Pain in the ass

„Schönen Guten Tag, spreche ich mit Herrn Schwarzzzz?“
„Äh, ja.“
„Herr Schwarzz, Sie erinnern sich noch, wir haben ja vor kurzem telefoniert, Firma Titan, Herr Schwarzz, und es geht um ihr Geld, Herr Schwarzz.“
„Äh…“
„Herr Schwarzz, unsere Fonds sind in den drei letzten Wochen nach oben geschossen, Herr Schwarzz, und das ist eine tolle Nachricht für Sie, Herr Schwarzz. Herr Schwarzz, was ich Ihnen jetzt anbieten kann, Herr Schwarzz, ist…“
„Moment, ich hab doch gesagt, ich hab kein Interesse.“
„Herr Schwarzz, Sie haben das letzte Mal mit unserem Junior Broker gesprochen, Herr Schwarzz, ich bin jetzt der Senior Broker, Herr Schwarzz, und, Herr Schwarzz, ich rufe nur eine kleine Anzahl auserwählter Kunden an, Herr Schwarzz, und mein Kollege hat mir gesagt, Herr Schwarzz, dass er bei Ihnen ein gutes Gefühl hatte, Herr Schwarzz.“
„Aber…“
„Herr Schwarzz, Sie müssen uns da gar nichts bezahlen, Herr Schwarzz, weil, Herr Schwarzz…“
„Wenn Sie noch einmal Herr Schwarzz sagen, leg ich auf.“
„Aber, Herr Schwarzz…“
(Tut, tut, tut)

Leider bekomme ich in letzter Zeit immer öfter so knechtende Anrufe von irgendwelchen ganz toll in Beschiss-Rhetorik geschulten dressierten Affen, die mir irgend eine Scheisse verkaufen wollen. Da gibt es die bemitleidenswerten Hausfrauen, die mich anrufen, um mir ein Inserat verkaufen wollen, das auf einer Anschlagtafel im Bezirksamt ein paar Monate hängen wird. Oder den oben beschriebenen Vollkoffer (meist aus Piefkonien), der irgendwo sitzt und mit unterdrückter Nummer oder (wie dieses Mal) mit einer Vorwahl von irgendwo (ich glaube, es war 0037) anruft und mich vollquatscht.

Meist bin ich einfach zu höflich, um sofort aufzulegen, und denke mir: Der da macht auch nur seinen Job. Aber langsam geht mir die Geduld aus. Ich überlege, mir eine Trillerpfeife zuzulegen, auf dass es ihm ordentlich die Ohren durchputzt und er nie wieder bei mir anruft. Eine Möglichkeit wäre auch eine kleine Decke neben dem Telefon, auf die ich den Hörer lege und ihn so lange quatschen lasse, bis er irgendwann aufgibt. Das kostet ihn eine Menge Zeit, die er nicht mehr dazu verwenden kann, andere Menschen zu quälen.

Sie werden mehr, die Keiler, die Telefonquäler, die Marketingprofis mit NLP-geglättetem Hirn und Rhetorik-Crash-Kurs. Sie werden auch immer penetranter und lästiger und ich frage, mich, ob das ein Teil der Endzeitstimmung ist, die mich des öfteren überfällt.

Jagd sie mitsamt ihren miesen Geschäftsideen davon, möglichst weit weg von anständigen Menschen, denen sie das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Mein Mitleid gehört weder ihnen noch ihrem Arbeitsplatz.

Der Heinz ist nicht mehr

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Bild: Heinz Kittenberger

Es muss Sommer 93 gewesen sein, als ich nach Liesing fuhr, weil dort ein geiles Fest stattfinden sollte. Ich bin bei Festen gerne früh dort, denn dann kann man interessante Menschen kennen lernen und langsam in das Fest hinein wachsen. Leider hatten mir meine Freunde noch dazu eine falsche Startzeit angegeben und so war ich tatsächlich zu früh dort.
Das Fest war eine House-Party und fand in einem Schießkeller statt. Ich wartete in der langen Auffahrt, als plötzlich ein hünenhafter blonder Typ mit etwas schlacksigem Gang vor mir stand und mich begrüßte.

