Die ganze Welt ist eine Werbeplattform!

In der Werbebranche wird gejammert, dass die Konsumenten immer weniger auf Werbung reagieren. Es wird aber nicht nur gejammert, sondern man erfindet neue Formen bzw. „verbessert“ alte.

Das Ziel: Doch noch Aufmerksamkeit zu erregen (wirkt auf mich schon etwas händeringend: bitte, bitte, bemerkt doch unsere neuen Werbungen – „kauft doch“ trauen sie sich eh schon fast nicht mehr sagen), aus der Flut der anderen Werbungen herauszustechen, nach dem allerletzten USP zu suchen.

Hier eine Zusammenfassung der Trends und Initiativen:

1.) Größer, NOCH GRÖßER – wenn das Kleine nicht mehr wirkt, macht man es größer, dann sollten die Konsumenten es doch bemerken. Beispiel: Die Trevision-Fassadentapete – Häuserfassaden werden großflächig angepinselt oder mit mobilen, eingefärbten Stoffbahnen versehen. Ein anderes Beispiel sind „Inflatables“, also überdimensionale Plastikpuppen, die im Wind wackeln und durch Größe und Bewegung für Aufmerksamkeit sorgen sollen. Allen bekannt sind die sogenannten „Megaboards“, wo allein der Name schon ausdrückt, dass der Effekt durch die Größe erzielt werden soll.

2.) Neue Flächen finden – Beispiele sind:

Parkhäuser (dort wird das „Kommunikationsflächen“ genannt)

Supermarktkassen (der berühmte Point Of Sale), Einkaufswagerl,

WCs (der Point Of Shit sozusagen, also Werbung am Häusl – in der Fachsprache „Real Live Marketing“ – die Werbefachleute sind ganz begeistert und schwärmen vom „werbearmen Umfeld“, in dem eine „hohe Aufmerksamkeit garantiert wird“ und die Zielgruppe „punktgenau und ohne Streuverlust“ erreicht wird),

Autos (LaudaMotion als Beispiel),

Wartezimmer bei Ärzten und in Gesundheitszentren (sehr fies, da muss man hin und kann irgendwie nicht aus),

Bahnhöfe (ich frage mich, wann die Friedhöfe entdeckt werden),

Haltestellen (die Werbebildschirme werden „Infoscreens“ genannt und man bildet sich ein, dass man deswegen von den Konsumenten als „Informationsmedium“ wahrgenommen wird. Jubelschreie über die Reichweite ertönen – kein Wunder, man zählt einfach, wie viele Leute an einer U-Bahn-Haltestelle stehen, summiert das und hat die Reichweite, ganz egal, ob die das wahrnehmen oder nicht)

Musikfestivals (eh schon immer, aber jetzt wird großflächig geworben, mit Netzen vor den Lautsprecheranlagen, so dass man gar nicht mehr vorbeischauen kann)

3.) Alle Sinne ansprechen – Werbeflächen werden mit Düften versehen (irgendwie stinkt mir das) und die Lautsprecherwerbung in den Supermärkten wird immer penetranter und lauter (oder bilde ich mir das nur ein?), „alles da, da, da“ plärrt es mir in Dauerberieselung im Interspar entgegen, was meine Halbwertszeit im Supermarkt deutlich reduziert (so schnell wie meinereiner schafft es inzwischen niemand durch die Gänge zu flitzen!) In der Fachsprache werden diese penetranten Methoden übrigens „intelligente Werbemittel“ genannt und man bildet sich ein, dass die Kunden so noch vor dem grandiosen, eigentlichen Einkaufserlebnis bereits auf ebendieses „eingestimmt“ werden. Bei mir löst das übrigens Ver-stimmung aus.

Die Werbebranche jubelt: Leere Flächen gäbe es noch genug!

4.) Aktiv auf die Menschen zugehen – man bekommt an jedem Eck einen Flyer in die Hand gedrückt, der irgendwas bewirbt. Bewirken tun diese Flyer meist übervolle Papierkörbe in der Verteilungsumgebung.

Ich habe das Gefühl, dass bald die halbe Welt bunt angepinselt, „gebrandet“, beklebt, beduftet bzw. bestunken und beschallt wird – und hoffe, dass sich dieser Trend nicht durchsetzt. Mir persönlich geht das eher auf die Nerven, als dass es mich dazu anregt, die Produkte zu kaufen, die da beworben werden.

Aber vielleicht bin ich ja nicht die Zielgruppe.

Was die Werber vergessen oder gerne übersehen: Mehr und größer bedeutet nicht besser. Zitat von Mark Twain: „Als wir den Weg aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen“ – irgendwann tritt auch bei Riesenplakaten oder Multi-Sinnes-Bombardierung eine Sättigung ein, man nimmt das dann einfach nicht mehr wahr. Vielleicht sollte man über die Sinnhaftigkeit nachdenken, vielleicht führt ja die Krise auch zu einer quasi „natürlichen“ Reduktion des Irrsinns.