Währing Rundumadum

Letztes Jahr waren es die 14 Wiener Stadtwanderwege und der Rundumadum (Weg rund um Wien, siehe Blogbeitrag), jetzt brauche ich neue Bewegungsmöglichkeiten.

Martin, ein lieber Kollege, hat mir schon vor längerer Zeit erzählt, dass er einmal rund um Währing gegangen ist. Damit hat er sozusagen die Ränder unseres Bezirkslogos nachgezeichnet.

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Bild: Das Währinger Bezirkslogo. Es steht für die Vielfalt in unserem Bezirk.

Und er hat auch erzählt, dass das gar nicht so einfach war. Also die allermeisten Abschnitte schon, aber dann gibt es ein paar Stellen, die nicht so ganz unproblematisch sind.

Das muss ich ausprobieren. Und heute ist ein ruhiger Sonntag, das passt. Wetter gut, bewölkt, so um die 20 Grad, gegen Mittag haben sie ein bisschen Regen angesagt, das sollte nicht weiter stören.

Ich starte um 10:43 unten am Gürtel, Ecke Anastasius-Grün-Gasse, einfach weil ich dorthin nur ein paar Minuten gehe, in die Runde kann man ja überall einsteigen. Und ich gehe gegen den Uhrzeigersinn, ohne besonderen Grund.
Ein Rucksack mit Regenjacke, Wasser, einem Apfel und einer Packung Mannerschnitten müssen reichen. T-Shirt und kurze Hose, Laufschuhe, Sonnenbrille quasi in Reserve.
Die Route ergibt sich aus der Bezirksgrenze, die auf wien.gv.at zu finden ist. Ich habe sie vom Bildschirm in Teilen abfotografiert und arbeite mich sozusagen von Foto zu Foto durch. Hier eines davon:

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Bild: Die violette Linie ist die Bezirksgrenze, hier führt sie rund um den Michaelerberg an der Höhenstraße entlang.

Das kombiniere ich mit Bergfex, diese App schätze ich schon seit langem, sie führt mich fast auf den Meter genau und es gibt nur selten Wege, die es dann gar nicht gibt. Sie greift auf die Alpenvereinskarten zu, die stimmen einigermaßen. Auch wenn man kein Fan des Smartphone-Irrsinns unserer Gesellschaft ist, für Wanderungen ist das schon ausgesprochen praktisch.
Gleich zu Beginn die erste Herausforderung: Ecke Gürtel/Döblinger Hauptstraße führt die Bezirksgrenze mitten durch ein Haus.
Mitten durch oder drüber geht nicht, also rundherum. Gleich hinter dem Jüdischen Friedhof muss ich ebenfalls ausweichen, auch hier hält sich der notwendige Umweg aber in Grenzen.
Und weil das nicht genug ist, kommt ein paar hundert Meter weiter schon die nächste Sackgasse: Laut Plan muss ich links am Dolmetsch-Institut vorbei (der alten Hochschule für Welthandel, wie die Wirtschaftsuniversität früher hieß).
Das geht aber nicht, da gibt es kein Durchkommen, also rechts vorbei.

Danach wird es einfach, die Strecke deckt sich zum Großteil mit einer meiner Laufrouten und führt über die Hasenauerstraße hinauf durchs Cottage zum Türkenschanzpark, an der Boku vorbei quasi immer am Bergrücken bergauf. Und gleich am nächsten Friedhof vorbei.

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Bild: Die Universität für Bodenkultur. Dieser Teil steht auf der anderen Straßenseite und befindet sich somit in Döbling.

Ich gehe auch durch die Büdingergasse, wo ich das erste Jahr meines Lebens gewohnt habe. Bin quasi Ur-Währinger.
Weiter bergauf komme ich zum Sommerhaidenweg, von wo aus der Blick hinüber auf den Hermannskogel (höchster Punkt Wiens) schweift, und nach einer Stunde Marsch ist auf einem Bankerl die erste kurze Rast fällig.

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Bild: Der Blick hinüber auf Dreimarkstein und Hermannskogel ist sehr fein, unten liegen Neustift am Walde und Salmannsdorf

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Bild: Der Sommerhaidenweg ist eine beliebte Rad- und Laufstrecke

Dann bin ich oben an der Höhenstraße. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt Wasser nachzutanken, der Türkenbrunnen im Türkenschanzpark, der quasi nur zehn Meter Umweg verlangt, ist leider nicht in Funktion. Hier oben gäbe es einen Hydrant, der hat aber keine Pumpe und ist somit unbrauchbar.
Schade – es gibt übrigens auch sonst am Weg rund um Währing keine Möglichkeit Wasser nachzufüllen.
Dafür kommt jetzt die erste kleine Herausforderung. Die Bezirksgrenze verläuft nämlich auf der anderen Seite der Keylwerthgasse und dort ist kein Weg. Glücklicherweise wurde gemäht und so kann ich auf dem schmalen Streifen bis zur nächsten Kreuzung, bei deren Überquerung Vorsicht angesagt ist, die meisten Autofahrer sind hier flott unterwegs.
Neben diesem Streifen befindet sich übrigens eine Art Refugium. Hier die Website dazu: http://www.himmelshof.at

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Bild: Die enge Stelle will mit Vorsicht begangen werden.

Dreck findet sich auf diesem Weg rund um Währing eigentlich nur an der Höhenstraße. Leider schmeißen immer noch viele Autofahrer ihren Müll einfach beim Fenster raus. Mit großem Abstand führend sind Red Bull Dosen. Warum auch immer.

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Bild: Das beliebteste Objekt zum Rauspfeffern aus dem Autofenster

Jetzt geht es bergab an der Höhenstraße entlang. Für alle, die es genau nehmen und dem Bezirksgrenzenverlauf wirklich möglichst exakt folgen wollen, bietet sich der alte asphaltierte Weg direkt neben der Straße an. Selbstverständlich kann man auch daneben auf dem neu asphaltieren Kombiweg für Radfahrer und Fußgänger gehen. Das ist angenehmer als neben den Autos.

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Bild: Der alte Weg direkt neben der Höhenstraße

Unten komme ich zur sogenannten „Meierkurve“, wo sich vor sehr langer Zeit das Gasthaus Meier befand. Dort zweige ich links in den Wald ab, auf einen kleinen Weg direkt neben dem Bach.

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Bild: Der sogenannte „Kräuterbach“

Da hilft Bergfex sehr, denn kurze Zeit später müssen wir links steil hinauf. Es folgt die anstrengendste Passage, denn es geht diretissima auf den Michaelerberg. Die Bezirksgrenze zu Hernals wurde in einem Graben gezogen, der eher nicht die beste Routenwahl darstellt. Gleich rechts daneben führt ein Weg, der gut begehbar wäre, gäbe es nicht die umgestürzten Bäume.

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Bild: Links der Graben, rechts der Weg. Was man hier nicht sieht: Es geht wirklich steil bergauf.

Wir befinden uns hier im Biosphärenreservat Wienerwald und zwar in einer der sogenannten Kernzonen. Hier wird der Wald so belassen wie er ist und daher werden auch nur die Hauptwanderwege von Ästen und Bäumen befreit. Wir befinden uns nicht auf so einem Weg.

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Bild: Am steilen Weg bergauf gilt es ein paar Baumstämme zu überqueren

Nach einiger Zeit bin ich oben am Michaelerberg angekommen, der dortige Weg ist breit und schön und führt geradeaus bis zu einer Kleingartensiedlung, von wo es wieder bergab geht.

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Bild: Dieser Weg führt oben am Kamm entlang. Links hinunter gehen alle vierzig Meter sogenannte „Rückegassen“, die hier verwendet werden, um den Wald zu bewirtschaften und in Ordnung zu halten. Inzwischen gibt es aber noch neuere Konzepte, dieses ist aber schon extrem fortschrittlich im Gegensatz zu dem, was sonst gemacht wird. Der hiesige Förster, Herr Lauscher, achtet sehr genau auf unseren Wald und seine Gesundheit.
Dort oben gibt es auch einen der vielen Wasserspeicher, die für die Versorgung Wiens gebraucht werden. Dieser liegt etwas versteckt und ist auch nicht sehr groß.

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Bild: Sieht unspektakulär aus, ist aber sehr wichtig.

Am Ende des fast schnurgeraden Weges geht es bei einer weiteren Kleingartensiedlung gleich wieder rechts hinunter und dann überquert man einen der zahlreichen Wege auf den Michaelerberg und dann ist es auf einmal aus mit Weg. Jetzt führt die Bezirksgrenze quer durch den Wald und zwar ganz ohne Weg. Ich versuche irgendwie dem Grenzverlauf zu folgen und finde einen alten Grenzstein.

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Bild: Mitten im Wald ein alter Grenzstein. Ich habe ihn nicht entziffert.

Ich weiß nur: ich muss bergab. Und es findet sich da und dort so etwas wie ein winziger Pfad, der aber nicht durchgängig ist. Ein wenig Klettern durch Gebüsch ist angesagt und es ist interessant zu sehen, wie mühsam es ist, wenn man sich ohne Weg fortbewegen muss.

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Bild: Kein Weg. Wald und Gebüsch sind aber nicht so dicht, dass ich nicht mehr durchkommen würde.

Irgendwann bin ich unten bei der großen Wiese angelangt, gleich rechts vom Waldkindergarten.

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Bild: Hinaus aus dem dichten Wald auf die sonnige Wiese

Von dort geht es an der nächsten Kleingartensiedlung vorbei bis zu einem Bach. Rechts davon ist die Bezirksgrenze, direkt am Zaun der Schrebergartensiedlung, nur gibt es dort keinen Weg. Also muss ich den Bach überqueren und die große Forststraße hinunter nach Neuwaldegg nehmen. Unten angekommen geht es sofort links wieder steil bergauf auf den Schafberg.
Das ist das zweite wirklich steile Stück, es geht wieder diretissima bis auf die Spitze des Schafbergs und von dort – wie könnte es anders sein – rechts vorbei an einer Schrebergartensiedlung hinunter zu den Schafbergwiesen. Dort haben wir in meiner Jugend viele Picknicks gemacht, mit vorgekühlten Bierkisten und einem kleinen Feuer und einem Radiorecorder mit Musikkassetten. Es gab noch keine Handys und sie haben uns auch nicht gefehlt. Eigentlich hat uns gar nichts gefehlt.
Ich mache die zweite Rast auf einem alten Baumstumpf. Daneben die Reste eines kleinen Feuers. Erlaubt ist das nicht, erlaubt war es auch damals nicht.

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Bild: Der Ausblick auf Wien war und ist sensationell. Das ist überhaupt ein toller Ort.

Und wieder ist es aus. Unten angekommen versperrt ein Gitter samt Zaun dahinter den Weg an der Bezirksgrenze entlang. Da ist beim besten Willen kein Durchkommen und ich muss eine kleine Ecke Währing auslassen. Der Weg führt am Schafbergbad entlang und dann durch den Schönbrunnergraben hinunter bis zur Herbeckstraße. In dieser Gegend reiht sich eine riesige Villa an die andere, durchsetzt nur mit – wer es erraten kann – Kleingartensiedlungen, gleich jede Menge davon. Seit ein paar Jahren spielen sich dort Dramen ab, weil seit dem Parkpickerl die Parkplätze gekennzeichnet sein müssen und die Autofahrer ihre Kisten nicht einfach irgendwohin stellen können. Das waren sie aber gewohnt und daher ist der eine oder andere Aufschrei zu hören. Wird aber auch weniger.
Unten angekommen geht es am Fuchupark vorbei, der bei vielen Anwohnerinnen und Anwohnern Kastanienpark genannt wird, weil dort viele Kastanienbäume stehen. Das war aber nie ein offizieller Name und weil der Park jetzt aufgrund irgendeiner japanisch-österreichischen Partnerschaft Fuchupark genannt wurde, gibt es den nächsten Grund sich aufzuregen. Auch das wird vorbeigehen. Außerdem liegt der Park in Hernals und ist daher Sache der dortigen Bezirksvorstehung.

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Bild: Links Häuser, rechts der Fuchupark

Bergauf geht es das letzte nicht asphaltierte Stück bis zur Mönergasse, dann die Jeitnergasse hinauf vorbei am brandneuen, großen Wasserspeicher am Schafberg bis zur Czartoriskygasse.
Die geht es hinab bis zu einer neuerlichen unbegehbaren Bezirksgrenze. Sie führt durch eine Kleingartensiedlung und ist nicht begehbar. Also links ausweichen bis zum Lidlberg. Dort wurden neue Bäume gepflanzt und ein Radweg gebaut, rechts daneben lässt es sich wunderbar gehen, vorbei an der Tischlerei Seliger und dann rechts in die Kreuzgasse. Der spektakulärste Teil ist vorbei, jetzt wird es urban.

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Bild: Die Stelle am Lidlberg

Durch die Antonigasse geht es Richtung Innerwähring, vorbei am riesigen Block, auf dem das alte Haus der Barmherzigkeit stand. Das wurde abgerissen, die neue Eigentümerin ist die Caritas, die in den nächsten Jahren hier bauen wird.

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Bild: Der Häuserblock ist eingezäunt, zwei alte Bäume stehen noch, die aber nicht sehr gesund aussehen. Links dahinter die Kirche St. Severin

In mehreren Links-Rechts-Kombinationen zieht sich die Bezirksgrenze bis hinunter zur Jörgerstraße und dann zum Gürtel. Dort gibt es sehr wenig Grün, fast keine Bäume, es handelt sich um dicht verbautes Gebiet mit viel Gründerzeithäusern. In diesen Gassen habe ich meinen zweiten Ferialjob als Postler einigermaßen würdevoll hinter mich gebracht. Damals gab es hier fast an jeder Ecke noch ein Wirtshaus und davor haben mittelmäßig elegante Herren gewartet, bis ich vorbeigekommen bin. Und zwar immer wenn die Pension oder der Lohn ausgezahlt wurde – das war damals Job der Postler, ich bin mit bis zu 120.000 Schilling herumgegangen. Meistens war es aber wesentlich weniger und die Herren haben mich auf der Straße angesprochen, damit ich ihnen (gegen Vorlage eines Ausweises) ihr Geld gebe. Der eigentlich normale Weg wäre an die Haustüre gewesen, aber dort hätte die Gnädigste das Geld kassiert. So konnten sie es gleich direkt wieder zum Wirtn tragen.

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Bild: Nur schön ist es dort nicht immer überall

Bevor ich den letzten Abschnitt gehe, hole ich mir beim Zanoni ein Eis. Verdientermaßen, außerdem ist jetzt Schluss mit Romantik.

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Bild: Pfefferminz und Haselnuss, der Zanoni am Gürtel war und ist mein Lieblingseissalon, auch wenn die Bedienung heute nicht mehr ein Süditaliener ist, sondern eine junge muslimische Dame mit Kopftuch. Wir sind halt nicht mehr in den 1980ern und die Hauptsache ist die gute Bedienung.

Jetzt geht es den Gürtel entlang hinauf nach Michelbeuern. Der Weg ist schmal, daneben verläuft ein wichtiger Radweg.

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Bild: Manche Blumen lassen sich auch in der Asphaltwüste nicht kleinkriegen

Oben angekommen geht es hinunter an der 42er-Trasse entlang. Ich muss ein Stück auf den Schienen gehen, dann beginnt wieder ein Gehsteig, der sich dann hinunter bis zur U6-Station Währinger Straße zieht.

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Bild: Ein paar Dutzend Meter auf den Schienen, immer gut aufpassend, ob nicht von hinten der 42er heranrauscht.

Der letzte Abschnitt führt direkt an der U6-Stadtbahntrasse am Gürtel entlang, glücklicherweise mit viel Altbaumbestand und somit ausreichend Schatten.

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Bild: Viele Bäume = viel Schatten im Sommer. Dringend notwendig im dicht verbauten Gebiet, in dem in den immer heißer werdenden Sommern immer mehr Hitzeinseln entstehen.

Dann ist es geschafft. Bergfex liefert die Daten der Runde und zum Abschluss gibt es noch ein Frühlingsbild mit Blumen. Die wachsen glücklicherweise zahlreich am Bezirksrand.

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Bild: 18,5 Kilometer, ein ganz ordentliches Stück, aber sehr empfehlenswert

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Bild: Irgendwo in Währing

Nach Schladming – mit dem Zug

Dunkle Erinnerungen an Schulskikurse in den 1980ern. Selbst damals sind wir mit dem Bus gefahren, scheinbar aus guten Gründen.
Inzwischen hat sich enorm viel getan – die Autobahnen wurden gewaltig ausgebaut, da ist es nur verständlich, dass für den Ausbau der Bahnstrecken kein Geld mehr da ist. Deswegen quälen sich die Züge immer noch quietschend und langsam über den Semmering, gerade mal so schnell, dass man nicht daneben hergehen und Blumen pflücken kann.
Es soll ja irgendwann einmal einen Tunnel geben, vielleicht so einen, wie es schon seit vielen Jahren für die Autos gibt.
Egal – ich muss zu einem Kongress nach Schladming und wieder einmal fällt meine Wahl auf die Bahn. Mit etwas Bauchweh und üblen Vorahnungen, aber egal.

Los geht es um 08:25 vom Hauptbahnhof Wien. Der ist für mich einigermaßen stressfrei mit dem Bus und zwei U-Bahnen erreichbar. Das birgt zwar ein gewisses Risiko, weil vor allem die U-Bahnen hin und wieder eine Störung haben und das dann bedeutet, dass ich den Zug versäume, was ich echt gar nicht leiden kann.
Diesmal geht alles gut und ich erreiche den Zug rechtzeitig. Zudem bin ich noch echt froh, dass ich reserviert habe, denn er ist knackevoll. Wir reden hier nicht vom letzten besetzten Sitzplatz, sondern von mehreren Schulklassen, die an diesem Montag auf irgendwelche Landschulwochen fahren. Es handelt sich um klassische Halbwüchsige mit einem harten Kern von laut kreischenden, laut TikTok-Videos schauenden Mädchen.
Sie sind überall im Zug, verteilen sich irgendwie, hocken auf den Gängen, dazwischen jede Menge Gepäck, so ähnlich stelle ich mir die Atmosphäre in einem Zug zwischen Kalkutta und Mumbai vor. Lehrer:innen wuseln geschäftig durch den Zug und versuchen irgendwie irgendwen zusammenzuhalten oder irgendetwas zu bewegen.
Es geht dann doch nicht um 08:25 los, denn irgendwie funktioniert das nicht mit den vielen Schulklassen. Es gibt aber keinerlei Durchsage oder sonst irgendeine Info, nur den Kärtner Schaffner in Mitten seine Gesamtüberforderung, schwitzend und im Dauerversuch freundlich zu bleiben. Ja, er hofft, dass wir bald wegkommen. Nein, er kann mir nicht sagen ob ich meinen Anschlusszug versäumen werde.
Genau genommen brauche ich diese Info auch nicht, denn nach 15 Minuten Verspätung und der Gewissheit, dass Züge Verspätungen prinzipiell nicht aufholen, sondern meistens noch mehr Verspätung aufreissen (in diesem Fall gleich ein paar Minuten später in Meidling: noch einmal fünf Minuten drauf), ist mir ohnehin klar, dass ich meinen Anschlusszug in Leoben ganz sicher versäume.
Als dann irgendwann ein paar unverständliche Worte kratzend aus irgendeinem Lautsprecher kommen, fällt mir mein alter Freund Bacherl ein, der in gekonnter Analyse meinte, die Menschen können zwar selbstfahrende Roboterautos zum Mars schicken, schaffen es aber nicht funktionierende Lautsprecher für Zugdurchsagen zu bauen.

