Asylanten, Wirtschaftsflüchtlinge oder was?

Vorbemerkung: Als ich den Artikel geschrieben habe, fehlte mir eine wichtige Information: Das Wort „Asylant“ ist bereits diskriminierend, weil es bedeutet, dass jemand sozusagen von Beruf im Asylstatus ist. Das ist aber kein Beruf, damit verdient niemand seinen Lebensunterhalt und das sucht sich auch niemand freiwillig aus. Es ist daher ein Begriff, der von der rechten Szene sehr bewusst eingesetzt wird, um zu unterstellen, dass Menschen aus niederen Gründen zu Aslywerbern werden. Daher: Asylwerber ist der richtige Ausdruck.

Eine heftige Diskussion auf Facebook über die Abschiebung der Flüchtlinge aus dem Votivpark/der Votivkirche/dem Servitenkloster ist Anlass für diese Zeilen.

Ich war im Winter selbst in der Votivkirche und habe warme Kleidung vorbei gebracht, die mir von meiner Sammelaktion für Uganda übrig geblieben ist. Das war eine unspektakuläre Aktion, weil ich eigentlich nur hinein marschiert bin und nach jemand gesucht habe, der verantwortlich ist. Damals gab es noch das Camp, es war aber schon leer. Nach ein paar Minuten fand ich eine österr. Helferin, die einer Handvoll Flüchtlingen gesagt hat, dass sie mir beim Ausladen der Säcke helfen sollen. Wir haben sie ins Camp getragen (die Säcke, nicht die Helferin) und ich bin wieder gefahren.

Worum geht es hier eigentlich, vor allem in der aktuellen Debatte? Die Grünen pochen auf Menschenrechte, die Schwarzen auf Staatsrechte und das Recht generell und die Roten halten sich raus, ebenso die Blauen, bis auf den Gudenus, den kann man bei jeder Unappetitlichkeit vor die Kamera schicken. Außerdem ist Wahlkampfzeit und das heizt jede Diskussion emotional an.

Schon vor über zehn Jahren hat mir mein Bruder erzählt, wie es die Chinesen damals praktiziert haben. Sie kamen in Flugzeugen nach Wien Schwechat, zerrissen am Klo ihren Pass und sonstige Ausweise und konnten auf Englisch nur die Worte „No Passport, No Ticket“ sagen. Sonst sagten sie gar nichts. Da man ihre Identität nicht feststellen konnte und ein Zurückschicken mit der Airline, mit der sie gekommen waren, nicht möglich war (weil: mit welcher?) blieben sie eine Zeit lang im Anhaltezentrum und wurden dann entlassen.
Sie versickerten irgendwo als Untergrundarbeiter in Chinarestaurants oder wo auch immer. Man hat diese Praktik irgendwann gestoppt, aber es gibt ständig neue Schlupflöcher.

Seit Anbeginn der Menschheit (keine Sorge, ich komme gleich wieder in die Gegenwart) gibt es Migration und wahrscheinlich auch Flüchtlinge. In der sechsstufigen Skala der Konfliktlösung von Gerhard Schwarz ist „Flucht“ die Nummer 1 – als erste, archaischste Variante. Flucht ist immer dann gut, wenn folgende Voraussetzungen herrschen:
1.) Man ist körperlich in der Lage zu flüchten (und nicht eingesperrt, zu klein, zu alt etc.)
2.) Man ist nicht von dem Ort abhängig (Aus einer Oase in die Wüste zu flüchten ist ein schlechter Plan, auch wenn es in der Oase nicht nett ist oder jemand nicht nett ist.)
3.) Der Ort gefährdet Gesundheit und/oder Leben.
4.) Es gibt einen Ort wohin man flüchten kann und wo es besser ist als vorher. (Vor einigen Jahren betreuten wir eine Firma, einen Erzeuger von opto-elektronischen Geräten in Bayern. Die hatten 60 hoch qualifizierte Mitarbeiter, denen es aus bestimmten Gründen nicht gut ging. Sie konnten aber nicht flüchten, weil es in weitem Umkreis keine andere Firma gab, bei der sie mit ihrer Qualifikation arbeiten hätten können.)

Die Punkte drei und vier sehen wir uns genauer an.

Heutzutage unterscheiden wir zwei Arten von Flüchtlingen:
a.) Politische Flüchtlinge – sie müssen aus der Heimat fliehen, weil ihr Leben bzw. ihre Gesundheit bedroht ist.
b.) Wirtschaftsflüchtlinge – sie müssen aus der Heimat fliehen, weil ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage nicht mehr existiert. Das ist auch eine Gefährdung des Lebens bzw. der Gesundheit. Wenn Bangladesh im Meer versinkt, müssen die dort lebenden Menschen flüchten.

Beide „müssen“ fliehen, weil sie keine Alternative haben. Erstere können um politisches Asyl in einem anderen Land ansuchen und bekommen das auch gewährt, wenn sie nachweisen können, dass die Gefährdung wirklich gegeben ist. Edward Snowden ist ein gerade aktueller Fall. Aus dem immer noch existierenden Guantanamo weiß man, dass die USA die Folter offiziell praktizieren (offiziell heißt staatlich angeordnet) und auch Todesstrafen verhängen und durchführen. Das wäre ein guter Asylgrund, zumindest in einem Land, das nicht am Tropf der USA hängt und das Asylrecht daher nicht anerkennt.

Dann gibt es noch die Menschen, die woanders hin ziehen, weil sie die Hoffnung haben, es sich dort zu verbessern. Dafür bieten sich „reiche“ Länder an, also vor allem Europa und Nordamerika. Diese Menschen könnten auch daheim bleiben, sehen aber woanders bessere Möglichkeiten.

