Wer das Herz am rechten Fleck hat, wünscht sich keinen Crash

…Das ist das Fazit von Robert Misik, der mir in seinem Podcast ein bisschen den Kopf zurecht gerückt hat. Ich mag nicht alle seine Analysen, aber diesmal hat er quasi ins Schwarze getroffen (nämlich mich, da passt dieses Wortspiel). Wer es sich selbst ansehen will:

http://derstandard.at/1324170167037/Videocast-von-Robert-Misik—Folge-212-Wir-wollen-den-totalen-Finanz-Kollaps

Kurz und knackig herbei geleitet: In einer Zeit, in der Blicke nach vorne weniger lustig sind als Blicke nach hinten und viele Grundsäulen einer Kultur zusammenbrechen oder zumindest wackelig erscheinen, ist es einfach sehr schwer, optimistisch und voller Freude in die Zukunft zu blicken. Zusätzlich sehe ich Entwicklungen, die auf etwas zuzusteuern scheinen und die mir missfallen.
Und dann lese ich noch an jeder Ecke von kommenden oder in Wahrheit schon da seienden Krisen und ähnlichen Gebilden. Und ich sehe hamsterartige Weihnachtseinkäufe und Menschen, die ihr Geld ausgeben, statt es zu sparen. Das tut man übrigens immer dann, wenn man nicht an eine gute Zukunft glaubt und das Vorhandene noch schnell in sich hinein stopfen will. Da das innere Aufnahmevermögen begrenzt ist, dient das erweiterte Konsum-Ich als Reserve-Auffangbehälter.

Der Blick auf die in allen Medien ständig gezeigten Umweltkatastrophen macht es auch nicht einfacher und so taucht irgendwann das Bild auf: Hoffentlich ist das alles bald vorbei. Und natürlich – hier bleiben auch die schlimmsten Pessimisten Optimisten: Danach soll es besser weitergehen. In Form eines Neuanfangs, einer besseren, gerechteren, schöneren, saubereren Welt.

Was sagt die Geschichte? Gab es das jemals? Und vor allem: Gab es das jemals für alle, sprich: für den Großteil einer Bevölkerung, einer Kultur?

Diese Frage ist schon weitaus schwieriger, denn die Geschichtsschreibung ist hier stets verzerrend. Und vor allem wissen wir meist nicht, wie und wie viel verzerrt wurde. Letztlich bleibt aber folgende Frage offen: Lernen Gesellschaften aus Kataklysmen (Katastrophen) und Krisen? Ist das, was danach kommt, in der Entwicklung eine Stufe höher, reifer, besser (im Sinne eines Hegelianischen Idealismus)? Oder beginnt es wieder von vorne, mit den gleichen Dummheiten, den selben Entwicklungen, hin zum nächsten Knaller? Hat die Postmoderne die Wahrheit?
Was wurde aus dem Zusammenbruch des römischen Reichs gelernt? Was aus den Kreuzzügen? Aus der großen Pest? Aus dem dreißigjährigen Krieg? Aus der französischen Revolution? Aus dem ersten und dem zweiten Weltkrieg? Aus dem Finanzkollaps von 2008? Was habe ich selbst aus meinem durchaus schweren Motorroller-Unfall 2009 gelernt?

Was die Mayas, die Azteken, die Inkas, die Babylonier, die Armenier, die Buschmänner und unzählige andere Völker gelernt haben, wissen wir: Nichts, weil es sie nicht mehr gibt. Sie haben nicht einmal gelernt, wie man sich selbst vernichtet, weil es niemand mehr gab, der das lernen und als Wissen weitergeben konnte.

Was wir gelernt haben, ist die Entwicklung von Methoden, mittels derer Wissen weiter gegeben werden kann. Wir haben heute die Medien dazu, das Wissen zu sammeln und zu konservieren, somit auch weiterzugeben.

Die Frage ist nur: Was lernen wir daraus?

In erster Linie scheinbar nur wenig, weil wir das Wissen nicht mit Methode sammeln und vor allem nicht auswerten. Zumindest erscheint mir das so. Selbst das Internet mit Clouds und Terabyte-Speichern etc. sammelt ungeordnet und der allergrößte Teil besteht somit aus Wissen, mit dem wir nur schwer oder gar nicht etwas anfangen können.

Selbst wenn wir das könnten, wenn wir das Wissen von ein paar gescheiten und integren Menschen aufbereiten lassen, bedeutet das noch nicht, dass wir die Ergebnisse verwenden. Sie müssten zuerst durch die politische Mangel und würden durch Einzel- und Gruppeninteressen hindurchgewaschen. Was dann noch übrig bleibt, mag sich jede(r) selbst ausmalen. Und auch wenn dies funktioniert, müssten Entscheidungsprozesse stattfinden und danach die passende Umsetzung. Das erscheint mir noch unwahrscheinlicher als das Lernen durch Katastrophen – die prägen sich wenigstens lange ein und wirken nach.

