Lovely Days – Das Festival 2006 und 2025

Es ist erstaunlich, wie stark meine Erinnerungen an das erste Lovely Days Festival 2006 noch ist. Immerhin ist das schon 19 Jahre her.
Damals fand es im VAZ in St. Pölten statt, direkt neben der Traisen, und es waren zwei heiße, wunderschöne Sommertage. Das Lineup war großartig, Brian Ferry als Höhepunkt des ersten Tages war großartig, am zweiten Tag dann Billy Idol, gefolgt von The Who.
Wir waren eine große Partie, mein Bruder mit dem Wohnwagen und ich bin mit der Vespa hinausgefahren. Mit Parka, damals schon Alt-Mod, aber was für eine Gelegenheit!

Es gab eine Art Woodstock-Atmosphäre, manche Besucher badeten nackt in der Traisen, verliebte Pärchen, entspannte Stimmung und großartige Musik.
2006 hatte ich noch kein Weblog, daher darf ich hier einen kleinen Rückblick machen.

DAS ERSTE LOVELY DAYS 2006

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Bild: Blick in der Abenddämmerung auf die Bühne

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Bild: Die Campingbusse könnten tw. schon in Woodstock gestanden sein. Okay, genau genommen nur der gelbe T2

Es war das einzige Mal, dass das Festival zwei Tage lang dauerte, am 21. und 22. Juli waren insgesamt 20.000 Menschen dort.
Ich erinnere mich noch, dass es sehr heiß war und die Leute mittels Schläuchen mit Wasser gekühlt wurden – zumindest die, die vorne standen.
Der Preis war damals 99 Euro für beide Tage – so viel zahlt man heute für einen Tag – allerdings war damals das Camping inkludiert, heute kostet das – in unserem Fall – 40 Euro extra.
Dies war das Line-up:

Freitag

13.15 Ten Years After
14.30 Canned Heat
15.50 The Stranglers
17.30 Donovan
19.10 Bap
20.55 Robert Plant
23.00 Roxy Music Feat. Bryan Ferry, Phil Manzanera, Andy Mackay, Paul Thompson

Samstag

13.15 Country Joe McDonald
14.30 Iron Butterfly
15.50 Willi Resetarits & Die Extracombo
17.20 Manfred Mann’s Earth Band
19.05 Gary Moore
20.55 Billy Idol
23.00 The Who

Was für eine irre Mischung – darunter diverse Bands, die tatsächlich in Woodstock gespielt hatten, oft allerdings nicht mehr in der Originalbesetzung, schließlich war es ja schon 37 Jahre her. Aber alleine Canned Heat und Country Joe McDonald zu erleben war es wert, dorthin zu fahren.
Ich erledigte das stilgerecht mit der damals noch recht neu aufgebauten Vespa Sprint.

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Bild: Mit Parka auf der Vespa

Wir hatten jede Menge Verpflegung mit und da der Campingplatz gleich neben dem Festivalgelände war, konnte man in den Pausen das eigene, gute Bier trinken.
Ich kann mich nicht an alle Gruppen wirklich erinnern, aber wir haben uns fast alles angesehen. BAP passten zwar – historisch gesehen – eigentlich überhaupt nicht hinein, Willi Resetarits auch nicht, aber sie waren trotzdem großartig.

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Bild: Manfred Mann´s Earth Band

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Bild: Country Joe McDonald

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Bild: Iron Butterfly – damals gab es schon die ersten Grauhaarigen

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Bild: Iron Butterfly – Nostalgie, aber immer noch guter Rock

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Bild: Links Alex, rechts Markus – Festivaljunkies

Highlight am ersten Tag war eindeutig Bryan Ferry, den ich mit ziemlich harter Rockmusik nicht so in Erinnerung hatte – in den 1980ern war er eher für Schmusesongs bekannt.

Da wir alle am zweiten Tag nicht viel zu tun hatten und es wirklich sehr heiß war, beschloss ich einen kleinen Vespa-Ausflug zur Traisen. Das waren nur ein paar hundert Meter, aber ich musste durch eine Siedlung durchfahren und hatte nur eine Badehose an. Hätte mich dort die Polizei aufgehalten, wäre der alte Spruch „Schau i aus als ob i an Ausweis mit hätt?“ angebracht gewesen.

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Bild: Viele junge Leute baden in der Traisen. Viel war an diesen Tagen nicht erlaubt, die Polizei drückte jedenfalls ein Auge zu

Es war an dem Tag aber alles extrem entspannt, die Traisen kühl bis kalt und die perfekte Erfrischung.
Mein Bruder war mit dem Wohnwagen da und hatte noch ein großes Vorzelt, die Freundespartie aus Klosterneuburg war ebenfalls gut ausgestattet und so ließ es sich aushalten, mit gut gekühlten Getränken und Grillfleisch.

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Bild: Die Vegetarier dürften daheim geblieben sein

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Bild: Auf so einem Festival ist ein Wohnwagen natürlich unglaublich praktisch. Selbst in der prallen Sonne lässt es sich mit einem Vorzelt gut aushalten, vor allem, wenn dahinter der Kühlschrank zu finden ist

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Bild: Das klassische Festival-Bild, mit Tschik, Bierdosen und guter Laune

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Bild: Links der 2022 verstorbene Peter Bachmann, einer meiner besten Freunde. Rechts daneben mein Bruder Peter mit kühlendem Handtuch am Kopf. Es war, wie schon geschrieben, sehr heiß.

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Bild: Noch einmal Peter, daneben Uschi, damals wie heute eine echte Festival-Prinzessin

Auch die Gruppen am zweiten Tag waren großartig, gut in Erinnerung ist mir noch Billy Idol, der damals fast nur Haut und Knochen war, aber wie ein Irrer auf der Bühne herumsprang und akrobatische Einlagen lieferte.
Höhepunkt war aber naturgemäß The Who, für die waren wir alle dort, die wollte ich wieder einmal sehen, die kommen nicht oft nach Österreich und schon gar nicht auf so ein Festival.

