Wahlkampf im Internet

Verzeihung, Internet stimmt ja nicht mehr, ich müsste „Social Media“ sagen. Aber darum geht es nur am Rand, das spannende Thema taucht für mich bei der Frage auf, wie sich Wahlkämpfe seit ein paar Jahren verändern.
In Österreich dauert alles etwas länger und daher ist das der erste Wahlkampf, bei dem die „neuen“ Medien massiv zum Einsatz kommen. Ich möchte als Beispiel das kleine Scharmützel anführen, das sich ÖVP und Grüne am 3. September auf Facebook geliefert haben (oder in echt? Das ist noch zu klären).

Begonnen hat es mit Peter Pilz, dem altlinken Chaoten (zumindest aus Sicht der ÖVP) und niemals ruhenden Aufdecker. Er hat sich einen Bus grün anmalen lassen und geht damit auf Tournee („Peter Pilz Geld zurück Tour“). Sein Anliegen ist das Anprangern der Korruption regierender Parteien und heute war die ÖVP dran. Also gab es ein kleines Happening vor der Parteizentrale, von dem auch der ORF kurz berichtete. Man sah Transparente, die nicht gut lesbar waren, hörte laute Stimmen und sah eine Lautsprecherbox, die von der ÖVP zwecks Gegenbeschallung in einem Fenster aufgestellt war.

So weit, so gut. Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Sie wechselt nur das Medium. Bisher waren beteiligt: die Realität, das Fernsehen und möglicherweise am nächsten Tag die eine oder andere Zeitung.

Jetzt kam Schwung in die Bude, die ÖVP schickte eine OTS-Meldung aus, in der sie bekannt gab, dass man jetzt eine Pizza bestellen würde, gewürzt mit ein paar Seitenhieben auf die Grünen. (http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130903_OTS0149/oevp-pd-gibt-die-bestellung-einer-familienpizza-bekannt)

Darauf erwachten auf Facebook die Stimmen und riefen „Ablenkungsmanöver – alle schreiben über die Pizza und niemand über die Korruptionsinhalte der Tour von Peter Pilz.
Die ÖVP zögerte nicht lang (man weiß voneinander, schließlich ist man vernetzt über gegenseitige Freundschaften etc.) und schickte eine zweite Pressemeldung raus, und zwar mit einer Erfolgsmeldung: „Aufgrund der großen Nachfrage geben wir bekannt, dass die Pizza gemundet hat. Sehr sogar.“
(http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130903_OTS0166/oevp-pressedienst-die-pizza-hat-gemundet).

Bei den Grünen rauchten die Köpfe, allerdings nicht sehr lang, dann folgte die Reaktion in Facebook. Das Medium eignet sich dafür scheinbar sehr gut und man schickte folgendes Bild durchs Netzwerk:

pizza2

Damit wird das Thema wieder in die Diskussion geholt, hat aber an Strahlkraft verloren, weil die Pizza hervorsticht und quasi selbst zum Thema wird. Das fiel auch den Grünen auf und so legte man nach:

pizza1

Damit wird das Bild wieder aus dem Blickfeld geholt und mit großen roten Lettern wird das Thema (in der ÖVP gibt es Korruption) wieder betont. Doch die Pizza bleibt virtuell sichtbar, vor allem durch die weitere Nennung in großen Lettern, noch dazu als krönender Abschluss des kurzen Satzes. Menschen, die nicht Englisch können, sehen sogar nur „Pizza“.
Also versuchte man das Blatt noch einmal zu wenden und hängte eine Karrikatur an, genauer gesagt eine sprachliche:

pizza3

Das zu verstehen verlangt eine gewisse Hartnäckigkeit und ein wenig Wissen in italienischer Sprache (Giovanni Fumos = ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch). Auf jeden Fall ist das Thema Korruption noch enthalten, wenn auch recht versteckt. Ohne das Wissen der Vorgeschichte ist das überhaupt nicht mehr zu verstehen.
Damit war das Scharmützel auch schon wieder vorbei. Halbwertszeit unter der Eintagsfliege. Danach gab es noch ein paar kleine Meldungen, wo Facebook-Nutzer auf das Wort „Pizza“ in Zusammenhang mit Korruption reflektierten. Der sozial-mediale Wind ebbte genau so schnell ab wie er aufgekommen war.

