Das Grauen der Publikumsrunde bei Vorträgen

Nach mehrfachen Schreckenserlebnissen muss ich einfach berichten: Es gibt fast nichts Schlimmeres als das Rudel der schrägen Vögel, die nach einem Fachvortrag gierig auf das Mikro warten, um ihre Lebensgeschichte zu erzählen.

Erst gestern hatte ich wieder das zweifelhafte Vergnügen. Im Anschluss an den hervorragenden, kurzweiligen und spannenden Vortrag von Volker Plass („Peak Oil“ und die Folgen) schwante dem Moderator (selbst eher ein Schwafler) schon, mit welchen Brüdern er es gleich wieder zu tun hätte und er merkte an: „Bitte Fragen stellen und keine Co-Referate“).

Es nützte nichts, es nützte gar nichts. Schon der erste hatte viel zu erzählen, aber keine Frage parat, dafür 17x das Wort „ich“ im Gepäck. Danach wurde es nicht besser, meist ist bei den ersten Worten schon klar, was jetzt kommen wird, vor allem wenn die Meldungen mit „Mein Name ist Diplom-Ingenieur XY“ beginnen.
Es ist eine Qual, ihnen zuzuhören, weil sie mir die Zeit stehlen, weil sie keinerlei Fragen stellen, sondern nur eine Bühne suchen, auf der sie ein wenig Aufmerksamkeit haschen können.
Sie sind die
…zu früh in Pension Geschickten, denen jetzt ständig fad ist;
…nicht mehr Gebrauchten, die irgendwo mitreden wollen;
…Einsamen, die Gesellschaft suchen;
…Missverstandenen, denen sonst meist aus gutem Grund keiner zuhört;

Sie alle nehmen ihre Umwelt nicht mehr wahr, wenn sie das Mikro haben und sie geben es auch freiwillig nicht mehr her. Sie wissen, dass man es ihnen wahrscheinlich nicht mit Gewalt wegreissen wird und es ist ihnen komplett egal, ob ihr Gesülze die anderen Anwesenden interessiert. Es ist ihnen auch egal, ob sie selbst damit zu Fragenräubern werden, denn sie rauben die Zeit, die andere für gute, zum Thema passende Fragen brauchen würden. Sie nehmen sich die Bühne, weil zumindest der Vortragende gezwungen ist, ihnen zuzuhören. Selbst wenn das Publikum den Saal verlässt (was aus missverstandener Höflichkeit selten passiert), reden sie einfach weiter.

Die Moderatoren sind meist freundliche, ältere Herren, deren Kompetenz nach der Freundlichkeit jedoch abrupt endet. Sie sind heillos überfordert und überlassen den Selbstdarstellern einfach die Bühne. Diese wiederum hören erst auf, wenn ihnen die Luft ausgeht.
Wenigstens wollen sie keine Antwort auf ihre Nicht-Fragen.

Bitte, so rufe ich ihnen flehentlich zu: erzählt das doch daheim eurem Bier oder irgend einem Baum im Wald. Danke!