Zu allem Übel hat die Bahn scheinbar begonnen sich der Flugindustrie anzunähern, bemerkbar an einem Sitzabstand, der schon stark nach Economy im Billigflieger erinnert. Das ist besonders bitter, denn so verspielt die Bahn einen ihrer Vorteile gegenüber dem Flugzeug oder dem Reisebus: genügend Platz.
Zu viert gegenübersitzen, in der Mitte ein Tisch – geht nur im Zug. Ich fürchte, dieser Trend wird sich fortsetzen, denn die Bahn versucht zu sparen und das wunderbare Klimaticket hat eine Schattenseite: viel mehr Zugfahrende und in Folge überfüllte Züge, aus denen sogar Gäste mit Ticket wieder aussteigen müssen, weil sie keine Reservierung haben.
Die ÖBB konnte auf die Einführung des Klimatickets nur sehr eingeschränkt reagieren, sie dürften weder die notwendigen Zuggarnituren noch das notwendige Personal haben. Vielleicht gibt es auch andere Gründe, die ich aber nicht kenne. Jedenfalls waren sie davon überrascht wie die Schneeräumung im Dezember, wenn es schneit.

Wenn ich mich ärgere, wirkt der Sitz gleich noch enger, vielleicht auch wegen der dicken Dame, die neben mir sitzt und deren Tuchfühlung aufgrund der Beengtheit bei mir nur wenig Freude auslöst.
Wenigstens muss ich ab der Stadtgrenze keine Maske mehr aufhaben, die meisten Schüler:innen hatten in moralischer Lässigkeit auch in Wien schon keine mehr auf und der überforderte Schaffner hatte andere Sorgen, als sie darauf hinzuweisen.
In Wr. Neustadt war dann aufgrund von inzwischen 30 Verspätungsminuten klar, dass ich mir wohl eine andere Zugverbindung nach Schladming suchen müsste. Ohne reservierten Sitzplatz, versteht sich.
Dafür gab es keine Fahrkartenkontrolle, weder im Zug von Wien nach Leoben noch von Leoben nach Schladming.
Vielleicht fielen die Schaffner ja auch schon einem Kostensenkungsprogramm zum Opfer, wer weiß das schon.

Nach zwei Stunden bin ich endlich in Leoben und muss dort in die S8 umsteigen und eine Station nach St. Michael fahren. Von dort kann ich dann nach einer ca. 30-minütigen Pause den R 4476 nehmen, der mich nach Schladming bringt.
Also eigentlich nicht nur nach Schladming, sondern zu jedem Misthaufen zwischen St. Michael und Schladming. Der Regionalzug ist die langsamste Variante des Zugfahrens in Österreich, nur die Zahnradbahn auf den Schneeberg ist noch langsamer. Die hält dafür nicht so oft.

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BILD 1: Ein Gruß aus der Vergangenheit

Jedenfalls dauert es noch weitere zwei Stunden bis Schladming. Auch hier habe ich wieder Gruppen von Schülern im Zug, die ihre Energieüberschüsse abbauen müssen. Das geschieht in einer Lautstärke und Vehemenz, dass an so Tätigkeiten wie arbeiten oder ein Buch lesen nicht zu denken ist.
Hier verspielt die Bahn ihren zweiten Vorteil, vor allem gegenüber dem Auto. Natürlich kann ich erste Klasse buchen und es gibt zarte Versuche das Problem in den Griff zu bekommen, etwa durch lärmberuhigte Waggons, die aber nicht wirklich gut funktionieren, weil die Leute dann halt doch telefonieren und der Mitzi-Tant ihre Lebensgeschichte erzählen. Meistens zweimal, jedenfalls aber bis zum Zielbahnhof.
Im Auto kann ich Musik hören, kann mit anderen plaudern oder ganz alleine reisend meine Ruhe haben. Das ist zwar nett, aber im Zug kann ich die Zeit zum Arbeiten nützen, das geht im Auto nur, wenn ich einen Chauffeur habe.
Für mich war das in den letzten Jahrzehnten oft ein Grund das Auto zu nehmen, weil ich den Arbeitsmöglichkeitsvorteil nahezu nie realisieren konnte. Dass es ihn in der Theorie gibt, nützt mir nichts.
Ich hasse Autofahren, das elende Stehen im Stau, die ständige Konzentrationsnotwendigkeit aufgrund immer stärker werdenden Verkehrs, die Umweltkosten, die Kosten generell und noch vieles mehr.
Wenn die Bahn aber ihre strukturellen Vorteile nicht ausspielt, fahren die Menschen wieder mit dem Auto. So einfach ist das.
Mein Zug nach Schladming ist wenigstens nicht überfüllt und so gondle ich vorbei an kleinen Ortschaften durch die wunderschöne Steiermark. Hätte ich kein Nachmittagsprogramm, dann könnte ich das durchaus genießen.
So aber ärgere ich mich, weil die Gesamtverspätung von zwei Stunden meine Pläne doch ordentlich über den Haufen wirft.
Das Problem besteht darin, dass der Verspätungsnachteil noch zum generellen Zeitnachteil dazu addiert werden muss. Mit dem Auto steht man zwar auch oft im Stau und die Flugzeuge sind mindestens so oft und genauso brutal verspätet wie die Bahn, aber auch hier verspielt die Bahn wieder einen Vorteil, der sie auf gut ausgebauten Strecken durchaus attraktiv macht. Von Wien nach Innsbruck kann man in vier Stunden mit dem Railjet Express fahren, das ist konkurrenzlos und selbst mit dem schnellsten Auto nicht zu schaffen.
Aber das geht halt nur auf dieser einen Strecke in Österreich – und selbst da wäre noch einiges drin, denn im Deutschen Eck gibt es keinen Hochgeschwindigkeitsausbau und die letzten 50 Kilometer vor Salzburg auch nicht.

Aber noch sind wir nicht da und bummeln weiter durch das Ennstal. Plötzlich eine scharfe Bremsung, sehr ungewöhnlich.
Der Grund ist schnell ersichtlich: Der Lokführer hat die Station Niederöblarn übersehen und sich jetzt ordentlich eingequietscht, um nicht vollständig im Nirwana stehenzubleiben.
Das gelingt auch, die letzte Türe hinten im Zug ist auf Höhe der Bahnsteigs. Also kommt eine Durchsage, man möge doch bitte ganz hinten aussteigen.
Leider hat es die alte Dame mit dem großen Koffer nicht mehr geschafft. Ihr Pech, dass sie weit vorne im Zug war, sie muss wohl oder übel weiterfahren, bei der nächsten Station aussteigen und dann auf einen Zug warten, der sie wieder zurückbringt.
Vielleicht hat sie ja Glück und muss die ungewollte Fahrstrecke nicht extra bezahlen. Ich wünsche es ihr jedenfalls.

Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir in Schladming und ich hoffe, doch noch eine kleine Nachmittagsbergtour machen zu können – was auch gelingt.
Es ist traumhaft schön in Schladming und nach dem Kongress am nächsten Tag muss ich leider schon wieder nach Wien zurückfahren.
Ich hoffe daher, dass wenigstens die Rückfahrt problemlos abläuft.

Am Bahnhof angekommen muss ich feststellen, dass es dort irgendwie keine Anzeigetafel gibt, zumindest keine, die ich finde.
Also frage ich am Bahnsteig 2 eine junge Dame, ob ich hier richtig bin für den Zug nach Leoben (bzw. Graz, dort fährt er eigentlich hin).
Sie bejaht, meint aber, dass der Zug Verspätung hätte.

Geh bitte! Nicht schon wieder. Und ich hab wieder wenig Umstiegszeit in Leoben, also bleibt nur das Hoffen, dass das irgendwie noch geht.
Dann eine Durchsage: Leider hat der Zug aufgrund eines Gleisdefekts 15 Minuten Verspätung. 15 bis 20 Minuten, genauer gesagt.
Ich krame mein Handy raus und suche neue Verbindungen nach Wien. Es gibt tatsächlich eine Möglichkeit schneller nach Wien zu kommen als mit dem nächsten Zug der gleichen Verbindung, der fährt nämlich erst zwei Stunden später.
Wie ich die Warterei auf Bahnhofsbahnsteigen hasse!

Die Alternative ist die S8, die ich schon von gestern kenne, sie fährt von Leoben nach Bruck/Mur, dort kann ich dann in einen Railjet einsteigen, der mich nach Wien bringt.
Im Zug frage ich den Schaffner, ob und wie ich es machen könnte. Er meint, die Variante mit der S8 sei eh gut, aber er ist sich nicht sicher, wie wir in Selzthal wegkommen. Das ist ein Verschubbahnhof, bei dem unser Zug eine neue Lok an der anderen Seite bekommt. Und der Schaffner dürfte schon wissen, dass das nicht immer so einfach und vor allem nicht schnell geschieht.

So ist es dann auch, wir stehen schon eine gefühlte Ewigkeit herum, als irgendwo auf einem anderen Gleis langsam, sehr langsam eine einzelne Lok vorbeifährt.
Das ist natürlich unsere, und es dauert noch ein paar Minuten, bis wir weiterfahren können. Vielleicht tue ich der ÖBB Unrecht, aber sehr durchdacht erscheint mir das nicht. Der Schaffner ist wenigstens supernett und telefoniert extra mit der S8, damit die auf uns wartet.
Das tut sie auch, nur leider kommt sie dann in St. Michael (dort mussten wir umsteigen, nicht in Leoben, nur Gott und die ÖBB wissen warum) nicht weg. Wir verlieren zwar nur zwei Minuten, aber das sind letztlich genau die zwei Minuten, die uns den Anschlusszug doch nicht erreichen lassen. Er fährt uns buchstäblich vor der Nase davon.

Ich habe keine Lust mich noch mehr zu ärgern und versuche die nächste elende Warterei mit Wurstsemmelkauf zu verkürzen. Das Panorama von Bruck/Mur rund um den Bahnhof hebt meine Stimmung allerdings nicht merklich.

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BILD 2: Bruck an der Mur, in der Nähe des Bahnhofs

Nach einer Stunde geht endlich mein Railjet nach Wien. Es ist ein tschechischer, was aber keinen wirklich großen Unterschied macht, über den Semmering sind alle gleich langsam.
Der Zug ist wenigstens nicht überfüllt und die Leute sind leise, so dass ich etwas lesen kann.

In Summe waren es zwei Mal sechs Stunden, die ich für die Reise gebraucht habe. Plus den Ärger ergibt das eine durchwachsene Bilanz. Es ist letztlich mühsam und ich mache es nicht freiwillig und schon gar nicht gerne.
Was schade ist, denn da wäre viel mehr drin.

Griechenland 87 – ein Sommer wie von STS besungen

Es ist Sonntag Abend und ich sitze auf meiner Couch. Plötzlich summe ich „I still haven´t found what I´m looking for“ und habe große Lust, die Nummer sofort anzuhören.
Also marschiere ich zum CD-Regal und greife ganz nach unten, zur neunten CD, die ich je gekauft habe: U2 – The Joshua Tree. Ich bin begeistert, wie gut die Scheibe heute noch ist, irgendwie nicht tot gehört, zeitlos, vielleicht wirklich die beste CD, die U2 je gemacht hat.

Und dann kommen die Erinnerungen. An den Griechenland-Urlaub im Juli 87. Eine Geschichte nach der anderen fällt mir ein. Und es wird Zeit, sie wieder an die Oberfläche zu holen und aufzuschreiben – oder besser: einzutippen.
Leider gibt es von diesem Urlaub keine Fotos – zumindest keine, die ich zur Verfügung habe. Handys gab es damals noch nicht, Digitalkameras natürlich auch nicht und keiner von uns hatte einen Fotoapparat mit. So bleiben nur die Erinnerungsbilder im Kopf.

Eigentlich beginnt die Geschichte noch viel früher, nämlich im Sommer 1980, als mein Vater meine Geschwister und mich in seinen damals brandneuen Puch G einlud und wir alle nach Griechenland fuhren. Das Ziel war die Ostseite von Sithonia, dem mittleren Finger der Halbinsel Chalkidike.
Dort gibt es eine Küstenstraße und mein Vater wollte dort campen, wild und direkt am Meer. Eine Bucht gab es nicht und so schlugen wir die Zelte einfach irgendwo auf. Das war damals noch möglich und mehr oder weniger erlaubt.
Viele Jahre später, im Frühjahr 1986, fuhren wir wieder hin. Ich schon mit meinem ersten, eigenen Auto, 19 Jahre alt, frisch vom Bundesheer abgerüstet.
Wir zelteten damals in einem wilden Oleandertal, an das ich mich noch erinnern und glücklicherweise auch finden konnte. Es war der wahrscheinlich schönste Urlaub meines Lebens.

Ein Jahr später fuhr ich noch einmal hin, diesmal in einer anderen Konstellation. Mit dabei waren der Schmidl und der Georg. Ich weiß nicht mehr, warum wir uns gerade für diesen Urlaub entschieden. Georg war ein Jahr davor auch dabei und wahrscheinlich fiel uns auch einfach nichts besseres ein. Dort kannten wir uns wenigstens schon gut aus und so borgte ich mir einen alten, grünen Audi 100 aus, da mein eigenes Auto kurz davor aufgrund von Rost einfach mehr oder weniger zerfallen war.
Der Audi war in mittelprächtigem Zustand, hatte immerhin ca. 100 PS und somit das Doppelte von meinem alten Golf. Ich würde mit so einem Auto heute gar nirgends mehr hinfahren, aber damals war uns das egal. Springt die Kiste an? Ja. Rinnt irgendwo was aus? Nein. Passt.
Wir hatten sehr wenig Geld und viel Optimismus, wir waren unglaublich unbekümmert und packten einfach Campingequipment zusammen, wobei ich mir das meiste von meinem Vater ausborgen konnte.
Zwei Zelte, Schlafsäcke, Matten, ein wenig Geschirr und ein paar T-Shirts, sehr viel mehr brauchten wir nicht.

Was wir aber sehr wohl brauchten, waren Benzingutscheine, ohne die man in Jugoslawien keinen Sprit bekam oder nur viel teurer – so genau weiß ich das nicht mehr.
Wir fuhren einfach los und kamen auch gut über die Grenze nach Ungarn. Das war damals nicht so einfach wie heute, der Ostblock war noch stark und für Ungarn musste man einen „Adatlap“ ausfüllen, ein kompliziertes Formular. Aber das waren wir gewohnt.
Mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen nahmen wir es nicht so genau und so wurden wir in einer Ortschaft von der ungarischen Polizei aufgehalten. Weil wir durch Ungarn nur schnell durchfahren wollten, hatten wir keine Forint mit, nur jugoslawische Dinar und griechische Drachme und natürlich Schillinge.
Nach längeren Verhandlungen gaben uns die Ungarn zu verstehen, dass sie weder Drachme noch Dinar wollten und ließen uns einfach weiterfahren.

Ich weiß nicht mehr viel von der Fahrt, der Georg und ich wechselten uns ab, weil der Schmidl damals noch keinen Führerschein hatte – oder umgekehrt? Jedenfalls hielt der Audi durch und nach 20 Stunden durchgehender Fahrt kamen wir zu unserem Zeltplatz im Oleandertal. Aus heutiger Sicht war das der komplette Wahnsinn, denn wir waren natürlich komplett übermüdet – und Red Bull war noch nicht erfunden. Vor allem gab es in Jugoslawien noch keine Autobahn, erst wieder ab der griechischen Grenze in Gevgelija. Wir mussten die alte „Autobutt“ fahren – die damals gefährlichste Straße von überhaupt, die sogenannte „Gastarbeiterroute“, auf der im Sommer gefühlte Millionen uralter Ford Transits unterwegs waren, vollgestopft mit türkischen Familien am Weg nach Ostanatolien. Jedes Überholmanöver ein Hasardspiel.
Und dann die Fahrt durch Thessaloniki, eh schon hundemüde und damals gab es ja kein Internet, d.h. wir mussten nach Karte fahren und Tankstellenverzeichnis gab es auch keines, von Handys ganz zu schweigen.

Als wir im Oleandertal ankamen, war es fast wie im Vorjahr. Nur der wildromantische Bach war kleiner, aber wir fanden unseren alten Zeltplatz wieder.
Das war eine komplett andere Zeit, offiziell war es damals schon nicht erlaubt wild zu zelten, aber wir hatten im Jahr davor Jannis kennengelernt, einen alten Ziegenhirt, und dem waren wir sympathisch. Sein Sohn Christos war der zuständige Feuerpolizist und so bekamen wir eine inoffizielle Sondererlaubnis. Wir durften halt kein Feuer machen und mussten aufpassen, aber das war sowieso Ehrensache. Außerdem kam Jannis fast jeden Tag einmal mit seinen Ziegen vorbei.
Der einzige echte Unterschied zum Jahr zuvor war ein riesiger Sandhaufen, den ein Bagger neben unserem Platz aufgeschaufelt hatte. Das Tal war sonst menschenleer, wir waren die einzigen dort, alle paar Tage kamen zwei, drei verirrte Wanderer vorbei – wenn überhaupt. Wenn wir ins Dorf fuhren, ließen wir unsere Sachen einfach im Zelt. Es ist nie etwas weggekommen.

Es gab einen Weg in das Tal hinein, den man mit einem Auto befahren konnte, wenngleich es auch ziemlich holprig war. Am Ende des Weges war unser Zeltplatz. Von da ging ein schmaler Pfad weiter, den man nur mit einem Geländewagen befahren konnte, was mein Vater 1980 auch getan hatte. Es ging dort auch relativ steil die Hügel hinauf, bis auf den Berg Itamo. Es war alles von Feuerstraßen durchzogen, sonst aber so wild, wie nur möglich.

Ein paar hundert Meter oberhalb unseres Zeltplatzes gab es einen kleinen Teich, in dem man baden konnte. Hohe Pinien, das laute Zirpen der Zikaden, eine wilde Geruchsmischung aus zahllosen Kräutern und eben jede Menge blühender Oleander an den Flanken des Baches.

