Das schöne Leben in der Geisterstadt

2008 zeigte der Film „Let´s make money“ einen Flug über eine schier endlose Geisterstadt an der spanischen Mittelmeerküste (irgendeine „Costa del…“) Tausende leer stehende Häuser, schon seinerzeit als Traum aller Mitteleuropäer, als idealer Alterssitz und als fantastische Geld-, bzw. Wertanlage gepriesen.

Leider stehen diese Häuser bis heute leer und werden langsam zu Ruinen. Wem sie gehören? Zum Teil den Großanlegern, etwa auch den österr. Versicherungen (nein, nein, IHRE Pension oder Lebensversicherung betrifft das sicher nicht…), zum Teil pleite gegangenen Bauträgern.

Jetzt werden diese Objekte wieder angeboten, da die Halbwertszeit der Erinnerung gieriger Schnäppchenjäger nicht sehr groß ist. Einige Idioten werden diesen Betrügereien leider aufsitzen und das Gejammer wird groß sein, wenn das gesamte Geld weg ist.

So etwa sieht das Gejubel aus:

„Was wird aktuell am Markt angeboten? Gottinger hat ein Apartement mit 90 m plus Terrasse im Zentralraum Costa del Sol im Angebot. Preis: 215.000 € statt ursprünglich 300.000. Geboten werden Golfplatz und Meerblick. Oder direkt am Meer: ein Penthouse mit 120 m Wohnfläche und 45 m Terrasse, fünf Minuten zum Playa Cristo, Nähe zum Flughafen Malaga. Inbegriffen: Marmorbäder, Pool-Landschaft mit direktem Strandzugang. Kostet jetzt statt 875.000 € nur 475.000 €. „Ein echtes Schnäppchen“, so Gottinger. Auch Internetplattformen wie www.ferienimmobilien.net locken mit günstigen Angeboten. So wird eine 85 m Villa mit 200 m Grundstück in Torrevieja-Quesada an der Costa Blanca um 129.900 € angeboten.“

Dieses Geschreibsel entstammt dem medianet-Artikel „Günstige Immos am Meer“ (25. März 2011). Die Fehler sind nicht von mir eingebaut, sondern zeigen, wie medianet arbeitet: Artikel werden schnell zusammengepfuscht und vollkommen unhinterfragt und unkorrigiert übernommen.
Diesen Vorwurf mache ich nicht medianet speziell – ich war früher durchaus ein Fan dieses Blattes – sondern vielen Medien. Auch hier ist copy-paste inzwischen die einzige Rechercheform, die man sich antut. Unkritische Menschen bekommen den Eindruck, dass dies ein seriös erarbeiteter Artikel ist.

„Golfplatz und Meerblick“ stimmt, nur ist der Golfplatz nicht in Betrieb und den Meerblick genießt man dort sehr einsam. Und wie eine Villa gebaut ist, die um so einen Preis angeboten werden kann, kann ich mir durchaus vorstellen.

Weiter im medianet-Text:

„Spanien. Sie machen es vor und werden beneidet: US-Stars wie Drew Barrymore und Jack Nicholson mieten sich am Mittelmeer ein, andere wie Michael Douglas haben auf Mallorca sogar ein Domizil erworben. Durch die Folgen der Wirtschaftskrise ist das süße Leben am Mittelmeer aber nicht Superreichen vorbehalten. In Spanien und Griechenland sind die Preise für Ferienwohnungen drastisch gefallen.“

Was hier nicht dazu gesagt wird: Das Domizil in Mallorca ist ganz woanders und nicht vergleichbar mit den Ruinen an der Costa xy und das „süße Leben“ ist sehr wohl nach wie vor den Superreichen vorbehalten.

Wer gerne in einer Geisterstadt leben will, kann hier sicher ein Schnäppchen machen. Möglich, dass es ihm früher oder später im Hals stecken bleibt.

Soldaten töten – mein Gott, wie entsetzlich!

Die Scheinheiligkeit taucht immer widerwärtiger auf und dass das bei den US-Amerikanern passiert, liegt in diesem Fall nur daran, dass die halt in der halben Welt ihr Militär im Einsatz haben, mehr als andere Staaten zumindest.

