Neues von der geplanten Obsoleszenz

Geplante Obsoleszenz bedeutet nicht immer, dass der Hersteller eine bewusste Sollbruchstelle einbaut, die nach einer gewissen, geplanten Zeit das Gerät so funktionsunfähig macht, dass der Besitzer ein neues kaufen muss.
Es geht auch subtiler.
Mein erstes Beispiel heute ist der Langhaarschneider, den ich seit vielen Jahren besitze und der mir immer treue Dienste geleistet hat. Seit ein paar Jahren kann ich ihn nicht mehr nur per Akku betreiben, weil eben dieser Akku schon zu schwach geworden ist.
Das macht aber nichts, ich stecke ihn halt über das Ladegerät an und schon habe ich volle Leistung.

Bis neulich. Da ging auf einmal nichts mehr, oder besser: nur mehr dann und wann. Ich fand heraus, dass das Kabel irgendwo in der Nähe des Steckers einen Wackelkontakt haben muss, denn wenn ich daran wackle, funktioniert es manchmal und manchmal nicht.
Ich habe das Ladegerät samt Kabel immer sorgsam behandelt und es ist auch sehr robust gebaut. Trotzdem funktionierte es nur mehr, wenn ich das Kabel in einem gewissen Winkel abknickte und dann fest hielt. Auf die Dauer keine Lösung.
Also zerlegte ich das Gerät, was sich als keine leichte Aufgabe erwies, denn das Zerlegen ist nicht vorgesehen. Man kann es trotzdem tun, aber dann brechen kleine Plastiklaschen ab, die dafür verantwortlich sind, dass die beiden Gehäusehälften nicht auseinander fallen.
Die Hersteller sparen so Geld, weil sie keine Metallschrauben verwenden und bezahlen müssen.

Am ersten Bild sieht man das zerlegte Gerät, das aus nur wenigen Teilen besteht: Das zweiteilige Gehäuse, eine Plastikhalterung für den Akku, den kleinen Elektromotor plus zwei Lötplatinen und noch 2-3 kleinere Teile wie die Schneidescheren.

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Bild 1: Zerlegter Langhaarschneider

Der Motor ist in China gefertigt, der Akku hört auf den witzigen Namen „Emmerich“ und ist ein Nickel-Metallhyridakku mit 700 Milliamperestunden Leistung, gefertigt in P.R.C., was wahrscheinlich „Peoples Republic of China“ heißt.
Das Gerät ist übrigens ein Philips-Haarschneider.

All das ist noch kein Problem und hier erkenne ich natürlich die Intention des Herstellers, durch die erschwerte Reparierbarkeit eine Reparatur zu verhindern, auf dass der Kunde ein neues Gerät kaufe, was wahrscheinlich die meisten Kunden auch tun.
Für mich wurde es erst haarig, als ich die kühne Idee entwickelte, das Ladegerät zu reparieren. Es war schnell klar, dass ein anderes Ladegerät nicht passen würde – so viel habe ich im laufe meines Konsumentenlebens schon gelernt. Aber den Stecker tauschen – das müsste doch möglich sein. Der ist nämlich nicht sehr kompliziert aufgebaut und die zwei Kabeln sind schnell neu zusammengelötet oder mittels einer Blockklemme verbunden. Das muss ja nicht schön ausschauen, nur funktionieren.

Also kramte ich meine Kiste mit den alten Ladegeräten hervor. Bei der Suche nach dem geeigneten Stecker musste ich entdecken, dass jedes, aber auch wirklich jedes Ladegerät einen anderen Stecker hat, untereinander überhaupt nicht kompatibel.
Es ist als hätten sie sich abgesprochen und eine möglichst große Vielzahl an Steckern entwickelt, damit die Geräte nur ja nicht untereinander austauschbar sind.

Am zweiten Bild sieht man die vielen verschiedenen Stecker, oder besser gesagt eine kleine Auswahl davon:

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Bild 1: Verschiedene Stecker

Also wegwerfen und einen neuen kaufen. Schade, denn das Gerät war völlig in Ordnung. Die Suche nach einem passenden Ladegerät hätte aber so lange gedauert, dass mir die Zeit dafür leider zu kostbar war.

Das zweite Beispiel ist mein Kühlschrank, den ich mir damals bei Bezug der Wohnung gekauft hatte. Ein Liebherr mit 3 Gefrierladen und einem für mich völlig ausreichenden, eigentlich sogar perfekt passenden Kühlteil, also eine sogenannte „Kühl- und Gefrierkombi“.
Dieser Kühlschrank steht bei mir jetzt seit 27 Jahren, was auf einer wirklich gute Qualität schließen lässt. Einmal, nach ca. 10 Jahren, war der Thermostat des Kühlteils kaputt und wurde an Ort und Stelle ausgetauscht. Seitdem weiß ich, dass so etwas kaputt gehen kann und die Reparatur aber keine Hexerei ein kann, da dies damals sehr flott ging.

