Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 5 – Ich will gutes Essen

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der fünfte Grund an der Reihe, es geht um´s Essen.

Immer wieder sind TV-Dokus der Auslöser für meine Gedanken hier im Weblog. Diesmal ist es ein erschütternder Film über Hunger im reichsten Land der Welt, in den USA. Dort hungern halb so viele Menschen wie Deutschland Einwohner hat. Also zwischen 40 und 50 Millionen. Mit anderen Worten: Jeder sechste US-Bürger (und -innen selbstverständlich) weiß regelmäßig nicht woher er die nächste Malzeit nehmen soll bzw. leidet echten Hunger. Der Grund dafür ist Armut, denn verfügbare Nahrung gibt es genug.
Zyniker sagen jetzt, dass diese Menschen faul und dumm sind und es nicht anders verdienen, dass es also gerecht und in jeder Hinsicht in Ordnung ist, dass diese Menschen zu wenig Geld haben.
Ich kann mich da leider nicht anschließen. Für mich ist das ein politisches Problem, oder anders ausgedrückt: dieser Hunger ist gemacht und gewollt, zumindest aber geduldet.
Wer sind nun die Nutznießer dieses Hungers? Für die Antwort braucht man sich nur anzusehen, wer daran verdient. Das sind in erster Linie die Produzenten minderwertigen Essens (Nahrung will ich das ganz bewusst nicht nennen), die daraus Profit schlagen. Je schlechter die Qualität, desto billiger lässt es sich erzeugen und desto schädlicher ist es für die Menschen. Ach ja, und desto mehr Profit bringt es. Dieser Profit dient allen möglichen Zwecken, eines jedoch tut er auf gar keinen Fall: den Hunger lindern.
Chips statt Gemüse, Limo statt Früchten – so in etwa kann man die Ernährungsgewohnheiten armer AmerikanerInnen beschreiben. Die Konzerne tun ihr möglichstes um diesen Zustand auszuweiten: Die Preise für frisches Obst und Gemüse sind in den USA seit den späten 1980ern um 40% gestiegen. Die Preise für industrielle Lebensmittel sind hingegen um 40% gefallen.
Um drei Dollar bekommt man 312 Kalorien gesundes Essen oder 3.767 Kalorien industrielle Nahrung.

Erster Gewinner ist die Agrarindustrie, zweiter die Verpackungsindustrie und dritter Gewinner die chemische Industrie. Diese Industriezweige haben ihre Lobbys in der Regierung und sorgen penibel dafür, dass ausschließlich die großen Konzerne Subventionen bekommen. Seit 1995 ist so eine Viertel Trillion (!) US-Dollar an diese Industrie geflossen. Das ist die erste Abwärtsspirale.
Das ist Steuergeld, das den Menschen am anderen Ende fehlt. Sie können sich so nur mehr Junk-Food kaufen, und zwar genau das Zeug, das von den Konzernen erzeugt wird, die die Subventionen erhalten. Der Weg zu gesunder Nahrung ist ihnen versperrt. Sie ernähren sich schlecht und werden daher dick und krank. Weil sie kein Geld haben, können sie sich auch nicht die (in den USA privatisierte) Bildung kaufen, die ihnen sozialen Aufstieg zwar nicht garantiert, aber leichter machen würde. Das ist die zweite Abwärtsspirale.

Übrigens ist auch das Transportsystem clever durchdacht und dient der Industrie: Kleine LKW sind teurer und große können nur bestimmte Orte anfahren um zu liefern. Daher profitieren nur die großen Betriebe in der Produktion und im Verkauf von billigem Transport. Das macht gesundes Essen noch teurer und schlechtes billiger. Dazu kommt noch, dass in den kleineren Ortschaften die Läden nur mehr Industrieprodukte verkaufen (Bier, Limo, Chips, Kuchen) und man für hochwertige Nahrung entweder lange mit dem Bus oder mit dem Auto fahren muss. Menschen, die wenig verdienen, müssen meist im Gegenzug sehr lange arbeiten und haben nicht die Zeit um gutes Essen einzukaufen, ganz abgesehen davon, dass ihnen dafür auch das Geld fehlt.
44 Millionen Amerikaner nutzen die US-Lebensmittelbeihilfe (Lebensmittelmarken), jedes zweite Kind in den USA braucht sie während seiner Kindheit zumindest einmal.
Für die Kinder ist der Hunger besonders schlimm, denn sie gehen zwar meistens in die Schule, können dort aber dem Unterricht vor lauter Hunger nicht folgen. Außerdem führt die Mangelernährung zu frühkindlichen Gesundheitsproblemen, die sie ihr ganzes späteres Leben mit herumschleppen.

Jedes dritte Kind, das im Jahr 2000 in den USA geboren wurde, ist an Diabetes erkrankt oder wird daran erkranken.

Diese Menschen sehen wir nicht, wenn wir dort Urlaub machen und sie kommen in den Nachrichten aus USA nicht vor. Sie haben weder eine Lobby noch die Mittel um sich medial bemerkbar zu machen.
Die US-Regierungen seit Ronald Reagan haben keinerlei Interesse dieses Thema aufzugreifen. Nein, auch Barack Obama nicht. In seiner Präsidentschaft stieg der Hunger zwar nicht mehr so rasant wie unter George Bush jun., aber immer noch merklich an.
Bis Ende der 1970er war das Hungerproblem fast zur Gänze beseitigt. Dann kam Reagan und gewährte den großen Konzernen Steuererleichterungen. Dadurch sanken die Einnahmen des Staates und die Anti-Hunger-Programme wurden beschnitten oder beseitigt. Dann wurden noch die Rüstungsausgaben erhöht und zwar um den Preis weiterer Senkungen in den Sozialprogrammen.

Daher meine politische Forderung: Agrarsubventionen sollten der Ernährungsgesundheit dienen und nicht wenige reiche Menschen noch reicher machen. Und ich will nicht, dass wir einmal so schändlich enden wie die USA. Sie ist Schlusslicht aller Industriestaaten weltweit punkto Ernährungsunsicherheit (= Hunger).

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