Griechenland 87 – ein Sommer wie von STS besungen

Es ist Sonntag Abend und ich sitze auf meiner Couch. Plötzlich summe ich „I still haven´t found what I´m looking for“ und habe große Lust, die Nummer sofort anzuhören.
Also marschiere ich zum CD-Regal und greife ganz nach unten, zur neunten CD, die ich je gekauft habe: U2 – The Joshua Tree. Ich bin begeistert, wie gut die Scheibe heute noch ist, irgendwie nicht tot gehört, zeitlos, vielleicht wirklich die beste CD, die U2 je gemacht hat.

Und dann kommen die Erinnerungen. An den Griechenland-Urlaub im Juli 87. Eine Geschichte nach der anderen fällt mir ein. Und es wird Zeit, sie wieder an die Oberfläche zu holen und aufzuschreiben – oder besser: einzutippen.
Leider gibt es von diesem Urlaub keine Fotos – zumindest keine, die ich zur Verfügung habe. Handys gab es damals noch nicht, Digitalkameras natürlich auch nicht und keiner von uns hatte einen Fotoapparat mit. So bleiben nur die Erinnerungsbilder im Kopf.

Eigentlich beginnt die Geschichte noch viel früher, nämlich im Sommer 1980, als mein Vater meine Geschwister und mich in seinen damals brandneuen Puch G einlud und wir alle nach Griechenland fuhren. Das Ziel war die Ostseite von Sithonia, dem mittleren Finger der Halbinsel Chalkidike.
Dort gibt es eine Küstenstraße und mein Vater wollte dort campen, wild und direkt am Meer. Eine Bucht gab es nicht und so schlugen wir die Zelte einfach irgendwo auf. Das war damals noch möglich und mehr oder weniger erlaubt.
Viele Jahre später, im Frühjahr 1986, fuhren wir wieder hin. Ich schon mit meinem ersten, eigenen Auto, 19 Jahre alt, frisch vom Bundesheer abgerüstet.
Wir zelteten damals in einem wilden Oleandertal, an das ich mich noch erinnern und glücklicherweise auch finden konnte. Es war der wahrscheinlich schönste Urlaub meines Lebens.

Ein Jahr später fuhr ich noch einmal hin, diesmal in einer anderen Konstellation. Mit dabei waren der Schmidl und der Georg. Ich weiß nicht mehr, warum wir uns gerade für diesen Urlaub entschieden. Georg war ein Jahr davor auch dabei und wahrscheinlich fiel uns auch einfach nichts besseres ein. Dort kannten wir uns wenigstens schon gut aus und so borgte ich mir einen alten, grünen Audi 100 aus, da mein eigenes Auto kurz davor aufgrund von Rost einfach mehr oder weniger zerfallen war.
Der Audi war in mittelprächtigem Zustand, hatte immerhin ca. 100 PS und somit das Doppelte von meinem alten Golf. Ich würde mit so einem Auto heute gar nirgends mehr hinfahren, aber damals war uns das egal. Springt die Kiste an? Ja. Rinnt irgendwo was aus? Nein. Passt.
Wir hatten sehr wenig Geld und viel Optimismus, wir waren unglaublich unbekümmert und packten einfach Campingequipment zusammen, wobei ich mir das meiste von meinem Vater ausborgen konnte.
Zwei Zelte, Schlafsäcke, Matten, ein wenig Geschirr und ein paar T-Shirts, sehr viel mehr brauchten wir nicht.

Was wir aber sehr wohl brauchten, waren Benzingutscheine, ohne die man in Jugoslawien keinen Sprit bekam oder nur viel teurer – so genau weiß ich das nicht mehr.
Wir fuhren einfach los und kamen auch gut über die Grenze nach Ungarn. Das war damals nicht so einfach wie heute, der Ostblock war noch stark und für Ungarn musste man einen „Adatlap“ ausfüllen, ein kompliziertes Formular. Aber das waren wir gewohnt.
Mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen nahmen wir es nicht so genau und so wurden wir in einer Ortschaft von der ungarischen Polizei aufgehalten. Weil wir durch Ungarn nur schnell durchfahren wollten, hatten wir keine Forint mit, nur jugoslawische Dinar und griechische Drachme und natürlich Schillinge.
Nach längeren Verhandlungen gaben uns die Ungarn zu verstehen, dass sie weder Drachme noch Dinar wollten und ließen uns einfach weiterfahren.