Leider verzweigt sich das Thema, wenn man es genauer betrachtet. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es eine Menge Flüchtlinge, die aus Deutschland in die ganze Welt emigrierten. Viele davon waren Angehörige der SS und viele davon Verbrecher, die Angst hatten, in ihrer Heimat für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Viele gingen nach Argentinien und leben tw. heute noch dort.
Ihr Leben war in ihrer Heimat bedroht, daher war ein Asylgrund gegeben.
Wie ist das mit Verbrechern? Muss man auch denen Asyl geben? Oder kann man sie zurück schicken? Wer beurteilt, ob man ein Verbrecher ist? In der Zeit ihrer Untaten waren sie ja keine Verbrecher, sondern Helden. Das erinnert an folgende Geschichte:

Drei Männer sitzen in einer Gefängniszelle und beginnen ein Gespräch.
„Wie lange sitzt Du?“
„Fünf Jahre, ich war für Popow. Und Du?
„Zehn Jahre, ich war gegen Popow. Und Du (zum Dritten)?
„Gestatten, Popow.“

So ändern sich die Zeiten und was heute Recht ist, gilt morgen als Unrecht. Wonach soll also ein Asylant beurteilt werden, wenn er um politisches Asyl ansucht? Was sind quasi die international gültigen Kriterien?
Diese Fragen lassen sich mit einem gut ausgearbeiteten Kriterienkatalog und einem weltweit gültigen System noch einigermaßen beantworten. Aber wie sieht das mit den so viel diskutierten „Wirtschaftsflüchtlingen“ aus?
Hier müssen wir über die Grauzonen diskutieren und auch über Ursache-Wirkung. Wenn etwa ein gut situierter Österreicher (oder nehmen wir jetzt zur Abwechslung eine Österreicherin, auch gut situiert) in ein Geschäft auf der Mariahilfer Straße geht und dort nach einer möglichst billigen Bluse sucht, ist sie dann verantwortlich für die wirtschaftliche Situation der Menschen, die ihre Bluse genäht haben? Die Bluse kann nämlich nur deswegen so billig sein, weil die Differenz zu einem „ordentlichen“ Preis von jemand anders bezahlt wird. In diesem Fall von einer Näherin, die ihre Familie vom Lohn nicht ernähren kann. Die Österreicherin kann sich um das ersparte Geld genau das Essen kaufen (und möglicherweise die Hälfte davon wegschmeißen), das den Kindern der Näherin fehlt.

Okay, das ist ein konstruierter Zusammenhang. Oder doch nicht? Wenn nun die Näherin samt ihren Kindern oder der Mann der Näherin nach Österreich „flüchten“, ist es möglicherweise genau die gut situierte Österreicherin, die sich darüber aufregt. Sie hat nicht das Gefühl, dass ihr aus den Rechten und Möglichkeiten (billig einkaufen können, Essen wegwerfen können etc.) auch Pflichten erwachsen. Welche sollten das auch sein?
Sie hat nicht die Pflicht sich darum zu kümmern, dass die Arbeitsbedingungen am anderen Ende der Welt menschenwürdig sind.
Sie hat nicht die Pflicht nur so viel zu kaufen wie sie essen kann.
Sie hat auch nicht die Pflicht eine Partei zu wählen, die für diese Dinge eintritt. Ganz im Gegenteil, das würde ihre Bequemlichkeit schmälern. Und vielleicht in Folge auch ihren Körperumfang, aber das ist eine andere Geschichte.
Diese Pflichten schiebt sie auf den „Staat“, er soll das regulieren oder auch nicht. Wenn nicht, dann macht das auch nichts. Es wäre aber fein, wenn er zumindest dafür sorgt, dass man die grauslichen Bilder verhungernder Menschen oder leidender Tiere nicht sieht. Die einfachste Variante, mit der man sich selbst aus all dem raushalten kann, was die eigene Bequemlichkeit stört, ist der sehr beliebte Satz „Ich interessiere mich nicht für Politik.“

Welches Recht haben also Menschen aus ihrem Land in ein anderes zu flüchten? Wenn das Land Menschen sucht, um seine Wirtschaft und damit das bequeme Leben aufrecht erhalten zu können, dann stellt sich die Frage nicht oder wird nicht zum Problem. Gut ausgebildete Europäer konnten und können tw. immer noch nach Kanada auswandern. Dort gibt es eine Menge Platz und wenn sie entsprechend sozialisiert und ausgebildet sind, bekommen sie ein Aufenthalts- und Arbeitsrecht und irgendwann die Staatsbürgerschaft.
Schwieriger wird es, wenn wenig Platz vorhanden ist. Man spricht gerne von „Das Boot ist voll“ und vergisst, dass das einzige Boot, das in der Diskussion wirklich voll ist, dasjenige der Flüchtlinge ist, die damit über das Meer kommen und vor Lampedusa stranden oder von der EU-Abfangtruppe nicht sehr freundlich willkommen geheißen werden.

Ich komme nach Österreich und zu unserer Debatte zurück. Ist bei uns genügend Platz für mehr Menschen? Wollen oder brauchen wir die? Österreich ist ein sehr traditionelles Land, in dem sich sogar Menschen Trachten anziehen, bei denen Tracht keine Tradition hat (Wiener z.B.). Inzwischen gibt es beim Hofer sogar ganz billiges Trachtengewand, das diejenigen Menschen anfertigen, die wir aufgrund der durch die Trachten symbolisierten Tradition ablehnen. Sie sollen uns das Zeug bitte möglichst billig anfertigen und aber bitte gefälligst dort bleiben, wo sie uns nicht stören, bitte schön. Danke. Und das gilt auch für Kaffee, Autos, Grundnahrungsmittel, Tierfutter, Rohstoffe und all die Konsumprodukte, die wir billig haben wollen. Also fast alle.
Als Gegenleistung exportieren wir unseren Müll zu den Menschen, die uns das Zeug billig erzeugt haben.