Empörung (gespielt oder echt, das ist egal) macht sich breit: In Afghanistan gibt es ein „zweites Abu Ghraib“, wie der ARD gestern in einer Tagesschau spät in der Nacht berichtet. Eine Einheit von 12 Soldaten hätte sich willkürlich afghanische Männer gesucht, diese gefangen genommen, gefoltert und getötet. Dann habe man ihnen die Finger als Trophäen abgeschnitten und sich mit der „Jagdbeute“ fotografieren und filmen lassen (der ORF-Teletext schweigt dazu verschämt, obwohl die sonst Nachrichten schnell übernehmen).

Einer von vier jetzt angeklagten Soldaten bekennt sich „schuldig“, aber das ist meiner Ansicht nach der uninteressante Teil der Geschichte.
Zuerst werden junge Männer aus oft eher bildungsfernen Schichten angeworben. Dann werden sie ausgebildet, gedrillt und man ist stolz („Land of the brave“) aus ihnen perfekte „Killermaschinen“ zu machen. Alle Augen leuchten, wenn die „Marines“ oder irgendwelche „Spezialeinheiten“ eingesetzt werden können. Endlich! Ich wüsste gerne, wie viele junge Männer weltweit Rambo toll finden.

Das bedeutet aber auch, dass man sowohl ihren Willen wie auch ihre Fähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen, zunichte machen muss. Maschinen unterscheiden sich von Menschen dadurch, dass sie keinen eigenen Willen haben. Soldaten müssen gehorchen, nicht denken, das war immer so und ist immer noch so. Alles andere ist aus meiner Sicht Verschleierungsromantik oder -taktik.

Sie werden bis an die Zähne bewaffnet und in ein Land geschickt, dessen Sprache und Kultur sie nicht verstehen und das am anderen Ende der Welt liegt. Ihr dortiger Auftrag ist keine humanitäre Mission, sie sind dort, um Menschen zu töten. Wäre das anders, würde man Polizei hinschicken.

Was glauben die Empörten, was die dort machen? Gänseblümchen pflücken? Wie naiv muss man sein, um zu verleugnen, dass Killermaschinen killen? Dass sie nett und lieb zu denen sind, die sie als schlimme, unberechenbare Feinde vorgestellt bekommen? Es ist eher erstaunlich, dass dort so wenig passiert, vielleicht wird aber auch nur wenig bekannt.

Ich selbst bekam beim Bundesheer die österreichische Variante der Killer-Ausbildung (Klobesen statt Sturmgewehr) und bin eher eine perfekt ausgebildete Häusl-Putzmaschine und ob dieser Tatsache aus heutiger Sicht aber gar nicht so unglücklich.

Dass Soldaten Trophäen sammeln, ist auch ein alter Hut und seit Jahrzehntausenden so, wenn man junge Männer gemeinsam auf die Jagd schickt. Wenn eine Katze mit einer Maus im Maul stolz nach Hause kommt, sollte man sie auch nicht schimpfen, sondern loben, denn sie hat das getan, was ihr entspricht. Wenn man junge Männer so lange drillt, bis ihnen das Töten entspricht, sollte man sich nicht wundern, wenn sie das dann tun.

Hypothese: Diejenigen, die ihre Katze schimpfen, empören sich jetzt auch über tötende Soldaten.
Insofern ist es wieder okay, wenn der ORF nichts darüber bringt. Es ist normal und der Aufregung nicht wert.

Strasser, ÖVP

Dass Josef Pröll jetzt mit Anzeichen der Entrüstung den Rücktritt und eine „Entschuldigung“ von Strasser verlangt, beeindruckt mich eher wenig.
Hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten niemand gemerkt, welche Gesinnung dieser Herr hat? Kein einziger seiner Parteifreunde hat gemerkt, dass jemand, der eine Lobbyingfirma hat, sich in Brüssel in erster Linie darum kümmern wird?
Oder liege ich da völlig falsch und Strasser ist nur die Spitze eines Eisbergs, der nach dem Motto „Du darfst alles tun, du darfst dich dabei nur nicht erwischen lassen“ handelt?
Ist das die moderne ÖVP?

