Warum mich die Wahl Trumps nicht überrascht (eine Analyse)

Schon in den letzten Wochen spürte ich den Keim der Unsicherheit. Dann sah ich mehrere TV-Dokus über die USA und dort wurde immer wieder recht deutlich gezeigt, dass eine gewisse Menge an Menschen für Donald Trump stimmen wird – aber nicht aus Trotz oder zumindest nicht nur aus Trotz, sondern weil sie ihn als Lösung ihrer Probleme sehen.
Die einzige Frage, die bis zum Schluss übrig blieb, war: Wie groß ist diese Menge?

Das konnte niemand wissen und auch die Meinungsumfragen können das mit ihren Methoden nicht erfassen. Insofern war bis zum Schluss unklar, wie die Wahl ausgeht.
Dann der gestrige Abend – als mein Kollege Volker Plass ein Posting auf Facebook brachte, das etwas widersprüchlich auf Trump einging, hatte ich plötzlich ein sehr klares Bauchgefühl und es sagte „Trump gewinnt“.
Danach ging ich schlafen und war heute in der Früh nicht wirklich überrascht, dass er es geschafft hat die Mehrzahl der Wählerinnen und Wähler für sich zu gewinnen. Der Sieg ist eindeutig und klar und wird auch nicht angefochten werden.

Jetzt stellt sich die Frage, was da passiert ist und wie es weitergeht. Dazu eine Analyse:

1.) Die Wähler haben gewählt.
Dieser Satz wirkt banal und ich habe ganz bewusst die Wählerinnen weggelassen. Es waren die weißen Männer, die Trump den Wahlsieg gebracht haben – auch weil sehr viele weiße Frauen es ihnen nachgemacht haben. In einer Demokratie haben nun einmal alle eine Stimme und das ist gut so.
Der Satz ist auch deswegen nicht banal, weil ich oft höre „Wenn Wahlen was verändern könnten, wären sie längst abgeschafft“. Das stimmt nur zum Teil, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.
Aber hier hat wirklich „das Volk“ gewählt, denn auch ohne dem seltsamen Wahlmänner-System (da sind auch Frauen unter diesen Männern, aber diese Form der political correctness hat wohl nach dem Sieg Trumps keine echte Konjunktur mehr) wäre die Wahl nicht anders ausgegangen.
Es ist ein Sieg der Demokratie, auch wenn ironischerweise die Demokraten verloren haben. Hier darf ich jedoch anmerken, dass mir die demokratische Partei in den USA nicht demokratischer erscheint als die republikanische.
Ob die Wähler schlau gewählt haben? Das wird sich erst herausstellen und niemand weiß genau, wie es jetzt in den USA und in der Weltpolitik weiter geht.

2.) Warum Trump?
Die Wähler haben eine Hoffnung gewählt, kein Programm.
Sie haben eine Person gewählt und keine Partei.
Es wurde die Authentizität gewählt und nicht die Schauspielerei.

Das ist deswegen so wichtig, weil es einem Trend folgt, den es in den USA schon seit Jahrzehnten und inzwischen auch bei uns in ähnlicher Form gibt. Je mehr Angst die Menschen haben, umso wichtiger ist ihnen eine greifbare, starke Führerfigur und die hat Donald Trump ihnen geboten.
Obama wurde unter anderem gewählt, weil er die Hoffnung für viele AfroamerikanerInnen und andere Gruppen verkörpert hat. Das wurde enttäuscht, es geht diesen Bevölkerungsgruppen heute schlechter als vor acht Jahren. Guantanamo ist auch nach acht Jahren nicht geschlossen und wird wohl noch viele Jahre existieren. Der Friedensnobelpreisträger Obama hat mehrere Kriege begonnen – außerhalb der USA und somit automatisch als Aggressor bzw. Unterstützer von Aggressoren.
Er hat sich nach außen als liebevoller Ehemann, Vater und Sonstnochwas gegeben und hat dahinter als Marionette der verschiedenen mächtigen Industrien agiert.
Hillary Clinton hat im Wahlkampf auf mich ebenfalls nicht authentisch gewirkt – weder ihr Lächeln noch ihre Botschaften, das alles noch verknüpft mit einer beinharten Politik. Die Jubelei bei ihren Reden wirkte gekauft, die bei Trump nicht.
Dieser Wunsch nach Authentizität ist für mich sehr verständlich. Trump widerspricht sich, er lügt, äußert sich frauenfeindlich und ist trotzdem von schönen Frauen umgeben, poltert, droht und ist so politisch unkorrekt wie es nur geht. „Wenn ich auf der Straße vor den Augen aller jemand erschieße, verliere ich keine einzige Wählerstimme“ hat er gesagt.
Ich glaube ihm das, auch wenn es nicht stimmt, da er möglicherweise die Wählerstimme desjenigen verliert, den er erschossen hat. Für den Präsident reicht es dennoch locker, wie er beweisen konnte.

