Nach 27 Jahren wieder im Zillertal

Ich kann es selbst kaum glauben, aber es ist tatsächlich schon so lange her. Anfang der 1990er war ich mit Freunden eine Woche Mountainbiken in Fügen im Zillertal, am Asterhof der Familie Steinberger.
Die Maria Daigl ist jetzt 94 Jahre alt. Kurz nach dem Krieg ist meine Oma quasi zum „Aufpäppln“ ins schöne Zillertal gekommen, da es dort – im Gegensatz zu Wien – genügend zu essen gab. Es entstand eine Freundschaft, die 70 Jahre lang halten sollte. Die „Mariedl“, wie sie genannt wird, ist heute noch eine rüstige alte Frau, die den Haushalt im alten Bauernhof fast alleine schupft, geistig erstaunlich fit ist und die ich auch besuchen will.
Ihre Kinder Lisl und Karl sind mit meiner Mutter befreundet und so kam ich in den frühen 1980er Jahren auch ins Zillertal – allerdings auf Urlaub und gut genährt.

Irgendwann war ich dann ein paar Jahre lang nicht dort und aus den paar Jahren wurden fast drei Jahrzehnte – so vergeht die Zeit. Ich wollte immer wieder hinfahren und dann ist doch nichts draus geworden.
Doch jetzt ist es anders. Drei Tage wandern mit Susanne, einer lieben alten Freundin und Kollegin, sind für den Sommer geplant. Irgendwohin, ins Waldviertel oder in die Steiermark. Warum mir nicht sofort das Zillertal eingefallen ist, weiß ich nicht. Es könnte daran liegen, dass die Pension meist schon ein halbes Jahr vorher ausgebucht ist, oft auch noch länger. Und irgendwie wäre es schade, wenn ich nicht am Asterhof sein könnte, wo ich viele schöne Tage und Wochen verbracht habe. In irgendeiner Pension – das ist wenig reizvoll.

Doch dann erzählt mir meine Mutter, dass sie gerade dort war, auch weil ein neuer Golfplatz im Zillertal gebaut wurde und sie leidenschaftlich Golf spielt.
Und auf einmal kommt die Idee – ich könnte ja anrufen und fragen. Wahrscheinlich müssen wir woanders wohnen, aber das darf diesmal kein Grund sein nicht ins Zillertal zu fahren.

Die Telefonnummer stimmt nicht mehr – es ist einfach zu lange her, dass ich dort angerufen habe. Die Website www.asterhof.at gibt aber Auskunft. Dort sehe ich, dass sich alles massiv weiterentwickelt hat. Inzwischen hat die ältere Tochter von Lisl, die Anni, die Pension gemeinsam mit ihrem Mann Patrick übernommen und sie haben auch schon zwei Söhne, von denen der ältere gerade den L17-Führerschein macht.

Als ich anrufe, hebt Monika ab, die jüngere Tochter von Rudl und Lisl. Sie erinnert sich tatsächlich an mich und als ich es wage um ein Zimmer zu fragen, meint sie, dass wir Glück haben – zwar nicht von Dienstag bis Samstag, aber von Mittwoch bis Sonntag wäre ein Zimmer frei.
So schnell hab ich noch nie was gebucht. So viel Glück hatte ich auch schon lange nicht mehr. Und mehr Wink vom Schicksal geht auch nicht. Es ist Zeit für´s Zillertal.

Die Freude ist groß und ich plane sofort die Bergtouren, die wir machen werden. In Erinnerung habe ich die majestätischen Gletscher der hohen Berge am Hauptalpenkamm. Von dort gehen die Seitentäler weg, die in Mayrhofen zusammentreffen. Einige, fast alle davon, sind seit Jahrzehnten mit Speicherseen verbaut. Von dort aus kann man diverse Berghütten besuchen, die jeweils ein spannendes Panorama bieten. Und natürlich wollen wir den Hausberg von Fügen besuchen, das Spieljoch. Die Bahn dort hinauf führt nahe am Asterhof vorbei. Ich bin schon gespannt, welche Touren es dann tatsächlich sein werden.

DER MITTWOCH

Mittwoch Mittag, Abfahrt. Wir fahren mit dem Auto von Susanne und hoffen auf nicht allzu viel Verkehr. Das funktioniert auch bis Salzburg, dort erwartet uns dann ein Stau am Walserberg. Ich hasse Stau und beschließe über das kleine deutsche Eck zu fahren, versäume aber die Abfahrt. Es ist auch schon ewig her, dass ich hier gefahren bin.
Also stehen wir im Stau, glücklicherweise nur eine halbe Stunde. Danach geht es bei dichtem Verkehr bis Rosenheim und dann weiter über Kufstein bis Abfahrt ins Zillertal.
Dort hat man einen Tunnel gebaut, der einen Abschneider ins Tal bietet, bei viel Tourismusverkehr aber von Zeit zu Zeit gesperrt ist, weil man Blockabfertigung machen muss.
Wir haben Glück, Mittwoch Nachmittag ist nicht viel los.

In Fügen besuche ich noch die Tourismusinformation und kaufe mir eine gute Wanderkarte. Einen Führer gibt es gratis dazu, auch eine Karte vom vorderen Zillertal kostet nichts. Das Service ist gut und ich erinnere mich an einen Film, den wir quasi zur Einstimmung ein paar Tage vorher angesehen haben: Die Piefke-Saga, Teil 4. Der ORF traut sich nur selten diesen Teil auszustrahlen, er stellt eine Dystopie dar und wurde Anfang der 1990er-Jahre gedreht. Genau zu dieser Zeit war ich auch das letzte Mal im Zillertal und der Film spielt dort, genauer gesagt in Mayrhofen, das im Film „Fahnenberg“ heißt.
Mein Fazit: Natürlich ist nicht alles so eingetroffen wie es Felix Mitterer damals dargestellt hat. Einige Details sind jedoch erschreckend gut getroffen und ich werde darauf noch eingehen.

Jetzt freue ich mich einfach wieder hier zu sein und wir finden auch auf Anhieb den Asterhof, wenngleich sich der Weg dorthin massiv verändert hat. Der Ort ist den Berg hinauf gewachsen, es gibt eine große Zahl neuer Häuser, meist Pensionen, alle in stattlicher Größe. Und der Schiestl ist jetzt ein riesiges Hotel – er war damals eine kleine Pension, in die wir am Abend öfter essen gegangen sind. Der „Waldfriede“, einst das mit Abstand größte Haus am Pankratzberg, fällt nicht mehr auf. Auch die Spielhochbahn ist komplett modernisiert worden und die Straße nach Hochfügen hat man in einem großen Bogen rundherum gebaut.

Als wir beim Hubertus rechts Richtung Asterhof abbiegen, bin ich zunächst verwirrt – wo ist das Haus? Dann entdecken wir es hinter einem großen, neuen Haus, das gleich daneben gebaut wurde. Früher war da Wiese.
Auch der Hof hat sich verändert, wurde vergrößert, erneuert, schöner gemacht. Aus dem winzigen Bach, der früher zwischen Pension und dem alten Bauernhof vorbei geflossen ist und den wir immer wieder aufgestaut haben, wurde ein schön gefasster Brunnen mit einer kleinen Terrasse daneben.