Ich weiß nicht mehr viel von der Fahrt, der Georg und ich wechselten uns ab, weil der Schmidl damals noch keinen Führerschein hatte – oder umgekehrt? Jedenfalls hielt der Audi durch und nach 20 Stunden durchgehender Fahrt kamen wir zu unserem Zeltplatz im Oleandertal. Aus heutiger Sicht war das der komplette Wahnsinn, denn wir waren natürlich komplett übermüdet – und Red Bull war noch nicht erfunden. Vor allem gab es in Jugoslawien noch keine Autobahn, erst wieder ab der griechischen Grenze in Gevgelija. Wir mussten die alte „Autobutt“ fahren – die damals gefährlichste Straße von überhaupt, die sogenannte „Gastarbeiterroute“, auf der im Sommer gefühlte Millionen uralter Ford Transits unterwegs waren, vollgestopft mit türkischen Familien am Weg nach Ostanatolien. Jedes Überholmanöver ein Hasardspiel.
Und dann die Fahrt durch Thessaloniki, eh schon hundemüde und damals gab es ja kein Internet, d.h. wir mussten nach Karte fahren und Tankstellenverzeichnis gab es auch keines, von Handys ganz zu schweigen.

Als wir im Oleandertal ankamen, war es fast wie im Vorjahr. Nur der wildromantische Bach war kleiner, aber wir fanden unseren alten Zeltplatz wieder.
Das war eine komplett andere Zeit, offiziell war es damals schon nicht erlaubt wild zu zelten, aber wir hatten im Jahr davor Jannis kennengelernt, einen alten Ziegenhirt, und dem waren wir sympathisch. Sein Sohn Christos war der zuständige Feuerpolizist und so bekamen wir eine inoffizielle Sondererlaubnis. Wir durften halt kein Feuer machen und mussten aufpassen, aber das war sowieso Ehrensache. Außerdem kam Jannis fast jeden Tag einmal mit seinen Ziegen vorbei.
Der einzige echte Unterschied zum Jahr zuvor war ein riesiger Sandhaufen, den ein Bagger neben unserem Platz aufgeschaufelt hatte. Das Tal war sonst menschenleer, wir waren die einzigen dort, alle paar Tage kamen zwei, drei verirrte Wanderer vorbei – wenn überhaupt. Wenn wir ins Dorf fuhren, ließen wir unsere Sachen einfach im Zelt. Es ist nie etwas weggekommen.

Es gab einen Weg in das Tal hinein, den man mit einem Auto befahren konnte, wenngleich es auch ziemlich holprig war. Am Ende des Weges war unser Zeltplatz. Von da ging ein schmaler Pfad weiter, den man nur mit einem Geländewagen befahren konnte, was mein Vater 1980 auch getan hatte. Es ging dort auch relativ steil die Hügel hinauf, bis auf den Berg Itamo. Es war alles von Feuerstraßen durchzogen, sonst aber so wild, wie nur möglich.

Ein paar hundert Meter oberhalb unseres Zeltplatzes gab es einen kleinen Teich, in dem man baden konnte. Hohe Pinien, das laute Zirpen der Zikaden, eine wilde Geruchsmischung aus zahllosen Kräutern und eben jede Menge blühender Oleander an den Flanken des Baches.

Leider gibt es dieses Tal in seiner alten Pracht nicht mehr, der Bach wurde einige Jahre später weiter oben in ein anderes Tal zu einem Hotelkomplex umgeleitet und das romantische Oleandertal ziemlich zerstört. Als ich das erfahren habe, hat es doch ziemlich weh getan. Mein Unverständnis für die blinde Zerstörung der Natur aus Profitgier machte mich damals schon wütend, vielleicht ist da in mir der Grüne gewachsen, der ich heute bin.

