Letztes Jahr waren es die 14 Wiener Stadtwanderwege und der Rundumadum (Weg rund um Wien, siehe Blogbeitrag), jetzt brauche ich neue Bewegungsmöglichkeiten.
Martin, ein lieber Kollege, hat mir schon vor längerer Zeit erzählt, dass er einmal rund um Währing gegangen ist. Damit hat er sozusagen die Ränder unseres Bezirkslogos nachgezeichnet.
Bild: Das Währinger Bezirkslogo. Es steht für die Vielfalt in unserem Bezirk.
Und er hat auch erzählt, dass das gar nicht so einfach war. Also die allermeisten Abschnitte schon, aber dann gibt es ein paar Stellen, die nicht so ganz unproblematisch sind.
Das muss ich ausprobieren. Und heute ist ein ruhiger Sonntag, das passt. Wetter gut, bewölkt, so um die 20 Grad, gegen Mittag haben sie ein bisschen Regen angesagt, das sollte nicht weiter stören.
Ich starte um 10:43 unten am Gürtel, Ecke Anastasius-Grün-Gasse, einfach weil ich dorthin nur ein paar Minuten gehe, in die Runde kann man ja überall einsteigen. Und ich gehe gegen den Uhrzeigersinn, ohne besonderen Grund.
Ein Rucksack mit Regenjacke, Wasser, einem Apfel und einer Packung Mannerschnitten müssen reichen. T-Shirt und kurze Hose, Laufschuhe, Sonnenbrille quasi in Reserve.
Die Route ergibt sich aus der Bezirksgrenze, die auf wien.gv.at zu finden ist. Ich habe sie vom Bildschirm in Teilen abfotografiert und arbeite mich sozusagen von Foto zu Foto durch. Hier eines davon:
Bild: Die violette Linie ist die Bezirksgrenze, hier führt sie rund um den Michaelerberg an der Höhenstraße entlang.
Das kombiniere ich mit Bergfex, diese App schätze ich schon seit langem, sie führt mich fast auf den Meter genau und es gibt nur selten Wege, die es dann gar nicht gibt. Sie greift auf die Alpenvereinskarten zu, die stimmen einigermaßen. Auch wenn man kein Fan des Smartphone-Irrsinns unserer Gesellschaft ist, für Wanderungen ist das schon ausgesprochen praktisch.
Gleich zu Beginn die erste Herausforderung: Ecke Gürtel/Döblinger Hauptstraße führt die Bezirksgrenze mitten durch ein Haus.
Mitten durch oder drüber geht nicht, also rundherum. Gleich hinter dem Jüdischen Friedhof muss ich ebenfalls ausweichen, auch hier hält sich der notwendige Umweg aber in Grenzen.
Und weil das nicht genug ist, kommt ein paar hundert Meter weiter schon die nächste Sackgasse: Laut Plan muss ich links am Dolmetsch-Institut vorbei (der alten Hochschule für Welthandel, wie die Wirtschaftsuniversität früher hieß).
Das geht aber nicht, da gibt es kein Durchkommen, also rechts vorbei.
Danach wird es einfach, die Strecke deckt sich zum Großteil mit einer meiner Laufrouten und führt über die Hasenauerstraße hinauf durchs Cottage zum Türkenschanzpark, an der Boku vorbei quasi immer am Bergrücken bergauf. Und gleich am nächsten Friedhof vorbei.
Bild: Die Universität für Bodenkultur. Dieser Teil steht auf der anderen Straßenseite und befindet sich somit in Döbling.
Ich gehe auch durch die Büdingergasse, wo ich das erste Jahr meines Lebens gewohnt habe. