Mein neues Leben

Zugegeben – der Titel wird nicht halten, was er verspricht. Aber ich bemühe mich.

Neulich im Vorfeld unserer Veranstaltung „Besser statt mehr – Perspektiven und Chancen einer Postwachstums-Ökonomie (PWÖ)“ hatte ich ein Gespräch mit meinem Kollegen Stefan und wie üblich kamen wir auch auf das Thema Vespa-Basteln.
Sein Kommentar: „Du machst eigentlich schon das, was wir vielleicht in Zukunft alle machen werden: Du arbeitest da und dort, für verschiedene Auftraggeber, hast kein oder nur ein geringes regelmäßiges Einkommen und bist in vielen verschiedenen Bereichen tätig: Motivforschung, Training, Organisationsentwicklung, Vespas Restaurieren, bei der Grünen Wirtschaft, Bücher schreiben etc.“

Aufgrund dieses Gesprächs habe ich begonnen nachzudenken und das mündet manchmal in einem Vordenken. Das Ergebnis deckt sich mit den Annahmen der PWÖ und geht darüber hinaus, als Philosoph darf ich noch etwas freier denken als die Ökonomen und Naturwissenschafter:

1.) Unsere Wirtschaft wird sich verändern und damit unser Leben. Das gilt für fast alle Mitglieder einer Gesellschaft.

Wirtschaft hat sich immer verändert, aber es wird einen Paradigmenwechsel geben und er wird ein recht radikales Umdenken notwendig machen. Das wird alle wichtigen Bereiche unseres Lebens betreffen und fast alle Menschen. Selbst diejenigen, die jetzt schon in einer Art PWÖ und somit „modern“ leben (auch wenn uns das derzeit noch als veraltet vorkommt) werden nicht unberührt bleiben. Die Aussage meiner Freunde, „Du und die Grünen, ihr wollt ja nur, dass wir in Zukunft alle wieder in Lehmhütten leben“ lässt mich kalt, Lehm ist ein sensationeller, umweltfreundlicher, klimaaktiver, billiger und stets vorhandener Baustoff und hat sicher Zukunft.

2.) Die Veränderung wird global sein.

Randgebiete und die dort lebenden Menschen werden etwas weniger betroffen sein, am stärksten wird man es in den großen Städten merken, denn die sind erstens nicht direkt an den notwendigen Ressourcen (deswegen entstehen gerade in New York City gerade so viele Projekte im Community Gardening) und zweitens brauchen sie besonders viel davon.

3.) Sie kommt entweder schnell und heftig oder etwas langsamer.

Alle, auch die Postwachstumsökonomen haben Angst vor einem großen Knall, der weder in seiner Quantität (Ausmaß) noch in seiner Qualität (von Ölkrise bis Weltkrieg) vorhersehbar ist. Von der Theorie, dass die Krise vor allem dann kommt, wenn man sie „herbeiredet“, halte ich nichts. Diese Ansicht wirkt pervers angesichts der hemmungslosen Ressourcenverschwendung, die fast global zu spüren ist. Das einzige Argument, das hier noch zu hören ist, lautet: „Die Technik wird sich so schnell weiterentwickeln und wir (wer eigentlich?) werden so tolle Dinge und Techniken und Verfahren entwickeln, dass es ohne Bruch gut weitergehen wird.“
Wie diese Techniken aussehen, kann von den Anhängern der Theorie „Der (Technik-)Papa wird´s scho richten“ auch niemand sagen. Man vertraut auf mögliche Erfindungen, die uns retten – das ist mir zu wenig.

4.) Es geht um Energie

Wie auch immer man es betrachtet, das Thema Energie steht immer im Vordergrund, sowohl bei den Ressourcen als auch bei der Umweltverschmutzung, dem Verkehr, der industriellen Produktion, der Landwirtschaft, dem Klima etc. Letztlich ist alles eine Energiefrage, vielleicht wurde ja deswegen der Heilsversprechung der Atomenergie so viel Geld in den Rachen geworfen – sie haben eine endgültige Lösung der Energiefrage versprochen. Den Preis dafür haben sie uns nicht verraten, aber inzwischen kennen wir ihn.

5.) Durch die richtigen Schritte können wir die Veränderung weder aufhalten noch verhindern, wir können nur den Weg frei räumen bzw. den Fall dämpfen. Das ist auch das Fazit der Postwachstumsökonomie, vor allem der Spezialisten aus Oldenburg. Daher müssen wir uns überlegen, wie es danach weiter geht, gut weiter geht.

Mein Idealszenario: Ein Weltwährung, die den globalen Handel sowie die Vernetzung ermöglicht. Dazu lokale Komplementärwährungen, die zueinander unabhängig sind und den Handel vor Ort gewährleisten. Die Verwaltungen sind ebenfalls national-global und regional-lokal. In Österreich kann man die Bundesländer weitgehend abschaffen, offiziell können sie aus sentimentalem Lokalkolorit und für den Tourismus erhalten bleiben. Landeshauptleute sind Repräsentationsfiguren ohne jede Macht, Bierzeltclowns, das reicht.
Weltweite Vernetzungen werden auf weit höherem Niveau stattfinden als jetzt, der Lokalbürger wird zugleich Weltbürger sein, wenngleich mehr auf virtueller Ebene, weil den derzeitigen Flugverkehr wird es nicht mehr geben. Wer nach Afrika reisen will, braucht eben mehr Zeit. Die haben wir dann auch, weil der wahnsinnige Druck wegfällt, den wir uns mit dem derzeitigen Produktionsirrsinn selbst schaffen. Druck ist immer Zeitdruck, oder fast immer. Hier folge ich den Ideen der PWÖ, die neue Arbeitsmodelle proklamiert: 20 Stunden klassische Erwerbsarbeit, etwa als Angestellter in einer Firma, der Rest für andere Tätigkeiten, die meist auch Arbeit sind. Hier erfolgt dann die Bezahlung in der Komplementärwährung, etwa in Zeitaustauschmodellen oder ähnlichem.

