Zero SR – Oberliga des Elektromotorradfahrens

Nach der Zero FX (siehe früherer Beitrag) durfte ich jetzt die „große“ Zero testen. Sie ist von der Konstruktion her ein Naked Bike und kommt einem herkömmlichen Motorrad vom Fahrgefühl schon sehr nahe.
Einen ausführlichen Test gibt es im motomobil: http://www.motomobil.at/component/content/article/37-test-technik/647-zero-sr-test-e-bike
Ich möchte hier nicht alles, was dort steht, noch einmal herunterbeten. Daher werde ich mich auf die Besonderheiten und Unterschiede beschränken.

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Kraft und Beschleunigung
Alan Cathcart schreibt, dass die Zero SR „in der Beschleunigung aus dem Stand besser ist als fast alles, was Räder hat.“ Nun, dann ist er noch keine starke Maschine gefahren. Natürlich geht sie saugut und die Art der Kraftentfaltung ist angenehm und faszinierend, aber jede gute GSX-R 750 ist besser, von den 1000ern ganz zu schweigen. Allerdings müssen die sich auch gehörig anstrengen, um der SR davon zu fahren.

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Lassen wir die Kirche im Dorf, die SR geht etwa wie eine 600er Supersport, allerdings nur bis ca. 140 km/h, dann wird die restliche Beschleunigung etwas zäh bis zur Spitze von ca. 160.
Das reicht für jede normale Tour, denn der wichtige Geschwindigkeitsbereich von 40 bis 120 wird sehr gut abgedeckt. Ich bin gestern einer Supermoto davon gefahren, deren Fahrer bis in die Haarspitzen (unterm Helm zwar nicht zu sehen, aber es war so) motiviert war – ich hatte nämlich ein holländisches Kennzeichen und er war auf seiner Hausstrecke von Katzelsdorf hinauf auf den Tulbinger Kogel unterwegs. Also war ich Feind, Doppel-Feind, den er unbedingt herbrennen musste. Seine Karten waren auch gut gemischt, denn er kannte die Strecke und vor allem sein Bike in und auswendig. Und ich hatte gerade mal 15 km auf dem Sattel und kenne die Strecke eher so na ja. Außerdem traue ich mich mit einem Testbike die Kurven lange nicht so zu fahren wie es das Bike könnte.

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Auf jeder Geraden wurde er hinter mir kleiner und frustrierter. Nach etwa der Hälfte ließ ich ihn vor und hängte mich dann an ihn an. Das Gerudere war köstlich anzusehen, sein rausgestrecktes Bein in jeder Kurve, um nur ja alles ausnützen zu können.
Das ist die Zero SR. Lautlos, unauffällig und ein Pain in the Ass für Superbike- und Supermotofahrer, die alles und jedes bekämpfen müssen, was sich so auf der Straße bewegt und zwei Räder hat.

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Reichweite
Nach der FX hatte ich die Hoffnung auf wirklich üppige Reichweite, so um die 200 km werden angegeben. Die kann man auch fahren, allerdings in der Geschwindigkeit und Beschleunigung einer Automatik-Vespa. Wer im Sportmodus ordentlich Strom gibt, sieht die Batterievorräte schmelzen wie Eis in der Sonne. Dann werden 100 Kilometer schon eher zum Problem.
Das Bike hat einen Schutzmodus, wenn die Akkuleistung einen bestimmten Wert unterschreitet, regelt er automatisch ab, damit man noch ausreichend Reichweite hat. Vielleicht kann das Zusatz-Akkupaket, das man dort montieren kann, wo sonst der Tank bei einem Motorrad sitzt, noch ordentlich was drauflegen, aber mein Testbike hatte es nicht dabei.

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Die Hinterbremse wurde angeblich verbessert und es ist jetzt ein spanisches Fabrikat montiert. Nach der Testfahrt frage ich mich, ob Spanier echte Hinterradbremser sind. Bei der Bremsleistung dürfte das eher nicht der Fall sein. Mit anderen Worten: Man könnte eine tadellose Gewichtsersparnis erzielen, wenn man die Hinterradbremse einfach ausbaut. Sie ist nämlich wirkungslos und bedeutet nur zusätzliches Gewicht, das von der Vorderbremse mitgebremst werden muss. Ja, ich rede wirklich von komplett wirkungslos. Erstens ist sie schwergängig und sobald eine erste zarte Wirkung eintreten könnte – wirklich noch davor – blockiert sie. Das ist nicht nur ihre Schuld, die Lastverteilung ist sehr weit vorne und gerade bergab bleibt hinten quasi kein Gewicht übrig. Wie gesagt: ausbauen.
Im folgenden Bild ist sie gut zu sehen, vor allem aber auch die wunderhübsch geschweisste Schwinge. Generell wirkt die Zero hochwertig gearbeitet – das dürften die Amis drauf haben, zumindest die von Zero, wenngleich ich anmerken muss, dass fast alles zugekauft wird.