Leider gibt es dieses Tal in seiner alten Pracht nicht mehr, der Bach wurde einige Jahre später weiter oben in ein anderes Tal zu einem Hotelkomplex umgeleitet und das romantische Oleandertal ziemlich zerstört. Als ich das erfahren habe, hat es doch ziemlich weh getan. Mein Unverständnis für die blinde Zerstörung der Natur aus Profitgier machte mich damals schon wütend, vielleicht ist da in mir der Grüne gewachsen, der ich heute bin.

1987 war die Welt dort noch heil. Und wir waren Anfang unserer Zwanziger und wollten einen Sommer in Griechenland erleben, mit allem, was dazu gehört.
In den 1980ern waren das Disko, dunkelbraune Haut und Coolness. Und wir waren die coolsten, das war von vornherein klar. Und dass das im Dorf Sarti auch alle merken sollten, war noch viel klarer.
Also bauten wir zuerst einmal unsere Zelte auf, ich hatte mein kleines, grünes Marechal-Kuppelzelt (und habe es bis heute), Schmidl und Georg schliefen in einem anderen. Damals musste ich lernen, dass es eine große Rolle spielt, wo man sein Zelt aufbaut. Und zwar spätestens am nächsten Morgen, wenn die Sonne aufgeht und ein dunkelgrünes Zelt in einen Backofen verwandelt, vor allem in Griechenland im Juli. Der einzige, mehr oder weniger erwünschte Nebeneffekt besteht darin, dass man trotz ordentlichem Rausch am Vorabend verlässlich aufsteht, wenn die Sonne auf´s Zelt scheint, was in Griechenland im Juli verdammt früh der Fall ist.

Wir waren punkto Campingequipment hervorragend ausgestattet, vor allem Dank der Erfahrung aus dem Jahr davor. Außerdem brauchten wir nicht wirklich viel, das Gewand beschränkte sich auf T-Shirts, kurze Hosen und Espandrillos, am Abend vielleicht eine lange Hose und ein luftiges Hemd. Wir mussten auch nicht viel Essen kochen, da wir das Frühstück meistens verschliefen, zu Mittag zu faul zum Kochen waren und daher vor allem Früchte zu uns nahmen, vielleicht einmal eine Eierspeis oder ähnliches, Weißbrot mit Paradeiser und Gurken – alles, was schnell hergerichtet war und wofür wir keinen Kühlschrank brauchten, den hatten wir nämlich nicht dabei.
Es ist heute schwer vorstellbar, mit wie wenig Dingen wir auskamen und dabei genauso zufrieden waren wie heute mit einem Campingmobil um 100.000 Euro. Wir hatten den alten Audi und wenig Ansprüche.
Und wir hatten wenig konkrete Pläne für den Urlaub. Wir wollten die Schönheit der Wildnis von Sithonia genießen, eine Menge Gaudi haben, abends im Dorf abhängen und einfach eine nette Zeit erleben.

Da es ziemlich heiß war, wanderten oder fuhren wir unter Tags gerne nach vor zum Meer um zu baden oder machten einen kleinen Spaziergang zum kleinen See. Die schon erwähnte Bräunung spielte dabei eine große Rolle, sie war Teil der geplanten Coolness und letztlich dazu da, die Mädels zu beeindrucken, die wir ja hoffentlich kennenlernen würden.

Schon am ersten Abend fuhren wir die sieben Kilometer nach Sarti, um die Lage zu checken und unseren Hunger zu stillen. Es gab dort jede Menge Tavernen im Ort und am Strand, das Essen war sogar für unsere schmale Börse leistbar und von guter Qualität. Kalamari, Fisch, Moussaka, Spieße und natürlich den griechischen Salat. Nach dem Essen gab es eine Reihe Bars, um sich ein kühles Bier zu organisieren oder einen Cocktail. Und es gab eine Handvoll Diskos, die wir alle abklappern mussten.
Ich erinnere mich an die Lokale nur sehr dunkel, beim Bier hatten wir auf jeden Fall die Auswahl zwischen Amstel und Henninger und auch hier waren die Preise sehr moderat.

Heute wäre eines der größten Probleme, wie wir nach einem feuchtfröhlichen Abend nach Hause in unser Oleandertal kommen würden. Damals war das komplett egal, gefahren wurde in fast jedem Zustand, der noch irgendwie eine halbwegs brauchbare Überlebenschance auf der extrem kurvigen Küstenstraße erkennen ließ. Da der Schmiedl ja noch keinen Führerschein hatte, war meistens ich der Fahrer.
Aus heutiger Sicht war das ein Wahnsinn, reihte sich aber gut in den dort üblichen Wahnsinn junger, griechischer Männer ein, die in Shorts und Espandrillos und in jedem Fall ohne Helm mit schweren Maschinen herumbrausten. Zahlreiche Kreuze am Straßenrand machten damals schon deutlich, dass das nicht immer gut ging.
Die Sorglosigkeit dieses Urlaubs war uns damals selbst nicht bewusst, sie war einfach da und selbstverständlich. Es war Sommer, wir waren in Griechenland und das Leben war so wolkenlos wie der Himmel.

Ich kann mich noch gut an die Situation erinnern, als beim Essen neben uns eine kleine Gruppe aus Wien saß. Ich weiß nicht mehr genau, wie wir sie kennenlernten, aber es war wenig später der Fall. Kathi mit ihrem Freund, Dagmar und XX – sie wohnten in einem Hotel im Ort, waren ebenfalls für 2-3 Wochen da und zu viert mit einem alten Mazda 323 hergefahren.
Wir wussten damals noch nicht, dass sich daraus eine nette Freundschaft ergeben würde, die über den Urlaub hinaus halten sollte. Wir trafen uns einfach am Abend und zogen gemeinsam durch´s Dorf.

Dieser Urlaub sollte auch ein paar der legendärsten Geschichten hervorbringen, die wir in unserer Jugend zusammenstecken konnten.
Die erste beginnt an einem der Morgen, an denen ich von der Hitze schon recht früh aus dem Zelt getrieben wurde. Da die anderen noch schliefen, beschloss ich ins Dorf zu fahren und einzukaufen. Mich überkam noch rechtzeitig der Gedanke, dass die Schlafmützen recht ang´fressen wären, wenn ich ihnen nichts mitbringen würde. Also weckte ich sie so sanft aus, wie mir das nur möglich war. Die Reaktion war ein böses Fauchen, wobei ich mich an den genauen Wortlaut nicht mehr erinnern konnte, irgendwas mit „Schleich di, lass uns schlafen“ wird schon dabei gewesen sein.
Also schlich ich mich und fuhr ins Dorf. Neben frischem Brot und Gemüse kaufte ich auch sogenannte „Yannis-Riegel“, das waren geschnittene, viereckige Stücke aus Nüssen und Honig oder Sesam und Honig.
Und natürlich kaltes Cola für die Jungs.

Als ich zurück kam, waren sie immer noch nicht wach, konnten aber eine Hand aus dem Zelt strecken und das kalte Cola hineinziehen.
Später saßen wir dann bei einem späten Frühstück, so gegen 13 Uhr muss das gewesen sein, und ich gab den beiden die Yannis-Riegel, die ich als absolute Köstlichkeit zu schätzen gelernt hatte.
Schmiedl unterlief allerdings genau jetzt ein folgenschwerer Fehler. Er dachte, dass die Riegel etwa in der Konsistenz eines Müsli-Riegels wären und biss herzhaft hinein.
In Wirklichkeit waren die Dinger steinhart und man musste sie vorsichtig abknabbern.
Dieser Unterschied war entscheidend für Schmidls oberen Schneidezahn, der spontan beschloss, den Besitzer zu wechseln und im Riegel stecken zu bleiben.
Es handelte sich nämlich um einen Stiftzahn, was wir vorher nicht wussten, und jetzt mit Erstaunen, gefolgt von brüllendem Gelächter zu Kenntnis nahmen. Das Gesicht von Schmidl habe ich heute noch vor mir, wir sind fast gestorben beim Anblick der Zahnlücke.
Schmidl hätte es auch durchaus gerne gesehen, wenn wir gestorben wären, er fand das nämlich ganz und gar nicht lustig. „Wof foll i jepft mochn, i fau auf wie a Volltrottel“ waren in etwa seine Worte. Wir lagen am Boden und wälzten uns im Staub.

Irgendwann hatten wir fertig gelacht und waren bereit, dem armen Schmidl zu helfen, dessen Disko-Coolness mit einer fetten Zahnlücke auf der Stelle gegen Null gehen würde.
Also musste ein Plan her, denn uns war klar, dass ein ständig ang´fressener Freund auch unserem Urlaub nicht gut tun würde. Die Option Zahnarzt gab es aus irgend einem Grund nicht, also mussten wir eine Möglichkeit finden, den Zahn irgendwie wieder in den Mund zu bekommen, konkret: hineinzukleben.
Wenig später saß ich im Audi und raste nach Sarti, um Superkleber oder etwas ähnliches zu kaufen. Dummerweise gab es nichts dergleichen, in keinem der greißlerartigen Geschäfte, und ich klapperte sie alle ab.
Also wieder zurück zum inzwischen ziemlich verzweifelten Schmidl, dem die Nachricht, dass ich ohne Erfolg zurückgekommen war, nicht eben zur Freude gereichte.
Und dann kam der legendäre Satz: „Ef Oaflächa, fiats mi sofoat noch Falloniki, i foa ham.“

Diese nicht sehr erfreuliche Aussicht brachte unsere Gehirnzellen zum Arbeiten, nachdem wir uns wieder eine Runde vor Lachen im Staub gewälzt hatten.
Dann kam mir der rettende Gedanke: Weil der Audi damals eine seltsame Konstruktion der Rückspiegelbefestigung hatte – er war auf die Windschutzscheibe geklebt – und ich wusste, dass er von Zeit zu Zeit runterzufallen pflegte, hatte ich aus Wien einen Zwei-Komponenten-Kleber mitgenommen.
Wir beschlossen, damit dem Schmidl den Zahn wieder in die Pappn zu kleben. Das Hauptproblem bestand darin, eine ruhige Hand zustande zu bringen, was vor lauter Lachen eine ordentliche Herausforderung darstellte. Georg und ich konnten uns nur schwer beruhigen, vor allem, weil der Kleber 30 Minuten Trocknungszeit verlangte. Und der Zahn in dieser Zeit nicht bewegt werden durfte.
Ich weiß nicht mehr ganz genau, wie wir das geschafft haben. Ich weiß nur, dass Georg dem Schmidl währenddessen mit einem Strohalm Wasser auf der Seite des Mundes einflößte.
Irgendwann war der Kleber trocken und Schmidl konnte wieder lachen. Als er zwei Wochen später in Wien zum Zahnarzt ging, rüttelte der nur am Zahn und meinte, dass er in drin lassen würde. Er hielt noch weitere zwei Jahre, wenn ich mich richtig erinnere.

Also alles wieder gut. Dass wir das am Abend in Sarti ordentlich feiern und begießen müssen, war klar. Und irgendwie war auch klar, dass die Geschichte mit dem Zahn nicht das einzige Erlebnis bleiben sollte.
An einem der nächsten Abende lernten wir in der Disco ein paar Griechinnen kennen, die sich als der weibliche Teil der griechischen Rudernationalmannschaft herausstellten. Was sich in dieser Nacht genau abspielte, kann ich bei bestem Willen nicht mehr rekonstruieren, ich weiß nur noch, dass wir am nächsten Tag am Strand aufwachten, und zwar im Audi. Es stellte sich heraus, dass wir irgendwann von der Disko noch zum Meer gefahren sein mussten und dort mit dem Audi uns im Sand eingegraben hatten. Scheinbar konnten wir ihn nicht mehr frei machen und sind einfach eingeschlafen, mit offenen Türen, irgendwie auf den Sitzen liegend, mit Verrenkungen, die ich mir heute ebenfalls nicht mehr vorstellen kann. Die Griechinnen waren weg, dafür waren jede Menge Badegäste rund um uns herum, die uns alle ziemlich erheitert bewunderten. Zumindest hoffe ich, dass sie uns bewunderten, ich verstehe kein Griechisch.
Gemeinsam mit ein paar jungen Griechen schoben wir die Kiste aus dem Sand und fuhren nach Hause, mit einem ordentlichen Brand und großem Schädel.

So und so ähnlich verliefen die Nächte, an den Tagen ruhten wir uns aus, mehr oder weniger war es das. Wer heute die Partylaune junger Menschen kritisiert, sollte an die eigene Jugend zurück denken, wir jedenfalls hatten außer Strand, Disko, Saufen und Mädchen genau nichts im Kopf. Die Erinnerungen bestehen aus Fragmenten, etwa aus dem Tanzwettbewerb in der Disko, der wahrscheinlich an einem Samstag Abend stattgefunden hat und an dem wir natürlich teilnahmen. Die Musik durfte man sich aussuchen und wir wählten „Real wild child“ von Iggy Pop. Dazu tanzten wir eine Mischung aus Pogo und Ska, genau genommen irgendetwas, bei dem wir wie wild auf der Tanzfläche herumhüpften, die Beine in die Höhe rissen und uns gegenseitig anrempelten. Ich glaube mich zu erinnern, dass die Anwesenden das gar nicht so lustig fanden, wir waren von uns jedenfalls begeistert und hatten riesigen Spaß.

Irgendwann, genauer nach drei Wochen, war der Urlaub zu Ende und wir packten unser Klumpert für die Heimreise. Unser Bach war merklich geschrumpft und wir hatten auch nicht vor gehabt länger zu bleiben. Jedenfalls stand uns eine lange Heimreise bevor, die glücklicherweise ohne größere Zwischenfälle verlief. Also bis auf einen, an den ich mich gut erinnern kann. Eigentlich zwei, aber der zweite war bereits daheim.
Wir fuhren irgendwo durch Jugoslawien, ich war hundemüde und wir mussten tanken. Dazu muss ich anmerken, dass das ganz anders war als heute. Um bei der Tankstelle Benzin zu bekommen, brauchte man Tankgutscheine – zumindest war das Benzin damit wesentlich billiger. Ich hatte sie in Wien besorgt und sorgsam gehütet, weil wir sie bei der Rückfahrt brauchten.
Georg wurde zahlen geschickt, kam zurück und wir fuhren weiter. Irgendwann, wahrscheinlich bei der nächsten Pinkelpause machte ich einen Blick in unsere Reisebörse und war leicht geschockt – die Benzingutscheine waren weg, alle oder fast alle, glaube ein oder zwei waren noch da.
Georg wurde zur Rede gestellt und erklärte, dass er nicht genau gewusste hätte wie viel wir zu zahlen hätten und so hätte er dem Tankwart einfach alle Gutscheine in die Hand gedrückt, auf dass dieser sich nehmen sollte, was es eben ausmacht.
Und das tat dieser auch, nicht zu knapp.

Nach einer gefühlten Ewigkeit waren wir dann in Wien, die Rückfahrt hatte 20 Stunden gedauert, ohne nennenswerte Pausen. Ich stellte den Audi daheim ab, schnappte mir meinen kleinen Reiserucksack mit den Wertsachen und ging hundemüde ins Bett. Der verdiente Schlaf dauerte aber nicht lange, denn meine Großmutter rief an, um mir mitzuteilen, dass die Feuerwehr bei unserem Audi stehen würde. Dazu muss man wissen, dass ich damals im 17. Bezirk wohnte und der Weg zur Straße, in der der Audi stand, den halben Schafberg hinunter führt. Es stellte sich heraus, dass ein Benzinschlauch gerissen und der Tankinhalt auf die Straße geflossen war. Die Feuerwehr hatte bereits alles abgesichert und den ausgelaufenen Sprit gebunden und ich wusste, dass das jetzt ganz zum Schluss noch ein wirklich großes Loch in die Reisekasse reissen würde.
Immerhin konnte ich jetzt schlafen gehen.

Emmylou Harris in Gstaad

Es muss irgendwann ca. 2008 gewesen sein, ich war zu Gast bei meinem lieben Freund Rudi in Klagenfurt und er meinte, ich soll mir unbedingt Gram Parsons anhören. Gram wer? Nie gehört.
Ich muss zugeben, das war ziemlich lässig. Liegt vielleicht daran, dass mich Rudi lange und gut kennt. Einige Nummern später war die Bestellung einiger CDs quasi schon abgeschickt.

Gram Parsons war ein Star der US-Country Szene und starb 1973 im Alter von 27 – so wie fast alle Musikerinnen und Musiker, die ihren 30er nicht erleben.
Irgendwann blieb ich bei einer seiner Nummern hängen, genauer gesagt bei „We´ll sweep out the ashes in the morning“, und zwar bei einer Strophe, die von einer Frau gesungen wurde. Die Stimme fesselte mich und ich wurde neugierig, wer das wohl sei.
Die Recherche ergab: eine gewisse Emmylou Harris.
Nie gehört. Also googeln.
Und dann ging es dahin, wie auf einer Wasserrutsche hinein in die Welt einer Sängerin, die 14-fache Grammygewinnerin ist, in der Country Music Hall Of Fame und noch einiges mehr.
Je mehr ich von ihr hörte, je mehr YouTube-Videos ich genoss, desto interessanter wurde sie. Eine Frau, die seit mehr als fünfzig Jahren auf der Bühne steht, in Würde ergraut, und scheinbar immer noch Spaß an der Musik hat.
Mit der Zeit verstand ich auch, warum Willie Nelson gemeint hat: „There’s only two kinds of men in the world, those that are in love with Emmylou and those who have never met her.“

Und dann war sie es, die mir lange Abende im ersten Corona-Lockdown kurz vorkommen ließ.
Der entscheidende Moment war jedoch im Frühsommer 2021, als ich irgendwo las, dass sie nach Europa kommen würde, und zwar zum Country Music Festival nach Gstaad, genauer gesagt für zwei Abende, 10. und 11. September.

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Bild: Konzert-Plakat

Als mir dann dämmerte, dass Gstaad nicht gerade ums Eck ist, war eine Entscheidung schwer. Noch dazu war ich bei vielen Aufnahmen der letzten zwanzig Jahre von ihrer Stimme eigentlich enttäuscht. Sie hat viel Kraft verloren, sie singt die Texte schlampig und verschluckt halbe Worte.
Würde ich eine herbe Enttäuschung erleben, verbunden mit ziemlich viel Aufwand?
Also beschloss ich die Entscheidung aufzuschieben.