Wenn ich unsere Politiker im TV sehe, wünsche ich mir fast immer das, was sich scheinbar die Amerikaner auch gewünscht haben: Klare, ehrliche Aussagen. Ich bekomme sie nie oder fast nie, auch nicht von den PolitikerInnen meiner eigenen Partei. Ich sage seit Jahren: Sobald einmal einer kommt, der offen zu ihnen spricht und (selbst wenn es nicht stimmt, das ist ja das Interessante daran) die Wahrheit sagt, gewinnt er die Wahl.
Trump hat ihnen solche Sager geboten, selbst wenn er gelogen hat. Er war er selbst und brauchte daher auch keine Berater.

In den seit Jahrzehnten neoliberal gesteuerten USA bot Hillary gerade mal „more of the same“ – das gab maximal den Gewinnern des bisherigen Systems eine gewisse Hoffnung. Neoliberale Wirtschaftspolitik dient immer ausschließlich den schon Starken, schon Besitzenden – in der heutigen Nachwahldiskussion bis zum Erbrechen oft „Establishment“ genannt. Es macht die Reichen reicher und die Armen ärmer, und zwar mit Garantie. Da Reiche erstens nie etwas von ihrem Reichtum freiwillig hergeben und zweitens vom bisherigen System geschützt wurden, entstand Widerstand.
Dieser Widerstand ist nicht intellektuell, er ist nicht logisch, nicht vernünftig und er schert sich einen Dreck um die Folgen. Das ist eine mögliche Erklärung warum Menschen eine Person wählen, die ihnen vorhersehbar schaden und ihr Leben verschlechtern wird.
Was bleibt, ist die Hoffnung, und die wird gewählt.
Diese Hoffnung ruhte ausschließlich auf Donald Trump und er konnte sie erfüllen – zwar nur in Form seiner Person, aber immerhin.
Deswegen wählten Frauen einen sexistischen Macho und arme Leute einen Milliardär – weil es egal ist, weil es darum nicht geht. Weil sie jemand wollen, der ihnen eine Geschichte erzählt, die ihren Sorgen ein Ventil bietet.

Ist das bei uns wirklich anders? Die FPÖ tut genau nichts für die Menschen, die sie wählen. Das muss sie auch nicht, zumindest nach der Trump-Logik.

Es geht sogar noch weiter: Je deutlicher die Figur hervortritt, desto attraktiver wird sie. Jede Art von Programm stört da nur und lenkt ab. Und sie muss genau auf die Bedürfnisse passen, die gerade vorhanden sind – in diesem Fall war das der Kampf gegen die Mächtigen, ideal verkörpert von einem wilden Rabauken, der nichts auf Konventionen gibt und darüber hinaus noch reich ist.
Trump ist ein Pleitier? Das wären viele Amerikaner auch gerne, weil das würde bedeuten, dass sie vor der Pleite vermögend waren.
Er zahlt keine Steuern und darf das ohne Konsequenzen? Das würden viele Amerikaner auch gerne können.
Er ist das dritte Mal verheiratet und jede Frau ist jünger und schöner als die davor? Der Amerikaner wirft einen Blick von der Couch in die Küche und weiß, wen er wählen wird.

Hillary kann da mit ein paar möglicherweise staatsgefährdenden Emails nicht mithalten. Ihre Verfehlungen sind die Verfehlungen einer mächtigen Frau aus einer Familie, die seit Jahrzehnten zu den Mächtigen des Staates gehört.
Das neoliberale System hat das Land in seiner Struktur ruiniert, weil private Unternehmen die Struktur ausbeuten und nicht erhalten, sofern sie selbst nicht dafür bezahlen müssen. Deswegen hat Trump in seiner Dankesrede davon gesprochen, dass er die kaputte Infrastruktur wieder aufbauen und dass das viele Millionen Arbeitsplätze bringen wird.
Das ist kein dummes Gerede, das ist taktisch sehr klug, denn das sehen die Menschen dort jeden Tag und bisher bekamen sie keine Antwort von den Mächtigen.
Trump ist in Zukunft wahrscheinlich genauso neoliberal, aber das interessierte vor der Wahl niemanden: ihn nicht und seine Wähler auch nicht.