Wenn ich solche Geschichten erzähle, dann höre ich meist folgende Antwort:
„Wenn diese Menschen unzufrieden sind, dann sollen sie doch eine andere Regierung wählen als die korrupte Verwaltung, die sie haben und die für ihre Lebensumstände verantwortlich ist. Wir können da nichts dafür.“
Stimmt das? Kennen Sie „Budgethilfe“? Das sind riesige Summen, die von den westlichen Staaten an die Drittweltstaaten gezahlt werden. An genau die Staaten, in denen die Menschen leben, die unsere billigen Sachen erzeugen.
Diese Budgethilfe wird direkt an die Regierungen ausbezahlt. Und damit diese das Geld nicht verwenden, um die Lebensbedingungen der billigen ArbeiterInnen zu verbessern, sorgen wir dafür, dass sie es sich selbst einstecken und etwa in der Schweiz bunkern. Daniel Toroitich Arap Moi, ehemaliger Präsident von Kenia, hat es so zu einem der reichsten Männer der Welt gebracht.
Wie wir dafür sorgen? Indem wir auf einen Verwendungsnachweis verzichten. Das ist doch großzügig, oder? Die armen Leute sollen nicht noch gezwungen werden die Verwendung der Budgethilfegelder nachweisen zu müssen. Das wäre ja Kontrolle wie in der Kolonialzeit und so wollen wir nicht sein.
In den Bedingungen steht selbstverständlich, dass sie die Verwendung nachweisen müssen. Nur wird es nicht kontrolliert. Das ist ein einfacher und sehr bequemer Weg die Regierungen korrupt zu halten, nicht nur in Afrika.

Und jetzt kommen doch welche, obwohl wir das doch verhindern wollten. Sie machen uns das Leben schwer, weil sie aus unterschiedlichen Gründen kommen. Da sind echte politische Flüchtlinge dabei, aber auch Menschen, die etwas betreiben, was man bösartig als „Asyltourismus“ bezeichnen kann. Und wir stehen vor der mühsamen Aufgabe jetzt theoretisch auseinanderklabüsern zu müssen, wer jetzt wer ist. Das ist nicht immer leicht festzustellen und es kostet viel Geld und Zeit.

Kommen wir wieder zu den Asylbewerbern in der Votivkirche. Im Jänner 2013 wurde eine interessante Heimat-fremde-Heimat-Sendung gedreht, die auf Youtube unter folgendem Link zu finden ist:

In der Sendung wird kurz die Entwicklung dargestellt und dann kommt der interessante Teil. Die Asylwerber sprechen selbst, in gebrochenem Englisch. Einer erklärt, dass man hierher gekommen wäre, um den ÖsterreicherInnen zu erzählen, was quasi los ist. In der Heimat „they would have shoot us“ meint er. Stimmt das? Wer kann das kontrollieren? Kann und soll er es beweisen oder liegt die Beweispflicht (dass dem nicht so ist) bei uns?
Ein anderer erzählt: „We have lost our families, our businesses, our everything in our country.“ Er berichtet, dass sie 27.000 km weit geflüchtet wären und an den Grenzen ständig in Gefahr gewesen wären erschossen zu werden.
Sie alle bekamen negative Asylbescheide. Einer formuliert „demands“, also Forderungen: „Human rights, a normal live and some small businesses.“ Sie würden auch gerne unbehelligt in die alte Heimat reisen und ihre Familien besuchen können.
Es ist sehr schwierig aus diesen Interviewfetzen heraushören zu können, ob das „echte“ oder „unechte“ Asylwerber sind. Ob sie also zu Recht einen negativen Bescheid („Sorry, für Wirtschaftsflüchtlinge ist bei uns kein Platz. Das Boot ist voll, nehmen Sie das nächste.“) bekommen haben oder nicht.
Aber was heißt „zu Recht“? Welches Recht ist das? Das der gut situierten Österreicherin, die sich nicht stören lassen will? Die das Recht hat zu sagen „Unser Land für unsere Leut“?
Hier schließt sich für mich der Kreis zu obiger Problematik. Wir sind keine Insel, wenn auch relativ selig. Oder zumindest wohlgenährt. Oder zumindest tierisch fettreich genährt. Mit Flatscreen und Barbara Karlich. Mit Auto und Schnitzerl, mit stets neuestem Smartphone und einem sportlichen Rülpser auf den Lippen.

Ich mache ein kurzes Fazit:
Wir leben in einer globalen Welt und wir haben keine zweite. Wir leben nicht gut, weil wir so fleißig hackeln, sondern zumindest auch, weil andere schlecht leben. Wir können uns noch recht einfach gegen die Ansprüche der Menschen wehren, die wir ausbeuten. Wir wählen auch diejenigen Parteien, die das perpetuieren. Wir haben jegliche Bescheidenheit und Genügsamkeit verlernt, gemeinsam mit der Achtung vor der Umwelt und den Menschen auf dieser Welt, denen es nicht so „gut“ geht wie uns. Wir sagen „die sind selbst schuld“ und schauen weg oder „Reich und schön“ Folge 2.428. Wir pochen auf das „Recht“ und vergessen auf jede Form der Pflicht. Sie wird auch nicht eingefordert, zumindest noch nicht.