Wir werden weit weniger Produkte produzieren als jetzt und auch hier habe ich ein Idealszenario: Es werden genau die Produkte wegfallen, die wir jetzt schon nicht brauchen, sondern nur kaufen, weil sie der Nachbar auch hat oder weil uns fad ist oder Konsumrausch es uns ermöglicht, den Kopf so vollzubrummen, dass wir über nichts anderes nachdenken können und daher auch nicht müssen. Es gibt auf jeden Fall genügend Ressourcen auf dieser Welt, um alle Menschen zu ernähren und ihnen ein durchaus gutes Leben auf hohem Niveau zu ermöglichen. Mag sein, dass dann nicht mehr vier Leute mit fünf Autos auf den Golfplatz fahren können. Diesen Preis werden wir bezahlen können, auch wenn einige jammern werden.

Ja, es wird gravierende soziale Veränderungen geben. Die derzeit sich immer noch stark öffnende Schere arm-reich wird sich wieder schließen, schließen müssen. Die Reichen können sich aussuchen, wie das geschieht, diese Wahl haben sie. Ich erinnere mich an die alte Gerechtigkeitsgeschichte, bei der die Mutter einen Kuchen zwischen zwei Kindern aufteilen muss. Sie lässt das erste Kind teilen und das zweite aussuchen. Genau so wird es aussehen, die Reichen werden teilen dürfen und die Armen aussuchen.

Wie immer wird es Gewinner und Verlierer geben und es ist nicht klar, wer wo dabei sein wird. Das erinnert mich ein wenig an die „Theorie der Gerechtigkeit“ des amerikanischen Philosophen John Rawls, der das Modell des „Schleier des Nichtwissens“ erschaffen hat: In einer Art virtuellem Raum treffen Menschen vor ihrer Geburt aufeinander und müssen gemeinsam (und dann natürlich jeder für sich) entscheiden, wer in welcher Rolle geboren wird. Sie wissen aber nicht, was jeder sein wird – wie schnapsen sich die ein Modell aus? Rawls meint, dann wäre es ein gerechtes Modell. Er hat eine gute Theorie erschaffen, allerdings nicht mit einer menschlichen Eigenschaft gerechnet: dem Hasardieren („Ich werde möglicherweise ein armer Schlucker, aber das Risiko geh ich ein, vielleicht werde ich ja Millionär.“)

Sicherheit wird hauptsächlich definiert durch Vielfalt und Vernetzung. Das ist übrigens jetzt schon so, da die klassischen Sicherheiten ohnehin schon weggebröckelt sind (Kirche, Familie, Job, Geld, Energie, Rohstoffe…), nur merken es noch nicht viele. Ich habe aber das Gefühl, dass es viele schon spüren und dass sich ein Hauch von Panik durch die Gesellschaften zieht, wie ein dumpfer, noch recht weit entfernter Donner. Wenn ich die Menschen in meiner Umgebung frage, dann sagen die meisten, dass sie schon Donner gehört haben (bis auf die, die ständig ihre Kopfhörer aufhaben). Viele versuchen auch, sich vor dem kommenden Regen ins Trockene zu flüchten und kaufen Immobilien bzw. versuchen ihr Eigentum auf irgend eine Art zu schützen. Für einige wird das funktionieren, für andere nicht. Blöderweise wissen wir noch nicht, wer durch die Flut wohin gespült wird. Reichtum wird möglicherweise keinen Schutz bieten, zumindest nicht materieller Reichtum.

Ich kann somit nur hoffen, dass dann die Stunde der Philosophen schlägt, der ruhigen Vor- und Nachdenker, die sich jetzt schon Modelle und Techniken überlegen, die uns dann weiter helfen, so dass es möglichst vielen Menschen möglichst gut geht. Übrigens ein gänzlich anderes Modell, als es in unserer Gesellschaft derzeit in Mode ist.

One moment in time…

Ein paar Worte zu der gerade eben im Alter von 48 Jahren verstorbenen Whitney Houston.

Wer bei dem folgenden Video nicht ein klein wenig Gänsehaut bekommt, braucht diesen Blog nicht weiterlesen:

Was für eine Stimme!
Und wieso muss jemand erst sterben, um ins Zentrum der Betrachtung zu rücken, wie es bei vielen Prominenten passiert und derzeit natürlich wieder auf Facebook zu beobachten ist?

Die Gesellschaft ist ein gieriger Rachen, der einzelne Personen auffrisst und erst bei ihrem Tod wieder ausspuckt. Die Reste liegen dann manchmal von Drogen zerstückelt in irgend einem Hotelzimmer oder einer Villa. Eigentlich nicht nur manchmal, sondern ziemlich oft, auch wenn es immer wieder Individuen gibt, die diesem Schicksal entkommen, aber ich muss länger nachdenken, damit mir dafür Beispiele einfallen.

„In Wien musst erst sterben, bevor sie dich hochleben lassen“ – dieser Satz wird dem Qualtinger zugeschrieben. „Aber dann lebst ewig“ hat der Falco ergänzt. Das gilt übrigens nicht nur für Wien, und daher lohnt es sich, eine Ebene tiefer zu gehen. Oder am besten gleich mehrere.

Der Mensch ist ein Widerspruchswesen, daraus entsteht – philosophisch gesprochen – erst das Menschsein. Wir haben es übrigens mit vier Grundwidersprüchen zu tun:
Leben – Tod
Alt – Jung
Männlich – Weiblich
Eines – Vieles

Alle anderen Widersprüche bauen auf diesen vier auf. Heute möchte ich mich mit dem letzten beschäftigen: Eines und Vieles. Damit ist der Widerspruch zwischen dem Individuum und der Gruppe gemeint, denn in dieser Konstellation haben die Menschen den Großteil ihrer Entwicklungsgeschichte gelebt. Später kamen größere Einheiten dazu: Fürstentümer, Großreiche, Staaten, Staatengemeinschaften und Gesellschaften bis hin zur Weltgesellschaft.