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Bild 1: Brunnen

Es gibt eine neue Rezeption, ein Stock wurde draufgesetzt und auch sonst einiges umgestaltet. Trotzdem ist der Ort noch immer schön, was aber nicht nur am äußerst gepflegten Gebäude liegt, sondern an den Menschen, die dort leben.
Anni winkt schon vom Balkon und ich freue mich riesig sie wieder zu sehen. Ihren Mann Patrick lernen wir auch gleich kennen, Monika und die Eltern etwas später.
Der Asterhof unterscheidet sich in einigen wichtigen Punkten von anderen Hotels bzw. Pensionen. Anni und ihre Familie sind unglaublich fleißig und arbeiten seit Jahrzehnten hart an Aufbau und Verbesserung ihrer Lebensgrundlage. Dafür gehört ihnen auch all das, was sie aufgebaut haben. Das ist seltener der Fall als man glaubt, viele Hotels gehören der Bank und die Besitzer sind maximal Verwalter.

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Bild 2: Asterhof

Die Familie Plattner ist eigenständig und gestaltet Ihr Apart-Hotel nach ihren eigenen Vorstellungen. Das macht sie so erfolgreich, dass die Gäste gerne und oft wiederkommen – manche schon seit Jahrzehnten. Das ermöglicht eine gute Auslastung und eine gewisse Planbarkeit. Das kostet aber auch enorm viel Kraft, denn Urlaub ist oft jahrelang ein Fremdwort und die Tage beginnen früh und enden spät. Trotzdem haben sie es geschafft eine gute Balance zu finden, was sich massiv auf den Geist, auf die Seele des Asterhofs auswirkt. Das ist das eigentliche Geheimnis: genügend Zeit für die Gäste, die trotzdem auf keinen Komfort verzichten müssen. Sie werden nicht durchgeschleust, sondern möglichst individuell betreut.

Wir wollen uns nach der langen Fahrt noch ein wenig die Beine vertreten und bekommen von Patrick den Tipp für eine kleine halbstündige Runde. Sie führt an zwei Häusern vorbei an den Waldrand, dort auf dem Wanderweg Richtung Spieljoch durch den Wald bergan und dann wieder links hinunter in einer Runde auf die Wiese oberhalb des Hofs.
Ich bin glücklich wieder diese Luft riechen zu dürfen. Kaum sind wir im Wald, wachsen links die Himbeeren, geradeaus die Brombeeren und rechts die Heidelbeeren. Preiselbeeren gäbe es auch noch, die sind aber noch nicht reif.
Irgendwie ist das unglaublich und wirkt wie aus einem Film. Es ist aber echt, der Reichtum der Natur ist im Zillertal noch vorhanden, sein Herz ist noch nicht gebrochen und hoffentlich passiert das auch noch nicht so bald.
Es wird an den Tirolern liegen ihre Heimat zu erhalten.

Wir schaffen es vor einem Regenguss rechtzeitig wieder zurück zu sein und planen das Abendessen. Meine Mutter hat mir vom Wöscherhof vorgeschwärmt. Dieser befindet sich im Nachbarort Uderns und gehört der Familie Daigl. Geführt wird er von Sabine, der Cousine von Anni und Monika, die ich seit mehr als 30 Jahren nicht mehr gesehen habe. Das Essen in diesem inzwischen großen Hotel soll hervorragend sein und wir beschließen, diesem Tipp nachzugehen.

Das Hotel ist wirklich beeindruckend und das Essen hält was es verspricht. Sabine hätte ich nicht wiedererkannt und sie mich auch nicht. Trotzdem freuen wir uns und sie erzählt mir, wie sie damals als kleines Mädchen mit auf die Berliner Hütte gegangen ist. Ich hatte das vergessen, aber jetzt fällt es mir wieder ein. Ein paar Erinnerungsfetzen sind noch da. Heute ist sie eine erwachsene Frau mit einer fast erwachsenen Tochter und führt ein Hotel als Familienbetrieb. Wir sitzen nach dem Essen noch lange an der Bar und ich gönne mir den einen oder anderen „Zirbenen“. Irgendwann taucht auch Andreas auf, ihr Bruder. Er ist mir als kleiner, lockiger Bub in Erinnerung, der unbedingt einmal Bauer werden wollte.
Das Bild, das ich noch im Kopf habe, ist ein Traktor, bei dem Andreas neben seinem Vater Karl sitzt. Heute ist er tatsächlich Bauer, unterstützt Sabine mit dem Hotel, ist leider geschieden und hat zwei Kinder. Daneben führt er eine Landwirtschaft, geht die Kühe melken, wenn es sein Vater gerade nicht tun kann. Am Abend spielt er in einer großen Blaskapelle. Dazu muss ich anmerken, dass alle Mitglieder dieser großen Familie äußerst musikalisch sind. Anni und Monika sind über die Landesgrenzen für ihr Harfenspiel bekannt und meine Mutter versucht seit vielen Jahren sie nach Wien zu locken bzw. abzupassen, wenn sie irgendwie in der Nähe einen Auftritt haben.
Es hat den Eindruck, als hätten die Zillertaler mehr als nur 24 Stunden pro Tag zur Verfügung. Trotzdem geht sich ein Schnapsl mit Gästen aus und die Herzlichkeit ist echt. Hier hat Felix Mitterer nur einen Teil der Realität gezeigt.

Hundemüde fallen wir ins Bett, gespannt auf den nächsten Tag, an dem wir zur Olperer Hütte wandern wollen. Patrick meint, der Wirt vom Furtschaglhaus sei unfreundlich und Sabine meint, von der Olperer Hütte aus hätte man sowieso einen schöneren Ausblick. Mir ist das egal, ich lerne gerne was Neues kennen.

DER DONNERSTAG

Nach einem exzellenten Frühstück mit hausgemachter Butter und ebenso hausgemachter Heidelbeer-Marmelade machen wir uns auf den Weg. Dieser ist leider ziemlich weit, denn wir müssen nicht nur bis zum Ende des Zillertals fahren, sondern dort noch über 20 Kilometer auf einer schmalen Straße bis hinauf zum Schlegeis-Speicher, dem größten im Zillertal.

Bei der Mautstellen müssen wir 15 Minuten warten, da der dahinter liegende Tunnel nur einspurig befahrbar ist. Die Maut kostet sportliche 12,50- Euro, wobei die Erhaltung dieser Straße sicher nicht billig ist.

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Bild 3: Die gewaltige Staumauer des Schlegeis-Speichers

Die Staumauer ist beeindruckend, der Speicher hat aber relativ wenig Wasser, was zum Teil dem sehr trockenen Frühsommer geschuldet ist.

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Bild 4: Schlegeisspeicher

Wir parken uns ein und beginnen mit dem steilen Anstieg zur Hütte. Patrick hat gemeint, das sei in einer Stunde zu bewältigen und das Essen oben wäre sehr gut.
Es tröpfelt leicht und schwere Wolken ziehen hin und her, dazwischen gibt es immer wieder sonnige Abschnitte. Für eine Regenjacke ist es zu wenig, nur das T-Shirt ist aber auch zu wenig.

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Bild 5: Wetterstimmung über dem Schlageis-Speicher

Egal – der Anstieg führt durch Bergwald und dann durch Latschenkiefer steil bergauf. Wir überholen einige kleinere Wandergruppen, einige kommen uns auch entgegen, sie dürften auf der Hütte übernachtet haben.

Dann plötzlich liegt die Hütte vor uns, nach einer Stunde und fünf Minuten – wir waren gar nicht so langsam. Es waren immerhin 585 Höhenmeter.
Die Hütte selbst ist gut besucht und bietet einen wunderschönen, großen Gastraum mit Panoramascheiben. Junge Studentinnen von überall bedienen flott und nett, wir bestellen eine Portion Kaiserschmarren und Susanne eine zweite Portion Apfelmus dazu.
Ich bin erstaunt über die niedrigen Preise. DAs kostet nicht mehr als unten im Tal, obwohl sie alles mangels Materialseilbahn mit dem Hubschrauber hinauf fliegen müssen – jährlich 75 Tonnen in insgesamt 100 Flügen. Ein dicker Prospekt gibt darüber und noch über vieles anderes Auskunft.
Hier hat sich einiges verändert. Früher gab es das berühmte „Skiwasser“ – ein mit Wasser verdünnter Dicksaft. Dazu Speckbrot und vielleicht noch Linsen mit Speck oder ein Käsebrot. Heute gibt es eine umfangreiche Speisekarte und man kann zwischen mehreren Bieren wählen oder eine gute Flasche französischen Rotwein bestellen.