Am 21. August beschloss ich dann hinzufliegen. Wie oft würde ich noch die Gelegenheit haben, sie live zu sehen? Wie oft würde ich mir in Zukunft eingestehen müssen, dass ich aus Bequemlichkeit die Chance verpasst habe, sie einmal in meinem Leben zu treffen – wenn auch nur als Unbekannter in der Menge?
Billig wird das nicht, andererseits: Ich hatte heuer noch keinen Urlaub und auch meine Österreichtour mit der Elektrovespa musste ich am zweiten Tag abbrechen. Das Geld war also da, blieb noch die Frage, ob ich die notwendigen Tickets bekommen würde. Nach Gstaad in der Westschweiz ist es eine halbe Weltreise, dann noch die Übernachtung, das Konzertticket und einiges mehr.
Zwei Wochen vor dem Konzert sagt noch Rodney Crowell (war in Emmylous bester Band aller Zeiten, der „Hot Band“) ab und mir kommen Zweifel, ob das wirklich so eine gute Idee ist. Corona kann dem Festival in letzter Sekunde einen Strich durch die Rechnung machen, oder Emmylou sagt ab und das Ganze wird für mich wertlos.
Egal – no risk, no fun. Ich buche einen Flug, der mit 178 Euro deutlich billiger als eine Zugfahrt ist und noch dazu direkt geht, wenn auch zu der sportlichen Abflugzeit 07:35 Uhr.
Dann brauche ich noch zwei Zugtickets, denn eine Busverbindung lässt sich irgendwie nicht eruieren und das Taxi ist viel zu teuer.
Der Zug ist allerdings auch nicht gerade billig, hin und zurück macht das 106 Euro, und zwar vom Flughafen in Genf nach Montreux und von dort mit einem zweiten Zug nach Gstaad.
Das Konzertticket kostet 125 Euro und das billigste Hotel, das ich zu diesem Zeitpunkt noch buchen konnte, schlägt mit 130 Euro an.
Das müssten die größten Brocken sein, es kommt noch was fürs Essen dazu und ev. ein paar kleinere Ausgaben.
Das Hotel ist übrigens nicht in Gstaad, weil dort wären nur noch Zimmer in Luxushotels frei gewesen, so ab 800 Euro aufwärts, pro Nacht und nicht unbedingt mit Frühstück.
Ich wohne in Saanen, dem Nachbarort, der binnen einer guten halben Stunde auch zu Fuß erreichbar ist. Mein Hotel, der „Saanerhof“ liegt direkt an der Bahnstation und das Frühstück ist im Preis inkludiert.

Die letzten zwei Wochen verbringe ich in einer Mischung aus Vorfreude und ein wenig Bauchweh.
Dann allerdings ist es Samstag, sechs Uhr früh und ich fahre mit dem Roller zum Flughafen. Hier ist schon die erste Hürde zu überwinden: Vor einigen Jahren gab es einen eigenen Motorradparkplatz, den man gratis benützen konnte. Er war überdacht und man konnte von dort direkt in die Abflughalle gehen.
Gibt es den noch? Am Flughafen wird seit Jahren massiv um- und ausgebaut und gratis gibt es dort eigentlich gar nichts, schon gar keine Parkplätze.
Ich bin allerdings hocherfreut, als ich feststelle, dass es diese Enklave in einer durchkapitalisierten Welt noch gibt. (Für alle, die das auch einmal machen wollen: Man fährt an der Abflugrampe vorbei und biegt direkt dahinter scharf rechts ab, fährt unter der Rampe durch und hat sofort auf der rechten Seite den überdachten Abstellplatz.)

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Bild: Gratis-Parkplatz am Flughafen Schwechat

Ich gebe Helm, Jacke, Handschuhe und Nierengurt in den Koffer, nehme meinen Rucksack heraus und wandere zu meinem Gate.
Dass ich schon lange nicht in der Schweiz war kann ich daran erkennen, dass der Schengen-Beitritt spurlos an mir vorübergegangen ist. Also marschiere ich nach der Sicherheitskontrolle (gefährliche Deos, terroristische Nagelscheren) ohne jedwede weitere Kontrolle (Covid, Pass) zum Gate und warte auf den Abflug.
Ein erster Vorgeschmack auf die Schweiz zeigt sich in Form von Abflugpünktlichkeit, die ich seit Jahren nicht mehr gewohnt bin. Alle, ausnahmslos alle Abflüge der letzten Jahre waren verspätet.
Der Flug ist halbvoll, dauert eine Stunde und zwanzig Minuten und das Wasser an Bord kostet 3,50 Euro, kann aber gerne mit Kreditkarte bezahlt werden, wahrscheinlich nehmen sie sogar Bitcoins.

Kurz vor der Landung taucht die Sonne den Genfer See in goldenes Licht und ich bin schon gespannt, wie die Preise in der Schweiz sich entwickelt haben. Das mehrfach angekündigte Einreiseformular verlangt niemand und ich marschiere mit meinem kleinen Rucksack schnurstracks hinaus und Richtung Bahnhof, der in wenigen Minuten erreichbar ist. An einem Geldautomaten hole ich mir Schweizer Franken, was ebenso problemlos funktioniert. Die kleine Wasserflasche kostet 4 Euro und ich erreiche den Zug um 09:19, der ebenfalls pünktlich abfährt.
Ich sitze in einem Doppelstockzug, der extrem leise und sehr flott unterwegs ist. Vom Flughafen nach Genf fährt er in weniger als zehn Minuten, dann geht es weiter über Lausanne nach Montreux, was in Summe knapp 1,5 Stunden dauert.
Ich muss mich erkundigen, welche Weinsorten hier an den Hängen des Genfer Sees wachsen, jedenfalls müssen es unglaubliche Mengen sein, die hier produziert werden, ich fahre fast die ganze Strecke an Weingärten vorbei. Es steht hier quasi an jeder freien Ecke ein Weinstock, das Klima dürfte günstig sein.

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Bild: Wein wohin man schaut

Bis auf zwei Deutsche reden im Zug fast alle Passagiere Französisch, viele auch eine Sprache, die ich nicht verstehe, die irgendwie portugiesisch klingt.

In Montreux steige ich um und fahre nach wenigen Minuten mit dem zweiten Zug Richtung Gstaad. Es ist eine Schmalspur-Panoramabahn und die Teleobjektive der asiatischen Touristen haben in den letzten Jahren nichts an Größe eingebüßt.
Kurz nach dem Bahnhof schraubt sich der Zug steil in die Höhe, hier ist überhaupt alles sehr eng und sehr steil. Am Berghang stehen überall Schlösschen herum, alles wirkt sehr sauber und ordentlich, wie man es klischeemäßig in der Schweiz erwartet.

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Bild: Blick von oben auf Montreux am Genfer See

W-Lan gibt es im Zug keines, dafür hält er auf Wunsch an winzigen Bahnhöfen, wo er von Zeit zu Zeit ein paar Minuten warten muss, bis der Zug aus der Gegenrichtung vorbeifährt, die Strecke ist nämlich eingleisig.
Die Gegend ist nett, sieht aber auch nicht viel anders aus als bei uns in den Alpen.

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Bild: Landschaft zieht am Zug vorbei

Nach knapp 1,5 Stunden erreichen wir Saanen und ich gehe die wenigen Meter zum Hotel.

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Bild: Saanerhof

Dort erfahre ich vom ziemlich gestressten Manager, dass ich mein Zimmer leider erst gegen 16 oder 17 Uhr beziehen kann, die Festivalgäste von gestern sind heute erst ausgezogen und das Herrichten der Zimmer würde etwas dauern. Ich könnte mein Gepäck allerdings gerne schon im Zimmer abstellen.
Es ist Mittagszeit und ich hatte heute noch keinen Bissen zu Essen. Also beschließe ich einen kleinen Rundgang durch den Ort, um nach einem passenden Wirtshaus Ausschau zu halten. Nach dem Essen wäre dann ein längerer Spaziergang angesagt, für den ich vom Wirt noch schnell einen Tipp erhalten habe: Entlang des kleinen Flusses in Richtung Rougemont wäre es sehr nett.

Saanen ist ein rein touristischer Ort, den es mit ziemlicher Sicherheit irgendwo in China noch einmal gibt. Alles wirkt wie frisch geschleckt, die Häuser sind hier in der Gegend alle im gleichen Stil gebaut, mit Holzfront und Balkonen mit Blumenkisten und die Erdgeschosse sind fest in der Hand von Nobelboutiquen. Der Ortskern ist eine Fußgängerzone, die Schar der Touristinnen und Touristen hält sich allerdings in Grenzen, alles wirkt ruhig und beschaulich.

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Bild: Ortskern von Saanen

Als alter American-Football-Fan bin ich beim Anblick eines Geschäfts hängengeblieben. (Für Nicht-Fans: Der Quarterback der Pittsburg Steelers Ben Roethlisberger hat Vorfahren in der Schweiz. Möglicherweise auch von hier.)

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Bild: Röthlisberger

Punkto Essen geht man hier mit der Mode, es gibt fast ausschließlich Burger und Pizza, eventuell noch was Asiatisches.
Ich will das nicht. Wenn ich in ein Land komme, dann möchte ich landestypisch essen und Burger hängen mir sowieso schon zum Hals raus, die gibt es bei uns auch seit einigen Jahren an jeder Ecke.
In einem Gasthof bekomme ich Rösti mit Spiegelei und Käse, immerhin. Die Kellner:innen sind ausschließlich aus dem ehemaligen Ostblock, also auch alles wie bei uns. Bis das Essen kommt dauert es, die Schweiz bemüht sich hier dem eigenen Klischee gerecht zu werden, aber ich habe es ja nicht eilig.
Die Rösti ist okay, sehr sättigend und ohne jeglichen Pfiff, auch Pfeffer kann da nicht viel retten.

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Bild: Rösti

Um der schnell aufsteigenden Müdigkeit zu entkommen, mache ich mich auf den Weg zu der empfohlenen Wanderung, die mich zuerst ein gutes Stück am Flughafen vorbeiführt. Hin und wieder landet ein Sportflugzeug und bringt gut betuchte Gäste. Auch hier auf dem kleinen Waldweg ist alles sauber und ich sehe das erste Mal in meinem Leben Mistkübel mit einem eigenen Dach.

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Bild: Mistkübel mit Dach

Hin und wieder zieht ein Mountainbiker vorbei und ich treffe einen älteren Herrn – freundlich, mit dezentem Schnurrbart, so stelle ich mir einen Schweizer vor. Kurz vor Rougemont drehe ich um und bin erfreut, dass mein Zimmer jetzt um 16 Uhr doch schon beziehbar ist. Nach einer Dusche und einer Stunde des Ausruhens mache ich mich auf den Weg nach Gstaad, der Zug fährt wie erwartet pünktlich und die Fahrt dauert nur etwa fünf Minuten.
Gstaad selbst ist das, was man einen Nobelort nennt. Boutiquen aller Luxusmarken, hohe Ferraridichte und eine Art Schloss, das über dem Ort thront.

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Bild: Gstaad

Auch das gibt es mit Sicherheit irgendwo in China noch einmal, vielleicht ohne das Country-Festival, aber selbst da bin ich mir nicht sicher.
Das Festival findet in einer Halle plus angeschlossenem Zelt plus Freigelände statt. Es sieht aus wie auf einem Jahrmarkt, mit Fahrgeschäften, Zuckerwatte und einem elektrischen Bullen, der von Kindern gezähmt werden will.
Das Publikum ist bunt gemischt, das Alter eher Richtung Pension gehend, aber auch ganz kleine Knirpse sind unterwegs, wenn auch eher bei den Attraktionen im Freien.

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Bild: Freigelände

Es gibt eine strenge Ausweis- und Coronanachweispflicht, im Gelände bewegen sich die Menschen jedoch ohne Maske – das wird in ein paar Tagen spannend. (gleich vorweg: Ich habe mich drei Tage später testen lassen und war glücklicherweise negativ. In den Medien gab es auch keinerlei Vorfallsmeldungen.) Interessanterweise gibt es keinerlei Taschenkontrolle, ich habe meinen Rucksack dabei und hätte mir jede Menge Getränke mitnehmen können. So habe ich nur eine kleine Flasche Wasser dabei. Scheinbar gibt es keinerlei Angst vor einem Terroranschlag.
Alles ist nach Möglichkeit amerikanisiert worden, sogar die Künstler:innen werden mit Jeeps abgeholt, es gibt an jeder Ecke Burger und anderes Junkfood plus jede Menge Verkaufsstände für Cowboystiefel, Fransenjacken, Cowboyhüte und ähnliche Dinge, die in der Schweiz eher wie eine Verkleidung wirken.
Als ich in das Musikzelt komme, spielt bereits Jade Eagelson, ein junger kanadischer Country-Sänger, der für Rodney Crowell eingesprungen ist. Seine Musik klingt gefällig, aber ohne irgendwie was Besonderes. Nice to hear.
Das Zelt ist groß und bietet ca. 2.500 Sitzplätze, von denen geschätzt 75% belegt sind, wobei ein ständiges Kommen und Gehen herrscht.
Bier wird hier in eher geringen Mengen getrunken, es gibt 0,3-Liter-Becher, die 5,50 CHF kosten und Flaschen mit alkoholfreiem Bier um das gleiche Geld, das eindeutig mehr konsumiert wird als das alkoholische Bier.
Die Stimmung ist friedlich, viele Schweizerinnen und Schweizer sind da, natürlich Leute aus USA, viele Deutsche, Italiener und dann noch jede Menge Leute von überall aus der Welt. Der Ansager redet in moderatem Schwitzerdütsch und Englisch.

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Bild: Die Halle

Irgendwie wirkt die Country-Kulisse für mich ähnlich wie die Gstaad-Kulisse. Nahezu niemand hier ist Cowboy oder Holzfäller, aber viele bemühen sich so auszusehen. Es wirkt oft nicht echt, ganz im Gegensatz zur Musik, die sehr echt ist. Nach Jade Eagleson kommt Philipp Fankhauser, ein Ur-Schweizer, aber mit gewaltiger Stimme, guter Profi-Band und gutem Schmäh.
Der dritte Act ist Aaron Watson – der Cowboy unter den Cowboys. Er lebt tatsächlich in Texas und sieht auch so aus. Seine Musik ist typisch Country, seine Sprüche aber durchaus witzig. Er erzählt, dass er mit einem Hangover von gestern (ich war ja am zweiten Abend dort) heute auf einen Gletscher gebracht wurde und dass er so etwas noch nie gesehen hätte. Es wäre sein erstes Mal in der Schweiz und er sei sehr erstaunt und beeindruckt, dass die Landschaft hier hinter jeder Ecke aussieht wie ein Gemälde. Und dass Pflanzen, die sie in Texas mit enorm viel Mühe und mäßigem Erfolg züchten, hier einfach überall auf Felsen wachsen.
Am meisten aber hat ihn das Unkraut beeindruckt: „Bei uns hat das große Dornen, hier hat es Erdbeeren und Heidelbeeren“ meinte er.

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Bild: Aaron Watson

Ich habe mir meinen Platz vier Reihen vor meinem eigentlichen Sitz gesucht, dort ist alles rundherum frei, was nicht nur Covid-mäßig angenehm ist, sondern auch was die Sicht betrifft.
Der Ton ist extrem laut, auch als mit ein wenig Verspätung Emmylou auftritt. Es gilt den ganzen Abend schon die Regel, dass die Leute bei der ersten Nummer nach vorne kommen und ein Foto machen dürfen. Ab der zweiten Nummer werden sie von den Securities weggescheucht.
Bei Emmylou funktioniert das aber nicht gut und es dauert bis zur dritten Nummer, bis vorne alles geräumt ist.
Auf dem ganzen Festival geht es aber extrem friedlich zu, die Taschenkontrollen sind tatsächlich nicht notwendig, es gibt keine Betrunkenen und keine Randalierer, alles läuft sehr gesittet ab.

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Bild: Emmylou

Emmylou ist wunderbar, ihre Stimme kräftig wie schon seit zwanzig Jahren nicht mehr und ich merke ihr an, dass sie immer noch echte Freude am Spielen hat. Die Frau ist 74 und rockt die Bude ordentlich. Sie spielt eine gute Mischung aus alten und neueren Nummern, von schwungvollem Country bis zu langsamen Balladen ist alles dabei, die letzte Zugabe ist „From Boulder To Birmingham“ und ich bin begeistert, weil ich das nicht erwartet hatte.

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Bild: Emmylou

Als das Konzert aus ist, beschließe ich zum Hotel zurückzugehen. Es gibt zwar in der Halle noch eine Party, aber ich habe eigentlich den ganzen Abend komplett alleine zugebracht, das Festival wirkte auf mich nicht so, dass ich Anschluss hätte finden können. Die meisten Leute waren in Form von Pärchen oder kleinen Gruppen da und mehr als ein paar belanglose Worte waren nicht drin, als ich mich zu ein paar Leuten an einen Tisch setzte, um mein Bier zu genießen.
Außerdem war es schon kurz vor ein Uhr in der Früh und ich hatte noch eine halbe Stunde Fußweg vor mir, von Gstaad nach Saanen. Ich hätte zwar das Geld für ein Taxi, aber ich wollte sowieso ein wenig Luft schnappen und runterkommen. Der Weg war nicht schwer zu finden, er führt immer am Fluß entlang, zum Großteil jedoch unter Bäumen und so war es ausgesprochen dunkel. Das Licht am Handy ist jedoch mehr als ausreichend und ich hatte auch noch genügend Akku.
Irgendwann treffe ich dann auf ein Pärchen, das ebenfalls in die gleiche Richtung unterwegs ist und kein Licht hat. Wir gehen gemeinsam bis zu dem Campingplatz in Saanen, wo sie ihr Wohnmobil stehen haben. Es ist das einzige echte Gespräch an diesem Abend für mich und sehr nett.
Dann bin ich im Hotel und rechtschaffen müde.

Am nächsten Morgen freue ich mich schon auf ein ausgiebiges Frühstück, werde aber leider enttäuscht. Die Kellnerin ist entweder komplett demotiviert oder überfordert, das Buffet ist fast leer. Ich urgiere Butter und Marmelade und bekomme ein langes Gesicht, als sie den Kaffee bringt (ich vertrage keinen Filterkaffee). Auf meine Frage nach einem weichen Ei kommt ein schroffes „Nein“ und bis auf ein wenig Müsli und ein paar Scheiben Käse, die nicht sehr appetitlich aussehen, gibt es mehr oder weniger nichts. Nur das Croissant ist gut, ansonsten kann ich das Hotel für Frühstückfans nicht empfehlen.
Ich bin ordentlich ausgeschlafen und beschließe, den Zug um 10:39 nach Montreux zu nehmen und mir diese Stadt anzusehen. Zeit habe ich genug und hier hält mich auch nichts mehr.
Die Fahrt verläuft unspektakulär und ich begebe mich in Montreux zur Uferpromenade, weil mir der Zimmerwirt in Saanen empfohlen hat zum Chateau zu wandern, das sei besonders schön.