Je größer diese Einheiten, desto größer auch der Widerspruch Eines – Vieles. Whitney Houston war das, was wir einen „Weltstar“ nennen, und daher mit dem größten denkbaren Widerspruch konfrontiert. Das Maul, das sie geschluckt und jetzt wieder ausgespuckt hat, war sozusagen das denkbar größte.

Das Monstrum heißt übrigens „Freizeitgesellschaft“ und ist eine Erfindung der Moderne, die zwischen Arbeit und Freizeit trennt. Diese Freizeitgesellschaft braucht Sinn stiftende Elemente, um existieren zu können, quasi ihre Nahrung. Dafür werden Individuen gesucht und gleichsam „geopfert“. Dieser Ritus des Opfers ist uralt und funktioniert bis heute, auch wenn wir es nicht so nennen. Die Menschen werden ausgewählt („gecastet“) und gefüttert (mit Plattenverträgen, Filmrollen, Geld, öffentlichen Auftritten etc.) und am Schluss geopfert. Dann wird ein neues Opfer ausgesucht und es geht von vorne los. Die Profiteure sind nicht andere Menschen, sondern die Gesellschaft. Das war schon vor tausenden Jahren so, ich erinnere an das Kolosseum in Rom. Dort werden die Individuen auf den Rängen zu einer Masse und für eine kurze Zeit verschwindet der Widerspruch zwischen Einem und Vielem. Damit das funktioniert, muss es ein Individuum geben, das aus der Masse heraus geholt wird, übrigens auch nur für kurze Zeit. Das funktioniert umso besser, je individualisierter dieser Mensch ist, bzw. gemacht wird. Dadurch werden diese Individuen als solche gut erkennbar, der Abstand zur Masse muss entsprechend groß sein.

Natürlich zahlt das Individuum einen Preis, im Normalfall sein Leben als Individuum. Diesen Preis zahlt es meist doppelt: zuerst wird es Gegenstand der Massenbetrachtung, also der Öffentlichkeit. Dabei verliert es seine Individualität („Ich kann nirgends hingehen ohne erkannt zu werden“) und zugleich wird genau diese Individualität verstärkt, indem die Person in eine extreme Sonderposition gehoben wird. Die ist dadurch definiert, dass sie nur von wenigen Einzelpersonen erreicht werden kann, und zwar von so vielen, wie die Masse braucht, um rund um die Uhr unterhalten zu werden. Den zweiten Preis zahlt das Individuum mit seinem Tod. Der ist notwendig, damit neue Opfer gefunden werden können, aber auch, um das Opfer erst perfekt machen zu können, quasi um es abzurunden. Die wenigen Menschen, die sich aus dieser Rolle befreien können, finden manchmal irgendwo auf der Welt einen Platz, an dem sie in Frieden alt werden können, gestört nur durch gelegentliche Besuche von Reportern aus der Was-wurde-eigentlich-aus-Liga.

Manchmal genügt es der Masse die Person zu zerbrechen. „Person“ heißt übrigens „durchtönende Maske“ und deutet auf die notwendige Maske hin, die das Individuum braucht, um sich eine Zeit lang vor der Masse verstecken zu können. Deswegen werden die Promis auch meist stark geschminkt und verändert, um ihnen quasi eine Atemschutzmaske zu geben, die sie vor dem allzu schnellen Verbrennen schützt.

Die notwendige Erhöhung zum massentauglichen Individuum wird durch eine Komprimierung erzeugt, also ein extrem verdichtetes Leben oder eine besonders ausgeprägte Eigenschaft:

I’ve lived to be
The very best
I want it all
No time for less

Es braucht nicht zu wundern, wenn diese Leben dann schneller zu Ende gehen als „normale Leben“. Körper und Geist halten diese oft extreme Beschleunigung meist nur mit chemischer Unterstützung durch, besonders beliebt sind hier Alkohol und andere Drogen.

Zerrissen wird das Opfer übrigens durch den Grundwiderspruch Eines – Vieles. Es muss nämlich einerseits extrem individualisiert werden, um quasi tauglich zu sein, andererseits muss es als Mensch, als Teil der Gesellschaft erkennbar bleiben. Auch dafür werden die Drogen gebraucht, die dann Bilder von ganz normal aussehenden Menschen erzeugen, die ein von Leiden durchzogenes Leben haben (Britney Spears ist so ein Fall). Hässlich aufgedunsen und am nächsten Tag wieder perfekte Göttin – so liebt es die Masse, so wird ihr klar, dass der Widerspruch voll einschlägt, dass das Opfer perfekt ausgewählt wurde, tauglich ist für die Riten, nach denen das Monster lechzt.

Verstärkt wird die Sucht der Masse durch extreme Zeiten, in denen z. B. die Sicherheitssäulen bröckeln. Dann ist eine kollektive Flucht notwendig, und die gelingt am besten, wenn es eine möglichst perfekt aufgebaute Scheinwelt gibt. Früher wurde diese um Mitternacht durch die Bundeshymne und das Testbild begrenzt, heute läuft sie rund um die Uhr und zeigt sehr schön die Veränderung der Gesellschaft und auch, in welche Richtung die Entwicklung geht: Panem et circenses, gebt den Leuten Brot und Spiele! In meinem Buch „Ich bin doch nicht frei – willkommen im blöden Markt!“ habe ich das genauer dargestellt und ich merke, es bleibt aktuell.

Wenn die Maschine rund um die Uhr laufen soll, dann braucht es dafür mehr Opfer und natürlich muss auch deren Qualität besser werden, also extremere Individualität und immer gleichere Masse: Rund um die Uhr sitzen die Menschen vor den gleichen Vergnügungsgeräten (Flatscreens) und nehmen die gleichen Ruhigsteller zu sich (Pizza, Pommes, Burger, Kebab, Cola, Bier) – Nahrungsmittel mit viel Fett und Kohlehydraten. Die Stars kommen und gehen immer schneller und es werden mehr, die Auswahl wird größer und durch die Globalisierung verstärkt sich das noch.