Mein Bruch mit dieser Partei ist nicht endgültig, wird aber mit den Jahren immer tiefer. Begonnen hat es mit der Aussage von Schüssel: „(Read my lips), wenn wir Dritter werden, gehen wir in Opposition.“ Kurz danach hat er gemeinsam mit der FPÖ eine Regierung gegründet.

Dort sind solche Gewächse wie Strasser groß geworden. Ich kann leider noch keine Veränderung zum Schüssel-Kurs (Bildung so stark wie möglich beschneiden und das Gegenteil behaupten, Privatisieren auf Teufel komm raus, Deregulierung des Finanzsystems) in der ÖVP entdecken, es wird eher schlimmer. Die ehemals noch sichtbaren konservativen Werte (Programme für die Kinder und Enkelkinder und nicht nur Opportunismus bis zur nächsten Wahl) sind für mich komplett verschwunden.

Ich möchte nicht, dass Strasser zurück tritt. Ich möchte, dass diejenigen zurück treten, die ihn nach Brüssel geschickt haben. Und diejenigen, die denen Druck gemacht haben. Da würden einige interessante Namen auftauchen.
Vielleicht sind das auch die Herrschaften, die mit den Russen einen Vertrag über 25 Jahre abgeschlossen haben, bei dem es um Öl- und Gaslieferungen geht, die wir auch dann bezahlen müssen, wenn wir auf alternative Energien umsteigen und sie gar nicht mehr brauchen.

Warten auf Frau Godot

Montag Vormittag, ein Anruf. Eine nette Frauenstimme gibt bekannt, dass sie von Shell wäre und ich bekäme eine Kundenkarte, mit der ich in Zukunft stets billiger bei Shell tanken könne als offiziell angeschrieben, abhängig von der Höhe der Summe.
Ich bitte die Dame, mir die Karte zuzuschicken und sie meint, das wäre leider nicht so vorgesehen, aber die Frau Hörmann würde mich besuchen und sie mir persönlich vorbeibringen, wie wäre es denn mit morgen Vormittag?

Da das nicht geht, einigen wir uns auf Mittwoch 10 Uhr. Der Termin würde lediglich zehn Minuten dauern und sie würde mir die Details der Karte erklären.

Wir überspringen locker zwei Tage und schalten auf Mittwoch, 10 Uhr. Ich räume ein wenig die Wohnung auf, denn eine Dame von Shell kann ich sonst so nicht hereinbitten. Was tut man nicht alles für ein paar Cent Ersparnis. Wo doch alles teurer wird heutzutage.

Es ist 10 Uhr. Die Glocke läutet… nicht. Frau Hörmann ist nicht überpünktlich, aber das muss sie auch nicht sein, bei mir in der Gegend gibt es wenig Parkplätze und ein paar Minuten Verspätung gestehe ich jedem Gast zu, ungschaut, quasi.

10.15 Uhr. Die Glocke läutet… immer noch nicht. Frau Hörmann dürfte entweder ein klein wenig unpünktlich sein oder verdammt lange Parkplatz suchen. Vielleicht musste sie auch noch tanken, wär ja möglich. Da es bei mir weit und breit keine Shell-Tankstelle gibt, könnte das zu leichten Verzögerungen führen, denn sie würde sicher nicht bei der Konkurrenz tanken, wo sie ja keinen Rabatt bekommt.

10.30 Uhr. Die Glocke läutet… endlich! Die Warterei ist vorbei, jetzt beginnen die berühmten zehn Minuten der Frau Hörmann. Denke ich. Es ist aber nur der Feibra-Mann.

10.45 Uhr. Ich beschließe spontan, Frau Hörmann in Frau Godot umzubenennen und beschließe weiters, dass ich sie genauso lang warten lassen werde wie sie mich. Wenn sie überhaupt noch erscheint. Inzwischen schreibe ich ein Weblog-Kommentar über die sportliche Unpünktlichkeit einer angesagten Dame und sinniere darüber, wie gut diese Marketingaktion seitens Shell geplant wurde.