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Bild: Promenade mit Palmen

Glücklicherweise gibt es ein Häuschen mit einer Touristeninformation und ich hole mir ein paar Infos und einen Stadtplan. Der Weg ist mit 40 Minuten angegeben und ich beschließe, eher dahinzuschlendern, schließlich habe ich es nicht eilig, jede halbe Stunde fährt ein schneller Zug nach Genf, ich habe also die Wahl, wann ich weiterfahren möchte.
Es sind ziemlich viele Leute unterwegs, es ist sehr warm und ich marschiere im T-Shirt los. Die Promenade ist angenehm zum Gehen, Montreux hat einen alten Stadtkern mit jeder Menge schöner Gründerzeithäusern und Villen, die sich die steile Bergflanke hinaufziehen. Da ist seit langer Zeit das Geld daheim – so der Eindruck.
Die Moderne hat aber auch an den Grenzen der Schweiz nicht Halt gemacht und so verschandelt eine Autobahn die eigentlich wunderbare Bergkulisse.

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Bild: Autobahn

Und es gibt eine Nestlé-Straße, mit passendem Schild am Rasen daneben.

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Bild: Die Nestlé-Straße in Montreux

Als ich dann aber an mehreren großen, alten Hotelkästen vorbeikomme, die zum Teil leer stehen, ändert sich der Gesamteindruck. Auch in der reichen Schweiz ändert sich scheinbar einiges, Montreux dürfte seine besten Zeiten vielleicht schon hinter sich haben.

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Bild: Das Grand Hotel

Alt und Neu treffen sich hier so wie Arm und Reich. Und es gibt einen Raddampfer, der natürlich nicht mehr mit Dampf betrieben wird, mich aber sehr an die „Gisela“ am Traunsee erinnert.

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Bild: Raddampfer

Ich bin körperlich heute nicht ganz auf der Höhe, vielleicht ist es auch die Sonne, jedenfalls fühle ich mich nicht sehr fit und beschließe, bei dem Chateau eine kleine Pause zu machen. Die ins Wasser gebaute Burg ist ein düsterer Kasten, für dessen Besichtigung sie 13 Franken Eintritt verlangen, was mich nicht wirklich reizt.

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Bild: Chateau de Chillon

Ich marschiere zurück und finde ein nettes Bankerl, um eine meiner Wasserflaschen zu leeren. Ein Vogel (Spatz oder was ähnliches) pickt Kerne aus dem Baum neben mir und ich kann ein wenig entspannen.
Dann geht es weiter, ich beschließe mir bei McDonalds eine Kleinigkeit zu kaufen, erstens um zu sehen, wie der hier ist und zweitens, weil ich glaube, dass es hier W-Lan gibt.
Fazit: Schmecken tut das Zeug wie bei uns, die Preise sind genau das Doppelte und W-Lan gibt es nur, wenn man eine Schweizer Telefonnummer hat.
Ich marschiere zum Info-Haus zurück, wo es tatsächlich W-Lan gibt.
Nach einiger Zeit gehe ich zum Bahnhof und fahre mit dem nächsten Zug nach Genf, um dort auch noch ein wenig die Zeit totzuschlagen. Eigentlich wäre mir ein früherer Rückflug durchaus recht, den gibt es aber nicht und so werde ich noch warten müssen.
Ich war vor langer Zeit einmal in Genf, bei einem Frisbee-Tournier, und kann mich an die Stadt nicht mehr erinnern.
Die Häuser sehen aus wie in Montreux und vom Bahnhof zum See sind es nur ein paar Meter.

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Bild: Park am See

Die Promenade dort ist wesentlich ausladender als in Montreux und ich suche ein nettes Plätzchen zum Ausruhen, irgendwie bin ich ziemlich geschlaucht.
Ich finde es unter einer großen Birke, ein schattiges Stückchen Wiese, auf dem ich mich ein wenig hinlegen kann.

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Bild: Die Birke am Genfer See

Die Atmosphäre ist friedlich, irgendwo daneben hockt eine kleine Gruppe, Kinder spielen und das Wetter ist sehr angenehm. Das Einzige, was mein Glück trübt, ist eine Taube, die im Baum genau über mir sitzt. Ich hatte schon vor vielen Jahren ein wenig angenehmes Erlebnis dieser Art und hoffe, dass sie nicht runterschwatzt.
Natürlich tut sie das irgendwann, glücklicherweise verfehlt mich aber der Batzen Glück. Ich hole mein Handy heraus, höre ein paar alten Nummern von Emmylou und genieße die freundlich-angenehme Szenerie, wenngleich im Hintergrund dreispurig die Autos vorbeifahren.

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Bild: Der Genfer See

Irgendwann hält es mich dann nicht mehr hier, die Sonne ist verschwunden und ich mache mich auf den Weg zum Bahnhof. Der Zug fährt aber nur zehn Minuten zum Flughafen und ich bin viel zu früh dort. Ohne Gepäck und mit Bordkarte am Handy ist das Einchecken auf diesem eher kleinen Flughafen keine Affaire.
Also hole ich mir einen W-LAN-Code und gehe aus dem Abfluggebäude hinaus. Draußen gibt es eine freie Bank und ich beschließe, hier zu warten. Es wird nämlich noch dauern, da es hier heute genau einen einzigen verspäteten Flug gibt, und das ist natürlich meiner.
Ich hasse das Warten auf Flughäfen. Ich kann natürlich Musik hören oder diesen Bericht hier schreiben, aber das verkürzt die unendlich erscheinende Wartezeit nur unwesentlich. Das W-LAN funktioniert übrigens nur im Gebäude, hier draußen nicht, dafür muss ich hier keine Maske tragen.

Irgendwann sind auch diese Stunden vergangen und ich mache mich auf den Weg zum Gate. Dort sitzen zwei gelangweilte Angestellte, die für genau nichts zuständig oder kompetent sind. Vor allem nicht für die Frage, wie viel Verspätung wir tatsächlich noch aufreißen werden. Ich habe nämlich den Verdacht, dass die angegebene Zeit von 30 Minuten eine freie Erfindung ist. Kurz vor der angegebenen Abflugzeit steht nämlich immer noch kein Flieger da. Auf meine lästige Nachfrage erfahre ich, dass die Maschine vorher aus Athen nach Wien geflogen ist und von dort schon verspätet kam.
Diese elende Nicht-Information hat den Sinn, dass Fluglinien für Verspätungen nicht belangt werden können. Würden sie zugeben, dass sie eine nennenswerte Verspätung haben, könnte irgendwer irgendwie Entschädigung verlangen. So tun sie so, als wäre eh alles im Plan und lassen die Fluggäste dumm sterben.

Nach einer gefühlten Ewigkeit landet die Maschine und nach einer weiteren Ewigkeit beginnt das Boarding.
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt, der Flug verläuft unspektakulär, ebenso die Heimfahrt mit dem Roller.
Ich bin froh, wieder da zu sein. Die zwei Tage haben mich viel Kraft und Geld gekostet. Ich bin aber mindestens genauso froh, dass ich mir das Konzert mit Emmylou gegönnt habe. Es war die Reise wert, keine Frage.

Sudan

Kennt ihr das? Es gibt Bilder im Kopf, die Sehnsüchte erzeugen. Bei mir gibt es ein uraltes Bild, das seine Strahlkraft nie verloren hat. Im Jahr 1978 war ich zu Ostern auf meinem ersten Auslandsurlaub, als 12jähriger Bub. Es ging mit meinem Vater und meinen beiden Geschwistern nach Israel. Einer meiner ersten Eindrücke war das Rauschen des Mittelmeers in Tel Aviv, wo wir die erste Nach verbrachten. Alles war unglaublich aufregend, denn das Meer war an diesem Abend rauh und die riesigen Wellen machten gewaltige, noch nie gehörte Geräusche.

Mein Vater mietete damals einen alten Ford Escort und fuhr mit uns zuerst nach Jerusalem und dann auf die Halbinsel Sinai, die zu dieser Zeit von Israel annektiert war.
Unser Hotel lag im Ort „Neviot“, dem heutigen Nueweiba, und somit direkt am roten Meer, im Golf von Akkaba bzw. Eilat.
Alles in diesem Urlaub war neu und unglaublich spannend – die Gerüche, die Wüste, das Meer, das Essen und noch vieles mehr. Es war so beeindruckend, dass ich z.B. von dem Geruch der Blüten in unserem Hotel noch immer eine Erinnerung habe.
Das rote Meer war für mich damals schon ein irgendwie interessanter Ort, obwohl ich natürlich keine Ahnung hatte, dass ich es Jahrzehnte später einmal betauchen würde – und nicht zu knapp.
Von Tauchen war damals keine Rede, aber unser Vater kaufte uns allen ein Schnorchelset und ein Tauchermesser. Das Messer hielt ich in Ehren und verwendete es viele Jahre lang beim Tauchen, bis eines Tages eine Befestigungsschlaufe riss und ich ohne Messer wieder auftauchte. Ich hatte aber – warum auch immer – daheim noch das Messer meiner Schwester und das habe ich bis heute bei jedem Tauchgang dabei. Es ist mehr als ein Erinnerungsstück – wäre ich ausreichend abergläubisch, dann würde ich sagen, dass es mir Glück bringt.

Wir waren schnorcheln und fuhren mit einem Glasbodenboot über die Riffe. Die unfassbare Vielfalt an Leben, die Farben und noch vieles mehr prägen seit damals mein Bild der Unterwasserwelt. Mit Wehmut denke ich daran, wie es heute wäre, gäbe es diese Riffe noch.

Leider ist das eine Illusion, sie sind schon lange kaputt oder zumindest schwer beschädigt und ich fürchte, es gibt auf der ganzen Welt kein wirklich intaktes Korallenriff mehr. Sollte es doch eines geben, dann würde es binnen weniger Jahre auch zerstört sein, denn Flaschentauchen wird als Hobby von mehreren Millionen Menschen weltweit betrieben.
Auch wenn die Meere groß sind, die Menschen schaffen es problemlos sie zu zerstören. Wer heute in Nuweiba tauchen geht, findet ein kaputtes Riff mit ein paar noch lebenden Korallen und einem Fischbestand, der nur mehr traurig macht.
Die Fische können sich in absehbarer Zeit regenerieren, das wäre nicht das Problem, aber die Korallenriffe sind für sehr lange Zeit verschwunden, wenn sie einmal kaputt sind.

Was bleibt, sind Erinnerungen und eine kleine Hoffnung, noch einmal so ein Riff zu sehen, wie ich es damals sehen konnte. Eine dieser Hoffnungen war der Sudan, denn dort ist die Anzahl der Taucherinnen und Taucher noch sehr überschaubar und ich richtete meinen Blick schon vor ca. 15 Jahren auf diesen Ort. Damals war es allerdings sehr umständlich, mühsam und teuer im Sudan zu tauchen. Die Genehmigungen waren teuer, Safarischiffe durften nicht von Ägypten über die Grenze fahren und es blieb ein Ort der Sehnsucht.

Umso spannender fand ich es, als mein alter Freund Gabor letzten Herbst mit einem Angebot für eine Tauchsafari daher kam. Meine Schwägerin sah es zuerst und hatte die Idee, dass wir es meinem Bruder zu seinem 50er schenken könnten.
Ich zögerte nicht wirklich lange und so buchten wir die Tour „Sudan Nord“ über ein Reisebüro in Innsbruck. Wirklich billig ist es auch heute noch nicht, die Gesamtkosten kamen für mich auf 2.700 Euro. Das ist ein ordentlicher Batzen Geld für eine Woche Urlaub (knapp 10 Tage inklusive der An- und Rückreise, dazu gleich mehr), aber Träume erfüllen kostet eben Geld.

Dazu kommt bei mir leider noch das Problem, dass Tauchreisen einen unfassbar großen ökologischen Fußabdruck haben, der sich nicht wirklich gut verringern lässt. Das beginnt schon bei der Anreise, die ohne Flugzeug nicht zu machen ist. Das Safariboot wird mit Diesel angetrieben und braucht davon eine ganze Menge, genau genommen einige tausend Liter für die beiden Motoren und die beiden Generatoren.
Der Rest ist eher vernachlässigbar, denn die Tauchausrüstung hält ewig und das Essen besteht großteils aus Fisch und Gemüse, es gibt allerdings auch Rind und Huhn.
Tauchsafaris auf Segelschiffen werden sehr selten angeboten und haben einige Nachteile. Sie können Riffe z.B. nur anfahren, wenn sie auch einen Motor eingebaut haben und die Kompressoren zum Füllen der Flaschen lassen sich mit einem Solarpanel nicht betreiben.

Mein Kompromiss besteht darin, dass ich solche Reisen selten mache, in den vergangenen zehn Jahren waren es fünf (1x Costa Rica aber ohne Safari, 2 x Ägypten, 1x Malediven und jetzt der Sudan).

Leider wird uns das Thema Umweltschutz durch diesen Beitrag begleiten (müssen).

Die Vorfreude nach dem Buchen wurde durch die Art und Dauer der An- und Rückreise erheblich getrübt. Ich hasse Fliegen. Mehr als Fliegen hasse ich nur noch die elenden Flughäfen und das dortige Warten. In der Jugend war das noch irgendwie ein Abenteuer, heute ist es purer Stress. Nach Ägypten ist das halb so wild, abgesehen von den Flugzeiten, die oft ein Aufstehen um drei in der Nacht erfordern. Aber man kann direkt von Wien nach Hurghada oder Marsa Alam fliegen, das dauert so 4,5 Stunden, ist mühsam aber okay.
Nach Port Sudan sieht die Sache schon anders aus. Es gibt die eine oder andere afrikanische Fluglinie, die aber oft dermaßen Verspätungen aufreissen, dass die Gefahr besteht das Schiff zu versäumen. Das würde die gesamte Woche zerstören, denn wenn das Schiff weg ist, ist es weg. Daher bleibt eigentlich nur mehr Emirates, was aber bedeutet, dass man über Dubai fliegen muss.
Ich war das erste Mal 2005 in Dubai und erinnere mich noch an den damals schon riesigen Flughafen mit der goldenen Palme und dem Luxussportwagen, den man gewinnen konnte.
Letztes Jahr musste ich auf die Malediven wieder über Dubai fliegen und hab das schon als sehr knechtend in Erinnerung. Erstens war ich allein, weil meine Freunde schon zwei Tage vorher geflogen sind, und zweitens hatte ich ca. 3,5 Stunden Aufenthalt. Dieses Herumhocken auf irgend einer Bank ist fürchterlich.
Wenigstens liegt Dubai am Weg wenn man auf die Malediven fliegt. Bei Port Sudan ist das nicht der Fall, da fliegt man erst lange Richtung Osten und dann wieder zurück Richtung Westen.
Und wir hatten 7 Stunden Zwischenstopp. Das ist eigentlich unerträglich, aber mein Bruder meinte, da gehen wir in eine der zahlreichen Lounges, die sind in Dubai sehr gut ausgestattet und man hat so etwas wie Liegestühle und das geht schon irgendwie. Seine Mastercard würde ihm da problemlos Zugang verschaffen und um ein paar Dollar könnte ich mit hinein.
Beim Rückflug hatten wir etwas anderes geplant, denn da beträgt der Zwischenstopp neun Stunden und das halte ich persönlich einfach nicht aus. Also buchten wir ein Hotel in Dubai, gleich neben dem Flughafen, mit einem „Superior Doppelzimmer“ um wohlfeile 80 Euro die Nacht (oder waren es 120? Auch egal).
Da wir den späteren Flug um 15:40 statt den in der Früh buchten, könnten wir ein paar Stunden lang Dubai anschauen. Das war für mich zwar eine mäßig prickelnde Aussicht, aber wer weiß, vielleicht wird das ja ganz interessant.

Das gebuchte Schiff war die „Seawolf Dominator“, ein ägyptisches Schiff, vergleichbar mit der Golden Dolphin, die ich gut kenne. Diese größeren Safarischiffe haben einen hohen Standard zu einem sehr fairen Preis. Dazu kam eben noch die Aussicht auf interessante Tauchgänge, deren 20 an der Zahl geplant waren.
Das bedeutet aber vier Tage mit je vier Tauchgängen, das ist ziemlich anstrengend, aber schließlich fahre ich zum Tauchen hin.

Dann ist er plötzlich da, der Tag der Abreise.

Meine Schwägerin bringt uns zum Flughafen, der mit einer Neuerung aufwartet: Es gibt jetzt einen Schranken vor der Rampe, bei dem man ein Ticket ziehen muss. Zusätzlich bringt die Digitalisierung es mit sich, dass das Nummernschild des Autos gescannt wird. Man darf nämlich maximal zehn Minuten dort stehen bleiben und das maximal zwei Mal am Tag. So bekommen sie die vielen UBER-Taxis in den Griff, die es bisher schamlos ausnutzten, dass die Benützung der dortigen Parkplätze – die nur zum Aussteigen gedacht sind – gratis war.

Das Einchecken geht schnell und ich kann mit der Dame am Schalter auch einen besseren Sitzplatz verhandeln. Zumindest ein Gangplatz ist es geworden, ich bin der Dame sehr dankbar, Mittelsitze halte ich einfach nicht aus.

Die Kiste ist knackevoll, schließlich ist es in Österreich kalt und in Dubai angenehm warm und dort befinden sich somit die neuen Hausmeisterstrände für den Winter. Das Publikum sieht auch ganz nach Hausmeisterstrand aus, viele Jogger sind zu sehen und Karl Lagerfeld hätte sein persönliches Armageddon, wenn er erstens noch leben und zweitens mit diesem Flieger fliegen würde.

Irgendwann haben alle ihren Sitzplatz gefunden, das Gepäck verstaut und der Flieger rollt Richtung Startbahn. Ich bin froh, dass es endlich losgeht und überlege mir schon, wie ich die fünf Stunden einigermaßen überstehen kann.

Dann bleiben wir stehen. Was ist jetzt los? Mir gegenüber am Jumpseat sitzt Milos aus Bosnien. Er informiert mich: Weiter vorne fühlt sich die Tochter einer Dame nicht ganz wohl und möchte jetzt doch lieber nicht fliegen.
Oidaaaaaa!
Geh bitte!
Na, ned jetzt. Warum unbedingt heute, hier in diesem Flieger?

Alles ärgern nützt nichts, wir drehen um und rollen wieder zur Fluggastbrücke. Türe auf, irgendwo kommt ein Krankenwagen, die Polizei, die Nationalgarde nicht (aber auch nur, weil wir sowas gar nicht haben), Superman dürfte sich verspäten und auch ich bin alles andere als erfreut.

Das Prozedere ist genau vorgegeben: Die Dame samt ihrer Tochter wird von einem Team an Ärzten und Sanitätern mit viel Trara aus dem Flugzeug hinausgebracht, das Gepäck muss ausgeladen werden und meistens müssen auch alle Gäste von Bord. Dann muss der Sprengstoff-Spürhund kommen, auch das Handgepäck muss raus und nach einer Ewigkeit geht es dann weiter. Das Problem verschärft sich noch dadurch, dass die Start-Slots in Wien sowie die Lande-Slots in Dubai neu berechnet werden müssen und noch vieles mehr.

Wir fassen – Glück im Unglück – nur die Light-Variante aus und dürfen an Bord bleiben. Allerdings muss jeder an Bord befindliche Gegenstand identifiziert und zugeordnet werden.
Irgendwann ist alles erledigt und wir starten tatsächlich.

