Secret Island

Also genau genommen heißt die Insel ja Zirje, aber irgendwie klingt das sehr unspektakulär.
Wir befinden uns mitten in Dalmatien und die Insel ist ca. zwölf Kilometer lang, hat ein paar kleine Orte und jede Menge Felsbuchten – so wie hunderte andere Inseln in Kroatien.

Ich bin zum Tauchen da und möchte den einzigen Urlaub des Jahres genießen, immerhin fünf Tage – wenn auch inklusive Hin- und Rückfahrt, wobei wir auch gleich am Beginn des Reiseberichts sind.
Ich war seit zwei Jahren nicht Tauchen und als mir Werner letzten November die E-Mail schickte, zögerte ich nicht lange, vor allem weil der Preis (499,- Euro) ausgesprochen akzeptabel war.

Abfahrt drei Uhr früh – nicht gerade meine Zeit, aber um elf Uhr ist Treffpunkt in der Marina von Tribunj und von dort geht es mit dem Schiff nach Zirje. Die Fahrt nach Bruck an der Mur verläuft unspektakulär und nachdem ich das Auto abgestellt habe, fahren wir mit drei Autos Richtung Kroatien – neun SteirerInnen und meine Wenigkeit. Am Zielort werden wir noch drei TirolerInnen treffen, insgesamt dreizehn Personen, davon neun mit Tauchambitionen.

Gelernte Österreicher schimpfen gerne über Autobahnmaut, aber Slowenien und Kroatien sind auch nicht gerade billig, bieten dafür jedoch ebenfalls gute Autobahnen. Vor allem das letzte Stück, das spektakulär die enorme Kante von den Bergen hinunter zum Meer überwindet, kann nicht billig gewesen sein.
Das Wetter ist durchwachsen und eher kühl, ändert sich aber sobald wir uns dem Meer nähern. Von den Bergen bläst die Bora und auf der Autobahn ist eine windbedingte Geschwindigkeitsbegrenzung von 40 km/h.

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Bild: Tribunj

Tribunj liegt zwischen Zadar und Sibenik und ist ein netter kleiner Ort mit einer Marina, in der auch unser Tauchboot liegt. Es ist ein ehemaliges Rettungsboot, das 1945 gebaut wurde, jahrelang am Grund des Meeres lag, dann aber eine zweite Chance bekam. Der alte Perkins-Dieselmotor lag ebenfalls jahrelang unter Wasser, was ihn aber nicht sonderlich beeindruckt hat. Angeblich hat die Maschine 75 PS, tuckert aber trotzdem nur sehr gemächlich dahin, die Fahrt von der Marina zur Insel dauert so knapp zwei Stunden.
Damit ist auch klar, dass das Tauchrevier eng begrenzt ist und sich hauptsächlich rund um unsere Bucht erstrecken wird.

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Die Tauchbasis wird von Marin und seiner Frau Sanja betrieben.

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Bild: Marin am Steuerstand des Tauchboots

Er ist ehemaliger Soldat, sie studiert Jus und gemeinsam haben sie zwei Kinder, die jedoch während der Arbeitswochen ausgelagert sind. Dazu gibt es noch eine Aushilfe für den Service und eine Köchin. Die Basis liegt malerisch in einer Bucht, die sehr gerne von Seglern angelaufen wird. In den Nächten lagen meist zwischen zehn und fünfzehn Segelboote an den zahlreichen Bojen. Die Bucht ist nicht billig und jeden Abend fährt der Zahlmeister mit dem Motorboot von Segler zu Segler und kassiert die Übernachtungsgebühren.

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Bild: Die Tauchanzüge hängen parat für den nächsten Tauchgang

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Bild: Die Bucht mit ein paar Segelschiffen

Diese sind nicht billig, aber die Bucht dürfte günstig liegen und so macht die Tauchbasis samt angeschlossenem Restaurant in den Sommermonaten ein gutes Geschäft.
Wir sind die vorletzte Tauchergruppe in dem Jahr, nach der letzten wird Ende September die Basis bis zum nächsten Frühling komplett zugesperrt.