Olpererhuette

Bild 6: Olpererhütte

Der Kaiserschmarren ist köstlich und die Portion reicht für zwei. Wir sind zufrieden mit dem tollen Tipp von Patrick, einzig und allein die Aussicht ist zwar schön, jedoch nicht vergleichbar mit dem spektakulären Blick vom Furtschaglhaus auf die – einstmals – mächtigen Gletscher von Hochfeiler, Hochferner und Großem Möseler.

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Bild 7: Der Große Möseler

Auch wenn diese heute fast verschwunden sind (dazu später noch mehr), so war es doch ein beeindruckender Anblick, wenn wir damals einen Gletscher beim „kalben“ sehen durften. Dabei brechen große Eismassen ab und den lauten Knall dazu hört man erst ein paar Sekunden nachdem man das Schauspiel gesehen hat.
Am nächsten Bild sieht man wo sich das Furtschaglhaus befindet und die rote Linie zeigt, wie weit die Gletscher vor 30 Jahren gereicht haben.

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Bild 8: Gletscherlandschaft

Wir beschließen auch noch den zweiten Tipp von Patrick umzusetzen und die „Neumarkter Runde“ zu gehen, die uns in einer großen Linksrunde wieder zurück zum Speichersee bringen wird.

Es ist immer noch bewölkt und wir freuen uns, dass die nette Kellnerin das zweite Apfelmus nicht berechnen wollte. Im Gegenzug können wir die Olperer Hütte wärmstens empfehlen.
Es geht weiter über eine Art von Weg wie ich ihn noch nie gesehen bzw. begangen habe. Früher stieg man einfach über das Geröll, heute wirkt der Weg als wäre er von einem Designer angelegt worden. Große Steinplatten wurden kunstvoll so geschlichtet, dass man äußerst bequem über die großen Geröllfelder gehen kann.

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Bild 9: Die Platten auf der Neumarkter Runde

Als ich Patrick später frage, wie das gemacht wird, kommt er selbst an die Grenzen seines Wissens. „Sie verwenden einen Hupfer, das ist so ein Bagger auf spinneiförmigen Auslegern“ meint er. Das erscheint plausibel, denn auch viele Menschen könnten die meisten Platten bzw. Felsen nicht heben und schon gar nicht so schlichten.

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Bild 10: Die Platten am Weg

Dass es so etwas gibt, war mir neu. Wir sind hier sicher an der Grenze des Sinnvollen angekommen und es ist schwer zu sagen, was mehr zählt: die Bequemlichkeit der Touristen oder die Unberührtheit der Berge. Letztere gibt es zwar sowieso nicht mehr, aber es ist immer noch eine Entscheidung möglich wie weit man gehen möchte.
Wir finden dann noch ein Steinschild, auf dem erklärt wird, was hier getan wurde:

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Bild 11: Wegabschnitt der Neumarkter Runde

Es geht somit gut voran und ich entdecke, dass es die alten Orientierungshilfen, die Steinmandln, noch immer gibt

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Bild 12: Neben einem großen Steinmandl

Dann geht es hinab in einen Talkessel, der früher einmal sehr beeindruckend gewesen sein muss. Als es noch Gletscher gab, deren kümmerliche Reste wir bewundern können.
Also gehen wir weiter und begegnen im Ausläufer des Talkessels einer deutschen Familie. Der Vater fragt uns, wie weit es noch bis zur Olperer Hütte ist.
Hinter ihm wandern seine Frau und zwei Kinder, die kleine Tochter vielleicht neun Jahre alt. Er hat eine ganz brauchbare Ausrüstung, seine Frau schon weniger und die Kinder sind fast gar nicht für den Berg gerüstet. Das Schlimmste sind die Hella-Kitty-Schuhe der Kleinen, mit Klettverschlüssen und fast ganz glatten Sohlen. Alle wirken schon müde und die Mutter zeigt etwas Erleichterung, als wir darlegen, wie weit es noch bis zur Hütte und vor allem wie dann der Abstieg beschaffen ist.
Der Vater hat Ehrgeiz, er möchte zur Hütte. Leider versteht er nicht, dass sie sich in hochalpinem Gelände bewegen und weit entfernt davon sind die richtige Ausrüstung dabei zu haben.
Selbst wenn die Kleine den Weg bis zur Hütte schafft, muss sie danach noch den steilen Abstieg bewältigen. Genau genommen ist es fahrlässig so etwas auch nur zu probieren.
Unten im Tal sieht alles recht leicht aus, man marschiert über eine nette Almwiese auf einem breiten Weg, der dann zwar schmäler und steiler wird, aber nicht ahnen lässt, was oben noch kommt.
Wir hoffen, dass die Familie rechtzeitig umdreht, bevor ein übles Wetter kommt oder die Kleine nicht mehr weiter kann. Bisher dachte ich, diese Art von Touristen gibt es nur in Filmklischees, aber uns sollten noch einige von dieser Sorte begegnen.

Es gab zwar immer schon Menschen, die in Sandalen ins Hochgebirge gegangen sind, und nicht alle waren Deutsche (okay, sehr viele, aber das liegt daran, dass es auch sehr viele gibt). Ich habe aber den Eindruck, dass es mehr geworden sind. Möglicherweise ist die Ursache die Anpassung der alpinen Welt an die ständig steigende Bequemlichkeitssucht der Menschen. Statt einem Schlepplift muss es ein Sessellift sein und statt eines Sessellifts eine Gondelbahn. Statt der Gondelbahn eine noch größere, schnellere und klimatisierte Gondelbahn und auf der Bergstation eine perfekt ausgestattete Erlebniswelt, idealerweise mit Hallenbad und Wellness-Bereich.
Was – das habt ihr nicht? Dann fahren wir halt woanders hin.

Wer würde in so einem Disneyland schon an alpine Gefahren denken? Diesmal hat Felix Mitterer ins Schwarze getroffen, als er in seiner Piefke-Saga im Alpendorf Mayrhofen eine moderne Tiefgarage bauen ließ. Diese gibt es heute wirklich. Und noch vieles mehr.

Wir steigen ab und kommen wieder zurück zum Auto. Bergab haben wir Glück mit der Ampel und beschließen noch einen Sprung bei der alten Mariedl vorbei zu schauen – mehr auf Glück, vielleicht ist sie ja da.

Ich finde das alte Bauernhaus fast auf Anhieb und läute an der versperrten Tür. Als ich schon wieder gehen will, wird sie plötzlich aufgesperrt und die Mariedl steht vor uns. Es dauert ein bisschen bis sie mich genau zuordnen kann, aber dann werden wir herein gebeten und sie freut sich sichtlich über Besuch.
Wir haben auch nicht ewig Zeit, denn sie hat in einer Stunde eine Massage-Termin, wegen ihrem Rücken und weil sie vor einiger Zeit gestürzt ist.
Sie hat sich aber gut erholt und wirkt recht frisch und munter. Alte Zeiten tauchen auf und wir schwelgen gemeinsam in Erinnerungen und denken an meine Omi, die vor vier Jahren im ebenfalls stolzen Alter von 92 gestorben ist.
Nur die verdammten Batterien vom Hörgerät, die muss sie noch schnell tauschen, meint Mariedl und serviert uns einen Saft. Dass sie extra wegen uns eine Kuchen auftaut können wir gerade noch verhindern.
Dann taucht auch noch Karl auf, ihr Sohn, der auch schon um die Siebzig ist, aber kurz danach hinüber in den Stall muss die Kühe melken.