Ich winke vorher noch Milos herbei und frage ihn, was denn jetzt mit den beiden freien Plätzen wäre und ob ich einen davon haben könnte. Er zwinkert mir zu und meint, dass er schauen würde, was sich machen lässt.

So komme ich zu einem tollen Sitz. Genauer gesagt die Reihe 37 beim Notausgang. Das hat den Vorteil großer Beinfreiheit, allerdings bekomme ich nur mehr einen Mittelsitz, was die Freiheit nach links und rechts auf ein veritables Eingezwängtsein reduziert. Für mich bedeutet das fünf Stunden Flug in einer Lage absoluter Würdelosigkeit. Natürlich wäre es möglich Business Class zu fliegen, aber das passt vom Preis-Leistungsverhältnis einfach nicht.
Glücklicherweise kann man bei Emirates in der Boeing 777 auch beim Notausgang die Sitzlehnen umlegen, das geht bei einigen Flugzeugen nämlich nicht und dann wird es zur puren Qual, da hilft auch die Beinfreiheit nichts mehr.

Das Essen ist okay, das Bier von Heineken (wenn´st grad ka Glück hast kommt auch noch a bissl a Pech dazu…) und das Schlafmittel wirkt nicht, wahrscheinlich wegen dem Heinenken, die heben sich irgendwie auf oder so.
Egal, irgendwann ist der Flug vorbei und wir landen mitten in der Nacht in Dubai mit der erfrischenden Aussicht auf sieben Stunden Herumhängen.

In einer gemütlichen Lounge sollte das etwas besser gehen als auf irgend einem Plastiksessel irgendwo in diesem riesigen Flughafen. Also marschieren wir dorthin und mein Bruder legt die Mastercard auf den Tisch.
Dummerweise funktioniert der Pin-Code nicht und sehr zur Enttäuschung aller müssen wir unverrichteter Dinge wieder abziehen und uns doch einen Pastiksessel suchen.

Natürlich habe ich Bücher mit und damit kann man sich die Zeit gut vertreiben. Aber ich kann und will nicht sieben Stunden lesen. Also verrinnt die Zeit elend langsam und auch das Beobachten der durchaus interessanten und vielfältigen Typen auf diesem sehr internationalen Ort wird irgendwann fad. Essen ist eine Möglichkeit, aber außer den üblichen Fastfood-Buden gibt es hier nichts. Also wird es doch der McDonalds, da weiß man wenigstens, wie es schmecken wird. Die Kosten belaufen sich auf 15 Euro für uns beide (Gabor und Mathias sind nach Dubai hinein gefahren um den Burj Khalifa zu besteigen), was etwas teurer ist als bei uns, aber nicht viel.

Dann ist es endlich soweit, wir fliegen weiter nach Port Sudan, und zwar mit der „Fly Dubai“, einer Billiglinie der Emirates. Dort sitzen in der Economy-Class zwei Klassen, von denen nur eine Essen bekommt, die andere immerhin einen Becher Wasser.
Auch dieser Flug dauert 3,5 Stunden und ist irgendwann vorbei. Glücklicherweise ist das Flugzeug nur halb voll und wir haben zumindest einen Sitzplatz zwischen uns frei, was den Flug doch deutlich erleichtert.

Port Sudan ist ein winziger Flughafen und empfängt uns mit schweren Regenwolken. Es gibt nur eine Startbahn, ein Gate, eine Wartehalle, aber ich finde das eigentlich sehr sympathisch, weil es gemütlicher zugeht und irgendwie persönlicher ist. Dort fliegen pro Tag auch nur eine Handvoll Flugzeuge und wir werden von zwei Herren empfangen, die mit einem seltsamen Gerät zu uns kommen, das sie uns an die Stirn halten. Es entpuppt sich als Wärmebildkamera, mit der sie uns ins Gesicht leuchte, wahrscheinlich um den Corona-Virus zu entdecken. Da ihn niemand von den Fluggästen haben dürfte, ziehen sie unverrichteter Dinge wieder von dannen.
Wir füllen die üblichen Formulare aus, die jedoch dort dann niemand braucht. Ein Typ kommt, nimmt uns die Pässe ab und führt uns zur Durchleuchtungsmaschine. Er erledigt alle Einreiseformalitäten und schleust uns an allen möglichen und unmöglichen Kontrollen vorbei. Ich fühle mich wie in Kenia vor 30 Jahren. Es sieht übrigens auch so aus wie in Kenia vor dreißig Jahren, der ganze Flughafen ist schmuddelig und abgenützt, aber das ist uns egal, wir sind draußen und es beginnt leicht zu regnen. Die Menschen wirken durchaus sympathisch und wir entdecken die anderen 6 Gäste für unser Schiff, die zu unserem Bus geführt werden.
Christian ist Sozialpädagoge aus Kärnten, Nathalie kommt aus Chur, Robert und Martina sind waschechte Bayern, Markus ist aus Bremen angereist und Werner aus Karlsruhe.

Unser Bus ist die übliche Kracksn mit vielen Fransendecken im Innenraum und einer Klimaanlage, die daraus einen Eisschrank macht. Glücklicherweise kann man sie abdrehen, was – wie erwartet – beim Fahrer größtes Unverständnis auslöst. Bei 45 Grad würde ich das noch verstehen, aber es ist eher kühl und das letzte, das allerletzte, was wir jetzt brauchen, ist eine Klimaanlage, die uns einen Spontanschnupfen beschert, der das Tauchen verunmöglicht.
Also fahren wir los auf die große Küstenstraße Richtung Port Sudan. Der Flughafen liegt etwa so weit außerhalb wie Schwechat und wir fahren durch die Wüste, vorbei an Industrieanlagen und den üblichen Rohbau-Ruinen, die scheinbar die gesamte Küste des Roten Meeres hässlich machen.
Plötzlich fliegt ein großes, dunkles Ding an meinem Fenster vorbei und wir rufen dem Fahrer zu, dass er bitte schnellstens stehen bleiben soll. Eine unserer Taschen hat sich bei geschmeidigen 80 km/h verabschiedet und der Fahrer wandert zurück, um sie wieder zu holen.

Sie dürfte einigermaßen unbeschädigt sein und nachdem sie wieder am Dach verstaut wurde (wo sich all unser Gepäck befindet), geht es weiter. Alles easy, alles entspannt.
Port Sudan ist ein bizarrer Ort, mit gerade angelegten Straßen, ein bisschen wie Hurghada vor 30 Jahren. Die meisten Autos, die dort herumfahren, sind relativ neu und Stau ist ein Fremdwort, obwohl die Stadt als wichtigste Hafenstadt des Sudan inzwischen auf ca. 600.000 EinwohnerInnen gewachsen ist. Davon ist aber nichts zu bemerken, sie wirkt nicht sehr bevölkert und auch nicht groß, wobei wir ja nur das Stück zum Hafen sehen.

Das Interessanteste ist wohl die Hafenmole, eine Art sozialer Treffpunkt. Aufgereiht stehen dort eine große Anzahl an Plastiksesseln, die den ganzen Tag, vor allem aber am Abend besetzt sind – mit Männern (und auch ein paar Frauen, mit Kopftuch, aber unverschleiert), die einfach hinaus schauen, auf das Schiff, den Hafen oder sonstwohin. Sie trinken Tee und rauchen Sisha, es herrscht absolutes Alkoholverbot – insgesamt eine fremdartige, bizarre Szenerie.
Dahinter stehen eine Handvoll Billardtische, die am Abend alle bespielt werden.

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Bild: Hafenmole in Port Sudan

Wir gehen an Bord unseres Schiffs und ich fühle mich sofort wieder wie auf einer der vielen Tauchsafaris in Ägypten. Das Schiff ist genauso aufgebaut wie fast alle anderen Safarischiffe, mit einem Unterdeck samt Kabinen und drei weiteren Decks, das oberste als reines Sonnendeck.

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Bild: Die „Seawolf Dominator“

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Bild: Das oberste Deck – wird gerne zum Sonnenbaden, Lesen, Herumhängen genützt.

Unser Riesenglück besteht jetzt darin, dass wir nur 10 Gäste sind und so bekomme ich ohne Aufpreis eine Einzelkabine, was sehr angenehm ist, weil mein Bruder hin und wieder zu schnarchen pflegt.
Die Kabinen sind auf dem aktuellen Standard mit WC, heißer Dusche und zwei Betten und wenn man die Klimaanlage ausschaltet, ist es recht aushaltbar, ganz abgesehen davon, dass wir uns sowieso nur zum Schlafen darin aufhalten und jeden Tag um 05:30 aufgeweckt werden (oder früher, dazu später).

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Bild: Kabine

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Bild: WC

Ich werde diesmal mit NITROX tauchen, quasi meine Premiere, obwohl ich schon vor zehn Jahren den Schein dazu gemacht habe. Kurz zur Erklärung: Flaschentauchen funktioniert mit Pressluft. Die Standardflasche hat 12 Liter Fassungsvermögen und wird mit 200 bar gefüllt, das macht 2.400 Liter Luft.
Die Luft besteht zu 21% aus Sauerstoff, 78% Stickstoff und einigen Edelgasen, darunter auch CO2.
Stickstoff reichert sich während es Tauchgangs im Körper an und muss dann abgeatmet werden (die sogenannte Dekompression). Je weniger davon man in der Luft hat, desto kürzer ist diese Zeit bzw. umso länger kann man in der Tiefe bleiben, weil weniger angereichert wird.
Der Sauerstoff wiederum wird ab einer gewissen Tiefe giftig, man braucht also eine passende Mischung, um irgendwo in der Mitte anzukommen. NITROX heißt auch „enriched air“, weil die Mischung ca. 30% Sauerstoff enthält und somit nur mehr ca. 70% Stickstoff.
Das bedeutet, dass man nicht so tief hinuntergehen kann wie mit Luft, dafür aber länger bleiben.

In der Praxis sagt man der Crew, dass man mit NITROX tauchen möchte und sie füllen die Flasche entsprechend auf. Vor jedem Tauchgang prüft man mit einem kleinen Tester die Mischung und tippt den entsprechenden Wert in den Computer, der dann die richtigen Zeiten berechnet.
Mehr ist nicht zu tun, angeblich lässt einen das Tauchen mit NITROX weniger schnell müde werden, ich konnte diesen Effekt nicht beobachten.
Nitrox kostet übrigens auf diesem Schiff 70 Euro Aufpreis für eine ganze Tour.

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Bild: Christian und Markus, der sich gerade für einen Tauchgang fertig macht. Im Hintergrund die Kästchen, die uns für kleines Equipment zur Verfügung stehen. Da werden Masken, Tauchcomputer und Kameras gelagert.

An Bord ist die Verpflegung inbegriffen, ausgenommen sind Wein, Bier und Cola. Am Schiff gibt es mehrere dieser 20-Liter-Wasserspender und jede(r) bekommt eine Plastikflasche (wahlweise um ein paar Euro eine Aluflasche), die beschriftet wird und immer wieder gefüllt wird. Auf einem Safarischiff wird enorm viel Wasser getrunken, weil Tauchen austrocknet. Der Grund dafür ist, dass die Luft getrocknet wird, bevor sie in die Pressluftflaschen kommt. Das führt aber auch dazu, dass ich vor und nach jedem Tauchgang auf´s Klo muss, gepinkelt wird prinzipiell weiß, ich komme auf bis zu 10x pro Tag.
Bier wurde aus Ägypten mitgenommen, sie haben viele Dosen Stella-Bier für die gesamte Saison (bis Mitte Mai) gebunkert, da es im Sudan keinerlei Alkohol zu kaufen gibt. Die Dose kostet 4 Euro, ich trinke jeden Abend eine.

Das Essen ist wie fast immer hervorragend, es ist immer wieder erstaunlich, was der Koch in seiner kleinen Kombüse zaubern kann. Es gibt nach dem Early Morning Dive schon ein üppiges Frühstück, sehr beliebt sind Omlettes und Palatschinken, die es auf jedem Safarischiff gibt und die aus einem mir unerfindlichen Grund zum Standard geworden sind.

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Bild: Buffet

Nach dem zweiten Tauchgang gibt es ein tolles Mittagsbuffet, viel Gemüse und Fisch, aber auch Huhn und Rind sowie mehrere Salate. Nur die Nachspeisen sind meistens nicht so meins, es gibt seltsame Puddingcremes und ähnliches. Dann gibt es noch eine Nachmittagsjause und nach dem Nachttauchgang, der schon kurz nach Sonnenuntergang beginnt, ein ebenso üppiges Abendessen.
Scheinbar verbraucht der Körper beim Tauchen aber viel Energie, denn ich habe nichts zu- eher etwas abgenommen.

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Bild: Am Tauchdeck hat jeder Taucher/jede Taucherin einen Platz mit der Flasche, auf der Jacket und Regler fix montiert sind und die ganze Woche dran bleiben. Die Flaschen werden nach jedem Tauchgang blitzschnell gefüllt. Unter der Bank hat jeder seine Box und hinten sieht man auch die Anzüge hängen, die allerdings selten bis nie zwischen den Tauchgängen trocknen.

Die Sicherheit kommt an Bord auch nicht zu kurz – es gibt zwei große Sauerstoffflaschen für den Fall der Fälle, dazu Rettungsinseln und die entsprechende Elektronik, die heute Standard ist.

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Bild: Sauerstoffflaschen für einen Deko-Unfall. Rechts ist die Treppe auf das Oberdeck, die große Türe führt in den Salon. Gut zu sehen ist auch der Wasserspender – einer von vielen an Bord.

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Bild: Das Oberdeck. Unsere beiden Guides Safwat und Helmy diskutieren gerade irgendwas.

DER ERSTE TAUCHTAG

Als wir Freitag Nachmittag aufs Schiff kommen, ist alles hergerichtet. Das Tauchzeug wird am Tauchdeck verstaut, auch hier herrscht Routine vor, alle kennen das Prozedere. Dann gibt es ein Briefing für das Schiff und den Plan für den nächsten Tag: Wir fahren in der Früh zum Checkdive hinaus, allerdings nur 20 Minuten und danach wieder zurück, weil wir noch Diesel tanken müssen, das funktioniert am Freitag nicht, weil muslimischer Sonntag, sozusagen.

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Bild: Diese Kiste ist ein riesiger Autotransporter. Mit diesen Schiffen kommen unsere Autos von Asien nach Europa.

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Bild: Die Containerfrachter, die Port Sudan anlaufen, sind eher kleiner (ca. 500 Container, die großen fassen mehr als 6.000) Um anlegen zu können, helfen ihnen Schlepper. Und die Wolken, die diese Schlepper oben raushauen, willst du nicht gesehen haben.

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Bild: Am Sonnendeck gibt es einen Steuerstand, den der Kapitän vor allem beim An- und Ablegen verwendet. Im Hintergrund der Containerhafen von Port Sudan.

Die Nacht ist angenehm, bis auf den Dieselgestank, den wir im Unterdeck von irgendwo draußen durch das Bullauge abbekommen.
Das Riff, zu dem wir fahren, ist von mäßiger Schönheit und ich hoffe, dass es nicht typisch ist für die Riffe generell. Ich tauche mit meinem Tropenanzug, der sich als ein wenig zu kühl herausstellt. Für den zweiten Tauchgang werde ich noch einen Neopren-Unterzieher verwenden, und zwar einen, den ich über den Anzug tragen kann und der eine Haube hat, weil man am Kopf am meisten Wärme verliert.
Die Korallen sind klein, man sieht überall die (durch zu warmes Wasser bedingte) Korallenbleiche und eine Menge Dornenkronen, die in größerer Population ein Riff zerstören können.
Der Tauchgang ist erfolgreich, das Nivau taucherisch hoch und unsere beiden Guides Helmy und Safwat sind zufrieden. Sie haben eine einigermaßen entspannte Woche vor sich, weil statt Russen in dieser Woche wir an Bord sind, was ihnen die Arbeit erleichtert. Beide stammen aus Kairo und haben Familie.
Am Nachmittag fahren wir wieder hinaus zum Wingate-Reef, wo die Umbria liegt – einer der Gründe, weshalb man in den Sudan tauchen fährt. Das Wrack ist einfach zu betauchen, nur das Wetter spielt nicht ganz mit. Es ist sehr windig und bewölkt, der Wind ist vor allem dann eiskalt, wenn man nach dem Tauchgang den Anzug auszieht.
Das Schiff hat die beiden üblichen Zodiacs mit (Schlauchboote mit Außenborder) und wir erfahren, dass wohl die meisten Tauchgänge damit stattfinden werden. Deswegen ist diese Tour auch nichts für Anfänger, weil Tauchgänge mit dem Zodiac einer gewisse Erfahrung bedürfen. Das Reinplumpsen lassen ist ja noch einfach, aber wieder zurück in den Zodiac zu klettern manchmal eine ziemliche Prüfung, vor allem bei hohem Wellengang.

Die Umbria ist ein stattlicher Dampfer von 155 Metern Länge. Er wurde im zweiten Weltkrieg zum Frachter umgebaut und am 7. Juni 1940 bei Kriegseintritt Italiens vom Kapitän versenkt, sehr zum Leidwesen der Briten, die die Fracht gerne gehabt hätten, vor allem die Unmenge an Bomben, die mit dem Schiff untergingen.
Die kann man heute besichtigen, ebenso die 3 Fiat Lunga, die in einem der Frachträume stehen sowie Weinflaschen, Zementsäcke und noch einiges mehr.
Wir werden an diesem Wrack noch einmal bei der Rückfahrt am letzten Tauchtag vorbei kommen und tauchen diesmal nur die Außenseite, was spektakulär genug ist.
Das Wrack liegt seitwärts und ist nicht zerbrochen. Es lässt sich fast mit der berühmten Thistlegorm vergleichen und drei Tauchgänge sind nicht zu viel.
Ganz zum Schluss entdecken wir noch einen Krokodilfisch, der auf der Flanke direkt unter der Reeling Platz genommen hat.

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Bild: Krokodilfisch

Leider bin ich mit der Hand an einer scharfen Kante angekommen und hab mir einen Finger aufgeschnitten. Das blutet ein wenig, ist aber vor allem deswegen unangenehm, weil es in den nächsten Tagen nicht gut verheilen wird, bei bis zu vier Tauchgängen am Tag. Das Schiff ist aber sehr gut mit allem ausgestattet, was man bei kleineren Verletzungen braucht und so macht die Wunde kein echtes Problem.