Das war der Heinz und so hab ich ihn kennen gelernt. Wir entdeckten schnell, dass wir gemeinsame Freunde hatten und er lud mich gleich auf einen Stoli ein, denn er hatte gerade zufällig eine Flasche dabei, da er zu den Veranstaltern gehörte.
Beiderseitige Sympathie führte dazu, dass wir noch in diesem Sommer gemeinsam den Rathausplatz unsicher machten und Heinz im Winter 94 mit der Greifenstein-Runde mit nach Kroatien fuhr, über Silvester.

Heinz war das, was man „immer gut drauf“ nennt, und er war für jedes Fest zu haben. Mit der Zeit entdeckten wir, dass er da und dort ein klein wenig zu übertreiben pflegte. Er hatte eine Stahlbaufirma und war auf Inneneinrichtung spezialisiert. In diesem Job war er wirklich gut, bis auf die Zahlen, die mochte er gar nicht. Und Computer auch nicht. Also schrieb ich ihm mehrere Jahre lang die Angebote, und er schickte sie dann an die Auftraggeber.

Nebenbei jobbte er noch als Mitglied einer militärischen Spezialeinheit. Ich weiß bis heute nicht, was daran erfunden und was die Wahrheit war. Auf einer meiner Parties stand er plötzlich in der Eingangstür, mit Natojacke, Jeans, Sportschuhen und Baseball-Kappe und drückte mir eine Tasche in die Hand: „Bring die sofort in dein Schlafzimmer und versteck sie. Ich komm gerade von einem Auftrag und das soll niemand sehen.“
Die Tasche hatte einen offenen Zipp und so sah ich drin seltsame Dinge, wie eine Maschinenpistole mit Laser-Zielgerät und noch andere Waffen. So war der Heinz. Er war Profisurfer und Kickboxer, Fallschirmspringer und Weiberheld, Snowboarder und Trinker. Er war verrückt, liebenswert, manchmal unausstehlich und oft hilfsbereit.

Heinz erschien auf seinem eigenen Geburtstagsfest – nicht. Wir machten es beim Weihrauch und es war ein Überraschungsfest. Die größte Überraschung bestand darin, dass er nicht auftauchte. So blieb sein Platz leer und davor stand eine Torte. Für den Heinz, der nicht da war. Er meinte später, er wäre spontan nach Wr. Neustadt Fallschirmspringen gegangen und hätte sich dann mit Freunden versoffen. Und sein Handy hätte er nicht mit gehabt. Und auf die tolle Party, auf die ich ihn mitnehmen wollte, hätte er einfach vergessen.

Heinz war ein sehr begabter Mensch. Viele aus meinem bzw. unserem Freundeskreis haben Dinge, die er selbst hergestellt hat. Ich habe das Glück, gleich eine ganze Menge zu haben, einen Kasten, Couchtische, einen CD-Ständer und vor allem eine famose Sitzgarnitur.

ES gibt eine Menge Geschichten, die wir alle mit dem Heinz erlebt haben. Sie waren fast immer lustig und immer schräg.

Seine letzte berufliche Anstrengung war der Aufbau einer neuen Selbstverteidigungsmethode. Das Konzept war toll, seine Art zu unterrichten war professionell und gut. Leider konnte er es nicht mehr vermarkten, er war schon zu sehr in eine Welt hinüber gewandert, die nicht mehr die seiner Mitmenschen war. Diese nahmen ihn nicht mehr oder nur mehr zum Teil ernst. Hin und wieder blitzten seine Talente auf und es fanden Begegnungen statt. Leider nur allzu oft flüchtete er in verrückte Geschichten, die keiner mehr glaubte und die ihn als Mensch von uns abrücken ließen. Ob er dies selbst wollte, werden wir nie erfahren. Der Heinz konnte auch sehr verschlossen sein und gut abblocken, er wechselte einfach das Thema oder meinte: „Ich bin ein Blondchen, ich darf das.“
So konnte er seine letzte wirklich gute Idee nicht mehr umsetzen und driftete immer mehr in eine Welt, in die ihm keiner folgen wollte und konnte. Das Fluchtvehikel war letztlich der Alkohol und es war nur mehr selten der Fall, dass man ihn nüchtern sah. Ich selbst habe ihn seit meinem letzten großen Geburtstagsfest nicht mehr gesehen, das war vor fünf Jahren.

