Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 6 – Des Kaisers neue Kleider

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der sechste Grund an der Reihe, es geht um Bekleidung und Konsumrausch.

In Deutschland ist die Menge der verkauften Kleidung in den letzten fünf Jahren um 30% gestiegen.
Warum das? Gibt es mehr Menschen, die mehr Gewand brauchen?

Natürlich ist das nicht so. Die Gründe sind vielfältig und die wichtigsten sind folgende:

1.) Als urzeitliche Jäger und Sammler (und -innen, in beiden Fällen!) haben wir für den Fall einer erfolgreichen Jagd ein chemisches Belohnungssystem. Jeder Konsumartikel belohnt uns, wenn wir ihn ergattert haben. Ein besonders gutes Beispiel ist die Freude über eine gewonnene Versteigerung bei ebay. Der „Thrill“ (Angstlust) kurz vor Ende einer Auktion kann enorm sein.
Dieses Belohnungssystem ist an sich nicht schlecht, problematisch wird es erst dann, wenn dies die einzige Form der Belohnung ist, die wir bekommen können. Wenn es etwa soziale Anerkennung nur für neue Konsumartikel gibt. Wenn es uns schlecht geht, gehen wir einkaufen. Wenn wir soziale Anerkennung wollen oder in der sozialen Hierarchie aufsteigen, gehen wir einkaufen.

2.) Die Marketingindustrie kennt die Mechanismen ganz genau und verstärkt diese gezielt, etwa durch Werbung. In letzter Zeit ist die wichtigste Zielgruppe die der Kinder, die schon früh auf endlosen und grenzenlosen Konsum hintrainiert werden. Übrigens gibt es hier keinerlei gesetzliche Reglementierungen. Die Lobbies haben ganze Arbeit geleistet. Die Problematik liegt hier auf der Hand, denn Kinder haben noch keine Abwehrmechanismen und die Industrie sorgt dafür, dass sie diese auch nicht entwickeln.

Was sind die Folgen? Einerseits haben wir es immer öfter mit verhaltens- und sozialgestörten Kindern und Jugendlichen zu tun, andererseits dreht sich hier eine echte Teufelsspirale, denn nur wer genügend Geld hat, kann beim Konsumrausch mitmachen. Alle anderen sind davon ausgeschlossen und somit auch irgendwann vom sozialen Leben oder zumindest seiner „Mitte“ ausgeschlossen, also stigmatisiert.
Wer nicht genügend Geld hat, versucht es zu bekommen, das funktioniert auf mehrere Arten:

a.) Einbruch, Raub, Diebstahl, Betrug etc.
Das ist deswegen schlimm, weil es nicht nur Kriminelle produziert, sondern auch die Gesellschaft Geld kostet. Die Gewinner sind hier außen vor.

b.) Schulden machen
Das ist vor allem dann problematisch, wenn es im Freundes- und Verwandtenkreis passiert, denn so zieht die Konsumindustrie auch dort Geld ab, wo es gar nicht dafür vorgesehen war. Das ist dann gefährlich, wenn der eigentliche Zweck ein wichtiger war, etwa die Altersvorsorge oder die Sicherheit oder gar die Abdeckung von Grundbedürfnissen wie Heizen oder Essen.

c.) Mehr arbeiten
Das ist der gefährlichste Punkt, denn das erzeugt Einerseits Workoholics, die arbeiten und einkaufen, aber keinerlei Zeit mehr haben das Eingekaufte auch irgendwie zu verwenden. Noch schlimmer ist die Entwicklung, dass Menschen zwei statt einem Job annehmen müssen. Das drückt nämlich die Löhne und schafft „Working poor“ und damit sozialen Sprengstoff besonderer Art.

Meine sechste politische Forderung: Gesetze gegen das Marketing mit Kindern und Jugendlichen.

Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 5 – Ich will gutes Essen

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der fünfte Grund an der Reihe, es geht um´s Essen.