10.50 Uhr. Ich müsste dringend aufs Klo, aber was ist, wenn Frau Hörmann genau jetzt läutet? Vielleicht hatte sie einen Unfall und schleppt sich jetzt blutüberströmt zu meiner Haustüre, mit letzter Kraft die Glocke erreichend. Ich wäre ihre allerletzte Hoffnung, die Rettung vor dem Verderben. Außer ich sitze am Klo. Und sie verblutet.
Oder Frau Hörmann stellt sich als meine Traumfrau heraus, eine zarte Berührung unserer Hände bei der Übergabe der Shell-Rabattkarte… Und ich hocke am Klo, wenn sie läutet. Das geht natürlich gar nicht.

Andererseits, wenn ich nicht aufs Klo gehe, bin ich beim Termin unentspannt und das mit der zarten Berührung geht sozusagen in die Hose. Auch keine gute Lösung. Ich beschließe, das Fenster aufzumachen und laut „Frau Hörmann, erhören Sie mich“ zu brüllen, verwerfe die Idee aber sofort wieder, da das meine Darmtätigkeit nur unnötig anregen würde.

11.00 Uhr. Mein Körper beantwortet die Frage, ob ich noch länger auf Frau Hörmann warten soll. Das Darmhirn spricht „Scheiß auf Frau Hörmann“ und ich schreibe der Dame noch auf ihre virtuelle Pinwand „I shall not come late.“

Der Sanfte ist gegangen

Es ist dreißig Jahre her, seitdem ich Gabriel das letzte Mal gesehen habe. Der Anruf von seiner Schwester kam mehr als überraschend: „Mein Bruder ist gestorben und heute war das Begräbnis.“
Durch eines dieser Missverständnisse, die einem im Leben begegnen, wußte ich nichts davon und habe es daher leider versäumt.

Sie hat zwei Brüder und trotzdem wusste ich sofort, welcher gemeint war. Wenn ich die Uhr um drei Jahrzehnte zurück drehe, dann taucht sofort ein Bild auf, von einem sehr schlanken, dunkelhaarigen Jugendlichen, mit dem ich gemeinsam Lautsprecherboxen baute – die ersten und einzigen meines Lebens. Eine davon ist verloren gegangen, aber die zweite habe ich noch.

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Bild: Selbstgebaute Lautsprecherbox

Wie wir auf das Thema kamen weiß ich nicht, aber Gabriel ging in eine Schule, in der man lernte, mit Elektronik umzugehen, und das fand ich toll. Er besorgte die Teile und gemeinsam bauten wir die Lautsprecher, die ich noch viele Jahre bei unterschiedlichen Gelegenheiten verwendete – die übrig gebliebene Box funktioniert übrigens bis heute.
Gabriel war anders als seine Geschwister. So wie ich war er der Älteste. Sein Bruder fuhr ein paar Jahre später gemeinsam mit uns in den Urlaub nach Kroatien. Er war ein kräftiger junger Mann, sehr offen der Welt zugewandt und gerade auf Menschen zugehend. Seine Schwester war ein kleines Energiebündel, frech und mit großen Augen.
Gabriel war ruhig und ein wenig an der Grenze zu einer dunkleren Welt, der beste Ausdruck ist eben „sanft“, auch wenn ich nicht weiß, was dahinter verborgen schlummerte.

Das Leben stellte die Weichen und wir verloren uns aus den Augen. Jahre später gab es noch einen Versuch meiner Mutter, uns noch einmal freundschaftlich zusammen zu bringen, aber der scheiterte, aus welchen Gründen auch immer.
Der Weg, den er eingeschlagen hat, war sicher kein leichter und endete hinter der Grenze, die ihn immer schon angezogen haben dürfte.

Er hinterlässt stärkere Spuren als andere Menschen, die ich zu dieser Zeit kennen lernte. Er pflanzte den Keim für meine Leidenschaft zu Musikanlagen, die bis heute ungebrochen ist. Die aktuellen Lautsprecherboxen hat mir auch ein Freund gebaut, dessen Leben zahlreiche Ecken und Kanten hat – manche Dinge ziehen sich wie ein roter Faden durch das Leben jedes Menschen.

Vielleicht bleibt ja von jedem Besucher dieser Welt etwas zurück. Wer weiß das schon. Ruhe sanft, Sanfter!