Bei unseren Telefonaten hatte ich nie das Gefühl, noch an ihn heranzukommen. Das war auch früher schwierig, aber nicht unmöglich. Seine Themen waren einseitig und immer die gleichen. Sie wiederholten sich und es war schwierig, das Interesse daran auch nur ein wenig aufrecht zu erhalten.

Die meisten Freunde hatten sich schon von ihm entfernt, und das aus gutem Grund. Heinz ließ sich nicht helfen, bis zum Schluss nicht. Er lebte ein einsames Leben, das immer einsamer wurde, mit Hund und alter Mutter, mit seinen Geschichten aus der Vergangenheit, die leider keine Zukunft hatten. In einem schönen Haus, gut gesichert gegen Eindringlinge, so wie der Heinz selbst auch.

Er ist in seinem Haus gestorben, in seiner Welt, zwischen Design und Alkohol.

Ich werde ihn vermissen, Heinz das Blondchen, Heinz den lustigen Kumpel, den Hundebesitzer, den kreativen Menschen, den Sportler, sogar den Aufschneider und Weiberheld.

Er geht uns voraus und irgendwann werden wir ihm folgen. Mach´s gut, lieber Heinz.

Hauptsache neu, Hauptsache irgendwie originell

…da darf die Funktionalität sich schon mal hinten anreihen. Die dümmste Form dieser Entwicklung habe ich jetzt bei Toyota erlebt. Eigentlich eine Automarke, die ich für hohe Fertigungsqualität und clevere Fahrzeugtechnik kenne. Unser Landcruiser in Afrika ist einfach aufgebaut, hart im Nehmen und hält lange.

Anders die rüschenbesetzten Schnick-Schnack-Kisten, die sie nach Europa bringen. Das neueste Beispiel ist der „Landcruiser 300“, ein Auto, das vor Sinnlosigkeit nur so strotzt. Der Kübel ist riesengroß außen, und kleiner als jeder Golf innen. Noch dümmer ist in dieser Hinsicht nur mehr der Audi Q7 gebaut.
Fast einen halben Meter dick sind die Innenverkleidungen und ich frage mich, was da dahinter steckt. Nur Querstreben und Dämm-Material wird es ja wohl nicht sein. Ich tippe auf heiße Luft. Der Wagen ist übrigens für die Stadt gebaut, dort gehört er hin, auch wenn sein Urahn ein Geländewagen reinsten Wassers war (der J7, das berühmte Buschtaxi, heute noch von allen NGOs weltweit und bei der UNO etc. im Einsatz). Der neue heißt „J15“ und ist nicht mehr vergleichbar. Geländefahren ist strikt verboten, außer man möchte sich alles kaputtmachen.

Design schlägt Funktionalität. Ein paar Beispiele:
1.) Hochglanzlackierte Stoßstangen bei einem Geländeauto. Bei jedem Kratzer darf man das halbe Auto austauschen. Die Werkstätten jubeln, die Kasko-Preise schnalzen gegen unendlich. Braucht kein Mensch, ist ein reines Design-Element, das mir persönlich nicht einmal gefällt.

2.) Bauchige, vielfach gekrümmte und gebogene Karosseriebleche. Das Ende des Autos ist weder vorne, noch hinten, noch auf der Seite auch nur zu erahnen. Deswegen hat sich mein Vater (seit kurzem in Besitz so eines Monsters) auch schon die Seitenflanken zerstört, an der Garagenwand. Auch hier: ein reines Designelement.

3.) Die Scheinwerfer. Undinger, riesig groß, vielfach gebogen, verklebt, jede Menge Plastik. Ein kleiner Steinschlag und man muss seine Kinder als Sklaven verkaufen, um sich eines von den Trümmern neu leisten zu können.