Was ich mir wünsche:
Ich möchte wissen, wie Asylbescheide zustande kommen. Wie wird da recherchiert? Welche Infos werden von wo eingeholt? Ich will mehr Transparenz.
Ich will ein anständiges Zuwanderungsgesetz mit klaren Richtlinien, streng aber fair. Und damit ein Ende der Debatte oder zumindest die Klarheit, die stets versprochen und von Politikern gefordert wird.

Geplante Obsoleszenz

Inzwischen wissen die meisten was dieser Begriff bedeutet und das nicht von ungefähr. Ein Freund hat mir erzählt, dass er in den 1980ern auf der HTL war und dass damals der Lehrgegenstand neu eingeführt wurde: Wie kann man Dinge so produzieren, dass sie nach einer bestimmten, möglichst genau bestimmbaren Zeit oder Benutzungsdauer kaputt gehen? Er berichtete mir, dass dies damals ein kompliziertes Fach war, da die Materialtechnik für dieses Problem noch nicht ausgereift war.
Inzwischen hat die Industrie dies perfektioniert und in vielen großen Unternehmen gibt es eigene Abteilungen, die dafür zuständig sind. Ich möchte hier nur von Beispielen berichten, die ich selbst erlebt habe bzw. solche aus erster Hand.

Das beste stammt von meinem Bruder Peter. Er hat einen Kühlschrank, der eines Tages nicht mehr funktionierte. Der Ärger war groß, da das Gerät noch nicht alt war und ihm dämmerte, dass eine Reparatur – sofern überhaupt möglich – wahrscheinlich teuer kommen würde.
Dann suchte er im Internet nach Leidensgenossen und fand ein Forum, in dem der Fehler genau seines Kühlschranks exakt beschrieben wurde. Und auch wie man ihn selbst günstig beheben konnte. Der Hersteller baut dort nämlich einen Kondensator ein, der unterdimensioniert ist. Ein Kondensator ist ein Verschleißteil, das normalerweise sehr lange hält. Wenn er jedoch zu schwach ist, steht er dauernd unter Stress und die Lebensdauer verringert sich drastisch. Das lässt sich übrigens ganz gut berechnen.
Mittels einer genauen Anleitung plus Bildern in dem Forum konnte mein Bruder den Kondensator gegen einen stärkeren (Kosten ca. 20 Cent) austauschen. Seitdem funktioniert der Kühlschrank wieder wie am ersten Tag.

Ein zweites Beispiel ist noch interessanter: Ein Freund von mir hat einen Fernseher, dessen Bild plötzlich nicht mehr stabil war. Die Garantie war noch nicht lange abgelaufen und er ärgerte sich dementsprechend. Als er beim RUSZ (Reparatur- und Servicezentrum) anruft meint der Chef „Sie haben Glück, ich habe gerade einen Fachmann für genau diese Marke hier“ und übergab den Hörer. Der Fachmann kannte das Gerät in- und auswendig und erklärte ihm am Telefon wie er einen bestimmten zylinderförmigen Teil finden konnte. „Das Ding nennt sich Bildstabilisator und sie müssen es entfernen und gegen einen Draht austauschen, also quasi überbrücken.“ Es stellte sich heraus, dass der Bildstabilisator eigentlich ein Bild-Destabilisator ist, der nach einiger Zeit in Funktion tritt und das Bild destabilisiert. Wenn man ihn entfernt, funktioniert der Fernseher ab dann einwandfrei.

Das klingt wie aus einem schlechten Film, ist aber nur konsequentes Marketing der Industrie. Nun zu meinen Teilen. Es sind drei Stück, die innerhalb eines Jahres kaputt gingen.

3 Geräte

1.) Scanner
Der Epson 1250 Perfection war seinerzeit ein günstiger, aber nicht sehr günstiger Scanner der bekannten Marke Epson. Er hat ein paar Jahre (4 oder 5) gut funktioniert, ich habe ihn allerdings nur ca. 1x pro Monat verwendet. Er hat also weniger als 100 x funktioniert. Dann eines Tages stand er still. Einfach so. Ich hatte ihn weder auf den Boden geworfen noch sonst wie beschädigt. Also anrufen bei der Epson-Hotline. Ein freundlicher Herr meinte, dass ich jetzt ein „Ticket“ hätte und versuchte mir zu helfen. Nach ca. einer Stunde Telefonat kam das Fazit: Scanner aus unbekannten Gründen kaputt. Ich solle mir einen neuen kaufen. Das „Perfection“ in der Produktbezeichnung des Scanners bezieht sich also auf die perfekte Geschäftsidee der geplanten Obsoleszenz. Außer das war alles Zufall, so wie beim Kühlschrank- und Fernseherbeispiel. Leider glaube ich nicht an diese Form der Zufälle, die sich zufällig ein bisschen häufen.
Jetzt habe ich einen Canon und bin schon gespannt, wie lange der hält.

Epson

2.) Switch
Ein Ethernet-Switch der Marke BenQ. Das ist kein sehr aufwändig konstruiertes Gerät und auch nicht rasend teuer, so um die 30 Euro. Er hat ein paar Jahre funktioniert und dann plötzlich seinen Geist aufgegeben. Das ist übrigens schon der zweite, sie halten immer etwa gleich lang. Übrigens von einem anderen Hersteller oder zumindest von einer anderen Marke. Ein Schelm, wer hier Absicht vermutet.