Was sagt uns das? Ich versuche eine vorsichtige Interpretation: Die meisten Parteien haben das Internet bzw. Social Media als wichtige Plattform erkannt, wenngleich sie darauf noch etwas unsichere Tanzschritte wagen.
Was sind die Vor- und Nachteile des Mediums?

Die Vorteile:
* Facebook erreicht in kurzer Zeit viele Personen.
* Eine Zielgruppe ist gut ansprechbar, nämlich die der Heavy-User, die jeden Tag mehrfach online sind. Die parallel stattfindende Twitterei ist noch schneller und noch eingeschränkter in der Zielgruppe.
* Die Kreativität erfolgt durch Multiplikation – irgendwem fällt ein halbwegs lustiges, treffendes oder zumindest passendes Zitat ein und irgendwer erzeugt blitzschnell die Bilder.
* Es funktioniert in „Echtzeit“, oder zumindest fast. Neue Meldungen sind binnen Minuten online und werden verbreitet – hier ist Twitter noch schneller, seit der Verlinkung mit Facebook geht es aber auch dort quasi sofort. Das können auch Tageszeitungen nicht leisten und Teletext ist nicht mehr modern.
* Worte, bewegte Bilder, Sinnesvielfalt – nur hören kann man nichts, außer es gibt ein Youtube-Video.
* Emotionalität kann vermittelt werden und wird es auch. Gegenseitige Aufschaukelung verstärkt dies noch.

Die Nachteile:
* Die Zielgruppe ist eingeschränkt, in diesem Fall ist das ein leichter Nachteil für die ÖVP.
* Das Thema kommt und geht auch sehr schnell wieder. Nachhaltigkeit ist fast nicht möglich, ein paar Screenshots in einem Datenarchiv, das ist die ganze Ausbeute. Ein wenig verlängern kann man das noch indem man das lustigste Bild zu seinem Titelbild macht und ein oder zwei Tage behält.
* Um so eine Diskussion samt ihren Pointen zu verstehen muss man von Anfang an dabei sein. Quer einsteigen funktioniert nicht. Die Threads wandern unerbittlich von oben nach unten und je intensiver man Facebook betreibt, umso mehr Freunde haben die meisten. Das macht den Thread noch schneller. Man kann das zwar einschränken, indem man die wichtigen Leute in den Status „enge Freunde“ versetzt, aber das nützt auch nur beschränkt etwas.
* Durch die Schnelligkeit schleichen sich besonders leicht viele Fehler ein. Man teilt ohne zu überprüfen und stellt Behauptungen auf ohne zu recherchieren.
* Emotionalität kann nicht abgearbeitet werden, kurz: es fehlt der echte Streit.
* Die Verfolgung der Themen kostet enorm viel Zeit. Wenn man sich wirklich einklinken will, muss man quasi ständig online sein. Eine Zeitung schlage ich einmal am Tag auf und lese sie. Das funktioniert bei Social Media nicht.

Schwer einzuschätzen ist die tatsächliche Kraft dieser Medien und sie wird auch sehr schwer zu analysieren und somit einzustufen sein. Wie erfährt man, ob sich Menschen dadurch in ihrem Wahlverhalten beeinflussen lassen? Dafür müsste man mehrere Filter durchdringen und ich glaube, dass alle Aussagen hier eher auf Schätzungen beruhen werden. Es könnte eher der Verstärkung der eigenen Meinung dienen und somit ohnehin vorhandene Wählerschaft binden oder vielleicht sogar beeinflussen, doch wählen zu gehen. Das wäre ja schon ein enormer Erfolg, aber auch der ist bisher spekulativ.

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