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Bild: Pete Townshend rechts, Roger Daltrey links

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Bild: Roger Daltrey
Am nächsten Morgen lagen zwar überall noch Alkoleichen herum, ich beschloss aber bald nach Wien zurück zu fahren. Dummerweise sprang die Vespa nicht an und als ich fluchend den Fehler suchte, kamen Freunde ohne Zahl und versuchten mir zu helfen.

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Bild: Unsere Mod-Vergangenheit lässt sich nicht leugnen, wobei die Parkas haben wir nur wirklich sehr kurz angezogen, genau genommen nur für das Foto.

Irgendwie fanden wir das Problem und ich machte mich auf den Heimweg.
Ungefähr zehn Kilometer nach St. Pölten dann ein lauter Knall und der Motor war aus. Ich war not amused, es war schon wieder heiß und ich wollte einfach nur nach Hause. Also Seitenbacke runter und dann sah ich schon die Bescherung: Die Zündkerze war nicht mehr dort, wo sie sein sollte, dafür hatte ich eine Beule in der Backe.
Damals war ich „zangelmäßig“ noch nicht so versiert wie heute und rief daher Hannes an, der mir die Vespa aufgebaut hatte. Der ging sogar ans Telefon und konnte mich schon kurz danach beschwichtigen.
Was war passiert? Als hundert Köche den Brei verdarben, hatte ich zwar die Kerze wieder hineingeschraubt, aber in der Ablenkung vergessen sie festzuziehen. Bei der Fahrt drehte sie sich dann Stück für Stück raus, bis der letzte Gewindegang erreicht war, dann schoss der Druck des Kolbens die Kerze raus.
Ob ich damit heimfahren könnte, war meine Frage an Hannes. Er meinte, wenn das Gewinde vom Zylinderkopf nicht kaputt ist, brauche ich die Kerze nur wieder hineinschrauben und dann weiterfahren.
Genauso war es auch und so ging das Festival noch versöhnlich zu Ende.

2007 war ich dann noch einmal am Lovely Days in St. Pölten, dann wurde es nach Wiesen verlegt, das auch ein sehr feiner Ort für dieses Festival war.
Ich war ein paar Mal dort, einige Jahre auch nicht, bis es endgültig nach Eisenstadt abwanderte. Dort hatte ich mehrere Jahre hintereinander geplant hinzufahren, liebe alte Freunde zu treffen um mir zum fünften Mal Ten Years After anzuhören.

An Wiesen habe ich noch eine Szene in Erinnerung: Ich liege auf einer Decke irgendwo auf der Wiese, neben mir ein gutes Bier, über mir ziehen Schäfchenwolken und Uriah Heep spielen „Free me“ („So long, Easy Rider, I´m gonna miss you for a while…“).
Das wird für mich immer das Bild vom Lovely Days bleiben.

In Eisenstadt war ich fast zehn Jahre dann doch nicht dabei. Bis heuer. Aber das ist schon die nächste Geschichte.

LOVELY DAYS 2025

Mein Bruder hat einen neuen alten VW-Bus T3 und das ist doch eine gute Gelegenheit wieder einmal auf ein Lovely Days zu fahren.
Diese klassischen Rock-Festivals gibt es inzwischen immer seltener, auch weil sich die klassischen Rock-Bands schon längst aufgelöst haben oder nur mehr in Fragmenten vorhanden sind.
Die neuen Musikgruppen sind ganz anders, oft von Profis entworfen wie die Boygroups in den 1990ern.
Die Art der Musik hat sich natürlich stark geändert, von Rap über Hiphop bis zu modernen, glattgeschliffenen Popsongs ohne Kanten und Charakter, vergleichbar mit dem Heineken oder Corona, die mit Bier nichts mehr zu tun haben, dafür aber überall getrunken werden.

Dagegen ist nichts zu sagen, es ist aber eine andere Welt. Am Lovely Days gibt es diese Welt noch, auch wenn sie inzwischen grauhaarig geworden ist.
Die anderen beiden Oldie-Festivals im Schlosspark Esterhazy heißen „Butterfly Dance“ (Soul, Funk, Reggae, HipHop, Jazz) und „Remember Forest Glade – when we were wild and young” (90er-Jahre Gruppen) und haben ein ähnliches Publikum.
Dieses ist mitgealtert, da und dort konnte ich aber auch die nächste oder übernächste Generation sehen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die meisten Besucherinnen und Besucher Großeltern waren.
Warum auch nicht, die sind oft zahlungskräftig und so ein Festival geht ins Geld.
Dafür wird ja auch einiges geboten. Es gab ausreichend WC-Anlagen (leider die Plastikklos, diesmal in der ungarischen Ausführung) und Fress-Standln mit dem üblichen Angebot. Umweltschutz hat sich als Thema insofern durchgesetzt, als die Plastikpfandbecher inzwischen Standard sind. Es ist sowieso verboten irgendeine Form von Essen oder Trinken ins Gelände mitzunehmen, man wird ausgiebig durchsucht. Ich schätze, ein Packerl Mannerschnitten würden noch durchgehen, sonst aber nichts.

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Bild: Die klassischen Fress-Standln

Das ist einerseits verständlich, denn die Gastronomie will auch Geld verdienen, andererseits natürlich ärgerlich, weil normales Leitungswasser bekommt man nur in Plastikflaschen und an heißen Tagen geht das ordentlich ins Geld.
Wenn einem das ausgeschenkte Bier nicht schmeckt (ich trinke z.B. kein Villacher, andere mögen kein Ottakringer), dann kann man noch Wein trinken, dort wird aber auch das billigste Zeug ausgeschenkt, denn die meisten Menschen ordern Spritzer und es ist ihnen vollkommen egal, was da drin ist. Die Gastronomie will wiederum ihren Profit maximieren und kauft daher automatisch den billigsten Wein ein, den sie finden kann. Da es noch dazu keinerlei Verpflichtung gibt die Herkunft anzugeben und das Ausschankpersonal verständlicherweise keine Ahnung hat, was sie da ausschenken, ist die Sache ziemlich klar: Es gibt Rotwein und Weißwein, basta.
Als Camper hast du immerhin die Wahl zwischen den Auftritten zum Campingplatz zu gehen und dort dein eigener Gastronom zu sein.
Wir hatten gutes Bier in gut gekühlten Flaschen und es gab Käsekrainer mit Erdäpfelsalat. Da wir nicht wegen jedem Bier rauf- und wieder runterrennen wollten, konsumierten wir auch im Gelände, ich finde diese Mischform ganz praktisch.

