Die Nacht war ausgesprochen windig – man hatte es uns schon gesagt, aber jeden Abend frischt es hier ordentlich auf, wenngleich die Nächte nicht so kühl sind wie am Mount Kenya. Einerseits befindet man sich hier schon in der Halbwüste, andererseits doch in einer gewissen Höhe (1.700 m) und der Wind bläst meist von Osten und über die Vulkankegel des Mount Marsabit. Dort befindet sich ein Nebelwald und der schafft ein Kleinklima, von dem die ganze Gegend lebt.
Tau gab es hier keinen und die Nacht war sehr angenehm.
Heute war Nationalpark angesagt. In der Diskussion kamen Thomy und ich zu der Erkenntnis, dass wohl ein Tag genügen würde. Aber wenn es schön ist, bleiben wir halt zwei.
Der Weg zum Nationalparkeingang war nicht schwer zu finden und so marschiere ich frohen Mutes in das Büro, um Tickets zu kaufen. Glücklicherweise hat das Kenya Wildlife Service seine vor ein paar Jahren ersonnene Blödheit (Eintritt in die Parks nur mit einer speziellen Karte, die man nur in Nairobi bekommt) wieder aufgegeben und außerdem sind wir hier so weit weg von der Hauptstadt, dass sowieso alles anders läuft.
Zu meinem Erstaunen geht das hier extrem einfach und entspannt: Zwei Tickets zahlen (sehr günstig mit je 25 Dollar – okay, der Park ist klein, aber immerhin) plus die Fee für den Toyota plus eine Karte vom Park und schon kann es los gehen.

Bild 26: Nationalparkeingang in Marsabit
Nein, doch nicht. Der Game Ranger kramt in einer Lade und zieht ein schwarzes Plastiksackerl heraus. Darin wären, so meint er, ein paar frisch aufgeladene Handys und ob wir die nicht seinen Kollegen im Park mitnehmen könnten. Die würden beim Lake Paradise auf uns warten. Und nein, wir müssten nicht genau wissen wo, denn sie würden uns finden.
Gut, warum nicht? Wir schnappen das Sackerl und fahren los.
Der Weg ist in gutem Zustand und wir kommen sofort in dichten Bergwald. Würzige Luft, tolle Bäume, aber hier würden wir wohl keine Tiere zu Gesicht bekommen. Außerdem war es inzwischen 10.30 Uhr und die Mittagshitze beginnt sich schon bemerkbar zu machen.
Nach kurzer Fahrt erreichen wir einen Krater mit See und sehen gegenüber eine Lodge.

Bild 27: See im Krater mit Lodge
Nun muss man wissen, dass der Park klein ist und es daher nur eine einzige Lodge gibt.
Wir besuchen sie und sehen uns an, wie das dort so abläuft. Gäste dürften keine da sein, aber man erwarte welche, morgen oder in ein paar Tagen.

Bild 28: See
Das ist das Problem von Marsabit, aber auch von den anderen Parks: Es gibt zu wenige Touristen. Die Parks kosten viel Geld und stehen unter gewaltigem Druck, denn sie müssen sich gegen die wachsende Bevölkerung rundherum wehren. Das betrifft alle Reservate in Kenia und in ganz Ostafrika generell.
Je mehr Menschen, desto mehr Ressourcen werden gebraucht: Essen und Feuerholz, d.h. Land um Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Das beste Land gibt es in den Nationalparks und die Menschen rundherum verstehen nicht, warum sie diese nicht abholzen dürfen. Sie könnten das Holz gut gebrauchen und wer heute hungrig ist, der denkt nicht an morgen. Das Problem verschärft sich noch, wenn zu wenige Touristen kommen. Die Bevölkerung rund um einen Park profitiert nämlich von diesem, etwa durch Beteiligung an den Einnahmen oder dadurch, dass einige Leute aus den Dörfern rundherum im Park Arbeit finden.
Wenn zu wenig Touristen da sind, funktioniert das nicht. Und die Bevölkerung sieht noch viel weniger ein, warum man einen leeren Park nicht in Ackerland verwandeln und den Wald verbrennen kann.
Gerade Marsabit steht unter Druck, denn in den letzten Jahrzehnten ist der Ort neben dem Park massiv gewachsen und die Felder wandern immer näher und näher zum Wald.
Das konnten wir auch beobachten, denn unsere Fahrt führte uns auf der Hauptroute eine Runde um den Park. Im Süden und Südosten werden die Berghänge flacher und trockener, es gibt eigentlich keine echte Parkgrenze und so treiben die Hirten ihre Herden in den Wald. Der südliche Teil des Parks ist eigentlich schon Kulturland und die im Park lebenden Tiere können dort nicht mehr hinaus. Sie sind inzwischen mehr oder weniger eingesperrt, was natürlich für den Park nicht gut ist.
Wie soll man das Problem lösen? Irgendwann ist der Park so klein, dass sich die Artenvielfalt und der Tierbestand generell nicht mehr aufrecht erhalten lässt. Dann ist es nur mehr ein kleiner Schritt zur Aufgabe und kompletten Abholzung des Waldes. An seiner Erhaltung sind die dort lebenden Menschen bis auf wenige Ausnahmen nicht interessiert.

Bild 29: Mittagsrast am Lake Paradise
Am Lake Paradise machen wir Mittagspause und so eine Art Mini-Picknick. Wir wissen nicht genau, ob Aussteigen hier erlaubt ist, aber die Game Ranger dürften schon am Weg in ihre Unterkünfte sein, gemeinsam mit ihren frisch geladenen Handys, die wir ihnen am Aussichtspunkt hoch über dem See gegeben haben.

Bild 30: Lake Paradise, Blick von der Klippe hinunter
Tiere lassen sich keine blicken und Thomy ist ein wenig enttäuscht. Außer viel Gegend gibt es nicht viel zu sehen und wir fahren weiter.
Der südliche Weg ist nur für Geländeautos befahrbar, zweimal müssen wir mit der Untersetzung über Felsen klettern, der Rest der Straße ist aber gut und bequem befahrbar.
Rund um den Park ist alles Farmland.

Bild 31: Farmland
An einer Kreuzung bleiben wir stehen um nach dem Weg zu fragen. Ein Mann fragt uns, ob er mitfahren darf. Thomy ist nicht begeistert, aber wir nehmen ihn mit, da wir sowieso schon am Rückweg sind.
Im Ort lassen wir ihn aussteigen und entdecken, dass wir an keinem Gate vorbei gekommen sind. Theoretisch könnte man den Park auch besichtigen ohne durch ein Gate zu fahren – allerdings dürfen sie einen dann im Park nicht ohne Tickets erwischen und außerdem muss man den Trick erst einmal wissen.
Uns ist es aber nicht leid um die 25 Dollar, denn wir haben damit zur Erhaltung des Parks beigetragen.
Wir kaufen noch ein paar Paradeiser und haben im Ort endlich wieder Internet-Empfang. Ein zweiter Krater im Norden von Marsabit am Weg nach Moyale erweist sich als öd und wir fahren zu Henrys Camp zurück.

Bild 32: noch ein Krater
Eines ist klar: mehr als einen Tag braucht man hier nicht wirklich bleiben und wir werden morgen wieder fahren.
Wie wird das sein, wenn der Afrika-Highway fertig ist? Dann kann man Marsabit von Isiolo aus in 2,5 Stunden erreichen. Werden dann mehr Touristen kommen?
Wir verbringen den zweiten Abend geruhsam und ohne die Kanadier, die heute schon Richtung Süden aufgebrochen sind. Henry haben wir nicht zu Gesicht bekommen.
Marsabit war aus meiner Sicht einen Besuch wert – nur Tiere darf man sich hier nicht viele erwarten. Aber die werden wir woanders noch zu sehen bekommen.
Am Rückweg kommen wir noch an einer Kreuzung vorbei, die für Kenia-Reisende mit Hang zum Abenteuer eine Tafel mit besonderem Inhalt bereit hält: North Horr! Das ist von hier „nur 190 Kilometer, allerdings absolute Rough Road. Da braucht man schon einen Tag, wenn man Glück hat. Wer weiß, ob ich dort irgendwann hin komme?

Bild 33: Schild nach North Horr