zwei Stunden Zeit und investieren die letzten Kenia-Shillinge in ziemlich trinkbaren Kaffee der inzwischen sehr weit verbreiteten Kaffeehauskette „Java“, vergleichbar mit unserem Starbucks, nur afrikanischer. Immer wieder spannend ist die unglaubliche Vielfalt an schrägen Typen, die hier herumsitzen. Vom Käptn Iglo in voller Safarimontur über dicke Mammies mit noch dickeren Kindern bis zu einer großen Menge an Chinesen, die wohl in diesen sterilen Fabriken arbeiten, die wir des öfteren gesehen haben. Man hat das Gefühl alle schrillen Vögel dieser Welt sind am Jomo Kenyatta Airport in Nairobi, und zwar immer dann, wenn wir gerade fliegen.

Tatsächlich fliegen wir mit Kenyan Airways, weil es sich hier um einen Codeshare-Flug handelt, der leider nicht direkt nach Sansibar geht, sondern eine Zwischenlandung am Kilimanjaro-Airport einlegt.
Das stört uns aber nicht, denn jetzt sollte nichts mehr schief gehen und ob wir ein wenig länger brauchen oder nicht, ist egal.

Der Flug verläuft angenehm, Kenyan Airways erweist sich als eine durchaus brauchbare Fluglinie, zumindest bei diesem Linienflug.
Nicht ganz so angenehm ist der Blick auf den Kilimanjaro, denn was ich befürchtet habe, ist Fakt geworden: Kein Eis mehr auf einem der schönsten Berge der Welt.

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Bild: Der Kili ist nahezu eisfrei

Schon vor elf Jahren, als ich das letzte Mal oben war, war die verbliebene Eismenge der wenigen Gletscher bereits enorm geschrumpft, aber jetzt sind nur mehr winzige Reste zu erblicken.
Angesichts dieser Entwicklung der Klimawandel zu leugnen kann wirklich nur mehr Fanatikern einfallen. Nun könnte man ja sagen: wurscht, wozu braucht man einen Gletscher? Leider hat die Entwicklung verheerende Folgen für das Umland des Kili, das von seinen Wasservorräten am Leben gehalten wird: Land- und Forstwirtschaft, genau genommen die wirtschaftliche Existenz von sehr vielen Menschen. Ohne Gletscher wird sich hier alles verändern und zwar ziemlich schnell.
Mir ist klar, dass auch mein CO2-kompensierter Flug zu dieser Entwicklung beiträgt, diskutieren kann man maximal über das „wie viel“. Vielleicht sollte man die CO2-Kompensation einfach auf alle Flugpreise drauf schlagen, bei den Witzpreisen, zu denen man heute überall hin fliegen kann, wäre das absolut angemessen. Ob das wirklich was hilft, kann ich auch nicht sagen, es würde aber zumindest ein Bewusstsein wecken und vielleicht fragen sich dann manche, ob man wirklich für den Einkauf eines Kleides nach New York fliegen muss.

Der Aufenthalt am Kilimanjaro-Airport ist kurz und trotzdem versäume ich die Gelegenheit auf´s WC zu gehen. Als wir zur Startbahn rollen, drückt es schon ordentlich (jaja, der Cappuccino…) und ich rechne mir aus wie lange es dauern wird, bis die Reiseflughöhe erreicht wird und ich mich erleichtern kann.
In der Kenyan Airways sehen sie die Vorschriften allerdings eher locker und das Anschnallzeichen erlischt noch während wir im vollen Steigflug sind. Ich pinkle zwar etwas schief, aber das ist mir egal.

Dann das Meer und kurz danach Sansibar. Wir fliegen mitten über die Stadt und es ist gut zu erkennen, wie unglaublich verhüttelt Sansibar Town ist, von oben sieht man eine wahre Wellblechdach-Orgie.
Der Flughafen ist winzig und wir marschieren vom Flugzeug zur Ankunftshalle, die tatsächlich aus genau einer Halle besteht, mit drei Gepäckbändern und ein paar gelangweilten Securities.
Einer ist sogar so gelangweilt, dass er vergisst von Thomy die 50 Dollar Visumgebühr zu kassieren und so sparen wir gleich zu Beginn wieder etwas Geld. Eigentlich ein netter Empfang, denn man braucht zur Einreise eine gelbe Impfkarte, die ich nicht habe. Aber auch das sehen die hier locker, die Impfkarte von Thomy reicht für uns beide.
Trotz der Nähe zum Meer ist es hier unfassbar heiß, ich schätze so um die 40 Grad. Draußen vor der Halle wartet schon Pandu, unser Fahrer. Vorher marschiere ich aber noch zum Office von Precision Air, um zu fragen, ob wir nicht doch die doppelt gebuchten Flüge zurückerstattet bekommen könnten.
Das Büro ist gut klimatisiert und mir wächst eine Kältefaust ins Gesicht. Die Dame von Precision Air ist sehr nett, kann mir aber auch nicht weiter helfen. Aber sie gibt mir die Telefonnummer eines Kollegen, den ich anrufen soll. Ihm könnte ich meinen Fall schildern und er wäre genau der Richtige.
Wir ziehen von Dannen, ducken uns erfolglos vor der Hitzefaust im Freien und noch einmal vor der Kältefaust der Air Condition in unserem Bus.