Neulich war es dann soweit: Kühlschrank aufmachen – drinnen ist die gleiche Temperatur wie draußen. Da der Gefrierteil noch funktionierte, fiel mein Verdacht auf den Thermostat. Mittels 4 Schrauben lässt sich die gesamte Einheit abschrauben und wenn man die vier Flachstecker abzieht und zwei davon verbindet, kann man den Thermostat kurzschließen, was ich auch kurzerhand tat. Siehe da – der Kühlschrank läuft.
Also muss ein neuer Thermostat her. Auf der Website der Firma Liebherr gibt es eine Servicenummer, die aber ins Leere führt und nicht mehr existiert.
Bei der weiteren Suche stolperte ich über eine Liebherr-Niederlassung in Osttirol. Ein Anruf brachte mich zu einem Gespräch mit einer netten Dame, die wahrscheinlich in einem Call-Center sitzt, möglicherweise aber auch direkt im dort ansässigen Werk. Sie konnte mir zuerst keine Auskunft über die Lieferbarkeit des Thermostats geben, fand dann aber nach einer Nachfrage bei einem fachkundigen Kollegen heraus, dass es den Thermostat für den Gefrierteil noch gibt, den für den Kühlteil aber nicht mehr, wie sie zu ihrem und meinem Bedauern feststellte.

Noch wollte ich nicht aufgeben. Auf dem alten Thermostat steht der Name des Herstellers: Ranco.
Also rufe ich in Deutschland bei Ranco an, nachdem ich auf deren Website bereits eine sehr lange Liste mit Thermostaten gefunden hatte, die alle so aussehen wie mein alter.
Am nächsten Bild sieht man das gute Stück. Das weiße Kabel ist in Wahrheit ein biegsames Alu-Röhrchen, in dem eine Flüssigkeit steckt. Am Ende des Röhrchens bewirkt die Außentemperatur, dass die Flüssigkeit drinnen sich ausdehnt oder zusammenzieht, je nachdem, wie warm es ist.
Diese Flüssigkeit drückt dann auf eine Membrane und diese wiederum wird von einem Sensor abgenommen, der den Druck in elektrische Spannung übersetzt, die wiederum den Motor steuert. In dem Kästchen sitzt auch der Drehregler, mit dem man die Temperaturstufen regelt.
Hier ein Bild davon:

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Bild 1: Thermostat

Der Herr am anderen Ende der Leitung ist nicht nur geduldig, sondern sehr freundlich, hilfsbereit und vor allem bereit, sich wirklich mit meinem Problem auseinander zu setzen. Es stellt sich nämlich heraus, dass es eine Unzahl an sehr ähnlichen Thermostaten gibt, dass ich aber genau den richtigen brauche. Der ist gar nicht leicht zu finden, denn die Modellbezeichnungen haben sich seit der letzten Reparatur mehrfach geändert.
Gemeinsam rätseln wir, welcher nun passen könnte. Auf dem alten ist ein Aufkleber mit einer Liebherr-Produktnummer, die jedoch nicht zur eingestanzten Produktnummer des Thermostats passt.
Nach einiger Zeit wird klar, dass genau dieser Thermostat bei Ranco nicht mehr lieferbar ist.

Das ist aber noch nicht das Ende der Geschichte, denn während unseres Telefonats hat der nette Herr im Internet die Nummer gegoogelt und ist auf eine eBay-Seite gekommen, wo genau dieser Thermostat angeboten wird. Er sieht auch genauso aus und hat die richtige Länge des Fühlers.
Er empfiehlt mir das Ding auf eBay zu kaufen und ich verabschiede mich mit passenden Dankesworten.

Dann bestelle ich das Ding auf eBay, es kostet 11 Euro plus 16 Euro Versand macht insgesamt 27 Euro. Was bleibt ist aber die Unsicherheit, ob das Ding dann auch funktioniert. Das werde ich aber erst wissen, wenn es eingebaut ist.

Nach exakt einer Woche und einer kleinen Unstimmigkeit wegen des Trackings (die Deutsche Post schreibt, dass sie auf das Ding wartet, die Firma schreibt, dass sie es bei der Post abgegeben hat) ist der neue Thermostat dann da.
Der Einbau gelingt und der Kühlschrank springt wieder an. Mit ein bisschen Glück habe ich den Kühlschrank noch ein paar Jahre. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass er länger hält als ein neuer halten würde, der dann noch dazu nicht mehr reparabel wäre, denn bei den meisten neuen Geräten wird der Thermostat in das Gehäuse eingeschäumt und ist nicht mehr austauschbar.

Sonst könnte ja jeder kommen und sich um 27 Euro den Kühlschrank reparieren. Und das ist etwa das letzte, was die Hersteller wollen.

So arbeitet die Industrie kontinuierlich und sehr erfolgreich daran, uns zu Idioten zu erziehen, zu vereinzelten Menschen, die nichts mehr selber tun können und sollen und irgendwann auch nicht mehr wollen. Dann werden sie ihr Ziel erreicht haben und ich habe das Gefühl, dass das schon sehr bald sein könnte.
Ich werde jedenfalls so lange ich kann Widerstand dagegen leisten.

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