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Bild: Um 13 Uhr eingetroffen, da ist genug Zeit um den Bus ordentlich hinzustellen und sich ein erstes Festival-Bier aufzumachen

Der Campingplatz ist ein alter Sportplatz und hat immerhin Plastikklos zu bieten. Als wir ankommen, sind die meisten schon da. Wir finden aber einen guten Platz, wobei das ziemlich egal ist, der Platz ist ja nicht groß und eine Wahl zwischen Schatten und Sonne gibt es nicht. Die meisten Camper sind mit Wohnmobilen da, einige auch mit Auto und Zelt. Ältere Pärchen haben aufgebaut als wollten sie einen ganzen Monat bleiben, uns gegenüber hat eine lustige Steirerpartie ein großes Hauszelt aufgestellt, unter dem sie sich schon am frühen Nachmittag ein gepflegtes Besäufnis geben.
Sie sind aber alle entspannt und nett und ich darf mir ein Ladegerät für das Handy ausborgen.
Camper wissen, dass sie sich arrangieren müssen, man ist sich platzmäßig ja sehr nahe. Kleine Unstimmigkeiten („da kannst di net hinstellen, da kommen wir ja nimmer raus“) werden schnell beseitigt und es geht generell sehr friedlich zu.

Mein Bruder hatte die Gelegenheit einen sehr gut erhaltenen VW T3 zu kaufen und diesen probieren wir jetzt aus. Conclusio: Er ist immer noch sehr praktisch, keine Rakete, aber gemütlich und robust. Das gleiche Modell (nur Afrika-tauglich mit Allrad) holt mein Bruder gerade aus Kenia zurück, wo der brave Bus 38 Jahre lang gute Dienste geleistet hat.

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Bild: Der Bus, gut ausgestattet und mit praktischem Schlafdach

Es gibt Camper von ganz winzig bis riesengroß, vom schwarz angesprayten Bus bis zum weiß blitzenden Luxuswohnmobil.

Zurück zum Festival. Hier ist das Lineup:

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Bild: Lineup mit Zeiten

Mein Bruder bleibt noch ein wenig beim Bus, während ich hinunter zum Festivalgelände gehe, um mir ein wenig Harri Stoja anzusehen. Es ist superheiß und es gibt dort nur für die ersten 30 Gäste den Schatten, den das Bühnendach spendet. Harri spielt wirklich gut, ich bleibe trotzdem nicht allzu lang, die Sonne knallt einfach zu stark runter.

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Bild: Harri Stojka

Das Gelände im Eisenstädter Schlosspark ist gut geeignet, riesig groß und leicht ansteigend. Es gibt vorne einen reinen Stehbereich, durch den quer ein kleines Biotop verläuft, das mit Gittern abgesichert ist.
Dahinter gibt es den Deckenbereich, wo man sich mit Freunden und Bier hinknotzen und der Musik lauschen kann. Großteils gibt es auch noch gute Sicht auf die Bühne, wobei die beiden Videoleinwände eine große Hilfe sind, eh wie bei allen Konzerten, wenn man nicht ganz vorne steht. Die gibt es ja inzwischen seit über 30 Jahren, sie sind aber besser und größer geworden.

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Bild: Das Festivalgelände mit Bühne und Videowalls

Im Deckenbereich geht es zu wie in Caorle am Strand. Man findet einen Platz und reserviert ihn sich mit einer Decke. Dieser Bereich ist auch noch ausgeschildert und umrahmt, es geht also ganz geordnet zu. Mich als alten Gruppendynamiker interessiert sowas, denn das ist in dieser Form erst entstanden. In Wiesen hat noch jeder irgendwo seine Decke aufgelegt, hier muss alles auf den Meter genau geordnet sein. Weiter vorne sind Decken verboten – wahrscheinlich ist das irgendwann ausgeartet und hat zu Konflikten geführt.
Am schlechtesten haben es eigentlich die Sitzplatzgäste erwischt. Die Tribüne ist voll in der Mittagssonne und sie haben dafür 150 Euro gezahlt. Die Tribüne ist auch nicht gut besucht, zumindest jetzt unter Tags noch nicht.

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Bild: Tribüne in der prallen Sonne

Im hintersten Bereich geht es am lockersten zu, da haben alle viel Platz, es gibt da und dort einen Baum und es geht eher zu wie im Schwimmbad, Kinder laufen herum und irgendwo weiter unten spielt Musik.

Viele Gäste haben schlauerweise Strohhüte auf, was gut gegen die Sonne hilft und trotzdem luftig ist. Mein Bandana tut es auch, manche schlauen Leute waren früh dort und haben sich einen der wenigen Schattenplätze unter den wenigen Bäumen geschnappt.
Von The Doors Alive sehen wir nur die letzten drei Nummern, The Sweet sehe ich mir dann gemeinsam mit meinem Bruder komplett an, wir finden einen Halbschattenplatz am Rand und machen es uns gemütlich. Den Deckenplatz, den ich ursprünglich hatte, geben wir wieder auf.
Jede dieser alten Bands hat noch ein Urspungsmitglied, meistens ist es der Gitarrist. Die sind alle schon in die Jahre gekommen, bei The Sweet ist es Andy Scott als einzig noch Lebender, die anderen, derzeitigen Bandmitglieder sind halb so alt.