Die Alternative ist somit das Lernen auf die harte Tour, sprich: durch Notwendigkeiten und Fakten. Das ist aber wiederum das Crash-Szenario. Und selbst hier handelt es sich leider möglicherweise nicht um Lernprozesse, sondern einfach um Zyklen von Wachstum und Niedergang. Das ist zwar ein sehr natürliches Szenario, aber kein besonders erfreuliches, weil es viel Leid inkludiert. Das ist auch ein Fazit von Robert Misik: Wer auf die Krise hofft, ist frivol (im Sinne von leichtfertig und das heißt wiederum, dass es sich jemand leicht macht mit seinen Schlussfolgerungen).

Die Psychologie dahinter ist interessant: Wer auf die Krise hofft, empfindet sich nicht als Teil derselben. Natürlich wissen auch die Krisenpropheten, dass sie mitten drin sind, aber sie fühlen sich in einer Schutzglocke, die sie gerne mit „Wahrheit“ bezeichnen. „Wir haben es gewusst und deswegen kann uns jetzt nichts passieren“ meinen sie. Warum glauben sie das? Haben sie wirklich vorgesorgt, besitzen sie die Rettungskapsel, die möglicherweise einzig und allein aus ihrem Glauben gebaut ist? Haben sie die Weichen so gestellt, dass sie als Sieger, als Überlebende, als Profiteure aus der Krise emporsteigen?

Ich fürchte, so einfach wird es nicht sein. Es gibt keine Inseln der Seligen und auch keine abgelegenen Bauernhöfe, auf denen man in selbst gestrickter Endzeitromantik und eben solchen Pullovern überdauert. Dazu sind wir zu klein, zu global geworden. Es gibt weder Rückzugsgebiete noch genügend hohe Mauern.

Wenn es eine echte Weltwirtschaftskrise gibt, dann trifft sie uns alle. Und selbst diejenigen, die es am wenigsten trifft, sind dann immer noch schlechter dran als jetzt. Das müssten wir in Kauf nehmen. Niemand von uns kann sagen, ob und wie er am Ende rausgespült wird. Und wir müssten auch in Kauf nehmen, dass es kein echtes Happy-End gibt, dass also (und auch das ist sein Fazit von Robert Misik) keine neue Gemeinsamkeit entsteht, auf der man einen neuen Staat aufbaut, der besser und glücklicher ist als der jetzige. Möglicherweise reagieren in der Krise die Menschen so wie immer, nämlich panisch um sich schlagend und alles rundherum in den Abgrund reißend. Krieg wäre vielleicht der totale Krieg, der beim ersten Versuch noch verhindert werden konnte. Nur gibt es diesmal keine Amerikaner, die uns befreien können. Und auch sonst niemand auf dieser Welt. Und auf die Außerirdischen warten ist auch nicht unbedingt erfolgsversprechend, denn die heißen möglicherweise alle Godot.

Was bleibt nun übrig? Das friedliche Evolutions-Szenario scheint unmöglich, das Crash-Modell hingegen unerwünscht.

Ich versuche, eine Entwicklung zu skizzieren, durchaus in dem Bewusstsein, dass sie unglaublich viele unbekannte Variablen enthält.

Die Erderwärmung kommt, aber sie lässt uns noch so viel Zeit, dass wir die wichtigsten Maßnahmen treffen können. Öl geht so langsam zu Ende, dass Alternativen entwickelt und ausgebaut werden können. Da Geld in erster Linie ein virtuelles Glaubensinstrument ist, kann es als solches ohne echten Realwirtschaftscrash reformiert und repariert werden. Etliche Maßnahmen greifen und wir kommen dem Zusammenbruch gefährlich nahe, schlittern aber daran vorbei. Eine Weltwirtschaftswährung entsteht, auch wenn das noch dauert.
Die Schwellen- und Entwicklungsländer profitieren so stark von den neuen Technologien, dass ihre Kaufkraft unsere marode Wirtschaft rettet. Zugleich geht dies mit wesentlich grüneren Methoden, als wir jetzt noch glauben. Auch die aufkeimende Demokratieentwicklung greift und zieht die übrig bleibenden Diktaturen mit sich. Die Korruption sinkt, der Wohlstand steigt und die Bevölkerungsexplosion kommt zu einem Stillstand. Wir können die 10 Milliarden Menschen gerade noch so lange ernähren, bis sich die Menschheit auf einem niedrigeren Niveau einpendelt.

Alles in allem wäre das erstens ein reizvolles, zweitens ein friedliches und drittens ein durchaus herausforderndes Szenario. Und eigentlich auch ein Lerneffekt. Sogar für die ganze Menschheit.

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