Wir verabschieden uns und fahren zum Asterhof, erschöpft vom langen Tag, aber glücklich über das Erlebte. Und wir haben Hunger, und zwar nach Zillertaler Essen. Gestern war es zwar köstlich, aber recht international, wenngleich der Hirsch aus dem Zillertal war, wie Sabine beteuert hat.

Zillertaler Krapfen – ich erinnere mich mit Sehnsucht an diese lokale Köstlichkeit. Und Moschbeernockn – das ist die zweite Spezialität. Beides ist leider nirgends zu bekommen, Anni macht ein paar vergebliche Anfragen, muss dann aber passen. Was wir aber bekommen könnten, wäre die dritte Zillertaler Spezialität, nämlich Ofenleber. Die gäbe es beim Gasthof Linde in Stumm, keine zehn Kilometer das Tal hinein. Und wir erfahren von Anni, dass es doch noch eine Chance auf Zillertaler Krapfen gibt – am Samstag wäre nämlich Sommerfest in Stumm und da gäbe es normalerweise einen Stand, an dem man Krapfen bekommen könnte. Wir speichern das einmal für Samstag ab und mir rinnt beim Gedanken an diese Köstlichkeit schon das Wasser im Mund zusammen.

Also fahren wir nach Stumm und setzen uns dort in den Garten des uralten Gasthofs, der voll mit Obstbäumen ist. Äpfel und Birnen – das braucht man, um hier einen erstklassigen Obstler zu erzeugen. Der Nachteil des idyllischen Gartenplatzes sind die Birnen, von denen eine beschließt, mir einen kurzen Besuch abzustatten. Mit einem lauten Knall zerspringt sie am Tisch direkt vor mir und ich bekomme eine Ladung Birnensaft und Birnenstücken ab. Alles nicht tragisch und als Malheur gleich wieder vergessen.

Das Essen ist gut, die Portionen könnten einen Hauch größer sein, passen aber letztlich, weil wir noch Marillenknödel als Nachtisch bestellen.
Der stellt sich als genau ein Stück Knödel heraus, wenngleich es recht groß war. Und mit Marillenspiegel und Lavendeleis. Beides recht nett, aber gute Marillenknödel leben von ihrem Eigengeschmack, die brauchen kein Klimbim rundherum.
Wir teilen uns den Knödel und fahren wieder heim, erschöpft und zufrieden von einem wunderschönen und erlebnisreichen Tag.

DER FREITAG

Der Muskelkater in den Wadln mittelprächtig, ebenso das Wetter. Kurz wolkenlos, aber noch vor dem Frühstück wird klar, dass es auch ein wenig regnen könnte. Sicher ist da gar nix, hier in den Alpen.

Selbstverständlich gibt es wieder einen guten Tipp von Patrick – diesmal werden wir noch einen der fünf Talgründe erkunden, die Wahl fällt auf den Stillupgrund. Auch dort war ich schon, kann mich aber nicht mehr erinnern, wie die Tour genau ausgesehen hat. Ist ja schon mehr als dreißig Jahre her.
Patrick meint, wir sollten bis zum Wasserfallboden fahren, also zur Stauseemauer, und von dort weiter mit dem Shuttle bis zur Grüne Wand Hütte. Dann hinauf zur Kasseler Hütte.
Dass diese Hütten alle deutsche Namen tragen hat damit zu tun, dass sie erstens am Berliner Höhenweg liegen und zweitens dem Deutschen Alpenverein gehören. Warum der dort Hütten gebaut hat und nicht der Österreichische Alpenverein entzieht sich meiner Kenntnis, ist aber auch egal.

Wir versuchen wieder möglichst zeitig aufzubrechen, da es aber erst ab acht Uhr Frühstück gibt, verzögert sich die Anfahrt zur Bergtour naturgemäß.
Von Mayerhofen geht es nach Bezahlung einer Maut von acht Euro eine schmale Straße hinauf bis zum Speicher Stillup. Der ist anders als alle anderen, weil es vom Untergrund her nicht möglich war eine Betonmauer zu bauen. Daher hat man eine Art Erdwall errichtet, der jedoch einen festen Beton-Asphaltkern hat.

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Bild 1: Die Staumauer des Stillup-Speichers

Die Stauseeingenieure haben meine Bewunderung für diese Meisterwerke, wenngleich der ewige Konflikt Natur-Kultur hier immer einseitig gelöst wird. Aber wir wollen alle Strom und hier wird er erzeugt. Die zahlreichen großen und kleinen Stauseen plus den dazu gehörigen Kraftwerken gehören dem Verbund und sind auch miteinander durch ein ausgeklügeltes Rohrsystem verbunden. So kann man zwischen den Seen das Wasser hin- und herleiten und sich aussuchen, wann und wo man wieviel Strom erzeugen will. Das ist sehr praktisch, hat aber auch seine Kehrseiten. Der Verbund kauft z.B. an der Leipziger Strombörse billig Atomstrom und betreibt damit Pumpen, die Wasser von unten in die Stauseen hinaufpumpen.
Dann kann er „grünen“ Strom durch Wasserkraft erzeugen. Das geht sogar so weit, dass bei Stromüberschuss – etwa wenn viel Sonne scheint und viel Wind weht – der Verbund sogar noch Geld bekommt, wenn er den überschüssigen Strom abnimmt. Das ist ökonomisch sehr sinnvoll, ökologisch lässt sich darüber streiten.
Im Zillertal erkauft man sich diese flexiblen Stromerzeugungsmaßnahmen durch eine Unzahl an Umspannwerken und riesigen Stromleitungen samt den dazu gehörigen Masten, die das Tal durchziehen – eine davon läuft ja direkt über dem Asterhof und summt auch brav, wenn man darunter steht und ihr zuhört.
Eines der großen Umspannwerke steht mitten in Mayrhofen und dort fährt man auch vorbei, wenn man zu den großen Speicherseen hinauffährt.

Am Parkplatz ist ein Schild mit einer Telefonnummer. Dort kann man anrufen und fragen, wann das nächste Shuttle fährt. Abheben tut der Wasserfall-Hans, ein uriger Typ, der meint, es geht in ein paar Minuten los.
Neben uns wartet schon eine deutsche Partie mit einem Organisator, allesamt aus Kassel. Sie sind – no na – am Weg zur Kasseler Hütte.

Der Wasserfall-Hans kommt und wir fahren gemeinsam den Talgrund entlang. Die Asphaltstraße gibt es seit ca. 30 Jahren, ich kannte sie also damals noch nicht und muss irgendwann meine Mutter fragen, was war seinerzeit gemacht haben. Den gesamten Talgrund zu durchwandern – es sind 8 Kilometer – dauert nämlich etwa zwei Stunden und dann beginnt erst der eigentliche Aufstieg zur Hütte.

Das Tal ist wunderschön, mit zahlreichen Almen, die auch noch bewirtschaftet sind. Links und rechts stürzen über steile Berghänge zahlreiche Wasserfälle, die es wahrscheinlich in ein paar Jahren so nicht mehr geben wird – dann nämlich, wenn oben die großen (inzwischen kleinen) Gletscher ganz verschwunden sind. Dann wird sich nicht nur das Panorama ändern, sondern das Leben all der Leute, die jetzt in der Wasserreichweite der Gletscher leben und arbeiten.