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Bild: The Sweet spielen, es ist früher Nachmittag, die Stimmung ist gut

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Bild: Andy Scott

Die alten Nummern (natürlich inkl. Ballroom Blitz) klingen wie früher oder fast wie früher. Bei all diesen Bands wurde dafür gesorgt, dass die Nachfolgenmitglieder ungefähr so spielen wie ihre Vorgänger. Das klappt eigentlich überall ganz gut, The Sweet zuzuhören macht durchaus Spaß, klingt aber natürlich immer nach Vergangenheit, Jugend und den unbeschwerten Tagen, denen man melancholisch ein wenig nachtrauern darf, während die Haare auf der Bühne und im Publikum jedes Jahr grauer werden.

In einigen Jahren wird das alles komplett zu Ende sein, auch die letzten Gründungsmitglieder aller alten Bands werden in Pension oder gestorben sein, die Bands werden sich sinnvollerweise auflösen und die klassische Rockmusik wird nur mehr über den Lautsprecher hörbar sein.
So ist es halt, aber mich interessiert trotzdem, warum diese Zeit so abgeschlossen erscheint. Es waren etwas mehr als zwei Jahrzehnte, von 1962 bis 1985, danach kam nichts mehr. Scheinbar ist diese Art der Musik ein Kind ihrer Zeit, als die E-Gitarren und Verstärker erfunden wurden und die Musik sich vom Rock´n Roll, Blues und Folk weiterentwickelte.

Natürlich haben die Bands auch damals schon von alten Nummern da und dort abgekupfert, aber der Großteil wurde neu komponiert, entwickelt, erfunden, erschaffen. Das war auch in der Elektronikmusik der 1980er ähnlich, wenngleich hier die Synthesizer schon einiges an Kreativleistung ersetzten. HipHop und Rap waren auch noch eigenständig und neu, danach jedoch kann ich mich nicht erinnern, substanziell Eigenständiges gehört zu haben.
Die Rolling Stones oder The Who waren keine am Papier konzeptionierten Bands, sondern da haben sich Musiker gefunden und gerockt.
Alle heutigen Rockbands klingen entweder nach gestern oder belanglos. Das werden junge Menschen wahrscheinlich anders sehen, aber ich kann das Neue halt nicht erkennen. Vielleicht wird eine der neuen Rockgruppen auch in fünfzig Jahren noch auf der Bühne stehen, ich kann es mir halt nicht vorstellen.
Inzwischen gibt es die erste komplett virtuelle Band. Die Musiker sind im (oder vom) Computer generiert, ihre Musik ebenfalls und sie haben hohe Zugriffsraten im Internet. Das mag mögen, wer will.

Mothers Finest haben wir uns nur zum Teil angehört, bei Slade ist der einzige noch aktive Musiker aus der Originalbesetzung Dave Hill, grauhaarig und bald seinen achtzigsten Geburtstag feiernd. „Cum on feel the noize“ durfte nicht fehlen.

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Bild: Suchbild: Wer findet meinen Bruder Peter? (Auflösung: Das ist der Blick vom Schotterweg in den obersten Bereich. Mein Bruder knotzt direkt vor dem kleinen Baum in Bildmitte auf einer Decke.

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Bild: Jetzt liege ich unter dem Baum auf der Decke und schaue in den blauen Himmel mit Schäfchenwolken – ähnlich wie vor vielen Jahren beim Lovely Days in Wiesen

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Bild: Hinter einem Schotterweg beginnt der hinterste Bereich, wo jede Menge Platz ist und auch das nächste Getränkestandl ist nicht weit.

Bei Melissa Etheridge waren wir bereits im hintersten Bereich, aber irgendwie noch weit genug vorne, um die Show gut mitzuerleben. Ich ergatterte sogar einen Platz in einer der wenigen Hängematten, die dort vorzufinden waren.

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Bild: Ich liege in der Hängematte und schaue Melissa Etheridge. Das Leben ist schön an diesem Abend

„Bring Me Some Water“ als Highlight, aber die ganze Show war kraftvoll und engagiert, kurz ihr Geld wert.
Manche der Bands haben sogar kürzlich erst ein neues Album herausgebracht, aber nichts davon ist wirklich interessant, außer für eingefleischte Fans der jeweiligen Gruppe.
Die Leute wollen die alten Hits hören, sonst nichts.

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Bild: Um 23 Uhr beginnt Billy Idol

Das gilt natürlich auch für Billy Idol, den Höhepunkt des Festivals, der wie alle anderen pünktlich begann.
Das ist das Wesen dieser Festivals: Pünktlich beginnen, zwischen 70 und 90 Minuten spielen, dann Umbaupause. Da gibt es keine Zugaben oder maximal eine, alles ist durchgeplant.

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Bild: Billy in Action

Bei Billy war interessant, wie er sich verändert hat. Vor 19 Jahren war er ein kraftvoller, wilder Hund, scheinbar noch in einer Drogenphase, daher Haut und Knochen.

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Bild: Billy 2025

Diesmal langsamer, klarerweise nicht mehr so kräftig, routiniert und mit Botox unter der Haut oder zumindest dem einen oder anderen Lifting.
Der Hauptfaktor war für mich die Nostalgie, keine Frage. Musikalisch gibt es natürlich ein bemüht, aber irgendwie ist es auch ein trauriger Abgang, der sich da vollzieht. Sein Gitarrenkollege Steve Stevens spielte eine ganze, verdächtig lange Akustiknummer, während Billy wahrscheinlich Erholung nötig hatte.

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Bild: Steve Stevens beim Solo

Für sein Alter spielte Billy aber alle Nummern noch sehr anständig runter – von „Mony Mony“ über „White Wedding“, „Eyes Without A Face“ bis zu „Hot In The City“ war alles dabei, was wir früher gerne hörten.