1987 war die Welt dort noch heil. Und wir waren Anfang unserer Zwanziger und wollten einen Sommer in Griechenland erleben, mit allem, was dazu gehört.
In den 1980ern waren das Disko, dunkelbraune Haut und Coolness. Und wir waren die coolsten, das war von vornherein klar. Und dass das im Dorf Sarti auch alle merken sollten, war noch viel klarer.
Also bauten wir zuerst einmal unsere Zelte auf, ich hatte mein kleines, grünes Marechal-Kuppelzelt (und habe es bis heute), Schmidl und Georg schliefen in einem anderen. Damals musste ich lernen, dass es eine große Rolle spielt, wo man sein Zelt aufbaut. Und zwar spätestens am nächsten Morgen, wenn die Sonne aufgeht und ein dunkelgrünes Zelt in einen Backofen verwandelt, vor allem in Griechenland im Juli. Der einzige, mehr oder weniger erwünschte Nebeneffekt besteht darin, dass man trotz ordentlichem Rausch am Vorabend verlässlich aufsteht, wenn die Sonne auf´s Zelt scheint, was in Griechenland im Juli verdammt früh der Fall ist.

Wir waren punkto Campingequipment hervorragend ausgestattet, vor allem Dank der Erfahrung aus dem Jahr davor. Außerdem brauchten wir nicht wirklich viel, das Gewand beschränkte sich auf T-Shirts, kurze Hosen und Espandrillos, am Abend vielleicht eine lange Hose und ein luftiges Hemd. Wir mussten auch nicht viel Essen kochen, da wir das Frühstück meistens verschliefen, zu Mittag zu faul zum Kochen waren und daher vor allem Früchte zu uns nahmen, vielleicht einmal eine Eierspeis oder ähnliches, Weißbrot mit Paradeiser und Gurken – alles, was schnell hergerichtet war und wofür wir keinen Kühlschrank brauchten, den hatten wir nämlich nicht dabei.
Es ist heute schwer vorstellbar, mit wie wenig Dingen wir auskamen und dabei genauso zufrieden waren wie heute mit einem Campingmobil um 100.000 Euro. Wir hatten den alten Audi und wenig Ansprüche.
Und wir hatten wenig konkrete Pläne für den Urlaub. Wir wollten die Schönheit der Wildnis von Sithonia genießen, eine Menge Gaudi haben, abends im Dorf abhängen und einfach eine nette Zeit erleben.

Da es ziemlich heiß war, wanderten oder fuhren wir unter Tags gerne nach vor zum Meer um zu baden oder machten einen kleinen Spaziergang zum kleinen See. Die schon erwähnte Bräunung spielte dabei eine große Rolle, sie war Teil der geplanten Coolness und letztlich dazu da, die Mädels zu beeindrucken, die wir ja hoffentlich kennenlernen würden.

Schon am ersten Abend fuhren wir die sieben Kilometer nach Sarti, um die Lage zu checken und unseren Hunger zu stillen. Es gab dort jede Menge Tavernen im Ort und am Strand, das Essen war sogar für unsere schmale Börse leistbar und von guter Qualität. Kalamari, Fisch, Moussaka, Spieße und natürlich den griechischen Salat. Nach dem Essen gab es eine Reihe Bars, um sich ein kühles Bier zu organisieren oder einen Cocktail. Und es gab eine Handvoll Diskos, die wir alle abklappern mussten.
Ich erinnere mich an die Lokale nur sehr dunkel, beim Bier hatten wir auf jeden Fall die Auswahl zwischen Amstel und Henninger und auch hier waren die Preise sehr moderat.