Switch

3.) Festplatte
Ein deutsches Qualitätsprodukt der Marke „Formac“. Sieht elegant aus und hat auch elegante 11 Monate gehalten. Kein Problem, weil da habe ich noch Garantie drauf? Theoretisch ja, praktisch nein, weil die Firma angeblich vor der Insolvenz stand und auf Anfragen nicht mehr reagierte. Außerdem ist das problematisch mit Festplatten, denn da befinden sich meine Daten drauf und die gebe ich lieber nicht in fremde Hände (einschicken zwecks Reparatur oder Tausch). Ich müsste die Daten vorher löschen und daher ebenfalls vorher auf eine andere Festplatte überspielen. Die auf meinem Rechner ist aber nur halb so groß. Ich müsste daher eine neue große kaufen…

Formac

Für mich ist es an der Zeit einen Gegentrend zur geplanten Obsoleszenz einzuleiten. Gibt es noch andere Konsumenten, denen das auf die Nerven geht und die nicht ständig was Neues kaufen wollen, weil das Alte eigentlich alles kann, was man braucht?

Die Phosphor-Krise

Wieder einmal eine spannende Arte-Doku, die an den meisten Menschen unbemerkt vorbei gesendet wird. Bei der Barbara-Karlich-Show muss man weniger aufpassen und ist nicht persönlich betroffen, dort tun Menschen so als würden sie über Probleme diskutieren, die sie selbst gar nicht haben.

Früher konnte ein Landwirt 4 Menschen ernähren. Heute ist der Faktor 1:150. Das ist nur durch den Einsatz von Kunstdünger möglich, und in diesem ist wiederum Phosophor einer der wichtigsten Bestandteile. Ohne Phosphor geht nichts und es darf durchaus die Frage gestellt werden, ob bei einer Knappheit die Menschheit ernährt werden kann.

Wenn die Verteilung weiter so ungerecht erfolgt.
Wenn wir einen Großteil der Anbaufläche ineffizient für die Fleischproduktion verwenden.
Wenn wir Treibstoff für ständig größer und schwerer werdende PKW auf Anbauflächen herstellen, die für den Nahrungsmittelanbau geeignet wären.
Wenn wir jeden Tag Fleisch essen.
Wenn Fleisch so extrem gefördert wird, dass es bereits billiger ist als Gemüse (derzeitiger Stand).

Es ist also wie immer, es geht um die richtige Größenordnung und so kommen wir immer wieder auf den unterschätzten Leopold Kohr zurück, dessen Lebenswerk gerne verkürzt mit „small is beautiful“ beschrieben wird. Er meinte jedoch, dass alles auf dieser Welt eine optimale Größe hat und bis zu dieser Größe ist das Wachstum auch natürlich. Wer also heute eine Wachstumsdiskussion führt, sollte diese Formen von Wachstum unterscheiden: gutes und schlechtes. Vielleicht leiden die meisten Zivilisationen nicht zufällig unter der Volkskrankheit Nr. 1, dem Krebs. Diese unnatürliche Form des Wachstums, gierig und unkontrolliert, führt meist zum Tod dessen, durch den sie sich ernährt. Der Krebs vernichtet sich letztlich selbst.

Sind wir intelligenter als der Krebs? Das wird die Zukunft zeigen.

Was ist mit der Autoindustrie los?

Gleich zu Beginn ein Zitat aus pressetext.com:

„Die weltweit 18 größten Autobauer haben im ersten Halbjahr 2013 in den USA mehr Wagen zurückrufen müssen als sie abgesetzt haben. Die durchschnittliche Quote ist in den vergangenen sechs Monaten bei 142 Prozent gelegen. Das heißt, dass die Fahrzeugriesen um 42 Prozent mehr Autos wegen Mängel zurück geholt haben als neu zugelassen wurden. Das ist das Ergebnis einer heute, Mittwoch, veröffentlichten Studie des Center of Automotive Management http://auto-institut.de an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.“

Die Zahlen sind alarmierend oder wirken zumindest so oder sollten es zumindest sein. Wahrscheinlich werden sie kein Umdenken bewirken, weil ein solches Umdenken nicht erwünscht ist und so lange man sich sicher sein kann, dass man in jedem Fall mit Steuergeldern am Leben erhalten wird, ist es einfach nicht notwendig.

Bis gestern wunderte ich mich über die scheinbare Prosperität der wieder erwachten US-Autoindustrie: noch größere Kisten mit noch stärkeren Motoren und noch mehr Verbrauch. Und die Menschen kaufen die Dinger wie verrückt, Pick-ups und Vans, SUVs etc. – je größer, desto besser, je öfter, desto lieber. Ein Land in Endzeitgigantomanie.