Die Angleichung der Opfer funktioniert auch durch einen weiteren Mechanismus: Sie bekommen für eine bestimmte Zeit ein (scheinbar) ideales Leben geschenkt, das aus der Summe unserer Wünsche besteht: große Villa mit Pool, teure schnelle Autos, Privatjet, Kaviar und Hummer den ganzen Tag. Auch dieser Mechanismus ist uralt, schon vor tausenden Jahren wurden die künftigen Opfer wie Könige behandelt, sie wurden sogar zu Königen gemacht, zu Königen auf Zeit.
Je besser ein Individuum dies repräsentiert, desto besser ist es als Opfer geeignet. Je schneller und wilder es lebt, sein vieles Geld verbraucht (siehe Michael Jackson), desto prachtvoller wird sein Opfertod. Dieser funktioniert übrigens dann besonders gut, wenn er tragisch ist (also schnell und plötzlich passiert). Auch langes Siechtum funktioniert, weil dadurch wird das Opfer wieder Teil einer Gesellschaft, deren Individuen auch meist nach längerem Siechtum ableben. „Er/Sie ist so wie wir und doch ganz anders“ – das ist der notwendige Widerspruch. Schnelles Wechseln zwischen diesen beiden Seiten hilft dem Mechanismus: Die Stars müssen in einer fernen Welt (Hollywood, Monaco) leben und zugleich angreifbar werden, daher sind öffentliche Auftritte notwendig, bei denen die Individualisierung zur Schau gestellt wird – Konzerte, Sportereignisse etc. Dort trifft die Masse auf das Individuum und vereinigt sich mit ihm. Das funktioniert vor dem Fernseher, wenn halb Österreich zum Fussball-Bundestrainer wird, aber auch im Leben („Live“), etwa in Stadien, wo die Masse im gleichen Rhythmus schwingt wie der Star auf der Bühne. Das „per-sonare“, also das Durchtönen, zeigt sich hier wieder: die größten Stars haben mit Musik zu tun. Dieses Medium verbindet sehr schnell und direkt, Musik durchtönt die Masse, sie nimmt sozusagen den Star in sich auf, verschlingt ihn, das Viele verschmilzt mit dem Einen, wenn auch nur für Momente. Whitney Houston hat das sehr schön dargestellt:

I want one moment in time
When I’m more than I thought I could be
When all of my dreams are a heartbeat away
And the answers are all up to me
Give me one moment in time
When I’m racing with destiny
Then in that one moment of time
I will feel
I will feel eternity

Die angesprochene Ewigkeit ist ja nur im Tod zu erlangen, womit wir bei einem anderen Grundwiderspruch wären. Und die Träume, die nur einen Herzschlag entfernt sind, repräsentieren die Individuen aus der Masse, die sich emotional nur einen Herzschlag weit weg von ihrem Star empfinden und es bei Konzerten sozusagen auch sind. Aber nur für den Moment.
Mehr zu sein als man dachte, dass man sein kann – das ist das Schicksal der Stars, die das für die Zeit ihres Ruhmes auch sind. Das Individuum kann etwas erreichen, was ihm als Individuum nicht zusteht, nämlich aus der Masse herausragen. Und zugleich will die Masse genau das, dass ihr Menschen vorzeigen, dass es das Individuum doch kann, obwohl es das nicht kann, weil es immer sterblich und somit Teil der Masse bleiben wird. Oder durch den Tod unsterblich wird, daher müssen die Stars sterben, sozusagen umso mehr, je höher sie oben sind. Damit liegen auch die Antworten bei den Stars, sie sind verkörperte Antworten des Widerspruchs und sie geben diese Antworten zur Masse zurück. Dort löst sich der Widerspruch für kurze Zeit auf, in Momenten der Ekstase, getrennt vom normalen täglichen Leben, im Rausch, in der Menge.

Die Individuen leben in ihrem Leben bestimmte Aspekte der Stars. Sie fahren Autos, die fast so aussehen wie die der Stars, und sie singen in Karaoke-Abenden die Musik. Das nähert sie den Stars an und zeigt zugleich, wie weit sie wirklich davon entfernt sind. Die Artefakte müssen käuflich sein, also der Masse zur Verfügung stehen. Dabei reichen Plagiate, die Originale wären zu teuer. Und es reicht der Wunsch danach, also nach der Villa, die man sich mit einem Lottogewinn leisten könnte und an der die meisten Lottogewinner trotzdem scheitern, weil dieses Leben eben nicht für die Individuen der Masse gemacht ist, ohne dass sie den entsprechenden Preis zahlen. So ein Leben „gratis“, also nur durch den Kauf eines Lottoscheins zu erhalten, ist fast unmöglich. Aber der Wunsch danach zählt, und er zählt umso stärker, je schlechter es den Individuen geht, also in den schon erwähnten Zeiten der Unsicherheit, wenn die Säulen bröckeln. Dann steigt der Pizzaverbrauch und Glückspiel sowie Drogenkonsum nehmen zu.

Das Schicksal der Stars (When I´m racing with destiny) macht sie wieder zum Teil der Masse, weil genau dieser Masse ihr Schicksal gehört, sie hat es schließlich erzeugt. In der Annahme des Schicksals vereint sich das Individuum wieder mit der Masse. Das Schicksal selbst besteht darin, letztlich doch von der Masse verdaut und wieder ausgespuckt zu werden.