Immer wieder sind TV-Dokus der Auslöser für meine Gedanken hier im Weblog. Diesmal ist es ein erschütternder Film über Hunger im reichsten Land der Welt, in den USA. Dort hungern halb so viele Menschen wie Deutschland Einwohner hat. Also zwischen 40 und 50 Millionen. Mit anderen Worten: Jeder sechste US-Bürger (und -innen selbstverständlich) weiß regelmäßig nicht woher er die nächste Malzeit nehmen soll bzw. leidet echten Hunger. Der Grund dafür ist Armut, denn verfügbare Nahrung gibt es genug.
Zyniker sagen jetzt, dass diese Menschen faul und dumm sind und es nicht anders verdienen, dass es also gerecht und in jeder Hinsicht in Ordnung ist, dass diese Menschen zu wenig Geld haben.
Ich kann mich da leider nicht anschließen. Für mich ist das ein politisches Problem, oder anders ausgedrückt: dieser Hunger ist gemacht und gewollt, zumindest aber geduldet.
Wer sind nun die Nutznießer dieses Hungers? Für die Antwort braucht man sich nur anzusehen, wer daran verdient. Das sind in erster Linie die Produzenten minderwertigen Essens (Nahrung will ich das ganz bewusst nicht nennen), die daraus Profit schlagen. Je schlechter die Qualität, desto billiger lässt es sich erzeugen und desto schädlicher ist es für die Menschen. Ach ja, und desto mehr Profit bringt es. Dieser Profit dient allen möglichen Zwecken, eines jedoch tut er auf gar keinen Fall: den Hunger lindern.
Chips statt Gemüse, Limo statt Früchten – so in etwa kann man die Ernährungsgewohnheiten armer AmerikanerInnen beschreiben. Die Konzerne tun ihr möglichstes um diesen Zustand auszuweiten: Die Preise für frisches Obst und Gemüse sind in den USA seit den späten 1980ern um 40% gestiegen. Die Preise für industrielle Lebensmittel sind hingegen um 40% gefallen.
Um drei Dollar bekommt man 312 Kalorien gesundes Essen oder 3.767 Kalorien industrielle Nahrung.

Erster Gewinner ist die Agrarindustrie, zweiter die Verpackungsindustrie und dritter Gewinner die chemische Industrie. Diese Industriezweige haben ihre Lobbys in der Regierung und sorgen penibel dafür, dass ausschließlich die großen Konzerne Subventionen bekommen. Seit 1995 ist so eine Viertel Trillion (!) US-Dollar an diese Industrie geflossen. Das ist die erste Abwärtsspirale.
Das ist Steuergeld, das den Menschen am anderen Ende fehlt. Sie können sich so nur mehr Junk-Food kaufen, und zwar genau das Zeug, das von den Konzernen erzeugt wird, die die Subventionen erhalten. Der Weg zu gesunder Nahrung ist ihnen versperrt. Sie ernähren sich schlecht und werden daher dick und krank. Weil sie kein Geld haben, können sie sich auch nicht die (in den USA privatisierte) Bildung kaufen, die ihnen sozialen Aufstieg zwar nicht garantiert, aber leichter machen würde. Das ist die zweite Abwärtsspirale.

Übrigens ist auch das Transportsystem clever durchdacht und dient der Industrie: Kleine LKW sind teurer und große können nur bestimmte Orte anfahren um zu liefern. Daher profitieren nur die großen Betriebe in der Produktion und im Verkauf von billigem Transport. Das macht gesundes Essen noch teurer und schlechtes billiger. Dazu kommt noch, dass in den kleineren Ortschaften die Läden nur mehr Industrieprodukte verkaufen (Bier, Limo, Chips, Kuchen) und man für hochwertige Nahrung entweder lange mit dem Bus oder mit dem Auto fahren muss. Menschen, die wenig verdienen, müssen meist im Gegenzug sehr lange arbeiten und haben nicht die Zeit um gutes Essen einzukaufen, ganz abgesehen davon, dass ihnen dafür auch das Geld fehlt.
44 Millionen Amerikaner nutzen die US-Lebensmittelbeihilfe (Lebensmittelmarken), jedes zweite Kind in den USA braucht sie während seiner Kindheit zumindest einmal.
Für die Kinder ist der Hunger besonders schlimm, denn sie gehen zwar meistens in die Schule, können dort aber dem Unterricht vor lauter Hunger nicht folgen. Außerdem führt die Mangelernährung zu frühkindlichen Gesundheitsproblemen, die sie ihr ganzes späteres Leben mit herumschleppen.

Jedes dritte Kind, das im Jahr 2000 in den USA geboren wurde, ist an Diabetes erkrankt oder wird daran erkranken.

Diese Menschen sehen wir nicht, wenn wir dort Urlaub machen und sie kommen in den Nachrichten aus USA nicht vor. Sie haben weder eine Lobby noch die Mittel um sich medial bemerkbar zu machen.
Die US-Regierungen seit Ronald Reagan haben keinerlei Interesse dieses Thema aufzugreifen. Nein, auch Barack Obama nicht. In seiner Präsidentschaft stieg der Hunger zwar nicht mehr so rasant wie unter George Bush jun., aber immer noch merklich an.
Bis Ende der 1970er war das Hungerproblem fast zur Gänze beseitigt. Dann kam Reagan und gewährte den großen Konzernen Steuererleichterungen. Dadurch sanken die Einnahmen des Staates und die Anti-Hunger-Programme wurden beschnitten oder beseitigt. Dann wurden noch die Rüstungsausgaben erhöht und zwar um den Preis weiterer Senkungen in den Sozialprogrammen.