Heute wäre eines der größten Probleme, wie wir nach einem feuchtfröhlichen Abend nach Hause in unser Oleandertal kommen würden. Damals war das komplett egal, gefahren wurde in fast jedem Zustand, der noch irgendwie eine halbwegs brauchbare Überlebenschance auf der extrem kurvigen Küstenstraße erkennen ließ. Da der Schmiedl ja noch keinen Führerschein hatte, war meistens ich der Fahrer.
Aus heutiger Sicht war das ein Wahnsinn, reihte sich aber gut in den dort üblichen Wahnsinn junger, griechischer Männer ein, die in Shorts und Espandrillos und in jedem Fall ohne Helm mit schweren Maschinen herumbrausten. Zahlreiche Kreuze am Straßenrand machten damals schon deutlich, dass das nicht immer gut ging.
Die Sorglosigkeit dieses Urlaubs war uns damals selbst nicht bewusst, sie war einfach da und selbstverständlich. Es war Sommer, wir waren in Griechenland und das Leben war so wolkenlos wie der Himmel.

Ich kann mich noch gut an die Situation erinnern, als beim Essen neben uns eine kleine Gruppe aus Wien saß. Ich weiß nicht mehr genau, wie wir sie kennenlernten, aber es war wenig später der Fall. Kathi mit ihrem Freund, Dagmar und XX – sie wohnten in einem Hotel im Ort, waren ebenfalls für 2-3 Wochen da und zu viert mit einem alten Mazda 323 hergefahren.
Wir wussten damals noch nicht, dass sich daraus eine nette Freundschaft ergeben würde, die über den Urlaub hinaus halten sollte. Wir trafen uns einfach am Abend und zogen gemeinsam durch´s Dorf.

Dieser Urlaub sollte auch ein paar der legendärsten Geschichten hervorbringen, die wir in unserer Jugend zusammenstecken konnten.
Die erste beginnt an einem der Morgen, an denen ich von der Hitze schon recht früh aus dem Zelt getrieben wurde. Da die anderen noch schliefen, beschloss ich ins Dorf zu fahren und einzukaufen. Mich überkam noch rechtzeitig der Gedanke, dass die Schlafmützen recht ang´fressen wären, wenn ich ihnen nichts mitbringen würde. Also weckte ich sie so sanft aus, wie mir das nur möglich war. Die Reaktion war ein böses Fauchen, wobei ich mich an den genauen Wortlaut nicht mehr erinnern konnte, irgendwas mit „Schleich di, lass uns schlafen“ wird schon dabei gewesen sein.
Also schlich ich mich und fuhr ins Dorf. Neben frischem Brot und Gemüse kaufte ich auch sogenannte „Yannis-Riegel“, das waren geschnittene, viereckige Stücke aus Nüssen und Honig oder Sesam und Honig.
Und natürlich kaltes Cola für die Jungs.

Als ich zurück kam, waren sie immer noch nicht wach, konnten aber eine Hand aus dem Zelt strecken und das kalte Cola hineinziehen.
Später saßen wir dann bei einem späten Frühstück, so gegen 13 Uhr muss das gewesen sein, und ich gab den beiden die Yannis-Riegel, die ich als absolute Köstlichkeit zu schätzen gelernt hatte.
Schmiedl unterlief allerdings genau jetzt ein folgenschwerer Fehler. Er dachte, dass die Riegel etwa in der Konsistenz eines Müsli-Riegels wären und biss herzhaft hinein.
In Wirklichkeit waren die Dinger steinhart und man musste sie vorsichtig abknabbern.
Dieser Unterschied war entscheidend für Schmidls oberen Schneidezahn, der spontan beschloss, den Besitzer zu wechseln und im Riegel stecken zu bleiben.
Es handelte sich nämlich um einen Stiftzahn, was wir vorher nicht wussten, und jetzt mit Erstaunen, gefolgt von brüllendem Gelächter zu Kenntnis nahmen. Das Gesicht von Schmidl habe ich heute noch vor mir, wir sind fast gestorben beim Anblick der Zahnlücke.
Schmidl hätte es auch durchaus gerne gesehen, wenn wir gestorben wären, er fand das nämlich ganz und gar nicht lustig. „Wof foll i jepft mochn, i fau auf wie a Volltrottel“ waren in etwa seine Worte. Wir lagen am Boden und wälzten uns im Staub.