Und doch gibt es einen Ausweg, ein Schlupfloch. Manche Stars schaffen es und entkommen, sie wählen sich ein anderes Schicksal, wenngleich auch manchmal ihre Umwelt (Angehörigen, Freunde) den Preis dafür zahlt. Wird es Bruce Springsteen schaffen? Hat es Tina Turner geschafft? Manche haben zugehört, wenn ihnen gesagt wurd: Achte darauf, dass Du rechtzeitig aussteigst, von Bord gehst, dich schleichst. Sei eine der Ratten, die das sinkende Schiff schon im Hafen davor verlassen haben. Es gibt einen spannenden Film (Flashpoint, 1984), wo Kris Kristofferson zu Treat Williams sagt: „Hau ab, jetzt gleich. Sei einer von denen, die davon kommen!“

Whitney hat es nicht geschafft, aber ihre Stimme hat die Masse verschluckt und erinnert sich daran. Für einen Moment, für one moment in time.

Wer das Herz am rechten Fleck hat, wünscht sich keinen Crash

…Das ist das Fazit von Robert Misik, der mir in seinem Podcast ein bisschen den Kopf zurecht gerückt hat. Ich mag nicht alle seine Analysen, aber diesmal hat er quasi ins Schwarze getroffen (nämlich mich, da passt dieses Wortspiel). Wer es sich selbst ansehen will:

http://derstandard.at/1324170167037/Videocast-von-Robert-Misik—Folge-212-Wir-wollen-den-totalen-Finanz-Kollaps

Kurz und knackig herbei geleitet: In einer Zeit, in der Blicke nach vorne weniger lustig sind als Blicke nach hinten und viele Grundsäulen einer Kultur zusammenbrechen oder zumindest wackelig erscheinen, ist es einfach sehr schwer, optimistisch und voller Freude in die Zukunft zu blicken. Zusätzlich sehe ich Entwicklungen, die auf etwas zuzusteuern scheinen und die mir missfallen.
Und dann lese ich noch an jeder Ecke von kommenden oder in Wahrheit schon da seienden Krisen und ähnlichen Gebilden. Und ich sehe hamsterartige Weihnachtseinkäufe und Menschen, die ihr Geld ausgeben, statt es zu sparen. Das tut man übrigens immer dann, wenn man nicht an eine gute Zukunft glaubt und das Vorhandene noch schnell in sich hinein stopfen will. Da das innere Aufnahmevermögen begrenzt ist, dient das erweiterte Konsum-Ich als Reserve-Auffangbehälter.

Der Blick auf die in allen Medien ständig gezeigten Umweltkatastrophen macht es auch nicht einfacher und so taucht irgendwann das Bild auf: Hoffentlich ist das alles bald vorbei. Und natürlich – hier bleiben auch die schlimmsten Pessimisten Optimisten: Danach soll es besser weitergehen. In Form eines Neuanfangs, einer besseren, gerechteren, schöneren, saubereren Welt.

Was sagt die Geschichte? Gab es das jemals? Und vor allem: Gab es das jemals für alle, sprich: für den Großteil einer Bevölkerung, einer Kultur?

Diese Frage ist schon weitaus schwieriger, denn die Geschichtsschreibung ist hier stets verzerrend. Und vor allem wissen wir meist nicht, wie und wie viel verzerrt wurde. Letztlich bleibt aber folgende Frage offen: Lernen Gesellschaften aus Kataklysmen (Katastrophen) und Krisen? Ist das, was danach kommt, in der Entwicklung eine Stufe höher, reifer, besser (im Sinne eines Hegelianischen Idealismus)? Oder beginnt es wieder von vorne, mit den gleichen Dummheiten, den selben Entwicklungen, hin zum nächsten Knaller? Hat die Postmoderne die Wahrheit?
Was wurde aus dem Zusammenbruch des römischen Reichs gelernt? Was aus den Kreuzzügen? Aus der großen Pest? Aus dem dreißigjährigen Krieg? Aus der französischen Revolution? Aus dem ersten und dem zweiten Weltkrieg? Aus dem Finanzkollaps von 2008? Was habe ich selbst aus meinem durchaus schweren Motorroller-Unfall 2009 gelernt?

Was die Mayas, die Azteken, die Inkas, die Babylonier, die Armenier, die Buschmänner und unzählige andere Völker gelernt haben, wissen wir: Nichts, weil es sie nicht mehr gibt. Sie haben nicht einmal gelernt, wie man sich selbst vernichtet, weil es niemand mehr gab, der das lernen und als Wissen weitergeben konnte.

Was wir gelernt haben, ist die Entwicklung von Methoden, mittels derer Wissen weiter gegeben werden kann. Wir haben heute die Medien dazu, das Wissen zu sammeln und zu konservieren, somit auch weiterzugeben.

Die Frage ist nur: Was lernen wir daraus?

In erster Linie scheinbar nur wenig, weil wir das Wissen nicht mit Methode sammeln und vor allem nicht auswerten. Zumindest erscheint mir das so. Selbst das Internet mit Clouds und Terabyte-Speichern etc. sammelt ungeordnet und der allergrößte Teil besteht somit aus Wissen, mit dem wir nur schwer oder gar nicht etwas anfangen können.

Selbst wenn wir das könnten, wenn wir das Wissen von ein paar gescheiten und integren Menschen aufbereiten lassen, bedeutet das noch nicht, dass wir die Ergebnisse verwenden. Sie müssten zuerst durch die politische Mangel und würden durch Einzel- und Gruppeninteressen hindurchgewaschen. Was dann noch übrig bleibt, mag sich jede(r) selbst ausmalen. Und auch wenn dies funktioniert, müssten Entscheidungsprozesse stattfinden und danach die passende Umsetzung. Das erscheint mir noch unwahrscheinlicher als das Lernen durch Katastrophen – die prägen sich wenigstens lange ein und wirken nach.

Die Alternative ist somit das Lernen auf die harte Tour, sprich: durch Notwendigkeiten und Fakten. Das ist aber wiederum das Crash-Szenario. Und selbst hier handelt es sich leider möglicherweise nicht um Lernprozesse, sondern einfach um Zyklen von Wachstum und Niedergang. Das ist zwar ein sehr natürliches Szenario, aber kein besonders erfreuliches, weil es viel Leid inkludiert. Das ist auch ein Fazit von Robert Misik: Wer auf die Krise hofft, ist frivol (im Sinne von leichtfertig und das heißt wiederum, dass es sich jemand leicht macht mit seinen Schlussfolgerungen).