Und so ist es auch eine halbe Stunde nach Mitternacht mit der letzten Nummer einfach zu Ende, die Leute verlassen schnell das Gelände, unter Tags mussten eine Handvoll Medizinfälle versorgt werden, die meisten wegen der Kombination aus Sonne und Alkohol.

Ansonsten war alles friedlich, routiniert und nett. Es war gut, dort gewesen zu sein. Ob ich mir noch weitere Lovely Days ansehen werde, hängt vom Zufall ab. Ich fürchte, die wirklich interessanten Gruppen habe ich bereits abgefrühstückt. Aber wer weiß, vielleicht taucht noch der eine oder andere Grauhaarige auf, den ich mir gerne ansehe.

Künstliche Intelligenz oder die Rechenleistung einer Maschine?

Gleich vorweg meinen Dank an Christian Pohl, der mich auf Fehler bzw. fehlende Elemente in diesem Artikel hingewiesen und freundlicherweise auch gleich die Elemente mitgeliefert hat.

Die Ursprünge der „KI“ lassen sich mindestens 250 Jahre zurückverfolgen, als 1769 am kaiserlichen Hof von Maria Theresia eine Maschine vorgestellt wurde, die Menschen im Schach besiegen konnte. Es war eine Art Blechroboter, dem ein Turban aufgesetzt war – daher wurde er „Schachtürke“ genannt.
Es handelte sich aber um keine künstliche Intelligenz und genau genommen nicht einmal um einen Roboter, sondern um einen Schwindel – in der Maschine saß ein Mensch, der gut Schach spielen konnte.
Erst ein halbes Jahrhundert später flog der Betrug auf und seitdem spricht man davon, dass etwas „getürkt“ ist.
So lange halten sich Worte, aber das ist ein anderes Thema.

Bei der heutigen Faszination um die „AI“ (also „artificial intelligence“) oder „KI“ („künstliche Intelligenz) sitzen wir möglicherweise einem ähnlichen Schwindel auf: Wir glauben, dass analoges Denken (und in Folge Intelligenz – was auch immer das sein mag) durch digitale Rechenvorgänge nachgemacht werden kann.
Dazu müssen wir verstehen, was der Unterschied ist. Ich war 1984 der erste Jahrgang in unserem Gymnasium, der das Freifach „Informatik“ belegen durfte. Das war auch deswegen eine Herausforderung, weil wir dazu einen kleinen Computer brauchten, der eine Menge Geld kostete. Es war ein „Texas Instruments Pocket Computer“, etwa so groß wie ein heutiges Handy, mit einer einzigen LCD-Bildschirmzeile, wie ein Taschenrechner. Und er konnte „Basic“ programmieren – das war auch das, was wir lernten.
Vor allem aber lernten wir die Basis der Informatik, nämlich wie ein Computer funktioniert. Ohne jetzt hier auszuschweifen, die Grundlage von allem bildet bis heute das „digitale System“, also die Darstellung von allem im Schema „Null“ oder „Eins“. Diese 0/1-Kombination nennt man ein „Bit“ und 8 davon sind ein „Byte“. Ein Kilobyte sind allerdings nicht 1.000 Byte, sondern 1.024.
Ein Megabyte sind dann 1.048.576 Byte usw.
So haben wir es gelernt und das gilt bis heute.

Die Aufeinanderfolge von Bits ergibt eine Rechenoperation, also „drei Mal Null, dann zwei Mal Eins, dann zwei Mal Null“ bedeutet etwas anderes als „ein Mal Null, dann 4 Mal Eins“.
Ein Computer beherrscht verschiedene Rechenoperationen, etwa „wenn – dann“. Wenn er also „drei Mal Null“ vorgesetzt bekommt, macht er etwas. Wenn er aber „vier Mal Null“ vorgesetzt bekommt, macht er etwas anderes.
Die Rechenoperation lautet „Wenn du drei Mal Null liest, dann mach „A“, wenn du aber vier Mal Null liest, dann mach „B“.
Ich habe das mit einem kleinen, analogen Bild dargestellt.

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Das ist ein „Kugelautomat“. Von oben rollt über die schräge Fläche eine Kugel runter und fällt in den Behälter. Das funktioniert bis zur dritten Kugel. Wenn eine vierte Kugel kommt, leitet sie der Automat in den nächsten Behälter.
Somit haben wir eine Wenn-Dann-Funktion: Wenn die vierte Kugel kommt, dann leite sie in den anderen Behälter.
So funktionieren Computer – ein wenig vereinfacht dargestellt, aber hoffentlich verständlich.
Das analoge Bild wurde von mir mit einer Digitalkamera fotografiert und dann auf den Computer überspielt.
Dort habe ich das Bild dann verkleinert, also „runtergerechnet“. Es setzt sich ja aus einer bestimmten Anzahl winziger Punkte zusammen, die entweder schwarz oder weiß sind – also Null oder Eins.
Der Computer nimmt das Bild und legt darüber ein Raster, also so etwas wie ein Gitter. Dann sieht er sich an, in welchem Rasterfeld es weiß ist und in welchem schwarz.
Er merkt sich den Wert für jedes Bild (dazu hat er einen Speicher) und stellt dies in einer Folge von Null-Eins-Werten dar: Im ersten Gitterfeld findet er einen schwarzen Punkt – und gibt diesem den Wert Null, im zweiten einen weißen, daher der Wert Eins, im dritten wiederum einen schwarzen, daher Null usw.
Die Folge der ersten drei Felder lautet also Null – Eins – Null (0-1-0).
Um das ganze Bild darstellen zu können, muss der Computer also nur eine ausreichend lange Aufeinanderfolge von Nullen und Einsen erzeugen, in diesem Fall 3,4 Megabyte. Wenn ich auf meinem Rechner die Info über das Bild ansehe, dann zeigt er mir das:

Bildinfo.png

Wenn ich das Bild jetzt herunterrechne, vergrößert der Computer in Wahrheit nur das Raster, weil ich für die Darstellung dieser Zeichnung einfach nicht so ein feines Raster brauche. Das nennt man dann die „Auflösung“.
Das obige Bild hat jetzt nur mehr 283 Kilobyte, also 281.634 Byte.
Das spart Speicherplatz und in Summe Energie, weil der Computer für jede Rechenoperation Strom braucht.
Wenn man solche Bilder vergrößert, sieht man das Raster. Das nennen wir dann „Pixel“. Wenn im Fernsehen – das heute ja digital ist – die Bilder auf einmal so seltsame Vierecke zeigen, dann nennen wir das „verpixelt“ und meinen damit, dass der Computer, der für die Erzeugung verantwortlich ist, nicht schnell genug rechnen kann oder die Informationen nicht bekommt, um die Bilder (Videos sind nichts anderes als viele Standbilder hintereinander) so darzustellen, dass wir sie im Kopf ins Analoge zurückrechnen können.