Daher meine politische Forderung: Agrarsubventionen sollten der Ernährungsgesundheit dienen und nicht wenige reiche Menschen noch reicher machen. Und ich will nicht, dass wir einmal so schändlich enden wie die USA. Sie ist Schlusslicht aller Industriestaaten weltweit punkto Ernährungsunsicherheit (= Hunger).

Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 4 – Die Ökonomisierung der Wissenschaft

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der vierte Grund an der Reihe, es geht um die Freiheit der Wissenschaft.

„The king said to the priest: You keep them stupid, I keep them poor.“
Klarer hat es nur Rainhard Fendrich ausgedrückt: „Leute mit an Plastikhirn kamma leichter dirigiern.“ („Polyäthylen“, 1981, Album „Und alles is ganz anders wordn“)

Das Wissenschaftsministerium wird dem Wirtschaftsministerium hinzugefügt – so oder so ähnlich ist die offizielle Diktion. De facto wird es aufgelöst, so wie es bei Firmenfusionen danach eine Firma noch gibt und die andere nicht mehr. Ausnahmen zu dieser Regel sind entweder keine vorhanden oder sie sind extrem selten.
Die Regierung Faymann II hat es geschafft, die SPÖ ist auch in diesem Punkt komplett umgefallen und hat sich den Forderungen der ÖVP gebeugt.
Die Proteste der Wissenschaft sitzt man aus und die Spin Doctoren finden schon irgendwelche Argumente, warum Wissenschaft und Wirtschaft unbedingt eigentlich eh schon immer zusammengehört hätten („Klingt das nicht ohnehin ähnlich? – Eben!“).
Das Wissenschaftsministerium – gegründet 1970 vom SPÖ-Politiker Bruno Kreisky, abgeschafft 2013 vom SPÖ-Politiker Werner Faymann – ist somit Geschichte.

Aber was steckt wirklich dahinter? Ich sehe hier vor allem zwei Gründe:

1.) Der Primat der Wirtschaft
Das hat mit Wolfgang Schüssel begonnen und dem neoliberalen Schwenk, untermauert durch den unsäglichen Spruch „Geht´s der Wirtschaft gut, geht´s den Menschen gut.“ Gemeint ist hier jedoch nur, dass es denjenigen Menschen gut gehen soll, die das Geld haben. Und das sind nur einige wenige. Es ist nämlich schlicht und einfach nicht wahr, dass für die Armen mehr da ist, wenn die Reichen zu Superreichen werden.
Der ÖVP als Vertretung der Reichen war das Wissenschaftsministerium schon lange ein Dorn im Auge, vor allem den Bünden, die es 1.) für nicht notwendig und daher als überflüssigen Luxus und 2.) als unökonomisch betrachten.
Wissenschaft ist kein Profit Center und das stört diejenigen Menschen, die aus allem und jedem Profit ziehen wollen. Dass sich die Universitäten aufregen, stört nur wenig, wenn Faymann in seiner Regierungserklärung meint „Österreich ist in Europa ein Vorbild an Wirtschaftlichkeit.“ (ZIB 09 Uhr 14.12.2013)
Laut dem obigen Spruch ist somit alles der Wirtschaft unterzuordnen, in logischer Konsequenz auch die Wissenschaft bzw. gerade sie.
Wie funktioniert das in der Praxis? Das Stichwort hier ist „Drittmittelfinanzierung“ und es bedeutet, dass Wirtschaftsbetriebe die alleinige Entscheidung darüber treffen, welcher Teil der Wissenschaft Geld bekommt und wofür. Alle wissenschaftlichen Fächer, die keinen direkten Profit abwerfen oder dafür notwendig sind, werden aufgelöst oder zu Alibiinstituten verkleinert.
Das gibt den Konzernen die alleinige Macht über die Wissenschaft, sie definieren über kurz oder lang auch was Wissenschaft ist und was nicht. Als angenehmer Nebeneffekt bekommt man auch die „linken“ StudentInnen in den Griff, da sich diese meist in den „sozialen“ Fächern aufhalten (Politikwissenschaft, Publizistik, Psychologie, Soziologie etc.). Man kann diese beliebig beschränken indem man ihnen die Mittel kürzt.