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Anders die Vorderbremse. Sie erfüllt ihre Pflicht und zieht ziemlich gut. Trotzdem wünsche ich mir eine zweite Scheibe – von mir aus sollen sie die von hinten nach vorne verbauen. Die Bremswirkung wirkt etwas filigran, wobei das auch an der Upside-Down-Vordergabel liegen kann. Generell empfand ich das Fahrwerk als etwas zu schwammig – eben filigran. Bei der Kraftentfaltung will ich ein sehr stabiles Fahrgefühl. Vielleicht lässt sich mit der Gabeleinstellung was machen, ich habe das nicht ausprobiert, aber die Verwindung in Kurven ist spürbar, sogar für mich als Rollerfahrer, der bei alten Vespas einiges gewohnt ist.

vorderbremse

Alles in allem ist die Zero ein absoluter Gewinn auf dem sehr breit gestreuten Motorradmarkt. Das fast geräuschlose, stets Staunen erweckende Gleiten, dazu die tolle Kraftentfaltung machen das Bike zu einem Spaßfahrzeug, dessen Faszination noch fast niemandem bekannt ist. Man muss sie fahren, ausprobieren und dem Charme elektrischen Fahrens erliegen – ich kann das nur empfehlen. Am nächsten Bild sieht man gut die Größenverhältnisse – mein lieber Freund und Motorradmechaniker hat den Radstand nachgemessen und für gut befunden. Er wünscht sich eine andere Lenkgeometrie: die Griffe der Lenkstange hinter dem Gabelholm – aber das ist Geschmackssache, so wie die Sitzposition. Anfänglich erschien sie mir stark nach vorne gestreckt, nach 50 km hatte ich mich daran gewöhnt und als ich nach Ablieferung der Zero auf meine SH stieg, hatte ich ein extrem seltsames Fahrgefühl – ganz abgesehen von der plötzlich fehlenden Kraft.

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Ein Schwachpunkt zeigte sich leider bei beiden Touren: Bei engagierter Fahrweise in bergigem Gelände wird der Motor heiß. Dann blinkt eine gelbe Temperaturwarnlampe und man erschrickt. Die Betriebsanleitung zeigt, dass dann das „Temperaturmanagement“ zu arbeiten beginn und dass das keinerlei Befürchtung hervorrufen sollte. Trotzdem wirkt es seltsam und wenn man dann nicht „vom Strom“ geht, regelt irgendwann die Elektronik den Motor ab. Das passiert somit dann, wenn es gerade am Schönsten ist – ein Nachteil, der bei herkömmlichen Motorrädern nicht auftritt. Ich darf noch erwähnen, dass die Testfahrten an keinem heißen Tag durchgeführt wurden und dass ich die Zero eher vorsichtig gefahren bin.
Kein Motorrad für den Stadtverkehr – so viel steht für mich fest. Erstens empfehle ich jedem in der Stadt ein Fahrzeug mit Durchstieg – für den Fall eines Seitenaufpralls – zweitens orientieren sich die Menschen akustisch und nicht optisch, was zu unschönen Gefahrenmomenten führen kann, und drittens ist sie für die Stadt einfach übermotorisiert. Für eine nicht allzulange Spritztour ist sie dafür eine echte Alternative zu starken Motorrädern und macht enorm Spaß.

Zero FX – Elektromotorrad light, aber nicht schwach

Vor zwei Jahren durfte ich schon die Zero DS testen. Inzwischen hat sich viel getan in der kalifornischen Motorradschmiede. Die Fahrzeuge sind ausgereift und werden in Serie gebaut.
Der Preis: knapp unter 10.000 Euro, also in etwa so viel wie ein Piaggio MP3 500 Roller. Die Vergleichbarkeit ist jedoch ansonsten gering – die FX wiegt laut Werksangabe knapp 127 kg, der MP3-Roller mehr als das doppelte.