Hier der Rest der Pressetextmeldung:
„Im Gespräch mit pressetext führt Automobil-Experte und Studienleiter Stefan Bratzel diesen „relativ hohen Wert“ in erster Linie auf strukturelle Gründe zurück.
„Die steigende technische Komplexität und der hohe Kostendruck bei einer gleichzeitigen Verkürzung der Produktlebenszyklen sind die Hauptfaktoren, die zu diesen 42 Prozent führen“, so Bratzel. Hinzu komme das sogenannte Baukastensystem. Immer mehr gleiche Teile werden aus Kostengründen in unterschiedliche Modelle eingebaut. Von Zulieferern begangene Fehler betreffen dadurch mehr Autos als noch vor einigen Jahren.
Insgesamt wurden zwischen Los Angeles und New York 11,3 Mio. Wagen zurück in die Werkstatt beordert. 2012 lag dieser Wert noch bei 4,8 Mio. Stück. Das ist ein Anstieg um 230 Prozent und zeigt, dass der Negativrekord von 18 Mio. zurückgerufenen Autos aus dem Gesamtjahr 2010 wohl überboten wird. Zu den häufigsten Mängeln zählen Probleme bei der Innenschutzeinrichtung, bei elektrischen Baugruppen und beim Motor.
Unter den besonders fleißigen „Rückrufern“ finden sich Toyota mit 208 Prozent, Honda mit 265 Prozent und Hyndai mit 294 Prozent. Sie werden nur noch von Chrysler mit 314 Prozent und BMW mit 334 Prozent übertrumpft. Am besten haben hingegen VW, Suzuki, Tata, Volvo, Madza und Mercedes abgeschnitten. Ihre Rückrufquote tendiert gegen null.
Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Rückholaktionen. Im Jahr 2012 hat das Kraftfahrtbundesamt http://kba.de wegen erheblicher Mängel 824.000 Fahrzeughalter angeschrieben. „Aufgrund des hohen Verwundbarkeitsrisikos muss die Produktqualität über Wachstumsziele der Unternehmen gestellt werden“, fordert Bratzel. Neben sicherheitstechnischen Minimalanforderungen verlangt er die Definition und Implementierung von globalen Standards für die Marken.“

Das ist die Spitze des Eisbergs. Toyota galt noch vor ein paar Jahren als Firma, der die Qualität ihrer Produkte nicht völlig egal ist. Ich glaube übrigens, dass auch die Marken mit wenig Rückholaktionen das nicht lange halten werden, denn sie schwimmen letztlich auf der gleichen Welle wie die anderen. Das gilt auch für Mercedes, die früher ein Synonym für Langlebigkeit waren. Auch sie wollen heute möglichst schnell möglichst viele neue Autos verkaufen. Das geht in einem gesättigten oder sogar übersättigten Markt nur, wenn man die Haltbarkeit verkürzt. Die Militärindustrie braucht schließlich auch alle paar Jahre irgendwo einen Krieg, der die gelagerten Waffen vernichtet, damit sie neue verkaufen können.

Herr Bratzel ist leider ein Träumer, wenn auch mit netten Träumen. Die Wachstumsziele der Unternehmen können nicht hinterfragt werden, weil sie nicht hinterfragt werden dürfen. Das ist Frevel, Gotteslästerung, ein Tabu. Dass sie sowieso nicht erreicht werden und gar nicht erreicht werden können, spielt dabei keine Rolle, ganz im Gegenteil: Wenn so ein hoch gestecktes Ziel nicht erreicht wird, dann muss man das nächste noch höher stecken, vielleicht motiviert das ja die Beteiligten mehr Leistung zu bringen und sich mehr anzustrengen.
Das einzige, was unkontrolliert und maßlos wächst, ist übrigens der Krebs. Ein seltsames Vorbild, das die Konsumindustrie da hat.

Ich setze dem die Philosophie von Leopold Kohr entgegen: Optimales Wachstum – das heißt, alles wächst bis zu seiner optimalen Größe und nicht weiter. In der Wirtschaft streben die meisten jedoch nach maximalem Wachstum und das ist krank. Genauso krank wie der Gedanke, dass etwas ewig wachsen kann. Das schafft übrigens nicht einmal der Krebs, der sich letztlich selbst vernichtet. Übrigens umso schneller je schneller er wächst, indem er seinen Wirt umbringt. Und das ohne sich vermehrt zu haben, wie das andere Parasiten wenigstens schaffen.
In unserer Wirtschaft muss alles ewig wachsen. In Österreich etwa bekommt man keinen Gewerbeschein wenn man bei der Gründung der Firma nicht ewiges Wachstum schwört. Wer hineinschreibt, dass er nach X Jahren plant die Firma wieder zuzusperren, bekommt aus ethischen (!) Gründen eine Ablehnung. So etwas kann nicht ein, weil es nicht sein darf. Man muss zumindest den Willen zu ewigem Wachstum haben. De facto gehen die meisten Firmen ohnehin weit vor ihrem sinnvollen Ende zugrunde. Aber zumindest der Schein muss aufrecht erhalten werden.

Das gilt auch für die Autoindustrie: Sie muss scheinbar wachsen und es muss ihr immer blendend gehen. 60 % Neuwagenverkaufsrückgang in Italien und Spanien, 80 % in Griechenland? Das kann nur ein vorübergehendes Phänomen sein eine kleine Wolke vor den strahlenden Aussichten, die gleich wieder vorbeigezogen ist. Demnächst geht es wieder steil bergauf und man wird Neuwägen wie verrückt verkaufen!
Das ist überall zu lesen und zu hören und es schafft bei mir die Gewissheit, dass es nirgends so große Illusionen gibt wie in der Autoindustrie. Was tun, wenn das Wachstum in Europa nicht zurückkehrt? Dann wird man es irgendwo anders auf der Welt schaffen, ganz sicher. In Afrika oder China. Oder sonstwo. Hauptsache Wachstum. Und alle Kritiker sind Spinner, die nichts verstanden haben und nur maulen wollen.

Ich wünsche mir… eigentlich nichts, denn ich weiß auch nicht wie dieses Problem zu lösen ist. Die KonsumentInnen werden wohl nicht auf eine neue Qualitätslinie umschwenken, zu geil und gemütlich ist die derzeitige Situation („Ich will alles und das jetzt gleich“) und die Autoindustrie wird sich hüten, das zu tun, und sich auf den Druck der Konkurrenz ausreden. Die Politik wird auch keinen Finger rühren und die kaputten Autofirmen mit zig Milliarden Steuergeld „retten“, so wie sie es immer getan hat und auch jetzt verspricht und wie es in USA in großem Stil passiert ist.