Irgendwann hatten wir fertig gelacht und waren bereit, dem armen Schmidl zu helfen, dessen Disko-Coolness mit einer fetten Zahnlücke auf der Stelle gegen Null gehen würde.
Also musste ein Plan her, denn uns war klar, dass ein ständig ang´fressener Freund auch unserem Urlaub nicht gut tun würde. Die Option Zahnarzt gab es aus irgend einem Grund nicht, also mussten wir eine Möglichkeit finden, den Zahn irgendwie wieder in den Mund zu bekommen, konkret: hineinzukleben.
Wenig später saß ich im Audi und raste nach Sarti, um Superkleber oder etwas ähnliches zu kaufen. Dummerweise gab es nichts dergleichen, in keinem der greißlerartigen Geschäfte, und ich klapperte sie alle ab.
Also wieder zurück zum inzwischen ziemlich verzweifelten Schmidl, dem die Nachricht, dass ich ohne Erfolg zurückgekommen war, nicht eben zur Freude gereichte.
Und dann kam der legendäre Satz: „Ef Oaflächa, fiats mi sofoat noch Falloniki, i foa ham.“

Diese nicht sehr erfreuliche Aussicht brachte unsere Gehirnzellen zum Arbeiten, nachdem wir uns wieder eine Runde vor Lachen im Staub gewälzt hatten.
Dann kam mir der rettende Gedanke: Weil der Audi damals eine seltsame Konstruktion der Rückspiegelbefestigung hatte – er war auf die Windschutzscheibe geklebt – und ich wusste, dass er von Zeit zu Zeit runterzufallen pflegte, hatte ich aus Wien einen Zwei-Komponenten-Kleber mitgenommen.
Wir beschlossen, damit dem Schmidl den Zahn wieder in die Pappn zu kleben. Das Hauptproblem bestand darin, eine ruhige Hand zustande zu bringen, was vor lauter Lachen eine ordentliche Herausforderung darstellte. Georg und ich konnten uns nur schwer beruhigen, vor allem, weil der Kleber 30 Minuten Trocknungszeit verlangte. Und der Zahn in dieser Zeit nicht bewegt werden durfte.
Ich weiß nicht mehr ganz genau, wie wir das geschafft haben. Ich weiß nur, dass Georg dem Schmidl währenddessen mit einem Strohalm Wasser auf der Seite des Mundes einflößte.
Irgendwann war der Kleber trocken und Schmidl konnte wieder lachen. Als er zwei Wochen später in Wien zum Zahnarzt ging, rüttelte der nur am Zahn und meinte, dass er in drin lassen würde. Er hielt noch weitere zwei Jahre, wenn ich mich richtig erinnere.

Also alles wieder gut. Dass wir das am Abend in Sarti ordentlich feiern und begießen müssen, war klar. Und irgendwie war auch klar, dass die Geschichte mit dem Zahn nicht das einzige Erlebnis bleiben sollte.
An einem der nächsten Abende lernten wir in der Disco ein paar Griechinnen kennen, die sich als der weibliche Teil der griechischen Rudernationalmannschaft herausstellten. Was sich in dieser Nacht genau abspielte, kann ich bei bestem Willen nicht mehr rekonstruieren, ich weiß nur noch, dass wir am nächsten Tag am Strand aufwachten, und zwar im Audi. Es stellte sich heraus, dass wir irgendwann von der Disko noch zum Meer gefahren sein mussten und dort mit dem Audi uns im Sand eingegraben hatten. Scheinbar konnten wir ihn nicht mehr frei machen und sind einfach eingeschlafen, mit offenen Türen, irgendwie auf den Sitzen liegend, mit Verrenkungen, die ich mir heute ebenfalls nicht mehr vorstellen kann. Die Griechinnen waren weg, dafür waren jede Menge Badegäste rund um uns herum, die uns alle ziemlich erheitert bewunderten. Zumindest hoffe ich, dass sie uns bewunderten, ich verstehe kein Griechisch.
Gemeinsam mit ein paar jungen Griechen schoben wir die Kiste aus dem Sand und fuhren nach Hause, mit einem ordentlichen Brand und großem Schädel.