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Bild 1: Grüne Wand Hütte

Wir kommen schon um 09:50 an der Grüne Wand Hütte an und starten sofort los, gleich hinter uns die Gruppe aus Kassel. Vorher haben wir noch mit dem Hans ausgemacht, dass wir um 15:30 wieder zurück fahren, können aber auch noch das Shuttle um 16:45 nehmen, wenn sich das erste nicht ausgeht.
Die Sonne scheint und es geht auf einer Schotterstraße bergan bis zum Talschluss, danach links hinauf bis zur Hütte. Zeit ist keine angegeben, der Weg scheint aber eindeutig.

Ein massiver Unterschied zu früher sind die zahlreichen Radfahrer, die hier hinauffahren, viele übrigens schon von Mayrhofen, was ein ordentliches Stück Arbeit ist. Die meisten haben Leihräder mit Elektrounterstützung und ziehen mit ordentlicher Geschwindigkeit den Berg hinauf. Seitdem die neueste Li-Ion-Akkugeneration eingebaut ist, kann man einen ganzen Tag elektrisch unterstützt fahren. Das erfreut sich scheinbar großer Beliebtheit und auch am Osterhof kann man solche E-Bikes mieten. wir haben leider keine Radausrüstung dabei und bleiben beim Wandern.

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Bild 1: Güllerutsche

Wir kommen an einer Alm vorbei, die eine Güllerutsche hat, wo der Kuhdung hinuntergelassen wird. Darunter befindet sich eine Güllegrube. Susanne bietet mir fünf Euro, wenn ich die Rutsche benütze, ich muss aber dankend ablehnen.

Die Sonne knallt ziemlich herunter und ich bin froh, dass ich mich mit Sonnencreme eingeschmiert habe, obwohl ich das klebrige Zeug hasse. Die Deutschen bleiben deutlich hinten und wir erreichen das Ende der Straße, an dem die Talstation der Materialseilbahn zur Hütte liegt. Das ist immer noch die wesentlich ökologischere und natürlich günstigere Variante als der Hubschrauber.

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Bild 1: Anmarsch zur Kasseler Hütte

Der Weg ist traumhaft und ich kann diese Tour nur wärmstens weiterempfehlen. Warm ist uns übrigens auch, links und rechts wachsen in Unmengen die reifen Heidelbeeren und nach einem eher kurzen Waldstück geht es in den Hang hinein, der Anstieg ist steil, aber gut ausgebaut. Die Tourismusverbände und Alpenvereine kümmern sich hervorragend um die Wege, das muss man ihnen lassen. Bei steilen Abbrüchen gibt es eine Absperrung, bei ausgesetzten Stellen ein kleines Seil und überall die gelben Schilder, die den richtigen Weg anzeigen. Nur die alten farblichen Markierungen gibt es nicht mehr, jetzt findet man nur noch rot-weiß-rote Markierungen auf den Steinen, die den richtigen Weg anzeigen. Also nix mehr mit gelber, blauer oder roter Markierung.

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Bild 1: Der Weg auf die Kasseler Hütte

Auch hier fließen überall Bäche hinunter, an denen man seine Wasserflasche auffüllen kann. Sie sind wirklich glasklar und kalt und prägen die Alpen und den Gesamteindruck einer wasserreichen Gegend.

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Bild 1: Gebirgsbach

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Bild 1: Die Kasseler Hütte

Nach 1:55 erreichen wir die Kasseler Hütte und marschieren gleich einmal schnurstracks in die Küche, aus der uns eine resolute Kellnerin hinauskomplimentiert. Die Terrasse ist aber eh viel schöner und wir machen es uns gemütlich, nachdem wir die durchgeschwitzten Leiberln vor der Hütte auf einen großen Stein zum Trocknen aufgelegt haben.
Auch wenn schon erste Wolken aufziehen ist das Wetter trotzdem sehr schön und das Panorama immer noch beeindruckend. Hoch oben befindet sich die beeindruckende Laienscharte, durch die der Weg von der Greizer Hütte auf die Kasseler Hütte führt. Beim Aufstieg haben wir eine deutsche Gruppe getroffen, die vier Tage den Berliner Höhenweg gegangen ist, dann jedoch vor dem Weg zur letzten Hütte (Edelhütte) kapituliert hat. Das wären neun Stunden Marsch gewesen, ohne Hütte dazwischen.

Wir bestellen wieder einen Kaiserschmarrn – das ist die Spezialität der Kasseler Hütte, es wird extra vor den großen Portionen gewarnt und wir nehmen wieder einen zu zweit.
Es gibt ihn hier mit oder ohne Rosinen und je nach Jahreszeit auch mit anderen Zutaten. Wir wählen den mit Moosbeeren und die Kellnerin meint, das könnte klappen.
Als sie ihn bringt, werden all unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Es ist der beste Kaiserschmarren, den ich seit Ewigkeiten gegessen habe. Und die Portion ist tatsächlich üppig, der Preis mit 12 Euro mehr als fair.
Nur dafür zahlt es sich schon aus heraufzumarschieren.

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Bild 1: Kaiserschmarren mit Moosbeeren

Nicht so toll in Schuss sind die Gletscher. Genau genommen handelt es sich um eher erbärmliche Überreste, die mächtigen Gletscherbäche donnern auch nicht mehr zu Tal, sondern fließen recht unspektakulär hinunter. Ich hatte ein bisschen Angst vor diesem Anblick, denn er zeigt, womit wir in Zukunft zu rechnen haben.

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Bild 1: Gletscherrückgang

Auch wenn mir die dreißig Jahre recht lang erscheinen – genau genommen spielt sich der Klimawandel hier in unglaublicher Geschwindigkeit ab und ich fürchte, dass man sich nicht mehr lange auf irgend eine Form von natürlichem Klimavorgang wird ausreden können, um die eigene Bequemlichkeit uneingeschränkt zu erhalten. Wobei die meisten Menschen sie ja nicht erhalten, sondern noch deutlich ausbauen wollen.

Auch die Tiroler führen gerne die „Kleine Eiszeit“ im 16. bis 19. Jahrhundert an, bei der sich auch binnen weniger Jahrzehnte das Klima verändert hat. Wikipedia sagt dazu folgendes:

„Als Ursachen für die Kleine Eiszeit gelten hauptsächlich verstärkter Vulkanismus und eine geringere Aktivität der Sonne. Für Wiederbewaldung, die durch Bevölkerungsrückgang oder durch regionale Klimaänderungen hervorgerufen worden sein könnte, sowie veränderte Meeresströmungen wird eine verstärkende Rolle vermutet. Zusätzlich zu diesen über Zeiträume von Jahrzehnten wirkenden Einflüssen gab es einen geringen, über Jahrtausende reichenden Abkühlungstrend, der durch Änderungen der Erdumlaufbahn bewirkt wurde.[20]
Die mit dem Ende der Kleinen Eiszeit einsetzende Wiedererwärmung ist für die ersten Jahrzehnte wahrscheinlich teilweise auf die Änderung von Faktoren zurückzuführen, die die Kleine Eiszeit verursachten. So nahm bis Mitte des 20. Jahrhunderts die Intensität der Sonnenstrahlung wieder zu. Die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte dagegen ist höchstwahrscheinlich durch menschliche Treibhausgasemissionen verursacht und nicht durch weggefallene Ursachen der Kleinen Eiszeit erklärbar.[21] “

Ich fürchte, wir werden uns da nicht mehr rausreden können und ich wünsche den Tirolerinnen und Tirolern, dass die Auswirkungen nicht so hart werden wie befürchtet.