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Bilder: Das Restaurant

Das Essen ist gut und für uns ist die Atmosphäre sehr familiär – man hilft beim Abräumen und diskutiert gemeinsam, was es am nächsten Abend Gutes gibt.
Die Zimmer sind okay, leider holt uns hier die südländische Schlampigkeit ein, mit der wir zwar irgendwie zurecht kommen, die aber manchmal einfach nur nervt. Mitten in der Tauchbasis gibt es einen Schacht, in dem das Wasser steht. Das ist die Brutstätte für Gelsen – vollkommen unnötig, auf dieser wasserarmen Insel wäre es ein Leichtes vollständig ohne die Plagegeister auszukommen. Ein Netz über den Schacht und alles wäre erledigt. Oder wenigstens Moskitonetze an den Fenstern. Selbst einfache und billige Lösungen werden einfach nicht umgesetzt, obwohl man mit wenig Aufwand allen künftigen Gästen ruhige Nächte ermöglichen könnte. Da in der Nacht der Generator abgeschaltet wird, gibt es auch keinen Strom für Gelsenstecker.
Das mit dem Strom und dem Wasser ist überhaupt so eine Sache. Ersteren gibt es nur in der Früh und am Abend und somit ist sonst Pause für alle elektrischen Geräte. Die Küche kocht mit Gas und irgendwie funktioniert das alles eh ganz gut. Auch Wasser hatten wir genug, es wird mit einem Tankschiff auf die Insel gebracht und man bittet uns sparsam zu sein. Die Dusche ist aber okay und der Komfort aus meiner Sicht vollkommen ausreichend.
Regenwasser aufzufangen und zu nützen ist ihnen noch nicht eingefallen – obwohl es durchaus immer wieder regnet.

Weil wir pro Tag nur eine Ausfahrt mit dem Tauchboot machen, sind die Nachmittage frei für Erholung, das eh selten mögliche Nichtstun oder einen Spaziergang auf der Insel. Ich nütze die Gelegenheit jeden Nachmittag und erkunde das zwölf Kilometer lange Zirje, auf dem es genau eine Asphaltstraße gibt. Sie führt von Nord nach Süd und ist in sehr gutem Zustand, wohl auch weil sie selten befahren wird.

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Bild: Die Asphaltstraße

Sie führt über Hügel und durch kleine Täler, in denen Oliven und Wein angebaut werden. Es wirkt alles nicht sehr engagiert, die Weinstöcke sind in schlechtem Zustand und auch die Olivenhaine wirken eher vernachlässigt bzw. es sieht so aus, als ob sie gerade mal für den Eigenbedarf da wären. Es gibt eine Handvoll winziger Ortschaften, die bis auf eine (nämlich Zirje selbst) an der Küste liegen. Die meisten Menschen dürften vom Tourismus leben und es gibt eine größere Anzahl an Privathäusern, die Kroaten gehören, die am Festland leben. Es sind klassische Wochenendhäuser und sie wirken die meiste Zeit unbewohnt und sind es wohl auch.
Eine Besonderheit der Insel besteht darin, dass die meisten Autos dort keine Nummerntafeln haben. Sie werden vom Festland auf die Insel gebracht und tun dann noch einige Zeit ihren Dienst. Wenn sie kaputt sind, holt man die nächsten alten Kisten vom Festland. Die Wracks bleiben dann irgendwo stehen, so wie viele andere Dinge, die als Zivilisationsmüll auf der Insel verrotten, weil niemand das Geld bezahlen will um sie ans Festland zu entsorgen.

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Bild: Ein alter Zastava

Kroatien ist katholisch und so gibt es auch hier da und dort kleine Kirchen und Kapellen. Die meisten alten Gebäude sind aus den Steinen gebaut, die man auf der Insel zur Verfügung hat. Nur die modernen Ferienhäuser der wohlhabenderen Kroaten sind großteils aus modernen Materialien gebaut (Stahl, Beton).

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Bild: kleine Kirche

Zur Insel kommt man nur mit dem Boot, die Fahrt von Tribunj dauert ca. 100 Minuten. In den Buchten der kleinen Dörfer liegen die ebenfalls kleinen Boote, eine kleine Fähre gibt es auch, die nach Sibenik fährt.

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Bild: kleine Boote in einer Bucht

Die Zeit scheint auf Zirje teilweise stillzustehen und es hängt überall ein Echo der Vergangenheit in der Luft. Die alte Lebensform als Fischer und Hirte ist Geschichte und ich habe keine einzige Ziege und auch kein Schaf irgendwo gesehen. Hie und da fährt noch ein alter Fischer mit seinem Boot hinaus, aber auch das ist selten und ich hatte das Gefühl, dass die Zeit doch über Zirje hinweggerauscht ist. Zurück bleiben alte Menschen, die ihre letzten Olivenhaine bewirtschaften.