Ein paar Ergänzungen für Neugierige, die noch etwas tiefer in die Materie hineinschauen wollen: Die Bild-Logik funktioniert nur bei s/w-Bildern, bei Farbbildern kommt dann klarerweise zum Bit 0/1 pro Bildpunkt die Farbinformation dazu. Bei den ersten Computern war diese Farbinformation auf die Hälfte eines Bytes, also 4-Bit, beschränkt, was zu max. 16 (=2 hoch 4) Farben führte. Bei den späteren grafischen Benutzeroberflächen (z.B. erste Windows-Versionen 1.0 und 2.0) wurde schon ein ganzes Byte (=2 hoch 8) dafür verwendet, was zu 256 Farben führte, später 2 Byte (Windows 3.0) für 65536 Farben, heute haben wir generell einen Farbraum von 3 Byte, also 24-bit, mit über 16 Millionen Farben, was gemeinhin als True-Color bezeichnet wird.

Kommen wir zurück zur Künstlichen Intelligenz. Sie ist nichts anderes als genauso ein Rechner, wie ich ihn für dieses Bild verwende. Sie bekommt Informationen, die sie in digitale Null-Eins-Codes übersetzt, ähnlich wie das analoge Bild in ein Raster übersetzt wurde, in dem man dann Nullen und Einsen findet.
Die Künstliche Intelligenz ist ein Programm, das eine bestimmte Menge von Rechenoperationen wie unsere mit „Wenn-Dann“ beherrscht. Sie kann sehr viele Operationen mit sehr vielen Daten in sehr kurzer Zeit durchführen.

Sie kann aber nicht mehr als das.
Sie kann nicht denken, außer wir sehen das menschliche Denken als eine Art digitale Operation, die in einem Rechner namens Gehirn durchgeführt wird.
Wenn das so ist, dann müsste man wahrscheinlich bei einem Computerprogramm tatsächlich von Intelligenz sprechen.
Das wird aber nicht nur von mir bezweifelt, denn es fehlt noch eine wichtige Komponente, das „Verstehen“.
Hier streiten sich Philosophen, Neurowissenschafterinnen, Informatiker, Biologen, Psychologinnen und noch viele andere darum, was das wirklich ist.
Die KI-Hardliner meinen, das Verstehen ist nur eine Kombination von Daten, quasi das Ergebnis von Rechenoperationen: Wenn die vierte Kugel in das neue Gefäß fällt, dann hat der Computer sozusagen „verstanden“, dass in das erste Gefäß nur drei Kugeln passen.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht, aber letztlich bleibt immer die Frage: Ist unsere Welt in Wahrheit digital, also nichts anderes als eine unfassbar große Anzahl an Nullen und Einsen?

Es gibt Zweifel an der Begrenztheit der KI, wie ich sie eben dargestellt habe. Dabei ist wichtig anzumerken, dass wir wahrscheinlich erst am Anfang einer interessanten Entwicklung stehen und auch die besten Expertinnen und Experten noch nicht wissen, in welche Richtung sich die KI (samt allem, was daraus gemacht wird) entwickelt.
Möglicherweise entsteht hier doch mehr als ein einfaches Computerprogramm und es ist zu früh zu behaupten, dass wir die Wahrheit bereits kennen.

Sehen wir uns die Elemente an, die seitens KI entwickelt wurden:

Lernfähigkeit:
KI kann aus Daten lernen, ohne dass jeder Einzelfall manuell programmiert werden muss. Zum Beispiel:
Klassisches Programm: „Wenn E-Mail Betreff enthält ‚Rechnung‘, dann verschiebe in Ordner X.“
KI: „Ich habe Millionen E-Mails gesehen und erkenne, dass dies mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Rechnung ist.“

Generalisierung:
KI kann neue, unbekannte Situationen behandeln, wenn sie genügend ähnliche Muster zuvor gelernt hat.

Verarbeitung unstrukturierter Daten:
KI kann Bilder, Sprache oder Texte interpretieren – etwas, das für klassische Programme kaum möglich ist.

Probabilistische Entscheidungen:
Statt Ja/Nein entscheidet KI oft auf Basis von Wahrscheinlichkeiten – z.?B. „Zu 87?% ist dies ein Hund.“

Skalierbarkeit & Anpassungsfähigkeit:
Ein KI-Modell lässt sich für viele Aufgaben anpassen (Transfer Learning, Fine-Tuning) – von Chatbots bis zur medizinischen Diagnostik.

Das alles kann die KI, weil sie in der Lage ist, zusätzlich zu ihren programmierten Algorithmen statistische Daten und Modelle zu verwenden, um Muster zu erkennen. Diese Muster dienen dann als Vorlage für den „Lernprozess“, dh. zukünftige Entscheidungen (Wenn-Dann) werden aufgrund dieser gelernten Muster angepasst – was einer Verhaltensänderung entsprechen kann.
Die Entscheidungen sind daher nicht völlig deterministisch, sondern hängen vielmehr vom Trainingsprozess und der damit errechneten Wahrscheinlichkeiten ab.