Die Psychologie dahinter ist interessant: Wer auf die Krise hofft, empfindet sich nicht als Teil derselben. Natürlich wissen auch die Krisenpropheten, dass sie mitten drin sind, aber sie fühlen sich in einer Schutzglocke, die sie gerne mit „Wahrheit“ bezeichnen. „Wir haben es gewusst und deswegen kann uns jetzt nichts passieren“ meinen sie. Warum glauben sie das? Haben sie wirklich vorgesorgt, besitzen sie die Rettungskapsel, die möglicherweise einzig und allein aus ihrem Glauben gebaut ist? Haben sie die Weichen so gestellt, dass sie als Sieger, als Überlebende, als Profiteure aus der Krise emporsteigen?

Ich fürchte, so einfach wird es nicht sein. Es gibt keine Inseln der Seligen und auch keine abgelegenen Bauernhöfe, auf denen man in selbst gestrickter Endzeitromantik und eben solchen Pullovern überdauert. Dazu sind wir zu klein, zu global geworden. Es gibt weder Rückzugsgebiete noch genügend hohe Mauern.

Wenn es eine echte Weltwirtschaftskrise gibt, dann trifft sie uns alle. Und selbst diejenigen, die es am wenigsten trifft, sind dann immer noch schlechter dran als jetzt. Das müssten wir in Kauf nehmen. Niemand von uns kann sagen, ob und wie er am Ende rausgespült wird. Und wir müssten auch in Kauf nehmen, dass es kein echtes Happy-End gibt, dass also (und auch das ist sein Fazit von Robert Misik) keine neue Gemeinsamkeit entsteht, auf der man einen neuen Staat aufbaut, der besser und glücklicher ist als der jetzige. Möglicherweise reagieren in der Krise die Menschen so wie immer, nämlich panisch um sich schlagend und alles rundherum in den Abgrund reißend. Krieg wäre vielleicht der totale Krieg, der beim ersten Versuch noch verhindert werden konnte. Nur gibt es diesmal keine Amerikaner, die uns befreien können. Und auch sonst niemand auf dieser Welt. Und auf die Außerirdischen warten ist auch nicht unbedingt erfolgsversprechend, denn die heißen möglicherweise alle Godot.

Was bleibt nun übrig? Das friedliche Evolutions-Szenario scheint unmöglich, das Crash-Modell hingegen unerwünscht.

Ich versuche, eine Entwicklung zu skizzieren, durchaus in dem Bewusstsein, dass sie unglaublich viele unbekannte Variablen enthält.

Die Erderwärmung kommt, aber sie lässt uns noch so viel Zeit, dass wir die wichtigsten Maßnahmen treffen können. Öl geht so langsam zu Ende, dass Alternativen entwickelt und ausgebaut werden können. Da Geld in erster Linie ein virtuelles Glaubensinstrument ist, kann es als solches ohne echten Realwirtschaftscrash reformiert und repariert werden. Etliche Maßnahmen greifen und wir kommen dem Zusammenbruch gefährlich nahe, schlittern aber daran vorbei. Eine Weltwirtschaftswährung entsteht, auch wenn das noch dauert.
Die Schwellen- und Entwicklungsländer profitieren so stark von den neuen Technologien, dass ihre Kaufkraft unsere marode Wirtschaft rettet. Zugleich geht dies mit wesentlich grüneren Methoden, als wir jetzt noch glauben. Auch die aufkeimende Demokratieentwicklung greift und zieht die übrig bleibenden Diktaturen mit sich. Die Korruption sinkt, der Wohlstand steigt und die Bevölkerungsexplosion kommt zu einem Stillstand. Wir können die 10 Milliarden Menschen gerade noch so lange ernähren, bis sich die Menschheit auf einem niedrigeren Niveau einpendelt.

Alles in allem wäre das erstens ein reizvolles, zweitens ein friedliches und drittens ein durchaus herausforderndes Szenario. Und eigentlich auch ein Lerneffekt. Sogar für die ganze Menschheit.

Kleine Wunder

In Namibia wird an die Menschen das so genannte BIG (Basis Income Grant) ausgezahlt – umgerechnet 8 Euro. Dieses Geld steht jedem Menschen ab seiner Geburt zu, jedoch leider nicht in ganz Namibia, sondern nur in einem Ort namens Otjivero. Mittels einer Karte und des Fingerabdrucks kann man sich das Geld jeden Monat auszahlen lassen. Nicht alle geben es für vernünftige Dinge aus.

Hochgerechnet würde es 5,7% des Namibischen Budgets kosten und mit sofortiger Wirkung 30% aller Menschen aus der Armut emporheben.

Interessant ist die Grundidee dahinter: Jeder Mensch hat von Geburt an ein Recht zu leben. Diejenigen, die vorher schon da waren, sind die einzigen, die ihm dieses Recht geben oder verweigern können. Sie bilden zusammen die Gemeinschaft und die ist es auch, die das BIG auszahlt. Da der Staat in Namibia jedoch in seiner Entwicklung noch nicht so weit ist, übernimmt eine evangelische Kirche plus europäischen Sponsoren das BIG.