Nach einer guten halben Stunde treffen die Kasseler ein und nach einer Stunde machen wir uns wieder auf den Weg ins Tal. Zuvor bewundern wir noch den kleinen Kräutergarten, den die Hüttenwirte angelegt haben:

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Bild 1: Kleiner Kräutergarten vor großer Kulisse

Am Weg bergab begegnen uns noch zahlreiche Wanderer, die zur Hütte ansteigen. Wieder befinden sich Touristen darunter, die mit komplett ungeeigneter Ausrüstung hinaufsteigen. Meistens sind die Schuhe das erschreckendste Merkmal dafür, wie sich die Leute die Verhältnisse am Berg vorstellen. Das Klischee vom Deutschen in Sandalen ist keines, wir sehen täglich die Realität hier in den Bergen.
Vor allem Kinder und Jugendliche sind oft extrem schlecht ausgerüstet, meist hat nur der Vater einen kleinen Rucksack. Wenn da jemand bergab umknöchelt, ist es durchaus ein Segen, dass dort oben überall Handyempfang ist. Wie viel Einsätze die Bergrettung tatsächlich hat, weiß ich aber nicht.
Was sich übrigens verbreitet durchgesetzt hat und auch sehr sinnvoll ist, sind Wanderstecken. Sie helfen besonders beim Abstieg wenn man müde wird und ich verwende sie vor allem in Afrika, wenn ich auf einen hohen Berg gehe. Diesmal funktioniert es auch ohne sehr gut, vor allem, weil ich meine robusten Wanderschuhe trage, wenngleich ich auch mit ihnen beim steilen Abstieg auf einer geraden Fläche (Straße) an die Grenzen komme und mit den Zehen anstoße. Eigentlich passen sie, mir ist das ein Rätsel.

Als wir bei der Hütte ankommen, sitzt der Wasserfall-Hans gerade mit ein paar Leuten bei einem erfrischenden Getränk. Wir vereinbaren, dass wir noch ein Stück zu Fuß Richtung Parkplatz gehen, denn das Tal ist wirklich wunderschön. Er klaubt uns dann ca. eine Stunde später auf. Die einfache Fahrt mit dem Shuttle kostet übrigens 5 Euro, die Hin- und Rückfahrt 7.

Der Weg führt jetzt leicht bergab über eine asphaltierte Straße. Links und rechts rauschen Wasserfälle über sehr steile Felswände, das Tal ist grün und es gibt jede Menge Kühe, die vor allem zur Milchwirtschaft verwendet werden.

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Bild 1: Das Stilluptal

Bei einer Alm bleiben wir stehen und bewundern den mehrere Jahrhunderte alten Holzbau. Ob das nur mehr Folklore ist oder die Milchkannen tatsächlich noch in Verwendung sind, konnten wir nicht eruieren. Die Almen sind aber alle noch bewirtschaftet und auch wenn wir an einem traumhaften Sommertag da sind, so darf dies nicht darüber hinweg täuschen, dass das Leben hier nicht einfach ist. Die zahlreichen technischen Hilfen, die es heute gibt – vom Traktor bis zur Melkmaschine – machen es zwar einfacher, aber faul darf man hier wirklich nicht sein.

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Bild 1: Alte Milchkannen

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Bild 1: Uralte Alm

Irgendwo kommen wir an einem Minikraftwerk vorbei. der Bach wird ein Stück weiter oben in einem Reservoir gefasst, von dort geht eine Druckleitung hinunter und treibt eine kleine Turbine an, die Strom erzeugt. Dieser wird dann zu den benachbarten Häusern geleitet.
Eines dieser Häuser ist besonders schön und hat ein Foto verdient:

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Bild 1: Haus auf einer Alm im Stilluptal

Nach ca. einer Stunde Fußmarsch klaubt uns der Hans dann auf und wir sind ein paar Minuten später wieder am Parkplatz. Dann geht es ab nach Hause, wir sind rechtschaffen müde von der langen Tagestour.
Als wir in Fügen zurück sind, genehmigen wir uns erst einmal eine Kneippkur. Der Asterhof hat vor einiger Zeit ein eigenes Kneippbecken bekommen, das mit dem hofeigenen, eiskalten Quellwasser betrieben wird. Das tut den Füßen mehr als nur gut.
Danach stellt sich erneut die Frage, wohin wir Abendessen gehen. Anni schlägt eine Alm am Weg Richtung Hochfügen vor, knappe zehn Minuten Autofahrt, denn für das Fahrrad sind wir heute zu müde.
Wir müssten uns allerdings beeilen, denn warmes Essen gäbe es nur bis sieben Uhr. Also flitzen wir hinauf und direkt an der Straße befindet sich die Schellenberg-Alm mit einer einigermaßen urigen Hütte. Wir sind allerdings die einzigen Gäste und der Wirt wirkt nicht allzu motiviert uns noch zu bedienen, ist aber nicht unfreundlich.
Wir gönnen uns Kässpätzle und ich schiele schon nach dem hausgemachten Apfelkuchen, voll der Erinnerung an den sensationellen gedeckten Mürbeteig-Apfelkuchen von Mariedl vor 30 Jahren.
Die Spätzle sind okay – nicht mehr und nicht weniger. Der geröstete Zwiebel ist aus dem Packerl, der Mais und die Karotten im Salat aus der Dose.
Und der Apfelkuchen stellt sich als Rührteigkuchen heraus, der oben eine ganz dünne Schichte mit einem Hauch von Apfel hat. Nicht schlecht, aber kein Vergleich mit dem, was ich erwartet habe.

Der Wirt möchte zusperren und sich noch mit seinen Jagerskollegen über den morgigen Ansitz unterhalten, daher machen wir uns auf den Weg hinunter zum Asterhof.
Wieder geht ein langer und wunderschöner Tag zu Ende, mit der Option auf einen weiteren morgen.

SAMSTAG

Das Frühstück mundet wieder hervorragend und das Wetter ist wunderschön. Es bahnt sich ein weiterer heißer Sommertag an. Neben uns sitzen neue Gäste – eine Familie mit zwei Buben, so 8 und 10 Jahre alt. Ich finde es ein wenig schade, dass sie all die guten Sachen wie die hausgemachte Butter oder die großartige Heidelbeermarmelade keines Blickes würdigen und sich statt dessen ausschließlich von Nutella und diesen kleinen Actimel-Fläschchen ernähren. Beides besteht eigentlich fast zur Gänze aus Zucker und Fett und den Eltern dürfte die Ernährung der Kinder reichlich egal sein. Der Sieg der Marketingindustrie scheint schon ziemlich vollständig zu sein.
Auch der Verpackungstrend stimmt mich bedenklich – Actimel kommt in einem kleinen Plastikfläschchen mit einem Alu-Deckel. Beides wird zu Müll. Auch die Nutella ist in einem winzigen Plastikschälchen.
Die Marmelade hingegen wird aus einer kleinen Glasschale gegessen, die danach abgewaschen und wiederverwendet wird.

Heute steht der Hausberg der Fügener am Programm, das Spieljoch. Wir marschieren zur Spieljochbahn und kaufen zwei Karten (einfache Bergfahrt) zu sportlichen 13,50 Euro pro Karte.
Die Bahn beginnt um neun Uhr mit dem Betrieb und wir sind in einer der ersten Gondeln. Viel ist um die Zeit noch nicht los, ein paar Wanderer fahren mit uns hinauf.

Auch hier war ich über 30 Jahre nicht mehr oben und erinnere mich noch an meinen damaligen Schreck, als ich die Mondlandschaft einer Skipiste im Sommer gesehen habe.
Damals war ich noch politisch eher uninteressiert und auch nicht grün, trotzdem hat mich die Umweltzerstörung bereits gestört. Wie wird es diesmal sein?