Dopplerhuette

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Die getestete Version hat einen stärkeren Motor und kostet knapp über 12.000 Euro. Dafür bekommt man schon sehr gute Motorräder, aber nichts vergleichbares.
Bleiben wir bei der FX. Sie ist designmäßig inzwischen ziemlich anspruchsvoll und sieht bei weitem nicht aus wie irgendein Elektro-Versuchsmobil, das im Hinterhof zusammengeschustert wurde. Die Qualität wirkt gut, zumindest soweit man das bei einer ersten Begutachtung und Probefahrt sagen kann. Die Bremsen ziehen ausreichend, die hintere ist sogar ein wenig zu scharf, man blockiert fast sofort.

Zero baut verschiedene Modelle. Das ist das leichteste und schwächste. Allerdings muss man hier aufpassen, die Motorleistung entspricht zwischen 40 und 90 km/h etwa einer 750er Enduro, sie zieht erbarmungslos ab, jeder Überholversuch wird zu einer Sekundenangelegenheit: von 0 auf 100 in vier Sekunden. Das war bei der getesteten Zero DS vor zwei Jahren auch schon ähnlich, nur wog diese noch knapp 200 kg und war deutlich voluminöser. Bild: Vorbei am Wienerwaldgasthof Bonka in Oberkirchbach.

bonka

Ein Vergleich darf noch sein: Die KTM Duke 690 hat 70 Nm bei 5.500 U/min, die Zero legt 95 hin, und zwar gleich. Damit es einen nicht sofort abwirft, wird elektronisch über eine Steuereinheit abgeregelt. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei ca. 135 km/h, aber für die Autobahn sollte man sich sowieso was anderes kaufen. Im folgenden Bild sieht man vor allem wie breit der Lenker ist – für meine Begriffe schon an der Grenze des Bequemen:

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Hier wirkt alles leicht und filigran, aber nicht zerbrechlich. Auch die Schalter, das Display und die Plastikteile muten stabil an, es ist ein echtes Motorrad und beschränkt sich auf die notwendigsten Bedienelemente.

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Tacho

Am Bedienfeld kann man zwischen „Eco“, „Sport“ und „Custom“ wählen, das sind drei Betriebsmodi. Im ersteren spart man Strom, die Motorleistung ist gering, aber dafür schafft man es bis zur nächsten Steckdose. Es reicht übrigens eine ganz normale und das Kabel hat man auch immer dabei – wenngleich es sonst keinerlei Gepäckraum mehr gibt. Wer was mitnehmen will, wählt den Rucksack.

tankstelle

Im Sportmodus geht die Post ab und im Custom-Modus kann man selbst via Handy und Blue Tooth umschalten und programmieren (das hab ich aber nicht ausprobiert).
Für Geländefahrten ist die FX übrigens definitiv nicht geeignet, vor allem wegen des Antriebsriemens – der würde erstens bald aufsitzen und zweitens hält er keine Steine aus, die sich darunter verfangen könnten.

antrieb

Darüber habe ich mit Herbert Bonka ausführlich diskutiert – er ist im Gegensatz zu mir ein guter Crosser und weiß wovon er spricht:

fachsimpeln

Noch einmal zum Preis: Viele begehen gerne den Fehler nur den Kaufpreis zu sehen und nicht die laufenden Kosten. Die Akkuladung für 100 km kostet knapp über einen Euro, da legt man bei einem normalen Motorrad schon 7x so viel hin. Dazu kommen die geringen Wartungskosten: Das Ding besteht aus einem Rahmen, Sitz, Gabel, Federung, Beleuchtung, Schwinge, Akku, Elektromotor und Steuereinheit. Im folgenden Bild sieht man den Motor, der wie eine Lichtmaschine aussieht und genau genommen auch eine solche ist – nur halt umgepolt:

motor

Dann gibt es noch zwei Räder, eine Bremsanlage und ein paar Verkleidungsteile und das war es auch schon. Die Wartung beschränkt sich auf die Bremsen und hin und wieder die Federung. Sehr viel mehr ist nicht zu tun. Bei einer angenommenen Kilometerleistung von 5.000 pro Jahr erspart man sich im Jahr ca. 800 Euro. Auf fünf Jahre gerechnet sind das 4.000 Euro Ersparnis gegenüber einem benzingetriebenen Motorrad.

groesse

Selbstverständlich hat das auch Nachteile: Man braucht relativ oft eine Lademöglichkeit (in der Stadt fährt sie mindestens 100 km, bei Vollgastouren im Wiener Wald kann auch nach 60 km der Strom zur Neige gehen), und man hat kein Motorgeräusch. Bis auf das Abrollgeräusch der Räder und das Surren der Rekuperation gibt es nur die Windgeräusche des Helms. Wer gerne brüllend und donnernd daher kommt, wird sich so etwas nicht kaufen.