Das Problem: Es handelt sich hier wiederum um Almosen, die von den Reichen an die Armen verteilt werden. Die haben kein Anrecht darauf. Der evang. Bischof kommentiert das so: Es sollte nie Geld für die Armen zuerst durch die Hände von Reichen gehen.
Das hat was.
Aber was ist die Alternative? Die Reichen sind ja eben deswegen reich, WEIL sie das Geld haben. Das führt uns zur „Im-Zentrum-Diskussion“ von neulich. Mit dem Mörtel und mit dem Chef von Berndorf. Alle dort versammelten Reichen stellten sich als totale Wohltäter dar, sozial bis in die Knochen, jeden Cent re-inverstierend, natürlich zum Wohl der gesamten Menschheit. Nur sie selbst wären geknechtet und würden ohnehin schon fast alles in Form von Steuern abgeben. Jetzt noch 0,3 % mehr Grundsteuer? Unmöglich! Sie wären sofort pleite, denn in Wahrheit wäre all das Geld, das sie haben, ja bei genauer Betrachtung nur Schulden und sie würden… ach egal, die Reichen wollen sich nichts wegnehmen lassen, das ist ja nicht neu.

Gestern hat Christian Felber im Club 2 die Idee eingebracht, Vermögen von über einer Million Euro mit 1 % zu besteuern. Wilde, etwas hilflos wirkende Aufregung – das könne man doch nicht machen, die hätten sich das alles hart erarbeitet und das würde letztlich zu einer vollkommen ungerechten Umverteilung (bei diesem Wort heulen manche Menschen noch viel viel mehr auf) führen. Selbstverständlich wäre das ab-so-lut indiskutabel, niemals, wir geben nichts her (der Niki Lauda sagt es uns eh täglich in der Werbung: Ich habe doch nichts zu verschenken!). Und außerdem. Und überhaupt. Da könne ja jeder kommen!

Und dann war ich gestern noch in einer Arbeitsgruppe, in der ein Banker (Bank Austria, Bereich Lobbying) meinte: Die meisten Unternehmer wären ohnehin komplett altruistisch und würden sich maximal ein paar Cent da und dort für eigene Bedürfnisse aus dem Topf nehmen, den Rest des Profits jedoch in Lohnerhöhungen ihrer Mitarbeiter investieren. Fazit: lauter Heilige, weder gierig noch sonst irgendwas. Und es gäbe auch keine reichen Griechen, die ihr Geld in die Schweiz gebracht hätten – vielleicht ein paar kleinere Beträge, aber sonst nicht, das wäre doch aufgefallen!

Je mehr ich darüber nachdenke, desto interessanter wird es: Eat the Rich! Das ist immer noch ein Ausweg, wenn man sonst nichts mehr zu Fressen hat, auch wenn die wahrscheinlich nicht sehr gut schmecken. Leider betrifft das auch mich, denn im Vergleich zum Mörtel bin ich arm wie eine Kirchenmaus (punkto Geldvermögen und Grund etc.), aber im Vergleich mit den meisten Menschen auf dieser Welt bin ich reich. Und ich will keine Mauern bauen, um das zu schützen, was ich angehäuft habe.

Da muss es eine bessere Lösung geben. Gegen das bedingungslose Grundeinkommen spricht bei uns vor allem, dass dieses Geld dann nicht mehr durch die Hände der Reichen fließen würde und sie eines starken Machtmittels beraubt würden. Verständlich, dass sie das nicht wollen.

Was heißt das jetzt? Wir werden auf das eine oder andere spannende Ereignis warten müssen, nach dem uns sowieso keine Alternative mehr bleibt. Scheinbar brauchen wir Menschen das, ohne starken Leidensdruck gibt es keine Veränderung.

Gebannt starren wir auf den Euro

In der heutigen Ausgabe von Medianet erklärt uns Erich Streissler (er wird dort als „Doyen der österr. Volkswirtschaft“ tituliert, was auch immer das heißen mag) gemeinsam mit Christian Helmenstein von der Industriellenvereinigung, dass der Euro uns mit 90 % Wahrscheinlichkeit bleibt.

Das ist aber beruhigend! Griechenland könnte vielleicht austreten oder werde austreten müssen – der genaue Wortlaut ist dem Artikel nicht zu entnehmen. Es wird nur geschrieben, dass immer mehr Volkswirte ein Scheitern des Euro „nicht mehr ausschließen“. Da wird von einem „Nord-Euro“ gefaselt und davon, dass dieser dann „eine sichere Sache“ wäre.

Spontan fallen mir da die „Gated Communities“ ein, die rund um die Welt gerade wie Schwammerln aus dem Boden wachsen. Das sind Hochsicherheits-Wohngebiete, in denen reiche Menschen im Luxus hausen. Blöd daran ist nur, dass sie sich erstens dort gegenseitig auf die Nerven gehen, zweitens zum Arbeiten rausfahren müssen (meist in ihren Hochsicherheits-SUVs) und drittens im Fall einer Krise dort ohnehin um nichts sicherer sind als woanders.

Und genauso geht es uns mit dem Euro bzw. dem Nord-Euro. Letztlich wird es niemanden geben, der in einer echten Weltwirtschaftskrise seine Schäfchen ins Trockene bringen kann. Hohe Mauern haben noch nie was genützt und Währungen kommen und gehen.

Sich mit diesem oder ähnlichen Gedanken anzufreunden fällt den meisten Menschen schwer, auch den Experten. Währungsstürze gab es immer und wird es in Zukunft auch geben. Sie führen meist zum Verlust der Ersparnisse, sofern diese in Geldwerten angelegt sind. Deswegen flüchten derzeit so viele Bankmanager in reale Werte wie Grundstücke, Wald, Immobilien – sie ahnen bereits, was sich abspielen wird.

Steht und bald der Tag bevor, an dem unerwartet der Herr Bundespräsident am Sonntag Abend eine förmliche Ansprache an die lieben Österreicherinnen und Österreicher hält, in der er ihnen erklärt, dass die Regierungen im Euro-Raum es zwar sehr bedauern, aber leider aufgrund von blablabla keine andere Möglichkeit sehen, als einen „Euro Neu“ zu erschaffen? Man könne diesen Euro neu ab kommenden Montag bei jeder Bank um zwei Euro alt kaufen. Der Euro alt sei übrigens ab jetzt nichts mehr wert, leider. Aber der Euro neu hätte einen tollen Wert, nämlich so viel wie der Euro alt. Wie EIN Euro alt, wohlgemerkt.