Uns reicht jetzt erst einmal einer, das Abendessen verbringen wir noch im Schutz des Wingate-Riffs und dann geht es auf die lange Nachtfahrt Richtung Norden. Sie dauert sieben Stunden und wir haben leider starken Seegang. Es ist heiß in der Kabine, weil die Bullaugen geschlossen bleiben müssen und das Holzschiff knarzt und ächzt. Von Zeit zu Zeit springt meine Kabinentür auf und lässt sich nicht wirklich sicher schließen, was ziemlich nervig ist
Irgendwann in der Nacht gibt es dann einen riesigen Kracher, ein metallisches Scheppern und ich erfahre in der Früh, dass die Rechauds von ihrem Tisch gefallen sind. Kaputt ist nichts und irgendwann ist die Fahrt vorbei, wir sind am Ziel angekommen und mehr oder weniger bereit für den ersten Early-Morning-Dive.
Mein Bruder Peter ist unentspannt, weil sein Bett zu klein ist und er in der Bugkabine noch mehr von der Schaukelei abbekommen hat.

DER ZWEITE TAUCHTAG

Heute sind vier Tauchgänge angesetzt. Ich bin mit dem von Gabor ausgeborgten Suunto-Tauchcomputer nur mäßig zufrieden. Er hat ein dermaßen kompliziertes Menü, dass ich ins Schwitzen komme, wenn ich die Bedienungsanleitung durchlesen muss. Intuitiv wie mein Aladin ist anders. Zudem ist die Schrift zu klein, mit meiner Altersweitsichtigkeit kann ich sie unter Wasser nur schwer ablesen.
Die Tauchgänge sind etwas mager, immerhin sehen wir am Angarosh-Reef einen grauen Riffhai und 2-3 White Tip. Die Wassertemperatur ist hier 24 Grad, was um einen Hauch zu kühl ist, um eine ganze Stunde bequem zu tauchen.
Der zweite Tauchgang ist etwas besser punkto Korallen (Abington-Reef), unterhalb von 8 Metern ist aber auch nicht mehr viel los. Den dritten Tauchgang am Merlo-Reef lässt Peter aus, bis auf einen Barracuda und jede Menge kleiner, oranger Fahnenbarsche is aber nicht viel zu sehen. Diese Riffe sind leider um nichts besser als die vielbetauchten in Ägypten.
Der vierte Tauchgang ist der erste Nachttauchgang am Shambaia-Reef. Auch hier ist das Riff ziemlich kaputt, es gibt sehr wenig zu sehen, ein paar schlafende Fische, ein paar Garnelen, das war es dann aber auch.

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Bild: Wir bereiten uns auf den ersten Nachttauchgang vor – mit einem fast gar nicht gestellten Bild…

Leider muss ich nach ein paar Minuten bemerken, dass meine Tauchlampe schwächer wird, trotz frischer Batterien. Als ich vorne einen Blick ins Glas werfe, muss ich zu meinem Entsetzen feststellen, dass drinnen eine braune Suppe sichtbar ist. Die Lampe ist undicht und gibt gerade den Geist auf. Mir bleibt nichts anderes übrig als die Ersatzlampe zu aktivieren, die ich immer dabei habe.
Auch zu ihr gibt es eine kleine Geschichte: Als ich im Sommer 1993 als frisch gebackener Taucher in Kroatien auf der Insel Cres das Wrack der „Lena“ betaucht habe, bin ich zum Schluss in eine kleine Grotte geschwommen, die nur 2 Meter unter Wasser ist und die sozusagen als nettes Gimmick für das Ende des Tauchgangs empfohlen wurde.
Dort sah ich am Boden die Lampe liegen, die jemand verloren hatte. Seitdem besitze ich eine Reservelampe, die immer noch tadellos funktioniert. Sie reicht völlig aus um den Tauchgang fortzusetzen, noch dazu, weil alle anderen sowieso die Fischgriller dabei haben und die Szenerie durch mehrere Tauchlampen ordentlich erhellt wird.

Zurück an Bord machen wir die Lampe auf Anraten von Werner sehr vorsichtig auf, da sich ein ordentlicher Überdruck aufgebaut hat. Heraus spritzt eine braune Sauce, die durch die geplatzten und ziemlich heißen Batterien entstanden ist. Die Lampe ist hinüber. (Anmerkung: Ich hab sie nach Österreich zurück genommen, dort noch einmal getestet und dann auf Willhaben verschenkt. Binnen weniger Stunden hatte ich mehrere Anfragen und ein netter Herr hat sie abgeholt und gemeint, er hätte die restlichen, kaputten Teile. Irgendwie netter als Wegwerfen, finde ich.)

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Bild: meine Tauchlampe, inzwischen Geschichte

DER DRITTE TAUCHTAG

Wir tauchen noch einmal am Angarosh-Reef, der Wind wechselt von Süd auf Nord und dadurch wird sie Sicht schlechter, weil Sediment aufgewirbelt wird. Es ist eher dunkel, weil stark bewölkt, meine Maske sitzt zu fest und bis auf einen Napoleon und einen White Tip ist nichts zu sehen. Eher unangenehm fällt der Spanier von der Blue Force 3 auf – einer dieser großkotzigen Typen, die mit ihrer Ausrüstung prahlen. Er geht mit 4 (!) Flaschen tauchen – keine Ahnung, wofür das gut sein soll. Die anderen Taucher von seinem Schiff dürften recht routiniert sein, die Tauchgänge sind weder sehr lang noch sehr tief – ich kann den Grund nicht erkennen.
Zu allem Überfluss kratzt er auch noch mit einem Metallgegenstand an einer seiner Flaschen, um Haie irre zu machen. Das kann durchaus gefährlich werden, und zwar nicht nur für ihn, sondern auch für alle anderen Taucher in seiner Umgebung. Wir haben mit unserem Guide Helmy länger darüber diskutiert und er hat schon einige gefährliche Situationen erlebt.

Der zweite Tauchgang findet dann an einem Platz namens „Qita el Banna“ statt, ein schönes, rundes Riff mit gutem Bewuchs bis ca. 15 Metern Tiefe, viele kleine Höhlen und ein Seidenhai über uns. Ich kann dann noch einer Seegurke beim Fressen zusehen – das war es aber auch schon.

Der dritte Tauchgang bei Sha´ab Suedi ist mühsam. Wir ankern in einer Art Kanal und es gibt deutlich spürbare Strömung. Peter und ich tauchen allein (die Guides bleiben an Bord und geben uns nur das Briefing – prinzipiell kein Problem) und besprechen den Tauchgang leider nicht an Deck vor. So irre ich mich in der Richtung, in die wir tauchen sollen und zeige meinem Bruder unter Wasser, dass wir in die andere Richtung gehören. Er hat sich aber vorher die Richtung von Bord aus angesehen und weiß, wo wir hin wollen. Das wiederum weiß ich aber nicht.
Wir erreichen nicht das angepeilte Ziel und landen an einer anderen Stelle des Riffs. Beim Zurücktauchen ist die Strömung ganz ordentlich, aber nicht problematisch. Wieder an Bord erfahren wir, dass es ca. der Hälfte der anderen auch so gegangen ist.
Ein Problem waren die Seile, mit denen das Schiff verankert ist. Am Bild beim Briefing waren nur zwei Stück auf einer Seite eingezeichnet, de facto gab es aber auf der anderen Seite auch zwei, was meine Verwirrung noch gesteigert hat, da ich so die Seiten noch mehr verwechselt habe.

Wie auch immer – es ist nichts Schlimmes passiert und immerhin weiß ich, dass der Platz, an dem der Nachttauchgang stattfinden wird, an einem ziemlich kaputten Riff liegt. Es sieht in etwa so aus wie die meisten Riffe in Ägypten – ein paar Weichkorallen, nur mehr sehr wenig Hartkorallen, große Teile abgestorben – sehr traurig, das hätte ich mir hier nicht erwartet.

Bis auf Werner und mich will niemand den Nachttauchgang machen. Beim Briefing rät Helmy davon ab – die Strömung sei jetzt wesentlich stärker als am Nachmittag, die Tafel, die an einer Leine im Wasser hängt, steht zwar nicht waagrecht, aber in ordentlichem Winkel. Werner würde trotzdem gerne gehen und meint, dass wir das schon irgendwie machen würden. Notfalls muss uns halt der Zodiac abholen, wenn wir es nicht zum Schiff zurück schaffen.
Mich reizt die Aussicht auf so ein Abenteuer nicht wirklich und nach längerer Überlegung sage ich Werner ab. Ich muss dieses kaputte Riff sowieso nicht noch einmal sehen.

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Bild: Werner, Robert und Martina

Dafür gibt es oben am Sonnendeck ein Barbecue, das Essen ist fantastisch wie immer und Peter beschließt, diese Nacht an Deck zu schlafen.

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Bild: Gute Laune bei gutem Essen

DER VIERTE TAUCHTAG

Der Early-Morning-Dive findet am Sha´ab Rumi South Point statt. Die Korallen sind mittelprächtig, wir sehen ein paar graue Riffhaie, einen Büffelkopf-Papageienfisch und meine Maske beschlägt, wenn auch nicht dramatisch.
Leider ist das mit der Maske so eine Sache. Meine ist schon viele Jahre alt und sollte eigentlich überhaupt nicht mehr beschlagen. Das ist seit vielen Taucher- und Taucherinnengenerationen ein Mirakel. Manche behaupten, dass das Silikon der Maskendichtung ausdampft, andere sind der Meinung, dass nur Spucke hilft. Einige haben ein Spezialmittel mit, andere spülen vorher mit Meerwasser aus, wieder andere kurz vorher mit Süsswasser. Dann kann man die Maske noch kurz vor dem Tauchgang aufsetzen oder schon ein paar Minuten vorher und es spielt angeblich eine Rolle, ob man das Gesicht mit Sonnencreme eingeschmiert hat oder nicht.

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Bild: Gabor, der oft in der Sonne liegt, aber mit tadelloser Maske

Ich weiß nicht, was stimmt, bei mir beschlägt die Maske sehr selten und ich habe nicht den blassesten Tau warum.
Der Tauchgang selbst ist eher chaotisch, einige wollen ins Blauwasser und auf Haie warten, andere wiederum zu den Korallenstöcken. Ein paar aus unserer Gruppe wollen eine größere Runde tauchen, andere wiederum länger an einem Platz bleiben. Die Guides können sich nicht auseinander teilen und bilden eine große Gruppe, der eine Guide bleibt hinten, der andere vorne, was aber auch nicht wirklich funktioniert.

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Bild: Auch das Beobachten kleiner Fische kann sehr nett sein. Hier einer von vielen.

Der zweite Tauchgang ist an der gleichen Stelle wie der erste, allerdings mit weniger Strömung, einem Hammerhai, mehreren Grauen Riffhaien, einem Barracuda-Schwarm und insgesamt etwas besser.

Der dritte Tauchgang ist etwas ganz besonderes. Wir fahren in die Lagune und dann mit dem Zodiac zum Riff, wo sich „Precontinent Conshelf 2“ befindet, die Reste der Unterwassersiedlung, die Jacques Cousteau vor fünfzig Jahren dort hat bauen lassen. Sie haben (das würde man heute nicht mehr machen) einen Kanal ins Riff gesprengt, damit Versorgungsschiffe in die Lagune fahren können. Dann wurden mehrere Stationen unter Wasser errichtet, in denen Taucher einige Tage bis Wochen gelebt haben. Es gibt darüber einen Dokumentarfilm, den wir uns an Bord angesehen haben.
Heute sind nur mehr zwei Objekte übrig, alles andere wurde schon vor langer Zeit abgebaut. Man kann noch in die Kuppel der Andockstation des U-Boots hineintauchen und durch eine Art kleinen Hangar schwimmen, den es daneben gibt.

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Bild: Der „Hangar“

Es ist trotzdem eines der Highlights der Tour und ich finde den Tauchgang sehr schön. Das Riff ist nicht schlecht, es gibt viele Fische, wenngleich die Korallen auch hier eher mittelprächtig sind. Man kann aber erahnen, wie toll es damals gewesen sein muss.

Der Nachttauchgang findet in der Lagune statt, das Wasser ist eher trüb und es ist für einen Tauchgang viel zu flach. Direkt unter dem Schiff beträgt die Tiefe zwar 10 Meter, aber beim Riff nur 1-3 Meter. Es gibt aber ohnehin fast nichts zu sehen, wenigstens funktioniert meine Maske.

DER FÜNFTE TAUCHTAG

Wir bleiben noch am Sha´ab Rumi und machen den Early Morning Dive noch einmal am Südplateau. Wir sehen einige Haie, sonst ist es eher unspektakulär.
Allerdings nur bis zum Schluss des Tauchgangs. Als wir zum Riff zurück tauchen, sehe ich auf einmal aus nördlicher Richtung ober uns einen großen Schatten. Ein großer Riffhai? Dann sehe ich das breite Maul und weiß: der erste Walhai in meinem Leben!
Ich habe das Glück, dass ich am nächsten dran bin und schwimme in seine Richtung, er ist etwa auf 12 Metern Tiefe und schwimmt langsam vorbei. Es handelt sich um einen jungen Walhai, vielleicht 6 Meter lang, aber auch das ist beeindruckend. Ich genieße jede Sekunde, denn der Hai schwimmt zwar gemächlich, das ist aber immer noch viel zu schnell um ihm folgen zu können. Glücklicherweise ist auch Werner relativ nah dran und kann ca. 20 Sekunden tolle Filmaufnahmen machen.
Das ist das Highlight der Tour, keine Frage! Als wir an Bord zurück sind, gibt es überall breites Grinsen, für einige KollegInnen war das auch der erste Walhai.
Hier ist der Link zum YouTube-Video:

Wir fahren weiter zum Sanganeb-Riff und tauchen am South-East-Plateau. Dort gibt es einige schöne Korallenblöcke, ein paar Grauhaie und sonst nicht viel zu sehen.

Vor dem dritten Tauchgang gehen wir den großen Leuchtturm besuchen, der dort vor langer Zeit gebaut und in den 1960er-Jahren ausgebaut wurde. Wie im Roten Meer üblich, kann man unten T-Shirts kaufen, ich besitze nur schon so viele, dass ich mir das spare.

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Bild: Vor dem Eingang gibt es die T-Shirts

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Bild: Über diese Wendeltreppe geht es hoch hinauf.

Der Blick vom Leuchtturm ist spektakulär und ich kann die Besteigung über die lange Wendeltreppe sehr empfehlen.

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Bild: Blick auf das Riff

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Bild: Blick vom Leuchtturm auf die zwei Schiffe, die in dieser Woche im Sudan unterwegs waren. Unsere Dominator liegt am Landesteg, die Blue Force 3 rechts davon.

Oben ist es extrem windig, aber die Laune ist gut.

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Bild: Alle oben am Leuchtturm

Interessant ist die Leuchtanlage des Leuchtturms. Sie besteht – wie bei so ziemlich allen Leuchttürmen dieser Welt – aus einer Fresnel-Linse, und das schon recht lange, wie uns Wikipedia aufklärt: „Eine Fresnel-Linse [f???n?l] oder genauer eine Fresnelsche Stufenlinse ist eine volumen- und massereduzierte Bauform einer optischen Linse. Sie wurde um 1822 vom französischen Physiker Augustin Jean Fresnel ursprünglich für Leuchttürme entwickelt. Das Funktionsprinzip erdachte Georges-Louis Leclerc de Buffon im Jahre 1748.“

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Bild: Fresnel-Linse

Den Nachmittagstauchgang machen wir direkt vor dem Ankerplatz und ich bin erstaunt, wie gut das Riff hier ist. Wir tauchen flach in eine Richtung und dann wieder zurück, es gibt viel zu sehen und ich entdecke eine feuerrote Anemone, die äußerst selten ist. Leider hat Peter kein Foto davon gemacht. Diesen Platz kann ich sehr empfehlen.

Der Nachttauchgang wird dafür zum Debakel. Ich habe eine unfassbar angelaufene Maske, was gerade beim Nachttauchgang extrem mühsam ist. Ich flute sie alle zwei Minuten, aber nur zehn Sekunden später ist die wieder angelaufen. Ich tauche den beiden Kollegen hinterher und kann nur auf das Ende des Tauchgangs warten, das glücklicherweise schon nach 36 Minuten ist. Es gab aber auch dort eher wenig zu sehen, der Ort heißt El Ashara.

Dafür gibt es am Abend das Gala-Diner mit dem Kapitän. Das ist üblich auf diesen Tauschschiffen und der Koch strengt sich auch ganz besonders an.

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Bild: Koch mit Abendessen. Im Hintergrund Mathias, hungrig und mit Kapuze – man merkt die langsame Auskühlung des Körpers.

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Bild: Dekoration

Der Sonnenuntergang präsentiert sich diesmal mit Schiffen, die vor Port Sudan vor Anker liegen.

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Bild: Sonnenuntergang, ganz zum Schluss des Urlaubs bei schönem Wetter

DER SECHSTE TAUCHTAG

Es ist leider der letzte, dafür fahren wir noch einmal zur Umbria, um dort die beiden letzten Tauchgänge zu machen. Diesmal tauchen wir in das Wrack hinein und besichtigen die drei Fiat Lungo, die Bomben und den Rest. Die Maske ist okay, aber ich merke, wie mein Körper von fünf Tagen Tauchen schon ausgekühlt ist und mir wird nach einer halben Stunde ziemlich kalt. Trotzdem ist der Tauchgang schön, die Umbria gibt – wie schon gesagt – für mehrere Besuche was her.
Zu meinem Pech ist mir ein Zipp beim Tauchanzug kaputt gegangen. Das ist für die letzten beiden Tauchgänge kein echtes Problem, aber sehr schade, denn ich weiß nicht, ob ich ihn sauber reparieren lassen kann. Ich mag den Anzug sehr, er sitzt perfekt und ich weiß nicht, ob ich so einen wieder bekommen kann.

Dann naht auch schon der letzte Tauchgang. Wir betauchen die Außenseite, etwa zu einem versunkenen Rettungsboot und ich probiere eine Sony-Kamera aus. Leider muss ich in Wien dann feststellen, dass alle Aufnahmen extrem überbelichtet und somit unbrauchbar sind. Filmer werde ich keiner mehr.

Ich freue mich einerseits, dass das Tauchen zu Ende ist und ich nicht noch einmal bei – relativer – Kälte in den nassen Anzug schlüpfen muss, andererseits ist es auch traurig, dass es schon wieder zu Ende ist. Wer weiß, wann ich das nächste Mal zum Tauchen komme.

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Bild: Kurz vor Port Sudan liegen zwei Wracks auf einem Riff – oder das, was davon noch übrig ist. Die Szene erinnert mich an Mad-Max-Filme

Dann fahren wir zurück in den Hafen. Die Tauchsachen werden gewaschen und getrocknet, was bei starkem Wind und – endlich – Sonnenschein sehr schnell geht.
Am späten Nachmittag machen wir dann noch einen Spaziergang am Hafen. Uns wird gesagt, dass wir das Hafengelände aus Sicherheitsgründen nicht verlassen sollen, ich halte das aber für übertrieben. Die Szenerie wirkt fremd und bizarr, aber in keiner Weise gefährlich. Ich überhöre, dass wir nicht in kurzen Hosen an Land gehen sollen, es stört aber niemand wirklich.
Ich bin ja schon lange und oft in Afrika, aber Port Sudan ist anders, exotischer, zugleich modern und alt. Es gibt eine Art Markt, wo Sudanesen und Sudanesinnen Waren verkaufen – fast alles souvenirartig, aber eher nicht für Touristen gedacht, denn die Deckel für Taschentücher sind mehr als nur kitschig. Sonst gibt es nur Tee und Kaffee, der an jeder Ecke ausgeschenkt wird.