Wohin das führt will selbst ich mir nicht ausmalen.

Was mich an den Grünen stört

„Die Grünen malen die Radwege grün an.“
so bloggen meine Freunde und so schreibt Reinhard Nowak in der Presse. Dieser Satz ist nicht aus dem Zusammenhang gerissen, weil man ihn nicht aus dem Zusammenhang reissen muss oder kann. Er steht für sich und er ist grammatikalisch richtig. Inhaltlich ist er falsch. Erstens malen die Grünen nicht die Radwege an, weil eine Partei (und das meint Nowak) keine Radwege anmalt, sondern maximal die beauftragte Abteilung des Rathauses. Und auch die lassen anmalen und tun es nicht selbst. Aber lassen wir die Spitzfindigkeiten.
Diese Abteilung wird von der Stadtregierung beauftragt, die so einen Budgetposten zuerst im Gemeinderat beschließen muss. Ist das passiert? Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass die Radwege nicht grün angemalt werden.
Hat schon jemand einen grünen Radweg gesehen? Eben. Ich übrigens schon. Vor dem Westbahnhof befindet sich eine ca. 30 m lange Teststrecke. Dort prüft man, wie und ob das überhaupt funktioniert. Und eine zweite gibt es glaub ich auch noch.

Und damit sind wir beim Thema. Derzeit ist Grün-Bashing sehr angesagt. An jeder Ecke lese ich, dass man die „Vassilakuh“ (so wird das gerne geschrieben und man freut sich über diesen rhetorischen Originalitätsuntergriff) doch heim nach Griechenland schicken möge und dass in Wien rot-grün an allem schuld wäre, vor allem aber grün. Wegen dem Parkpickerl. Und wegen der Gebührenerhöhung. Und weil die Radfahrer bei rot über die Ampel fahren. Und wegen dem Parkpickerl. Und den Radfahrern. Erst gestern hat mir ein Bekannter erzählt, wie sehr ihm diese vielen Radfahrer auf die Nerven gehen, die ihn beim Motorradfahren behindern. „Die sollen am Wochenende einen Radausflug machen, wenn sie Radfahren wollen.“ Und nicht ihm im Weg stehen. Oder fahren, zu langsam übrigens.

Aber selbst wenn man das übliche Wiener Geraunze und die Polemik der ÖVP und der Wiener abzieht, bleibt etwas übrig. Und über das möchte ich schreiben.
Es sind mehrere Punkte:

1.) Die Grünen haben Wachstumsschmerzen.
Sie haben als kleine Protestbewegung begonnen, ein paar Umweltschützer, ein paar Kommunisten oder was man so landläufig darunter versteht, ein paar Weltverbesserer und einige -Innen. Das hatte Österreich auch bitter nötig, denn Umweltschutz war so was von kein Thema in den 1980ern. Weder in der Regierung noch in der Bevölkerung. Genau genommen war es sehr wohl ein Thema, sonst hätten es die „Grüne Alternative“ nicht blitzschnell ins Parlament geschafft, obwohl sie hier das aktiviert haben, was gestern die FPÖ aktiviert hat und heute das Team Stronach aktiviert, nämlich die Protestwähler (und -Innen, gerade noch geschafft).
Nun saßen sie im Parlament und redeten mit. Und sie schufen auch ein Parteiprogramm, denn das war damals nicht schwer: Umweltschutz und Sozialreformen. Beides berechtigt und trotzdem mit dem gewissen Maß an Konterdependenz (dagegen sein um des Dagegenseins Willen).
Dann wurden sie größer und schufen Strukturen. Aus Tradition heraus waren sie basisdemokratisch aufgestellt. Das ist toll und funktioniert auch sehr gut, zumindest in kleinen Einheiten (Gruppengröße, also bis zu max. 15 Personen).
Leider haben die Grünen keine Tradition in Gruppendynamik, das wird sogar abgelehnt und wohl auch, um irgendwie anders zu sein als das Establishment. Das war übrigens einer der Gründe, warum ich vor einigen Jahren aus der Grünen Bildungswerkstatt rausgeschmissen wurde: Ich hatte ihnen das vorgehalten und anstatt es zu diskutieren, haben sie mich rausgeworfen. Das war schneller und einfacher.
Selbst in Gruppen sind basisdemokratische Entscheidungen schwierig, zumindest wenn man sie im Konsens erreichen will. Die geheime Suche nach Verbündeten plus einem Sieg in der darauf folgenden Abstimmung, das können die Grünen inzwischen genauso wie alle anderen. Und das ist auch basisdemokratisch, denn die Basis hat ja entschieden. Nur fragt man nicht, warum und wieso und wie das zustande gekommen ist.

So sind sie also gewachsen, die Grünen, aber ihre Entscheidungsstrukturen sind nicht mit gewachsen. Das heißt, sie sind es schon, aber nicht bewusst, nicht diskutiert, nicht reflektiert. Sie versuchen ein System zu leben, das nicht funktioniert. Weil sie aber funktionieren müssen, gibt es dahinter ein anderes System, das sehr wohl funktioniert. Das ist nur nicht basisdemokratisch, eigentlich gar nicht demokratisch, sondern autoritär.
Wie gehen die Grünen mit internem Protest um? Eva Glawischnigg hat es übrigens neulich in der Pressestunde tunlichst vermieden auf diese Frage zu antworten. Und genau hier liegt ein Problem, denn es ist bei den Grünen ein Tabu darüber zu sprechen. Alle wissen, dass Basisdemokratie so nicht funktioniert, aber niemand redet darüber. Interner Protest? Kann nicht sein, denn wir sind ja die Guten, die das Richtige wollen. Gegen das Richtige kann man gar nicht protestieren. Also sind das entweder eine Handvoll verirrte Seelen oder es handelt sich gar nicht um Protest, sondern kreativ versteckte Zustimmung.
Das wurde in der Politik tw. erkannt und wird von der Wiener ÖVP-Opposition gegen die Grünen verwendet. Da sie als Opposition übertreiben muss um ihrer Rolle als Opposition entsprechen zu können, stimmen die Vorwürfe oft nicht. Aber ein ziemlich großes Körnchen Wahrheit ist meist dabei.