Ich darf die geschätzten Leserinnen und Leser beruhigen, es gibt noch andere Szenarien. Wenn uns eine Krise trifft, und ich rede nicht von so einem Mailüfterl wie 2008/2009, dann wird sie wahrscheinlich hart sein. So hart, dass ich nicht sicher bin, ob ich sie nicht lieber früher als später hätte, weil sie auf jeden Fall umso härter wird, je später sie uns trifft. Warum? Weil wir derzeit mit leichtem Wahnsinn die Blasen aufpumpen und die Entwicklungen fast überall exponentiell sind.
Dann werden die Konsequenzen auch entsprechend hart sein.

Kurz noch zurück zu einer möglichen Krise. Was könnte sie auslösen? Ein paar Hypothesen:
1.) Peak Oil wirkt sich aus. Die OPEC-Staaten schweigen beharrlich über ihre tatsächlichen Vorräte, in Texas pumpt J.R. schon lange kein Öl mehr und der größte Ölfund der letzten 10 Jahre ist ein Ölfeld im Golf von Mexico, das bei Vollausbeutung den Weltbedarf sechs Tage lang decken würde. Für das Schürfen von zwei Litern Öl aus Ölsand muss man einen Liter Öl verbrennen. Und doch wird überall mantrahaft nachgebetet: Wir haben viel Öl, wir haben noch lange sehr viel Öl, es gibt Öl ohne Ende. Das ist sehr bequem. Ob es stimmt, ist eine andere Frage.

2.) Eine Blase platzt. Anbieten würde sich etwa die chinesische Immo-Blase. Derzeit stehen in China ca. 60 Millionen Spekulationswohnungen leer, ähnlich wie die in den Geisterstädten an der spanischen Küste oder in Dubai. Hauptinvestoren sind die chinesischen Banken, die im Falle eines Problems ihre Unmengen US-Staatsanleihen verkaufen müssten. Zu einem miesen Preis, wie das halt so ist, wenn es plötzlich ein riesiges Angebot und wenig Nachfrage gibt. Dann krachen die US-Staatsanleihen und nicht nur die. Es könnte aber auch die US-Immoblase platzen oder die fondsgebundenen Lebensversicherungen, die in den gleichen Schrott investiert haben wie alle anderen. Oder die Kreditkartenblase: sehr viele Menschen leben derzeit auf Pump, vor allem was ihren Privatkonsum betrifft.

3.) Eine Umweltkatastrophe. So etwas wie ein überdimensionales Fukushima. In stabilen Zeiten locker handhabbar. In einer angeheizten, labilen Situation möglicherweise der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

4.) Ein Finanzcrash, der tatsächlich von einer Staatspleite ausgeht und nicht mehr in den Griff zu bekommen ist, weil es zu schnell geht. Die meisten Finanztransaktionen sind heute computergesteuert und automatisiert. Da passieren Milliardenverkäufe in Millisekunden – wir hatten das schon vor einiger Zeit, und man hat damals nichts dagegen unternommen, dass dies nicht wieder passiert. Erst vor ein paar Tagen hat ein Händler der UBS 1,6 Milliarden Euro mit einem Knopfdruck in den Sand gesetzt. Vier-Augen-Prinzip? Viel zu teuer!

Wie funktioniert eigentlich Entschuldung? Kennt jemand eine andere Methode als den Crash, wo die Zähler wieder auf Null gestellt werden? Gab es jemals schon einen langsamen Abbau von so etwas? Ich wüsste kein Beispiel.

Was wäre ein Alternativszenario? Wenn der politische Wille da ist, wäre gegen ein duales System nichts einzuwenden, auch wenn die Experten derzeit noch jammern, dass das nicht geht. Nach der Krise geht es dann doch. Das wäre eine Weltwährung für den internationalen Handel, die z. B. „Energo“ heißt. Da unsere derzeitige Weltwährung ohnehin schon die Energie in Form des Erdöls ist, wäre der Sprung gar nicht so groß. Und er würde bei einer Ölkrise ein schnelles Umsteigen auf alternative Energieformen bringen, denn: Windenergie ist dann Geld in Form des Energo, Wasserenergie auch, Sonne natürlich etc. Weil der Energo aber nicht das kleine, lokale Alltagsleben abfangen kann, gibt es zumindest für eine Übergangszeit regionale Komplementärwährungen (komplementär weil sie die zentral ausgegebene Fiat-Währung, die ja auch der Energo wäre, ergänzen). Es gibt sie übrigens schon und viele stehen in den Startlöchern. Sie basieren oft auf Zeittauschsystemen und wären so eine gute Basis für die Verabschiedung des Wertmonopols der Erwerbsarbeit. Ab da hat auch etwas anderes Wert. Verlierer sind dann übrigens die Herrschaftssysteme, weil sie das Druckmittel Geld für Erwerbsarbeit nicht mehr besitzen. Weniger Herren bedeutet auch weniger Knechte.
Der Energo wäre anfangs eher Buchgeld, um die Verhältnisse zwischen Staaten zu regeln, die Menschen brauchen aber konkretes Geld, mit dem sie ihr Leben organisieren. Da in einer Ölkrise der Welthandel (Transport) ein Riesenproblem hat, muss sich die dann stattfindende Regionalisierung auch in der Form des dazu passenden Geldes ausdrücken.

Es ist ein unangenehmes Gefühl, eine Krise zu ahnen und nichts dagegen tun zu können. Und dass aus Krisen auch immer etwas Neues entsteht, ist auch nur bedingt beruhigend. Es ist letztlich genauso nichts mehr oder weniger als die Hoffnung, dass der Euro eh keine Probleme bekommen wird. Womit wir bei der Frage sind, was wir tun können. Etwas fällt mir ein: Wir können das fassungslose Staunen schon mal üben, das wir anhand der schieren Größe der nächsten Krise ganz sicher haben werden. Immerhin, besser als nichts tun.