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Bild: verrottendes altes Fischerboot

Und dann gibt es da noch die Mauern. Laut unserem Tauchguide Marin sind daran die Österreicher Schuld, die vor langer Zeit einen Landkataster erstellt und dafür das Land vermessen haben. Danach gab es „meins“ und „deins“ und um das darstellen zu können, begann man Mauern zu bauen. Am folgenden Bild sieht man diesen Irrsinn, den es nicht nur hier auf dieser Insel gibt:

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Bild aus Google Earth: Mauern

Die Mauern hatten früher einen Sinn, da sie kleine Weidegründe absteckten und den Bauern ihr Stück Land zuwiesen. Es muss ein ungeheurer Aufwand gewesen sein all diese Mauern zu bauen. Heute wirken sie wie Relikte aus der Vergangenheit und sind es wohl auch. Da sie aus den Steinen der Inseln sind, verrotten sie nicht und werden wohl noch in Jahrhunderten zu sehen sein. Sie sind aber auch das Symbol einer verkehrten Entwicklung, denn das Mauerndenken hat sich tief in die kroatische Seele hineingefressen, wie auch Marin richtig erkannt hat. Der Eigentumsbegriff wird hier pervertiert, was gut an den vielen Häusern zu erkennen ist, die von den Kroaten hier gebaut werden. Am folgenden Bild sieht man so ein Haus, das irgendwo ganz allein auf einem Hügel steht. Rundherum sind nur Büsche und Mauern, aber der Erbauer hat großen Wert auf Zäune, Gittertore und andere Abgrenzungen gelegt – und nicht nur er, das machen hier alle:

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Bild: eingezäuntes Haus

Auch der Autoabstellplatz wirkt skurril, denn rundherum gibt es jede Menge freien Platz, der überhaupt nicht gebraucht wird. Aber vielleicht gehört er ja jemand anderem. Noch skurriler wird es, wenn man die frisch erschlossenen Grundstücke ansieht. Bevor irgendetwas geschieht, wird zuerst einmal eine große Mauer rundherum gebaut, wie auf folgendem Bild gut zu erkennen ist:

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Bild: Mauer

Wer will hier wohnen bzw. leben? Offensichtlich nicht mehr viele, denn die Insel hat weder Wasser noch Strom, der hier ausschließlich aus Dieselgeneratoren und ein wenig Solarstrom erzeugt wird. Es fehlt das Geld für eine Lösung für die ganze Insel und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich das so bald ändern wird. So wird jeder für sich weitermachen mit seiner Individuallösung und auf der Insel wird sich außer wachsenden Müll- und Schrottbergen wohl nichts ändern.

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Bild: Hier gibt es Land zu kaufen

Einer meiner Ausflüge führte mich auf einen Hügel, der bis vor einiger Zeit militärisch genutzt wurde. Im WK2 waren hier die Deutschen stationiert und einige Kilometer weiter auf der Insel Vis (früher „Lissa“) waren die Alliierten. Es gibt eine Bunkeranlage und man sieht noch gut die Befestigungen der Geschütze, die es hier aber schon länger nicht mehr gibt. Die gesamte Anlage ist aufgegeben und wird nur noch von Touristen besucht.

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Bild: Ausblicksturm

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Bild: Befestigung der Geschütze

Der Marsch auf den Hügel ist aber vor allem wegen des großartigen Ausblicks lohnend. Richtung Norden sieht man die südlichsten Kornateninseln (dort wäre das Tauchen genial, aber sie sind für unser Boot zu weit weg und wir hatten auch nicht die Spezialgenehmigungen, die man dafür braucht).

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Bild: Kornaten

Der Blick Richtung Südosten zeigt unsere Bucht mit ein paar Segelbooten:

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Bild: Die Bucht von Tratinska

Nun zum Tauchen. Ich war vorher noch nie auf oder bei Zirje und kannte die Spots somit nicht. Der Nachteil an den langsamen Tauchbooten besteht darin, dass die Reichweite sehr gering ist – zu einer kleinen Insel nicht weit weg fährt man gleich einmal eine Stunde oder zwei. Damit ist die Anzahl der betauchbaren Plätze natürlich eingeschränkt und viel mehr als 3-4 Tage zahlen sich auch nicht aus.
Wir hatten am Mittwoch einen Checkdive und dann am Do, Fr, Sa jeweils zwei Tauchgänge, die beide am Vormittag bzw. zu Mittag erledigt wurden. Am Donnerstag gab es zwei leichte Tauchgänge in einer Nachbarbucht, über die wenig zu sagen ist, außer dass es erstaunlich wenige Fische gibt. Das bin ich von Kroatien doch anders gewohnt, denn das Meer ist immer noch sehr sauber und wird meines Wissens nach auch nicht extrem befischt – aber vielleicht hat sich das geändert. So ein kleiner Schwarm wie am folgenden Bild war nur selten zu sehen:

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Bild: Schwarm an einer Steilwand

Bei einem Tauchgang konnten wir auch eine Amphore entdecken. Es blieb aber unklar, wie alt sie sein kann. Es gibt in Kroatien noch einige antike Amphorenfelder, etwa bei der Insel Vis, wo sie aufgrund des ehemaligen militärischen Sperrgebiets nicht geplündert wurden.
Der mangelnde Bewuchs deutet allerdings darauf hin, dass diese Amphore einen anderen Ursprung hat:

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Bild: Amphore

Generell waren wir ein wenig enttäuscht vom nur mäßig reichen Unterwasserleben. Einige Highlights gab es dann aber doch, etwa dieser Feuerwurm, der öfter zu sehen war. Auffällig war auch die hohe Anzahl an verschiedenen Seesternen und Seeigeln.

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Bild: Feuerwurm

DAS Highlight schlechthin ist dort jedoch der Stuka-Bomber (Eine Junkers JU 87) aus dem zweiten Weltkrieg. Er wurde erst im Herbst 2014 bei einem Apnoe-Lehrgang entdeckt und ist daher noch in gutem Zustand. Er ist genauer gesagt in hervorragendem Zustand, denn er liegt flach im Wasser auf ca. 30 Meter Tiefe und dürfte seinerzeit angeblich von der jugoslawischen Luftabwehr abgeschossen worden sein und ist dann abgestürzt.
Wie das genau passiert ist, kann nicht mehr rekonstruiert werden, aber ich schätze, er ist am Wasser aufgekommen, dann hat es den Motor abgerissen – er liegt einige Meter vom Flugzeug entfernt. Die Piloten konnten wahrscheinlich noch aussteigen, weil die Kabinendächer offen sind. Dann ist der Bomber auf den Meeresgrund gesunken und lag dort ca. 75 Jahre.

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Bild: Stuka-Bomber

Es gibt übrigens laut einem Tauchguide nur mehr drei Stück, eines davon in London, eines in Chicago und eines jetzt eben in Kroatien. Ich schätze, dass davon in ein paar Jahren nicht mehr viel übrig sein wird, wenn bestimmte Leute anfangen Teile zu demontieren. Wir wurden auch gebeten, dass wir uns nicht auf den Sitz setzen, denn wenn das jeder macht, ist bald alles kaputt.
Am folgenden Bild sieht man den Motor, ein 12-Zylinder (Jumo 211 mit bis zu 1.500 PS), bei dem aber scheinbar der Zylinderkopf abmontiert oder abgerissen wurde. Es ist trotzdem erstaunlich, wie gut die Teile noch in Schuss sind – das gilt für das gesamte Flugzeug. Damals zu Beginn des Krieges verwendete man in der deutschen Rüstungsindustrie scheinbar exzellente Materialien. Die Alu-Bleche der Flügel sind nahezu unbeschädigt und auch die Stahlteile sind nach immerhin 75 Jahren noch enorm gut erhalten.

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Bild: Motor

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Bild: Guido vor der tw. eingedrückten Kabine.

Am folgenden Bild sieht man den Sitz des Piloten samt dem Steuerknüppel. Sogar diverse Anzeigeinstrumente sind vollständig erhalten, das ganze Flugzeug ist nur wenig bewachsen.

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Bild: Pilotensitz

Der Schütze saß nach hinten gerichtet und bediente ein Maschinengewehr, das durch die runde Öffnung ragte. Es dürfte abmontiert worden sein.

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Bild: Heck der Stuka-Kabine

Heute wirft der Bomber keine Bomben mehr ab, sondern dient Fischen als Wohnstätte, wie etwa diesem Drachenkopf:

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Foto: Drachenkopf

Die weiteren Tauchgänge blieben auch unspektakulär, bei einem alten Leuchtturm waren wir jedoch bei einer sehr interessanten Steilwand, die schon an die Kornaten erinnert: guter Bewuchs, viele kleine Höhlen mit Sandboden, in denen man hin und wieder Hummer oder Langusten sieht.

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Bild: Steilwand, tw. mit roten Gorgonien bewachsen.

Am Sonntag in der Früh ging es wieder zurück nach Wien. Es war ein schöner Urlaub, erholsam, mit gutem Essen und ein paar interessanten Tauchgängen. Mein einziger Urlaub heuer.

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Bild: Rückfahrt nach Tribunj

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Bild: Abendstimmung in Dalmatien

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