Das ist das erste, was mich an den Grünen stört: Sie tun so, sind aber nicht und darüber darf nicht gesprochen werden.

2.) Die Grünen betreiben Klientelpolitik.
Basisdemokratie heißt in vielen Fällen: Man sucht sich eine Hausmacht und setzt mit deren Hilfe Entscheidungen durch. Man intrigiert, mobbt, tuschelt und benützt alle Tricks, die es gibt. Sitzungen werden taktisch verschleppt bzw. verschoben, Abstimmungen für ungültig erklärt und unter besseren Bedingungen wiederholt.
Und trotzdem versucht man die Basisdemokratie aufrecht zu erhalten. Das führt zu seltsamen Auswüchsen. Ich frage mich oft: Wem fällt so eine blöde Idee ein? Damit hat man ja sogar die eigene Wählerschaft gegen sich! Ein Beispiel war der Vorschlag (mehr war es nicht) einer Tempo-30-Zone am Gürtel.
Ganz abgesehen davon, dass wohl nur wenige Leute sich den genauen Wortlaut dieses Vorschlags angesehen haben – wieso kam dieser überhaupt ins Gerede? Um das und ähnliche Ideen zu verstehen, muss man wissen, wie die Entscheidungsstrukturen bei den Grünen funktionieren.
Es gibt eine ganze Anzahl an bezahlten Funktionären und -innen. Diese leben davon, dass sie von der Landesversammlung gewählt werden, denn sie haben sonst keinen Beruf. Daher müssen sie dafür sorgen, dass sie in der Landesversammlung eine Mehrheit für sich bekommen. Und das erreichen sie am besten, wenn sie das laut sagen, was die tatsächlich Anwesenden bei dieser Landesversammlung hören wollen.
Wenn man sich nun ansieht, wer zu dieser Versammlung hin geht, so versteht man die seltsamen Ideen. Es ist der ideologisch harte Kern der Grünen. Und die sind sehr wohl gegen Autos ganz generell.
Nun ist gegen Klientelpolitik nichts einzuwenden, das darf ja ruhig sein und ist nichts Verwerfliches. Aber man sollte dazu stehen. Das bedeutet aber auch, dass man nicht in eine Regierung gehen darf. Zumindest nicht, wenn das eigene Klientel das Protestklientel ist, denn in einer Regierung muss man sich um Kompromisse bemühen und um die Vertretung (fast) aller Bürger.
Das hat natürlich zwei Seiten: Die eine Übertreibung ist die Protestschiene. Man ist gegen alles und macht das zum Programm. Das bringt Proteststimmen und funktioniert bei den Grünen nur mehr im einstelligen Prozentbereich. So kann man nicht mitreden oder wenn, dann nur aus der geduldeten Oppositionsrolle heraus. Und das ist ein bissi wenig.
Die andere Übertreibung sieht man am rechten Rand, bei ÖVP und FPÖ, wo man einer dumpfen Mehrheitsstimmung nachgibt und sich das Programm aus Stimmungen zusammensetzt, auf der einen Seite die der Modernisierungsverlierer und auf der anderen Seite die der Wohlhabenden, die Angst haben, dass man ihnen was wegnehmen könnte vom Körperfett – vom eigenen und vom substituierten (Geld).

Die Regierungsbeteiligungen sehen dann auch entsprechend aus. Was passiert mit Protestierern, wenn sie an die Macht kommen, noch dazu, wenn es eine kleine Macht ist? Derzeit berichten die Bezirke, dass ihnen der Rathausklub nicht wirklich zuhört.
Mir stellt sich die Frage, wie soll moderne Grünpolitik aussehen? Ich möchte nicht im Nörgeln bleiben, obwohl ich das als gelernter und echter Wiener gut kann. Daher eine kurze Skizze:

1.) Eine interne Parteireform nach dem Vorbild der Soziokratie.
2.) Mobilität ist in unserer Gesellschaft ein überproportional wichtiges Thema, emotional maximal besetzt. Daher ist hier für Sachlichkeit zu sorgen. Förderung des Autos dort, wo es derzeit keine sinnvollen Alternativen gibt. Parallel dazu ein überproportionaler Ausbau des öff. Verkehrs, aber mit Augenmaß inklusive einer Verbilligung desselben. Eine Bank weniger retten und wir haben mehr als genug Geld dafür.
3.) Wirtschaftspolitisch muss ganz klar gesagt werden: Ein weiteres Wachstum an Konsumprodukten ist weder möglich noch wünschenswert noch sinnvoll. Klarer Widerstand gegen den Wachstumswahn, statt dessen Förderung des Wachstums von Qualität und Langlebigkeit der Produkte sowie des Wachstums an sozialen Beziehungen und Netzwerken. Umgestaltung des öffentlichen Raums dahingehend. Wenn man nicht alles selbst erfinden will kann man auch den Ideen der Postwachstumsökonomie folgen.
Die meisten anderen Ideen dazu und noch weitere finden sich auf der Website der Grünen Wirtschaft (www.gruenewirtschaft.at)