4.) Der Innenraum. Selten was so funktionsbefreites gesehen. Hellbeiges Leder, quasi schon beim ersten Einsteigen automatisch versaut. Alles eng zugebaut, subjektiv fühle ich mich wie in einem Puch 500. Es war mir nicht möglich, einen Platz zu finden, an dem ein Feuerlöscher angebracht werden könnte. Im ganzen Wagen nicht, auch nicht im Kofferraum. Absolut unmöglich, das ist nicht vorgesehen und geht einfach nicht.

5.) Das Mäusekino. Bildschirme wohin man blickt, tausend und eine Anzeige, in allen Farben, alles blinkt und es gibt ein halbes Dutzend Kameras außen, mit denen man die Umgebung betrachten kann. Überall piept es und je nach eingelegtem Gang zeigen die Kameras verschiedene Ausschnitte. Dazu gibt es noch farbige Linien, so dass man erkennen kann, was in der Kamera das eigene Auto und was die Elemente in der Umgebung sind. Ein Overkill an „Features“ und Sinneseindrücken. Die perfekte Ablenkung vom Fahren.

Fahren braucht man mit dem Ding eigentlich nicht mehr, es spielt schon im Stand das gesamte Entertainment-Programm und das verlangt 100% der Aufmerksamkeit. Dann auch noch zu fahren wäre absolut fahrlässig.

6.) Das absolute Highlight: der schlüssellose Zündschlüssel. Damit hat Toyota den größten Bock geschossen. Es ist frei von jeder Funktionalität, ein reines Designelement, in der Praxis völlig unbrauchbar. Zur Erklärung: Man steckt den Schlüssel in die Hosentasche und durch Funksignale erkennt der Bordcomputer, dass ein Schlüssel in der Nähe ist. Dann kann man aufsperren (natürlich mit Druckknöpfchen. Wehe dir, wenn die Batterie leer ist oder kaputt geht, dann bleibt man draußen, denn es gibt keinen Schlüssel und kein Schloss mehr.).
Man kann auch einen Knopf zum Starten drücken und dann wegfahren.

Mein Vater hat mich noch eingewiesen in die vielen Besonderheiten und ich fuhr los. Am Zielort angekommen stellte ich den Wagen ab, das geht auch mittels des Starterknopfes. Ein paar Minuten später wollte ich ihn wieder starten – keine Chance, der Knopf verfärbte sich nicht wie notwendig grün und ein schnarrendes Signal zeigte mir an: do geht jetzt nix!

Den Schlüssel hatte ja mein Vater in der Hosentasche. Während des Startens war er in meiner Nähe, daher hat das funktioniert. Danach nicht mehr. Glücklicherweise war ich nicht weit weg und konnte zurück eilen, um meinem Vater den Schlüssel abzuknöpfen.

Einem Freund meines Mechanikers war das Upgrade dieser Blödheit zuteil geworden. Er stieg in sein Auto und fuhr auf Geschäftsreise nach Tirol. Nach einigen Stunden Fahrzeit fuhr er in Tirol zur Tankstelle und als er vom Bezahlen zum Auto kommt, ist dieses abgesperrt. Manche dieser neuen Kübel haben zu dem saublöden Schlüsselsystem noch ein zusätzliches „Sicherheitsfeature“ – wenn man die Türen zuwirft, versperren sie sich automatisch nach ein paar Sekunden. Wofür das gut ist, weiß ich nicht, ich habe keine Angst vor Dieben und wenn, dann sperre ich mein Auto ab.
So hatte das zur Folge, dass der gute Mann draußen stand und auch dort blieb. Der Schlüssel war im 500 km entfernten Wien, das Handy lag natürlich im Auto und im Handy waren die Nummern für den Notfall. Bei den ständig wechselnden Nummern merkt sich das kein Mensch mehr und es ist eh im Telefonbuch am Handy gespeichert. Das im versperrten Auto liegt. Das war sicher eine gaudige Geschäftsreise.

Bewerben tut Toyota dieses Auto übrigens mit den Worten „Alles andere als Spielzeug“. Was genau sonst, erklären sie leider nicht.