Pandu ist ein witziger Typ und wird die nächsten Tage unser Fahrer sein. Sein Automatik-Minibus ist top gepflegt und ich bin mir nur nicht sicher, ob ich die Klimaanlage mag. Einerseits ist es unglaublich heiß, andererseits weiß ich, dass ich Klimaanlagen nicht vertrage. Manchmal hol ich mir eine Verkühlung schon nach wenigen Minuten. Ich kann es Thomy und Philipp aber nicht antun das Abschalten der Klimaanlage zu verlangen.
Wir fahren durch Sansibar Town und bleiben beim Gemüsemarkt stehen, um für die nächsten Tage Obst und Gemüse für unser Frühstück einzukaufen. Pandu fragt uns, was wir gerne essen und kauft das dann frisch ein.

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Bild: Bunte Farben an einem der Gemüse- und Obststände

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Bild: Frischer Thunfisch

Danach fahren wir Richtung Süden und halten nur noch kurz um Geld zu wechseln. Das spielt sich genau so ab, wie man es sich vorstellt. Pandu schleppt uns in eine dunkle Gasse in ein noch dünkleres Geschäft, in dem ein wirklich dunkler Typ sitzt, eine Art Padrone. Bei ihm kann man nicht nur alle möglichen Waren einkaufen, sondern auch Geld wechseln, mehr oder weniger offiziell. Rechnung gibt es keine, aber wir bekommen einen ganz guten Kurs und Pandu wird schon irgendwie mitschneiden.
Es geht weiter und Philipp bekommt das erste Mal feuchte Augen. Egal wohin er schaut – hier fahren überall Unmengen an LML-Rollern herum. Dazu muss man wissen, dass Philipp selbst LML-Händler ist (ihm gehört das Rollerkabinett in der Kreuzgasse in Währing). Sansibar stellt sich als der Traum aller LML-Händler heraus, auf dieser kleinen Insel wurden wahrscheinlich mehr Roller verkauft als in ganz Europa zusammen. Pandu gibt uns später die Info, dass so eine LML hier als Neufahrzeug 1.000 Dollar kostet. Bei uns ist man mit 2.500 Euro dabei, bekommt dafür allerdings Getrenntschmierung und vorne eine Scheibenbremse.

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Bild: Ein paar von einer gefühlten Million LML-Roller

Sansibar ist komplett flach, die größte Erhebung wird ca. 30 Meter hoch sein. Die Insel ist ausgesprochen fruchtbar und wir fahren auf einer sehr gut ausgebauten Straße in den Süden nach Jambiani, einem Küstenort im Südosten, der uns von mehreren Freunden wärmstens empfohlen wurde. Die Fahrt dauert ca. eine Stunde und kostet uns 50 Dollar.
Dafür bekommen wir von Pandu auch jede Menge wertvolle Informationen und haben eine recht entspannte Fahrt, unterbrochen nur durch eine kurze Pause.

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Bild: Wir halten um ein klein wenig Stoffwechsel zu betreiben: Pinkeln im Wald, eine King-Coconut bei einer netten Verkäuferin am Straßenrand.

Schon im Verkehr zeigt sich, dass die Menschen in Sansibar ziemlich relaxed sind, man fährt nicht aggressiv und rast auch nicht wie bei uns. Bis auf einen kleinen Stau im Zentrum der Hauptstadt hält sich der Verkehr auch sehr in Grenzen. Viele grüßen einander und Pandu dürfte mit allen Polizisten der Insel gut befreundet sein.
Jambiani selbst ist ein interessanter Ort, der aus zwei Teilen besteht – die Häuser in der ersten Reihe am Meer gehören Weißen und sind meist sehr schön mit den berühmten Makuti-Dächern (Palmblätter auf Holzdachstuhl, alles sehr luftig), dahinter sieht es nicht sehr schön aus.
Unser Haus ist ein Traum und wir befinden uns schlagartig im Tropenparadies. Davon werde ich morgen noch mehr berichten.

Am Abend stehen wir noch vor dem Problem, wohin wir essen gehen sollen bzw. können. Wir befinden uns bereits in der Nachsaison und viele Restaurants haben geschlossen oder sehr eingeschränkten Betrieb. Wir entscheiden uns für ein Hotel, dessen Restaurant im 1. Stock liegt. Sie haben kaltes Bier und eine reichhaltige Speisekarte. Ich wähle Lobster Thermidor, den ich seit vielen Jahren nicht gegessen habe. Das kostet 22.000 Tansania-Shilling, was umgerechnet 10 Euro sind, das Bier kostet dafür 2 Euro – was für ein Verhältnis!

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Bild: Lobster Thermidor – die Portion ist nicht sehr groß, der Preis auch nicht.

Als wir gegen 22 Uhr nach Hause gehen, ist am Strand bereits Ebbe und wir können gemütlich bis zu unserem Haus wandern. Der erste Eindruck von Sansibar und Jambiani ist ein sehr guter und als Tagesabschluss weht auch noch ein kräftiger Wind, der böse Gedanken und die größte Hitze plus die Moskitos vertreibt (auf Sansibar gibt es sowieso keine Malaria), quasi als Gute-Nacht-Geschenk, das wir gerne annehmen.