2.) Ungebildete demonstrieren nicht
In einer Demokratie kann man die Macht der Mächtigen erhalten indem man folgende Akzente setzt:
a.) Panem et circenses – man gibt den Menschen entsprechende Ruhigsteller (fettes Essen, Barbara Karlich Show) und sie bleiben auf der Couch sitzen, auch am Wahltag. Das ist bisher hervorragend gelungen, die Wahlbeteiligung sinkt beständig.
b.) Die Bildung elitär machen. Bisher hat sich die SPÖ dagegen gesträubt, weil sie aus Tradition den sozialen Aufstieg ihrer ehemaligen Klientel gefördert hat. Diese Klientel ist jetzt zur FPÖ abgewandert, ein Aufstieg der Arbeiterklasse ist nicht mehr erwünscht, denn auch die SPÖ vertritt jetzt die Meinung, dass ein Arbeiter arbeiten soll und nicht studieren braucht.
Wer ist denn in einer Gesellschaft das Korrektiv, woher kommen die Dissidenten? Genau genommen nie aus der Elite, denn diese ist von ihrem Weltbild Macht erhaltend (nämlich die eigene) und niemals Macht zerstörend (das wäre nämlich auch die eigene). Aus der ungebildeten Unter- und Mittelschicht stammen die Revoluzzer auch nicht, denn die haben entweder zu wenig Bildung um entsprechende Schritte (kommunikativ, organisatorisch) setzen zu können oder sie sind – wie oben erwähnt – gut ruhig gestellt. Somit braucht man eine Gruppe von BürgerInnen, die erstens nicht im Machtapparat sitzen und zweitens genügend Bildung haben, um die Aufgabe zu bewerkstelligen.
Und genau diese Gruppe versucht man vor allem in der ÖVP klein zu halten.
Ein klein wenig erinnert mich das an das Pol Pot Regime in Kambodscha von 1975 bis 1979. Diese pseudo-kommunistische Diktatur hatte das Ziel alle Menschen zu Bauern zu machen. Sie wollten so an die glorreiche Vergangenheit des Khmer-Reiches anschließen, das durch seine Agrarwirtschaft reich und mächtig wurde. Daher räumte man die Hauptstadt binnen 24 Stunden und schickte alle Menschen aufs Land auf die Felder. Die Bildungsschichte und die Intellektuellen meinte man dafür nicht zu brauchen und so wurden alle getötet, die lesen und schreiben konnten oder auch nur so aussahen, als könnten sie es (z.B. Brillenträger wurden erschossen).
In Österreich geschieht es subtiler, aber mit dem gleichen Ziel: Eine Elite (die Kinder der Mächtigen) soll gute Bildung bekommen und kann dafür auch zahlen. So erreicht man zwei Ziele: Erstens wird Wissenschaft profitabel und zweitens hindert man weniger Begüterte am Zugang zu Bildung.

Meine politische Forderung Nr. 4 lautet somit: Wir brauchen für die gesunde Entwicklung unserer Gesellschaft eine gesunde Wissenschaft mit entsprechendem Stellenwert und dazu gehöriger Verankerung (etwa durch ein Wissenschaftsministerium mit entsprechenden Mitteln).

Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 3 – Würdevolles Leben für alle

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der dritte Grund an der Reihe, es geht ums Geld.

Ich beschäftige mich seit ca. fünf Jahren intensiv mit dem Thema Geld und seiner Bedeutung. Das Ergebnis ist nicht spektakulär, dafür aber recht komplex. Jetzt greife ich nur einen Aspekt heraus, nämlich das Glück.
Forschungen haben es gezeigt und meine Beobachtungen bestätigen: Zu wenig Geld macht genauso unglücklich wie zu viel. Da Geld das Symbol für Lebenserhaltung ist, kommen wir schwer bis gar nicht ohne aus. Bis zu einer gewissen Menge macht es glücklich, weil es Sorgen nimmt und gesellschaftlichen Status ermöglicht. Wer so viel hat, dass er sich ein anständiges Heim, genügend zu Essen, da und dort etwas Besonderes plus den einen oder anderen Urlaub leisten kann und zusätzlich noch Ersparnisse anlegen kann, etwa um für schwere Zeiten eine Reserve zu haben, lebt stressfreier als jemand, der das nicht hat. Hier gibt es Ausnahmen, aber ich glaube, dass das für den Großteil der Menschen in unserer Kultur zutrifft.
Manche kommen mit weniger aus, andere brauchen etwas mehr. Aber irgendwann kommt eine Grenze, ab der beginnt die Zufriedenheit zu sinken und auch das Glück nimmt ab. Dann hat man an der dritten Rolex nicht mehr so viel Freude wie an der zweiten und auch die Breitling wird bald zu wenig. Okay, dann halt ein neues Auto, das mich glücklicher machen wird als das alte.