So und so ähnlich verliefen die Nächte, an den Tagen ruhten wir uns aus, mehr oder weniger war es das. Wer heute die Partylaune junger Menschen kritisiert, sollte an die eigene Jugend zurück denken, wir jedenfalls hatten außer Strand, Disko, Saufen und Mädchen genau nichts im Kopf. Die Erinnerungen bestehen aus Fragmenten, etwa aus dem Tanzwettbewerb in der Disko, der wahrscheinlich an einem Samstag Abend stattgefunden hat und an dem wir natürlich teilnahmen. Die Musik durfte man sich aussuchen und wir wählten „Real wild child“ von Iggy Pop. Dazu tanzten wir eine Mischung aus Pogo und Ska, genau genommen irgendetwas, bei dem wir wie wild auf der Tanzfläche herumhüpften, die Beine in die Höhe rissen und uns gegenseitig anrempelten. Ich glaube mich zu erinnern, dass die Anwesenden das gar nicht so lustig fanden, wir waren von uns jedenfalls begeistert und hatten riesigen Spaß.

Irgendwann, genauer nach drei Wochen, war der Urlaub zu Ende und wir packten unser Klumpert für die Heimreise. Unser Bach war merklich geschrumpft und wir hatten auch nicht vor gehabt länger zu bleiben. Jedenfalls stand uns eine lange Heimreise bevor, die glücklicherweise ohne größere Zwischenfälle verlief. Also bis auf einen, an den ich mich gut erinnern kann. Eigentlich zwei, aber der zweite war bereits daheim.
Wir fuhren irgendwo durch Jugoslawien, ich war hundemüde und wir mussten tanken. Dazu muss ich anmerken, dass das ganz anders war als heute. Um bei der Tankstelle Benzin zu bekommen, brauchte man Tankgutscheine – zumindest war das Benzin damit wesentlich billiger. Ich hatte sie in Wien besorgt und sorgsam gehütet, weil wir sie bei der Rückfahrt brauchten.
Georg wurde zahlen geschickt, kam zurück und wir fuhren weiter. Irgendwann, wahrscheinlich bei der nächsten Pinkelpause machte ich einen Blick in unsere Reisebörse und war leicht geschockt – die Benzingutscheine waren weg, alle oder fast alle, glaube ein oder zwei waren noch da.
Georg wurde zur Rede gestellt und erklärte, dass er nicht genau gewusste hätte wie viel wir zu zahlen hätten und so hätte er dem Tankwart einfach alle Gutscheine in die Hand gedrückt, auf dass dieser sich nehmen sollte, was es eben ausmacht.
Und das tat dieser auch, nicht zu knapp.

Nach einer gefühlten Ewigkeit waren wir dann in Wien, die Rückfahrt hatte 20 Stunden gedauert, ohne nennenswerte Pausen. Ich stellte den Audi daheim ab, schnappte mir meinen kleinen Reiserucksack mit den Wertsachen und ging hundemüde ins Bett. Der verdiente Schlaf dauerte aber nicht lange, denn meine Großmutter rief an, um mir mitzuteilen, dass die Feuerwehr bei unserem Audi stehen würde. Dazu muss man wissen, dass ich damals im 17. Bezirk wohnte und der Weg zur Straße, in der der Audi stand, den halben Schafberg hinunter führt. Es stellte sich heraus, dass ein Benzinschlauch gerissen und der Tankinhalt auf die Straße geflossen war. Die Feuerwehr hatte bereits alles abgesichert und den ausgelaufenen Sprit gebunden und ich wusste, dass das jetzt ganz zum Schluss noch ein wirklich großes Loch in die Reisekasse reissen würde.
Immerhin konnte ich jetzt schlafen gehen.

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