An dieser Stelle vermuten Fachleute, dass es sinnvoll ist, von einer gewissen Intelligenz zu sprechen.
Selbst Philosophen, die gerne das letzte Wort haben, müssen hier eingestehen, dass sie es einfach nicht wissen.
Es zahlt sich also sicher aus, an der Diskussion dranzubleiben, vor allem, wenn es um die Fragen nach Bewusstsein geht – übrigens die letzte, alles entscheidende Frage in der ganz großen Diskussion.
Ich möchte auch hier nur ein Element herausnehmen, die Lernfähigkeit.
Dazu sehen wir uns obigen Satz noch einmal an:

KI: „Ich habe Millionen E-Mails gesehen und erkenne, dass dies mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Rechnung ist.“

Wahrscheinlichkeitsberechnung ist ein Programmteil, das konnten Computer schon in recht frühen Phasen ihrer Entwicklung. Spannender ist der Begriff „erkennen“, denn hier müssen wir uns genauer ansehen, was das bedeutet.
Wenn ich erkenne, dass das, was mir auf der Straße entgegenkommt, ein Auto ist, dann ist das eine Art Rechenoperation in meinem Gehirn: Es hat abgespeichert, dass bestimmte Formen den Begriff „Auto“ bekommen. Wenn ich jetzt ein Auto sehe, vergleicht das Gehirn die Form mit Formen, die es kennt und ordnet diese Form zu. Das ist für uns lebenswichtig, denn wir müssen Formen, die wir erkennen, einordnen können, um damit umgehen zu können.
Die ursprüngliche Rechenoperation „Wenn diese Form, dann Auto“ muss aber programmiert werden – sowohl im Computer, wie auch im Gehirn. Im Gehirn funktioniert das übrigens indem uns irgendwann gesagt wird, dass diese Form „Auto“ genannt wird.
Bis daher ist das eigentlich noch recht banal und der Unterschied zwischen „intelligenten Menschen“ und „unintelligenten Rechnern“ noch nicht erkennbar.
Spannender wird es, wenn wir darüber hinausdenken: Was bedeuten Autos für Menschen? Wir wissen etwa, dass sie als Statussymbole verwendet werden, um Emotionen auszulösen. Diese Funktion fließt in die Entwicklung von Autos mit ein, die dann eine „aggressive Front“ bekommen, wo etwa die Scheinwerfer wie Augen gestaltet werden, die zu Sehschlitzen verformt sind, weil wir diese Form von aggressiven Gesichtsausdrücken kennen.
Kann das die KI auch „erkennen“ und wenn ja, was macht sie draus?

Ich glaube, dass ihr diese Erkennungsoperationen programmiert werden müssen und dass sie dies nicht von selbst entwickeln wird. Aber wissen kann ich das nicht.
Bleibt die KI ein Computerprogramm, das einfach nur besser, weil komplexer ist?
Und die Frage nach Bewusstsein ist damit natürlich noch nicht einmal angeschnitten. Wir wissen ja nicht einmal, was es beim Menschen genau ist, wie es funktioniert und wie es sich entwickelt hat. Wie sollen wir dann wissen, ob es sich in Computern bzw. Netzwerken entwickelt?

Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage.
Ich bin der Ansicht, dass alle Menschen, die über Künstliche Intelligenz mitdiskutieren, zuerst einen Test machen sollten, ob sie wissen, wie Computer überhaupt funktionieren. Zumindest die Grundfunktionen sollten bekannt sein.
Sie müssen nicht wissen, wie Quantenphysik funktioniert und auch nicht mit der Diskussion vertraut sein, ob unser Gehirn nicht in Wahrheit ein Quantencomputer ist. Aber was ein Bit und ein Byte und eine Rechenoperation ist, sollten sie wissen.
Sonst passiert nämlich das, was wir derzeit in den Sozialen Medien sehen können. Menschen lassen sich von KI-Bildern oder auch von ChatGPT-Texten in die Irre führen. Derzeit ist das noch recht einfach erkennbar, denn die KI-Bilder weisen noch sichtbare Fehler auf, das wird sich aber im Laufe der nächsten Jahre ändern.
Es ist aber erschreckend, wie viele Menschen heute schon glauben, dass KI-Bilder echte Fotos sind, auch wenn sie wirklich schlecht gemacht sind. (Am besten lässt sich so ein Bild übrigens erkennen, wenn man die Hände der darauf dargestellten Menschen ansieht. Das kann die KI meistens noch nicht gut errechnen.)

Es wirkt fast so, als wünschen sich die Menschen getäuscht zu werden. Das hat ja eine lange Tradition, wenn ich an das „Heumarktcatchen“ denke, heute besser bekannt unter dem amerikanischen Namen „Wrestling“, wo Menschen sich bewusst täuschen lassen. Sie vergessen während der Kämpfe gerne, dass diese nicht echt sind. Ist es die erwünschte Ablenkung von ihrem realen Leben? Auch Filme mit Schauspielern stellen kein reales Leben dar, sondern eine Art künstliche Abbildung davon, verzerrt, idealisiert, geschönt.
Mich erinnert das an die Aussage einer älteren Frau, die über ihr Leben befragt wurde und auf die Frage nach ihren Hobbies antwortete „Fernschauen“. Auf die Frage, was sie gerne fernschaut, meinte sie „Serien“ und auf die Frage, welche Serien: „Reich und schön“.
Sie selbst war arm und schiach. Menschen (mich natürlich eingeschlossen) lassen sich gerne in „unechte Welten“ verführen, ganze Unterhaltungsindustrien leben nur davon. Ob das „ferne Welten“ in Science-Fiction-Filmen sind oder kleine Videos am Handy – das ist alles die gleiche Masche.