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Bild: „Kitsch ist alles, was schöner ist als Kunst“ (Quelle unbekannt, aber vielleicht aus dem Sudan)

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Bild: Boxen für Taschentücher.

Wir marschieren auf und ab und kommen am Rande der Hafenmole zu einem Schotterparkplatz, der bis zum Wasser geht. Daneben ist eine Tauchschule, die wir interessiert beäugen. Ein Mann kommt heraus und bittet uns hinein. Das Angebot ist nicht mit Tauchbasen woanders zu vergleichen und wir sind uns nicht sicher, ob die überhaupt ein Geschäft machen, aber es könnte auch ein Anfang sein, der sich in dieser Gestalt zeigt.

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Bild: Die Tauchbasis in Port Sudan

Auf dem Parkplatz findet irgendetwas statt. Autos kommen und fahren wieder, mache mit deutschem Überstellungskennzeichen – es sieht aus wie ein illegaler Automarkt. Dann plötzlich kommen zwei Typen mit einer Vespa bzw. einer Bajaj Chetak, dem indischen Nachbau der Vespa Sprint. Das muss ich mir genauer ansehen und marschiere hin.

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Bild: Im Gespräch mit dem Fahrer

Der Fahrer ist sehr nett und lässt mich den Roller näher begutachten. Bei uns würde das als „Ratte“ durchgehen, sie ist zusammengeflickt, aber fahrtüchtig.

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Bild: Die Bajaj im Zustand „Sudan Hafen“

Plötzlich meint der Fahrer, ich könnte gerne eine Runde fahren. Das lass ich mir nicht zweimal sagen – wie oft komme ich schon zur Gelegenheit im Sudan mit einer (fast echten) Vespa zu fahren?
Ich bewältige die Runde am Parkplatz einigermaßen würdevoll und werde vom Besitzer gelobt („Good Vespa Driver“). Ich habe alle Menschen hier generell als freundlich erlebt, der Rollerfahrer war da keine Ausnahme.

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Bild: Eine kleine Runde am Parkplatz

Wenig später befinden wir uns am Rückweg, als plötzlich drei Araber herkommen und fragen, ob sie mit mir ein Foto machen dürfen. Sie freuen sich riesig und ich phantasiere, wo mein Grinser wohl auftauchen wird.

Als es Abend wird, belebt sich die Hafenmole, die Billardtische werden bespielt und überall sitzen junge und auch ältere Menschen an Tischen und spielen Karten, rauchen Sisha und trinken Tee. Die Szenerie ist friedlich und ohne jede Aggression. Tuk-Tuks kommen und fahren wieder, am Schotterparkplatz lädt ein LKW mehrere chinesische Motorräder auf, die scheinbar von der Polizei beschlagnahmt werden. Junge Gruppen legen am Gehsteig ein großes Tuch auf und machen ein Picknick, kleine Buben fahren mit selbstgebauten Dreiradlern mit Elektroantrieb, die Frauen tragen Kopftuch, es gibt aber keine Verschleierten.

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Bild: Picknick

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Bild: Die beiden Dreiräder mit Elektroantrieb.

Hier treffen Tradition und Moderne in einer Art Mix zusammen, der auf den ersten Blick naiv anmutet. Alles hier ist irgendwie zusammengewürfelt, modernste LED-Technik hier, stinkende alte Diesel dort. Es stört aber niemand.
Der Kaffee, den wir aus kleinen Kännchen trinken, kostet für uns etwa das Dreifache wie für Einheimische, was aber immer noch nur einen Euro pro Person ausmacht.

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Bild: Kaffee im Sudan

Es wird Abend und sie drehen die Palmen auf.

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Bild: Leuchtpalme

Wir gehen zurück auf´s Schiff und bekommen das letzte Abendessen. Danach sitzen wir noch an Deck und genießen bei einem ägyptischen Bier den letzten Abend. Mir graut leider schon vor der Rückreise.

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Bild: Unsere Reise, die „Sudan Nordtour“

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Bild: Unsere Guides führen genau Buch über alle Tauchgänge einer Tour

DER ABREISETAG

Unser Flug geht leider erst um 14:50 und wir starten gegen 12:30 mit dem Bus Richtung Flughafen. Einige sind am Vormittag noch ins Stadtzentrum gefahren, um sich einige Märkte anzusehen, aber mir war das zu stressig.

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Bild: Links ein modernes Safarischiff, rechts eines von vor ca. 20 Jahren

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Bild: Der Abschied fällt schwer

Am Flughafen müssen wir wieder durch alle möglichen Kontrollen, das Gepäck wird zweimal durchleuchtet, dafür ist ihnen Wasser vollkommen egal und ich kann meine Flasche mit zum Gate nehmen.
Bei der Passkontrolle drängt sich plötzlich eine vollverschleierte Frau vor und knallt ihren Pass (aus Eritrea) aufs Pult. Ehe ich reagieren kann, ist sie dran. Sei´s drum, wir haben es ja nicht eilig.
Allerdings macht sich dann eine weitere Frau auch daran, ihren Pass vor mir durchzureichen. Mir reicht es und ich strecke meinen langen Arm mit dem Pass zugleich mit ihr an den Schalter. Meiner wird zuerst genommen.
Mir ist völlig schleierhaft, was sich die dabei denken. Unhöfliche und rücksichtslose Menschen gibt es scheinbar überall auf der Welt.

Ich bitte die Dame beim Checkin mir einen Gangsitz zu geben oder zumindest einen Fensterplatz. Da wir bis nach Wien durchchecken können, bekomme ich beide Bordkarten. Mit je einem Mittelsitz.
Es ist zum Verzweifeln. Ich marschiere noch einmal zu ihr hin, sie meint, ich könnte es gegenüber am Schalter der Fly Dubai probieren. Dort ist aber niemand anwesend. Ich gehe wieder zurück und sie meint, in fünf Minuten würde jemand kommen. Das ist auch so und der Typ hat Einsicht mit meinem Problem. Gemeinsam gehen wir wieder zum Checkin-Schalter, diesmal aber zu einer anderen Mitarbeiterin. Ich bekomme einen Gangplatz bis Dubai und einen Fensterplatz von Dubai bis Wien.
Immerhin, besser als nix.

Als wir nach langem Warten das Flugzeug betreten, sitzt auf dem Fensterplatz meines Bruders… richtig: die vordrängende Araberin. Murrend wechselt sie den Platz, und zwar zu unserem Leidwesen in die Mitte zwischen mich und meinen Bruder.

Glücklicherweise ist der Flieger nicht ganz voll und wir finden zwei Plätze jenseits der Araberin. Khartoum ist in verkraftbarer Zeit erreicht, der Zusammenfluss von weißem und blauem Nil ist von oben beeindruckend. Jetzt steigen viele Leute zu, der Halbmond lässt grüßen: schreiende Babies, überforderte Sudanesen, die ihren Platz nicht finden, Gepäckstücke wie aus 1001 Nacht – sowohl die Form wie auch die Anzahl betreffend. Die Mischung aus Schlapfen, Tuch und Smartphone ist exotisch.

DUBAI

Dann, nach gefühlten 10 Stunden, fliegen wir in Dubai ein. In der Nacht wirkt die Wüste von oben bizarr – pechschwarz, mit beleuchteten, schnurgeraden Straßen, alles wirkt unglaublich künstlich, quadratisch, vom Reißbrett herunter gebaut. Der Burj Khalifa ist taghell erleuchtet und sticht wie eine überdimensionale Nadel in den Nachthimmel. Schon aus der Luft wirkt alles protzig, überdimensioniert, letztlich geschmacklos.

Nach der Landung suchen wir uns ein Taxi, was insofern nicht ganz einfach ist, als uns die ersten nicht transportieren wollen, weil unser Hotel zu nahe am Flughafen liegt.
DAs Hotel ist das „Flora Inn“ und liegt auf der anderen Seite des Flughafens, direkt an einer 4-spurigen Straße. Es besteht aus Stahlbeton, Glas und Klimaanlagen, ein moderner, seelenloser Bau. Im Zimmer komme ich mir eingesperrt vor, da man die Fenster nicht öffnen kann. Da ich Klimaanlagen nicht aushalte, verspricht es eine stickige Nacht zu werden. Peter und ich sind aber hundemüde und fallen sofort ins Bett. Vorher gönnt sich Peter noch eine Dusche. Ich verschiebe das auf den nächsten Tag, da der Abfluss verstopft ist und ich hoffe, dass das Wasser bis in der Früh abgeflossen ist.

Das Frühstück kostet 65 Dirham, das sind ca. 16 Euro pro Person. Es ist genauso geschmacklos wie das Hotel, alles ist künstlich, sogar die Marmelade. Und alles ist klein verpackt, jede winzige Butterportion ist einzeln abgepackt in ein Plastikschüsserl mit Aludeckel. Ich will jetzt gar nicht alles einzeln aufzählen, umweltmäßig ist Dubai ein einziger Supergau.

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Bild: Butter-Irrsinn

Einzig das Omlette ist so wie überall und einigermaßen genießbar, das Baguette dazu schon nicht mehr. Im Hintergrund spielen sie nichts sagende Jazzmusik, an der Wand hängen irgendwelche Bilder von irgendwo, die Ziegel an der Wand sind keine Ziegel, sondern eine Art strukturierte Plastiktapete und beim Eingang steht als Deko eine Vespa, die nichts mit einer Vespa zu tun hat, die Form ist irgendwie ähnlich.

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Bild: Die Fake-Vespa als Dekoration, hier ist wirklich nichts echt

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Bild: Die Fake-Wand

Einzig das Häusl ist okay und wir verlassen diesen Ort so schnell wie möglich Richtung Stadt, wieder mit dem Taxi, da es in der Nähe des Hotels keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt.

Wir fahren über eine 7-spurige Autobahn, rund um uns die Reichen mit amerikanischen Cabrios. Unser Ziel ist eine Mall, in der es die Skihalle gibt. Peter, Mathias und Gabor wollen Skifahren gehen und haben zwei Stunden gebucht.
Vorher kommen wir noch am Burj Khalifa vorbei:

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Bild: Das (vielleicht immer noch) höchste Gebäude der Welt

Vor der Halle befindet sich ein großer Bereich, in dem man eincheckt und die Ausrüstung geliehen bekommt. Der Bereich ist grob einer Almhütte oder etwas Ähnlichem nachempfunden. Genau genommen hat es mit einer Almhütte genau nichts zu tun, es gibt kleine Dächer aus Holzschindeln, das war es genau genommen schon.

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Bild: Die künstliche Skiwelt, hier gerade mit einem Haufen Kinder

Der Spaß kostet 55 Euro inklusive Ausrüstung für zwei Stunden. Die Piste ist 400 Meter lang und überwindet 80 Höhenmeter, eine Fahrt dauert ca. eine Minute.

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Bild: Das Angebot

Dazu gibt es einen Sessellift und einen Tellerlift, wobei letzterer die bessere Wahl ist, weil der Sessellift ständig stehen bleibt, da dort die Anfängerinnen und Anfänger aus der ganzen Welt fahren.

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Bild: Peter am Tellerlift

Ich erfahre, dass es im zweiten Stock ein Lokal gibt, von dem aus man ein Stück der Piste durch eine Glaswand beobachten kann. Das Lokal stellt sich als ein „TGI Friday“ heraus und ist leer. Ich setze mich hin und warte, bis die Jungs vorbeifahren, um ein paar nette Fotos zu schießen.

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Bild: Die Piste mit den Sicherungen

Auf der Piste gibt es Plastiktannen, alles ist narrensicher gesichert, so dass niemandem etwas passieren kann. Es fahren extrem wenig Leute, Peter, Gabor und Mathias sind mehr oder weniger allein, weil es noch recht früh ist.

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Bild: Die Anlage mit den künstlichen Tannen

Ich mache mich auf den Weg, um die Mall zu erkunden. Die Szenerie wirkt ein wenig gespenstisch, weil jetzt um 10 Uhr Vormittags die Geschäfte und Lokale erst aufsperren und generell wenig los ist.
Die Mall ist riesig, besteht aus mehreren Etagen und hat (werden wir später noch brauchen) einen U-Bahn-Anschluss. Auf einer Etage gibt es die Fressmeile. Dort sind alle Fastfood-Ketten dieser Welt vertreten, 50 oder noch mehr, ich habe sie nicht gezählt. Die Preise sind etwa wie bei uns.

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Bild: die Fressmeile

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Bild: Pizza wäre italienisch, das Lokal will kalifornisch sein und befindet sich doch in Dubai

Der Rest ist dem Konsum gewidmet, es gibt alle großen Mode- und Schmuckketten. In einer Ecke entdecke ich einen Virgin Megastore und begebe mich hinein, um zu schauen, was sie an Platten und CDs haben.
Ich merke, dass ich aus einer anderen Zeit stamme, es gibt zwar eine kleine Ecke mit Tonträgern, 95 % des Geschäfts sind aber Spielzeug und Computerspielen gewidmet.
Juwelen, Fetzen, Parfums, Candys – alles, was Menschen nicht brauchen, aber glauben, dass es sie glücklich macht. Das Shopping dient wohl in erster Linie dazu, die Langeweile des eigenen Lebens zu überdecken. Gegen meine Langeweile hilft das leider nicht, ich entkomme dem Shoppingwahnsinn aber nicht zur Gänze und kaufe mir eine Badehose, weil ich seit längerer Zeit schon eine brauche. Bezahlen kann man alles mit Kreditkarte, selbst die Candys an den kleinen Ständen, die es überall gibt.

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Bild: Der Stil des Einkaufszentrums ist deswegen schwer beschreibbar, weil es keinen hat. Es ist eine Mischung aus irgendwas.

Ich habe mir überlegt, auch auf den Burj Khalifa zu gehen, aber erstens funktioniert mein Google-Account aus unerfindlichen Gründen nicht, zweitens ist es an diesem Tag etwas trüb, drittens ist es relativ teuer (37 Euro für die 125. Etage und 100 für ganz oben) und viertens habe ich irgendwie einen Widerwillen hier mehr Geld zu lassen als notwendig.

Also marschiere ich nach den zwei Stunden wieder zur Skihalle, um die Jungs abzuholen. Bei einem Standl gibt es als Erinnerung an das Ski-Erlebnis Löwen aus Plüsch zu kaufen. Wieso Löwen? Mir fällt wenig ein, das mit Skifahren so wenig zu tun hat wie Löwen (Tiger gibt es auch). Andererseits – warum nicht? Das Skifahren hat hier auch nur wenig mit Skifahren zu tun, genau genommen ist alles egal, es gibt hier keine Kultur irgendwelcher Art, außer die Anbetung des Mammons. Es geht um den kurzen Adrenalinstoß des Kauferlebnisses, das ist alles. Was gekauft wird, spielt überhaupt keine Rolle. Überhaupt keine.

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Bild: Löwen und Tiger. Vielleicht glauben die Leute, dass es diese Tiere in den Alpen gibt

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Bild: Wer vom künstlichen Erlebnis noch nicht genug hat, kann sich noch künstliche Schneeflocken aus Plastik mitnehmen

Den Jungs hat das Ski-Erlebnis gut gefallen und wir gehen zum McDonalds – weil´s schon wurscht ist. Danach fahren wir mit der U-Bahn Richtung „Creek“, weil sich Gabor die Altstadt von Dubai ansehen möchte. Tickets für die U-Bahn zu kaufen ist gar nicht leicht, irgendwie nimmt das System nicht alle unsere Kreditkarten, eine nette Angestellte hilft uns aber unkompliziert.
Die U-Bahn ist auch keine U-Bahn, sondern eine Hochbahn, die fahrerlos unterwegs ist. Sie ist schnell und billig und es gibt drei Linien in dieser riesigen Stadt. Ein paar Busse gibt es auch, aber die Mehrzahl der Menschen fährt hier mit dem Auto.

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Bild: Eine U-Bahn-Station

Da die Zeit knapp wird, schaffen wir es nicht mehr bis in die Altstadt und sehen nur das Fake-Modell der Altstadt, das sie daneben aufgebaut haben. Das ist aus Plastik, so wie fast alles hier.

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Bild: Die Fake-Altstadt

Es wird gebaut wie verrückt, ein Wolkenkratzer schießt neben dem anderen in den Himmel und mich erinnert das alles an den Turmbau zu Babel. Man darf gespannt sein, ob die Geschichte hier auch so ausgeht.
A pro pos Sünde: Prostitution ist hier streng verboten, was aber natürlich nicht bedeutet, dass es das in den Emiraten nicht gibt. Es funktioniert nur anders. Man lässt hier Karten auf den Gehsteig fallen. Darauf befindet sich eine Telefonnummer. So geht das hier.

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Bild: Karten

Dann fahren wir mit der Metro zum Flughafen. Das Einzige, was ich hier wirklich gut finde, sind die Trinkbrunnen. Generell muss man dem Flughafen aber auch zugestehen, dass er sehr gut organisiert ist. Bei einer Kontrolle werde ich abgesondert und muss zum „Schalter C“ – was auch immer dort anders ist als bei den anderen Schaltern. Ein gelangweilter Beamter blättert lustlos in meinem Pass und winkt mich dann gelangweilt durch. Ich finde Peter nicht, der in einer Lounge sein müsste, aber scheinbar woanders ist. Der Whatsapp-Anruf funktioniert nicht und ich beschließe, zum Gate zu gehen.
Dort beschließe ich noch einmal mein Glück zu versuchen und gehe zu einer netten Dame am Schalter. Ich erzähle wieder meine Geschichte (groß, brauche Platz und ob noch irgendwo was frei wäre, vielleicht sogar in Reihe 37…) und tatsächlich: sie tauscht mir die Bordkarte aus und ich sitze wieder beim Notausgang.
Diesmal habe ich sogar besonderes Glück, weil der Platz neben mir nicht besetzt ist, obwohl die Maschine wieder knackevoll ist. Die nette Dame am Schalter meint noch, dass dieser Platz eigentlich einen ordentlichen Aufpreis kostet und wünscht mir einen guten Flug.

Über ebendiesen Flug gibt es wenig zu berichten, ich schaue mir zwei Filme an – einer davon gut, der andere schlecht, und irgendwie vergehen die sechs Stunden bis Wien einigermaßen erträglich.
Wir landen in Wien, wo uns Vanessa abholt. Auch das Gepäck ist da und so geht ein interessanter, aber auch durch die mühsame Reise durchwachsener Urlaub zu Ende.