So wie die gesamte Spieljochbahn wurde auch die Bergstation komplett neu gebaut und zwar in Form eines „Spa-Ressorts“ – was auch immer das genau ist. Ich habe es mir innen nicht genauer angesehen, der Bau ist hochmodern und imposant und rundherum haben sie eine Art Disneyland aufgebaut. Es sieht aus wie ein überdimensionierter Spielplatz und das Foto zeigt einen Ausschnitt davon:

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Bild 1: Bergstation Spielhochbahn

Mir gefällt das nicht, aber ich bin auch kein Zielpublikum. Wie ich später von Anni erfahre, sind es vor allem Familien mit Kindern, die davon angelockt werden. Die Eltern wollen die Kinder im Urlaub irgendwie beschäftigen und je mehr Entertainment und Spielanlagen es gibt, umso besser.
Ich frage mich, was wir als Kinder früher gemacht haben und erinnere mich zurück. Wir haben und einen kleinen Bach gesucht und dort stundenlang gespielt. Oder wir sind einfach in den Wald gegangen, haben uns einen Ast abgeschnitten und daraus Pfeil und Bogen gebaut. Manchmal sind wir auch einfach herumgegangen und haben die Natur erkundet, Blätter oder Steine gesammelt oder Insekten, Kaulquappen aus einem kleinen Tümpel oder Aus Ästen und Moos eine Burg gebaut. Wir sind auf Bäume geklettert und haben uns mit unserem ersten Taschenmesser kleine Holzpfeifen geschnitzt (irgendwo besitze ich sogar noch so eine). Wir haben Schwammerl und Beeren gebrockt und uns an Brennesseln verbrannt. Das alles hat uns riesigen Spaß gemacht und ich hatte nicht das Gefühl, dass uns irgend eine Form von vorgefertigtem Entertainment fehlt.

Das alles gibt es heute nicht mehr, die Kinder brauchen scheinbar einen Vergnügungspark mit allerlei Geräten. Die Natur ist nur mehr Kulisse, die man zwar ganz nett findet, genau genommen aber nicht mehr braucht. Die Klettergeräte könnten auch in Wuppertal aufgebaut sein, vielleicht rundherum mit einer gigantischen Videoleinwand, auf die man eine Bergkulisse aus Tirol projiziert. Jetzt fällt mir doch wieder die Dystopie der Piefke-Saga ein, dort gab es ähnliche Dinge und die Natur hatte sich in einen Plastikfriedhof verwandelt.
Die netteste Idee dort oben und mit wenig Naturzerstörung verbunden ist ein Barfussweg, den sie vor kurzem gebaut haben:

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Bild 1: Der Barfuss-Weg am Spieljoch

Er ist für Menschen, die nicht mehr wissen, wie man barfuß geht. Er darf übrigens ohne Zusatzkosten benützt werden und nach wenigen Metern gibt es eine kleine Bank um sich auszuruhen.
Jetzt ist mir auch klar, mit welchen Gedanken und Vorstellungen die Touristen in die Berge gehen. Sie sehen sie als großen Vergnügungspark und in einem Park braucht man weder Schutzkleidung noch gibt es die Gefahr in Bergnot zu geraten. Also kann man drauflos marschieren, jeder Weg in einem Park ist ein Spaziergang und hinter jeder Ecke gibt es noch eine Steigerung zur momentanen Bequemlichkeit. Passieren kann nichts, im Notfall, der eigentlich gar nicht vorstellbar ist, ruft man kurz die Parkaufsicht und lässt diese übernehmen.

Das gilt übrigens auch für den Winterbetrieb. Als ich mit Anni darüber diskutiere, erzählt sie mir, dass die Ansprüche der Urlauber massiv gestiegen sind. Heute verlangen sie eine rund um die Uhr bestens präparierte und vollkommen glatte Skipisten und wehe es gibt irgendwo eine apere Stelle. Früher haben wir und da und dort die Lauffläche der Ski zerkratzt, irgendwo ein Stein oder eine raue Stelle waren ganz normal und manche Piste hatte Buckeln – da sind wir halt drüber gefahren.
So etwas darf heute nicht mehr sein und führt zu sofortigen Beschwerden. Die Betreiber der Skigebiete reagieren darauf, denn man hat Angst, dass die Touristen in ein anderes Skigebiet abwandern, in dem es noch ein wenig mehr an Bequemlichkeit gibt. Deswegen stehen am Berg überall die dauernd installierten Schneekanonen und der Boden ist mit Rohren, Leitungen, Steuerungskästen und noch vielem mehr durchzogen.
Oben am Spieljoch haben sie neben den alten Wasserspeicher einen noch größeren, neuen hingebaut. Etwas abseits liegt die riesige Anlage mit den Generatoren, denn zur Erzeugung von Kunstschnee braucht man enorme Mengen Strom und Wasser, das zu diesem Zweck hinaufgepumpt werden muss.

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Bild 1: Sammelbecken für den Schneekanonenbetrieb im Winter

Was man hier nicht sieht und was viele nicht wissen: Schneekanonen (zumindest manche Fabrikate) müssen beheizt werden, damit sie nicht einfrieren. Und das Wasser in den Speicherseen muss gekühlt werden, da es sonst zu warm für die Schneekanonen ist. Das ist pervers in Zeiten der Klimakatastrophe? Nicht pervers genug um es zu unterlassen.

Dieser steigende Strombedarf muss durch noch mehr Kraftwerke abgedeckt werden und für den Bau dieser Kraftwerke muss weitere Naturzerstörung genehmigt werden, was politisch aber kein Problem zu sein scheint. Es dürfen zwar keine neuen Skigebiete mehr gebaut werden, aber die Erneuerung und Vergrößerung der bestehenden ist erlaubt. Dafür gibt es auch großzügige Kredite von Banken und ich frage mich, ab wann und mit wieviel Steuergeld wir diese werden retten müssen, wenn durch die Erderwärmung irgendwann auch die beste Schneekanone nicht mehr funktioniert.

Wir machen uns bereit dem Disneyland zu entkommen und beschließen auf das Kreuzjoch zu wandern. Vorher gibt es aber noch einen Blick ins Tal, wo der Asterhof gut zu erkennen ist:

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Bild 1: Blick vom Spieljoch ins Tal

Wir haben mehrere Möglichkeiten das Kreuzjoch zu erreichen. Es ist vom Spieljoch gut sichtbar, denn ganz oben steht eine Kapelle, die dort übrigens in ihrer ersten Variante schon im 16. Jahrhundert gebaut wurde.
Es gibt den Weg über die Geolsalm und Gartalm hinauf zur Kreuzjochhütte oder den Alpinsteig. Im Touristenführer steht dazu folgendes:

„VORSICHT! Wenn Sie ihren Weg über den Alpin-Steig nehmen wollen, sprechen Sie erst mit dem Hüttenwirt der Kellerjoch-Hütte! Dieser Weg ist NUR für erfahrene Bergsteiger mit Ausrüstung!“

Das ist schon einschüchternd, denn welche Ausrüstung ist hier gemeint? Eine komplette Kletterausrüstung mit Haken, Seil und Gurt? Oder reichen feste Schuhe?
Wir beschließen den Alpin-Steig zu riskieren, weil man so eine sehr nette Runde gehen kann. Vorbei an schon verblühten Almrauschfeldern geht es über einen einfachen Weg bis zu einer Abzweigung, nach der man auf einem Steig den Hang eines Kessels quert und dann hinauf zu einer Scharte geht. Dahinter geht es noch einmal querend bis zu einem Grashügel und dann den Grashang hinauf auf das Kellerjoch. Der Weg ist keine wirkliche Herausforderung für Bergsteiger oder Wanderer, die einigermaßen trittfest sind. Wenn es nass ist, wäre allerdings Vorsicht geboten und es ist letztlich gut, dass im Wanderführer davor gewarnt wird, wenn man an die Disneyland-Besucher und ihre Ausrüstung denkt.