Diesen Wählern vorzuwerfen, dass sie nur einfach zu ungebildet sind, ist zu wenig. Da ist sicher was dran, aber auch sehr gebildete Menschen haben Trump gewählt, weil es um etwas anderes geht. Die meisten haben auch genug zu essen und ein Dach über dem Kopf sowie ein Auto, einen Flatscreen und ein Smartphone.
Genau hier liegt jedoch eine der Ursachen: Die meisten Menschen dürften spüren, dass die Zeit des ungebremsten Wirtschaftswachstums vorbei ist. Und jetzt bekommen sie Angst das Erreichte zu verlieren – übrigens egal woher sie es haben. So sind die Menschen nun einmal – was man hat, das hat man zu Recht, auch wenn man sich dieses Recht zusammenphantasieren muss.
Jetzt kommt einer und meint: Da will dir wer was wegnehmen! Mehr ist gar nicht notwendig, vielleicht noch ein paar düstere Bilder einer vermeintlichen Bedrohung und schon tut die verängstigte Masse alles, was dieser Mensch will.
Das passiert übrigens nicht, weil die Menschen blöd, sondern weil sie in erster Linie bequem sind. Diese Bequemlichkeit haben sie Jahrzehnte lang gelernt und die US-Amerikaner sind Weltmeister darin, was man oft sogar an ihren Körpermaßen erkennen kann.
Doch auch das reicht nicht, daher muss man noch ein Schäufelchen drauf legen und die Masse emotionalisieren. Da bei emotionalem Stress der Körper die Gehirnteile in gegenläufiger Reihenfolge zu ihrer Entstehung wegschaltet, verlieren wir zuerst den frontalen Kortex, der für das rationale Denken zuständig ist.
Wenn man in die wütenden Gesichter der amerikanischen „angry white men“ blickt, dann ist diese Theorie möglicherweise gar nicht weit hergeholt.

All das hat es Donald Trump recht leicht gemacht und so ist er jetzt der 45. US-Präsident.

3.) Was passieren wird
Trump wird seine Rolle wechseln, er wird – so gut er kann – staatsmännisch agieren und wahrscheinlich schnell lernen. Sein rabaukenhaftes Auftreten wird ein Vorteil sein (nicht immer, aber wahrscheinlich recht oft), vor allem wenn er mit Diktatoren verhandelt oder mit schwachen Herrschern. Er wird sich selbstverständlich beraten lassen, weil er ohne seine Stäbe und ohne seine Regierung genau gar nichts machen kann.
Diese Stäbe und alle seine Minister kommen von dort, wo sie seit Jahrzehnten herkommen, und zwar auch unter Obama: ausschließlich aus der Banken-, Pharma-, Öl-, Agro- und Waffenindustrie.
Die haben alleinig die Aufgabe ihre jeweiligen Industrien entsprechend zu vertreten und das werden sie auch tun. Trump wird wissen, dass er sich mit ihnen nicht anlegen darf, weil sonst ein kleiner Unfall passieren könnte. Ich kann mir vorstellen, dass sie ihm das sehr direkt sagen werden und es wird eine Sprache sein, die er gut versteht.

Insofern wird er die Politik seiner Vorgänger fortsetzen mit ein paar anderen Akzenten – gerade mal so viele, wie ihm seine Leute gestatten. Er wird sich einen feuchten Dreck um die Armen und Bedürftigen scheren, die ihn übrigens auch nicht gewählt haben. Aber auch die Mittelschicht ist ihm egal, das Problem löst er mit Panem et Circenses.

Für die Umweltpolitik bedeutet das wahrscheinlich nichts Gutes – das wäre aber auch nicht anders, wenn Clinton gewonnen hätte. Und es hat nicht einmal nur mit den USA zu tun, denn hier ist globales Handeln angesagt und die meisten Wirtschaftssysteme dieser Erde sind so aufgestellt, dass die Natur ein auszubeutender Faktor ist. So lange sich das nicht ändert, ist es ziemlich egal, was Trump macht. Erst wenn man mit Umweltschutz viel verdienen kann, wird sich hier etwas ändern. Leider.

4.) Die Hoffnung
Der massive Rechtsruck in vielen Teilen der Welt führt naturgemäß auch zu einer Gegenbewegung. Mit anderen Worten: Die Linke hat ihre Kraft verloren und sich großteils selbst verloren. Die Sozialdemokratie hat ihr Ziel (jeder brave Arbeiter ein Auto und einen Fernseher) erreicht, Der Feminismus kämpft teilweise gegen sich selbst (und erreicht die meisten Frauen gar nicht), die Grünen sind auch ratlos bei der Betrachtung der derzeitigen Dynamik und die wenigen verbliebenen Kommunisten gefallen sich als Feindbilder der Rechten.
Wie sieht daher so eine Gegenbewegung aus? Entsteht sie aus der viel gepriesenen „Zivilgesellschaft“? Wird sie eine soziokratische Gemeinwohlbewegung oder eher ein dezentes Netzwerk der Sharing Economy?

Werden wir in Österreich am 4. Dezember der Weltentwicklung folgen oder ein Gegenbeispiel setzen?

Was auch immer geschieht, es ist kein Grund zu klagen oder zu verzweifeln. Die Welt dreht sich weiter und heute war ein sonniger Tag.