Ich kürze das jetzt ab. Viele Menschen lassen sich in den Konsumrausch hinein ziehen bzw. einreden, dass mehr Geld glücklicher macht als weniger und zwar mit einer nach oben unendlich steigenden Kurve.
Damit wird eine Spirale gestartet, die zugleich nach oben und nach unten geht. Die Gier als das Gegenteil des Glücks ist per se unendlich, ganz im Gegensatz zum Bedürfnis, das nach seiner Befriedigung weg ist, wächst die Gier nach ihrer Befriedigung.
Das erklärt die ins Unendliche wachsenden Geldmengen und auch, warum Menschen keine Grenze in ihrer Gier nach Geld kennen. Das betrifft natürlich nicht alle Menschen, sondern interessanterweise vor allem ältere und alte Männer. Was unterscheidet diese von allen anderen Menschen? Es ist in erster Linie die nachlassende Potenz („Kennen Sie schon die zwei Tragödien im Leben eines Mannes? Die erste erlebt er, wenn es beim zweiten Mal nicht mehr geht. Die zweite erlebt er, wenn es beim ersten Mal nicht mehr geht.“), die ihr Älterwerden bestimmt. Das bringt sie dazu nach Ersatzpotenz zu gieren. Geld bietet sich hier an und eignet sich hervorragend. Man kann es unendlich wollen und es macht einen alten Mann zwar nicht jünger, aber es lässt ihn jünger erscheinen. Er kann sich mit jungen, attraktiven Frauen umgeben und so tun, als ob diese ihn wegen seiner scheinbar immer noch vorhandenen Potenz mögen. Er kann Sportlichkeit simulieren und sich einen Sportwagen kaufen („Einst drückte ihn der forsche Pimmel – heut hat er einen Porschefimmel“) und sich bei teuren Chirurgen das Äußere auf jüngere Optik operieren lassen.
Mein Stiefgroßvater hat sich seinerzeit eine vierzig Jahre jüngere Frau geangelt und mit ihr ein Kind gezeugt. Als gut situierter Zahnarzt konnte er sich das leisten und hat tatsächlich mit 80 Jahren noch ausgesehen wie 65.

Für mich ist es höchst an der Zeit über einen anderen Umgang mit Geld nachzudenken bzw. dem Geld eine neue Bedeutung zu geben. Die Finanzmärkte haben längst schon abgehoben und auf gefährliche Weise zugleich viel und nichts mehr mit der wirtschaftlichen Realität der Gesellschaft zu tun. Einige Reiche werden zu Superreichen (in Ö gehört den reichsten 5% der Bevölkerung ca. 50% des Besitzes und wir sind in diesem Punkt noch kein extremes Land. Die reichsten 85 Menschen dieser Erde haben so viel Geld wie die ärmsten 3,5 Milliarden) und viele werden ärmer.

Derzeit ist ein Ende dieser Vermögensschere nicht in Sicht. Nicht einmal die Grünen reden von Gerechtigkeit, die für mich darin besteht, dass alle Menschen am Vermögen der Gesellschaft (und auch an den Reichtümern der Natur) zumindest so weit teilhaben, dass ihnen ein würdevolles Leben möglich ist.
Daher meine politische Forderung Nr. 3: Kein Mensch soll Hunger leiden, dürsten oder frieren. Und niemand soll vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sein.

Ich finde, das ist nicht zu viel verlangt. Allerdings gibt es in Österreich massive Kräfte, die da entschieden was dagegen haben. (z.B. diejenigen, die Wasser und Energie in den Besitz einiger weniger Milliardäre geben wollen).
Die gehören bekämpft, denn es ist für mich evident, dass Menschen mit zu viel Macht und Geld sich einen absoluten Scheißdreck darum kümmern, wie es anderen geht. Warum sollten sie auch? Sie können es manchmal nicht verhindern, dass ein bisschen was vom überreichlich gedeckten Tisch zu Boden fällt und von den Armen aufgesammelt wird. Daraus aber abzuleiten, dass es den Armen besser geht, wenn die Reichen noch reicher werden, halte ich für einen großen Irrtum. Die Entwicklung in der Welt beweist eindrucksvoll das Gegenteil.
Natürlich gibt es Ausnahmen – gütige und großzügige Industrielle im alten Stil, aber sie sind eben die Ausnahme. Und das reicht mir bei weitem nicht.