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Bild 1: Der Alpinsteig zum Kreuzjoch

Unterhalb des Gipfels weidet eine Herde Schafe und der ganze Gipfel ist eigentlich ein einziger großer Grashügel.

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Bild 1: Schafe am Kreuzjoch

Wir marschieren bei prächtigem Wetter auf das Kellerjoch, der ein unglaubliches Panorama bietet, weit ins Inntal hinein und zu den zahlreichen hohen Gipfeln des Hauptalpenkamms. Man sieht den Großvenediger und den Hintertuxer Gletscher, auf der anderen Seite gerade mal nicht den Achensee, weiter drüben den Wilden Kaiser und noch viele andere Berge.

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Bild 1: Panoramablick vom Kreuzjoch

Dann geht es bergab zur Kreuzjochhütte, alles in sehr angenehmer Reichweite. Der Weg ist da und dort ein wenig ausgesetzt, aber an den heiklen Stellen gut mit Seilen gesichert, an denen man sich anhalten kann. Da kann man durchaus auch mit Kindern hinaufgehen, wenn sie gute Schuhe haben.
Auf der Hütte sind aufgrund eines derzeitigen Wassermangels die WCs gesperrt und wir gehen weiter hinunter zur Gartalm, die im Wanderführer als unglaublich toll angepriesen wird. Sie stellt sich als nackter Betonklotz heraus mit einer Unzahl an Coca-Cola-Schirmen davor. Auch die Speisekarte (Schnitzel mit Pommes und ähnliches) reizt uns nicht wirklich und wir beschließen unsere Mittagsrast auf der Geolsalm einzulegen, die nur eine halbe Stunde weiter liegt und an die ich mich noch erinnern kann.
Der gesamte Weg gleicht dort eher einem Spaziergang und die Geolsalm ist tatsächlich um einiges stimmungsvoller als die Gartalm. Ich bestelle eine Brettljause und freue mich schon auf eine zünftige Bergmahlzeit.
Was dann kommt ist eine ziemliche Enttäuschung. Das Brot ist am Rand schwarz verkohlt, alles ist lieblos angerichtet und der Speck sollte echt nicht so genannt werden. Das Fächergurkerl ist okay, der Käse auch, insgesamt aber würde zumindest unser Mittagessen zu keiner Empfehlung führen, vielleicht zum Preis für die schlechteste Brettljause im Zillertal. Schade eigentlich, aber vielleicht hatten wir auch gerade Pech und das Essen ist sonst eh gut.

Wir marschieren durch den Fügener Wald bergab Richtung Mittelstation der Spieljochbahn. Auf diesen Wald habe ich mich seit Jahren gefreut und habe ihn als eine Art Märchenwald in Erinnerung. Wir haben dort vor langer Zeit Unmengen an Eierschwammerln und Heidelbeeren gefunden und mein Erinnerungsbild zeigt alte, moosbewachsene Baumriesen, keine Tümpel mit Farnkraut und einen geheimnisvoll anmutenden, dunklen Pfad über Wurzeln und Felsen.

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Bild 1: Ein Fliegenpilz im Fügener Wald

Die heutige Realität ist eine andere. Der Weg ist breiter, aber immer noch reizvoll. Es ist aber alles sehr trocken, was einem sehr trockenen und warmen Frühsommer geschuldet ist, wie ich später von Anni erfahre. Der Märchenwald existiert nur mehr in meiner Erinnerung, wenngleich es die Unmengen Heidelbeeren auch heute noch gibt. Auch Eierschwammerl finden wir, wenn auch nur eine kleine Menge. Alles in allem ist es eine kleine Enttäuschung und mein Bild hat sich massiv verändert, wenn auch nicht zum Guten.

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Bild 1: Der Fügener Wald

Es gibt auch große Schneisen, die mitten durch den Wald geschlagen wurden und auf mehreren Forststraßen liegen große Mengen an Rohren für eine Stromleitung, die wahrscheinlich bald gebaut wird.
Wir erreichen die Mittelstation und beschließen, den Rest des Weges zum Asterhof auch noch zu gehen. Es ist heiß und wir sind schon ein wenig müde, die Zehen und Unterschenkel schmerzen vom langen Bergabgehen, dafür ist das Wetter nach wie vor schön.

Als wir wieder beim Asterhof ankommen, sind wir schon recht erschöpft und genießen das kühle Wasser des Kneipp-Beckens. Und ich freue mich schon auf die Zillertaler Krapfen, die es am Abend hoffentlich geben wird.
Das Dorffest in Stumm ist unser Ziel und nicht weit entfernt, eine knappe Viertelstunde mit dem Auto. Rund um die Kirche ist eine große Bühne aufgebaut, auf der die Blaskapelle aus Scheffau am Wilden Kaiser spielt.

Blaskapelle

Bild 1: Blaskapelle

Das Fest ist sehr gut besucht und an einem Stand gibt es tatsächlich die Krapfen. Ich bestelle gleich 4 Portionen zu je sechs Krapfen, was mit 28 Euro zu Buche schlägt.

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Bild 1: Zillertaler Krapfen

Kurz gesagt: Sie treffen all meine Erwartungen, sind wirklich gut und ich bin froh, dass wir noch eine Gelegenheit gefunden haben diese alte lokale Spezialität essen zu können. Bis auf zwei Stück schaffe ich alle (Susanne hat ca. 6 Stück gegessen) und das Zillertaler Bier mundet auch und ist nach der heutigen Wanderung durchaus verdient.
Zum Schluss gibt es – das gehört hier dazu – noch ein Schnapsl, das hier von jungen Marketenderinnen ausgeschenkt wird und einen Euro kostet. Die Mädchen gehören zur Blaskapelle und erwirtschaften mit der Ausschank einen kleinen Nebenverdienst. Sie tragen vor sich ein kleines Holzfässchen und haben vier Metallstamperln, in denen sie den Obstler ausschenken, der übrigens gar nicht übel war.
Danach wird das Stamperl mit einem Tuch abgewischt und sie marschieren zum nächsten Gast. So ist das hier in Tirol.

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Bild 1: A Schnapsl wird ausg´schenkt

Nach der Blaskapelle spielt eine Band aus Reith im Winkel und als sie „Joli-joli-joooli-joli-jäää“ vom Geballier spielen, ist es für uns Zeit zu gehen.
Es war wieder ein langer und sehr schöner Tag, leider der letzte, denn morgen geht es wieder zurück nach Wien.

SONNTAG

Nach dem letzten Frühstück und einer ausführlichen Abschiedsplauderei mit Lisl und Anni geht es zurück nach Wien. Wir beschließen diesmal über das kleine Deutsche Eck zu fahren, um eventuellen Grenzstaus zu entkommen. Das stellt sich als mäßig schlauer Plan heraus, denn auch auf der Bundesstraße nach St. Johann und Lofer ist viel Verkehr und die zahlreichen Sonntagsschleicher sind schwer zu überholen. Doch auch das geht irgendwann vorbei und die restliche Rückfahrt verläuft störungsfrei und flott.

Es war ein wunderschöner Urlaub und ich hoffe, dass ich bald einmal wieder ins Zillertal komme – vielleicht ja schon nächstes Jahr, im Zuge meiner Österreich-Tour mit der Elektrovespa.

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