Die kleinen Anzeichen

Es sind oft die kleinen Anzeichen, die auf große Veränderungen hindeuten. Sie erscheinen unzusammenhängend und sind es vielfach auch. Aber ihre Summe sollte uns aufhorchen lassen:

1.) Vereinzelung
Wehe, wenn sie sich zusammenschließen! Das wissen diejenigen, die ihre Macht erhalten wollen, nur zu gut – vom schwachen Abteilungsleiter in der Firma bis zum Papst. Ein probates Mittel ist die Vereinzelung (Idiotisierung) der Menschen (der „Idiot“ ist übersetzt der „Vereinzelte“). Je mehr sie auf ihr individuelles Wohl schauen („Wenn jeder auf sich selbst schaut, dann ist auf alle geschaut“), desto dünner wird die Gemeinschaft. Die Verlockung nach dem äußeren Zeichen der Individualität, dem individuellen Besitz, wird immer größer. Man muss die Gegenstände dafür weder brauchen noch benützen – Hauptsache man hat sie. Die Vermehrung, Erhaltung und Absicherung der Güter frisst dann die Zeit und Energie, die man sonst für die Gemeinschaft verwenden könnte.

2.) Konsumradikalisierung
Noch mehr von möglichst allem, jetzt gleich, vergleichbar einem Ertrinkenden, der nach Luft schnappt. Das Gekaufte macht immer weniger glücklich und immer kürzer. Schnell noch das ausgeben, was vielleicht morgen nichts mehr wert ist. Sammeln für einen möglicherweise harten und kalten Wirtschafts- und Sozialwinter. Der Widerspruch von „weniger Geld haben“ und „mehr kaufen wollen“ wird durch Herabsetzung der Qualität der Produkte bewältigt: Billige Materialien, billige Erzeugung und schon kann man sich alles leisten. Die damit verbundene Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt wird kostenmäßig in die Zukunft geschoben. Die Produkte werden langsam zu frisch erzeugtem Müll. Die Umwelt wird zu Müll. Und die Menschen, die darin leben, fühlen sich langsam auch so.

3.) Die Ruhigsteller werden mehr
Die mentale Ruhigstellung der Menschen weitet sich aus. Dazu gehören vor allem Fernsehen, Computerspiele und bilderreiche, textarme Zeitschriften. Auch die stoffliche Ruhigstellung nimmt stark zu: Mehr Fast-Food, weniger Bewegung, Verfettung von Körper und Hirn. Lärmisolierte, weich gefederte Autos, durch die man die Umwelt nicht mehr wahrnimmt, fette und zuckerreiche Nahrung, Dubai und DomRep, wo man in Strandfabriken ruhig liegend auf den Hautkrebs wartet. Und aufs Lachsbuffet. Wenn das nicht ausreicht: Epson hat jetzt die 3D-Brille für unterwegs erfunden, das ist die perfekte Ergänzung zu den Kopfhörern, mit denen man sich nicht nur selbst ruhigstellen, sondern auch perfekt von Außeneinflüssen abschotten kann.

4.) Zunahme der Tablettensucht
Sich zudröhnen, sich aus der Welt für eine Zeit hinausbegeben, in der Extremform: den Weltschmerz unterdrücken. 1,5 Mio. Menschen allein in Deutschland, die Tablettenmissbrauch betreiben. In Florida ist das bereits Nr. 1 der unnatürlichen Todesursachen. Meist unsichtbar, erst sehr spät erkennbar, mit hoher Dunkelziffer. Und besonders stark bei Jugendlichen.

5.) Gesundheitsbereich unter Druck
Wenn der Gesellschaftskörper nicht mehr funktioniert, so spüren das die Individualkörper. Obwohl wir immer gesünder und „besser“ leben, steigen die Kosten für Spitäler, Krankenpflege, Medikamente und medizinische Geräte ständig und stark. Die Menschen drängen zur Heilung und diese wird immer aufwändiger und teurer. Ab wann kann sich die Gesellschaft so viele Kranke nicht mehr leisten?

6.) Spiritualisierung
Die Bestsellerlisten sind voll von halbesoterischen Büchern zu allen möglichen Themen: Beziehung, Zukunft, Glück, Sex, Ernährung etc. Dies bewirkt eine Abschottung von der Realität, Scheinwelten werden aufgebaut, die glücklich machen sollen, wenn das reale Leben unglücklich macht.

7.) Zunahme des Glücksspiels
In der Geschichte war das stets ein Zeichen, dass eine Veränderung bevorsteht. Wenn Sicherheiten bröckeln, kann man nur mehr hasardieren und hoffen, zu den Glücklichen zu gehören.

8.) Burn-Out und Bore-Out
Die einen sind überarbeitet, stehen unter hohem Druck und werden krank. Die anderen sind arbeitslos, werden scheinbar nicht mehr gebraucht und werden krank. Viele spült es von der Mitte an den Rand, wo der Abgrund wartet. Dort haben sie Angst vor dem Hinunterfallen und klammern sich an alles, was ihnen gereicht wird.

9.) Radikalisierung und Xenophobisierung in der Politik
Man/frau ergreift in der Angst bzw. Panik auch die radikale Hand, wenn sie gereicht wird. Angst um den Besitz führt zum Wunsch, diejenigen zu bekämpfen, die einem das Erkrallte wegnehmen könnten. Das sind die anderen. Und je anders sie sind, desto mehr Angst hat man vor ihnen. Und hört vermehrt denjenigen zu, die diese Angst zur eigenen Machtergreifung zu nützen verstehen.

10.) Das Bröckeln der Autoritäten
Selbst wenn man die Vergangenheitsverklärungsbrille abnimmt – Kreisky, Kirchschläger, selbst Androsch waren noch Politiker, die man nicht als lächerlich empfand. Heute geistert Korruptionsverdacht durch alle Ebenen: Politik, Wirtschaft und auch NGO sind betroffen. Es scheint zumindest so, als ob Gier und Untreue überall um sich greifen. Die Kirche? Ein Skandal nach dem anderen. LehrerInnen? Nahe am Burn-Out oder unfähig. Familie – schon längst kein Ort der Sicherheit mehr. Banken, Versicherungen – die Säulen unserer Gesellschaft scheinen zu wanken.

11.) Bunker Cities bzw. Gated Communities
Reiche Menschen bunkern sich ein, bauen Mauern und Zäune um ihre Besitztümer – je größer die sozialen Unterschiede, desto höher. Sie haben Angst vor der Masse der Armen. (siehe eigener Blog-Beitrag)

Gibt es dazu Gegentrends? Selbstverständlich, darüber mehr demnächst hier.

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