Das alles könnte man jetzt als nette Freizeitbeschäftigung einstufen, wenn nicht handfeste Gefahren davon ausgehen würden.
Schon heute werden im Internet gefälschte Bilder und Videos verbreitet, um Menschen dadurch Schaden zuzufügen. Fotos wurden auch früher schon gefälscht, das war aber nicht einfach und nur mit entsprechender Ausrüstung zu schaffen. Durch das Computerprogramm Photoshop hat sich hier schon einiges verändert, aber auch das musste man noch bedienen können.
Heute gebe ich Befehle in ein Programm ein und lasse mir ein Bild vom Computer erstellen. Das kann jeder Mensch mit einem Handy und einer App vom Wohnzimmer aus.
Ich bin übrigens der Meinung, dass es eine Kennzeichnungspflicht für KI-Bilder geben sollte. „AI-generated“ oder so ähnlich, mit einem Symbol ähnlich dem © für Copyright.

Jetzt stellt sich die Frage nach sozialer Korrektur. Es gibt dazu einen alten Spruch: „Es gab immer schon in jedem Dorf einen Trottel, nur heute hat er Internet.“
Wenn der Trottel im Dorf etwas gesagt hat, seine Meinung verbreiten wollte, dann war allen klar: Das ist ein Trottel. (Das Wort stammt übrigens von „trotten“, was langsam gehen heißt. Gemeint war das Herumwanken, nicht gerade gehen können, was oft mit nicht gerade denken können einhergeht.)
Wenn eine relevante Mehrheit etwas gesagt hat bzw. eine Meinung gebildet hat, dann wussten alle, dass sie sich diese Meinung anhören bzw. auch sich ihr anschließen sollten. Die Quantität erzeugte sozusagen Wahrheit.
Heute treffen tausende Trottel im Internet zusammen und entwickeln eine Meinung. Davon lassen sich viele Menschen täuschen, weil was viele sagen, ist ja laut ihrer Erfahrung die Wahrheit.
„Scheiße schmeckt gut – Milliarden Fliegen können sich nicht irren“ heißt der Spruch, der diesen Fehler aufdecken soll.
Er war in der Geschichte schon oft ein Thema, denn auch früher hatte die Mehrheit nicht unbedingt Recht. Für Sokrates hat das eine wichtige Rolle gespielt, denn er wurde von der Mehrheit der Volksversammlung zum Tod durch den Schierlingsbecher verurteilt – übrigens wegen Aufhetzung der Jugend (und noch ein paar anderer Delikte).
Die Abstimmung ging recht knapp aus, was Sokrates dazu veranlasste, das Urteil zu akzeptieren und den Schierlingsbecher zu trinken, seiner Nachwelt aber eine Botschaft zu hinterlassen: Er empfiehlt, die Suche nach der Wahrheit nicht durch die Suche nach der Mehrheit zu ersetzen.

Das ist auch für unsere Diskussion über KI ein wichtiges Thema, denn wenn die Computerprogramme ihre Entscheidungen aufgrund von Wahrscheinlichkeiten treffen (siehe obiges Element der „probabilistischen Entscheidungen“), dann treffen sie diese aufgrund von Quantitäten (87 ist größer als 18) und nicht aufgrund dahinterliegender Qualitäten.
Ob sie diese als solche erkennen können, ist die nächste spannende Diskussion. Sie ist praxisrelevant, denn es gibt immer mehr Menschen, die dem KI-Programm „ChatGPT“ eine Frage stellen, wenn sie etwas nicht wissen, und die Antwort als Wahrheit einstufen. Das ist aus mehreren Gründen bedenklich, etwa weil es für diese Antworten keinerlei Quellenangaben mehr gibt. Das KI-Programm durchsucht das Internet und stellt aus den dort gefundenen Informationen eine Antwort zusammen. Die ist manchmal gut und manchmal schlecht.
Sich darauf zu verlassen ist auf jeden Fall schlecht.

Menschen treffen für wichtige Entscheidungen zusammen und diskutieren diese. Dabei versuchen sie die Wahrheit zu finden, was oft eine schwierige Aufgabe ist. Die Meinungen der Trottel können aber meistens recht schnell entdeckt und dann richtig eingestuft werden, auch weil es pro Dorf im Regelfall nicht allzu viele davon gibt.

Im Internet bzw. den sozialen Medien ist das anders, da gibt es diese Korrektive gar nicht, spätestens in geschlossenen Gruppen entsteht die dort herrschende Wahrheit aufgrund der Meinungen (und Interessen, oft auch Emotionen wie Ängsten) von Trotteln.
Wir sprechen in diesem Fall von sogenannten „Blasen“, in denen Menschen agieren und denken und wo die Realität außerhalb der Blase keine Rolle mehr spielt.
Wenn die Menschen aus so einer Blase dann geballt auf die Realität, sprich die soziale Öffentlichkeit losgelassen werden, gibt es Probleme.

Punkto KI stellt sich hier die Frage, ob sie auch außerhalb ihrer „programmierten Blase“ existieren kann und was das bedeutet. Kann sie die Meinung von Trotteln erkennen, wenn diese eine Mehrheit bilden? Ist ihr dann klar, dass es sich nicht um die Wahrheit handelt, auch wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist?
Gut funktionierende soziale Gefüge können das. Ein gutes Beispiel ist der Hofnarr. Dieser hatte am Hof Narrenfreiheit, d.h. er konnte dem Herrscher widersprechen, ohne dass seine Meinung (und er selbst) sofort eliminiert wurde.
Das war immer dann wichtig, wenn die Mehrheit falsch lag und es daher ein Korrektiv brauchte.
Welches qualitative Korrektiv hat die KI?
Das ist vor allem dann wichtig, wenn sie Entscheidungen trifft, nach denen gehandelt wird. Können Kampfdrohnen gute von schlechten Menschen unterscheiden? Und wenn ja, auf welcher Basis?
Es kommt wohl darauf an, wie sie programmiert wurden. Sobald wir aber Entscheidungen zulassen, die nicht mehr auf der direkten Programmierung basieren, sondern auf Schlüssen, die von der KI der Drohne selbst gezogen wurden, wird es heikel.

Dies ist nur ein Aufriss eines großen und komplexen Themas, mit dem wir uns beschäftigen müssen.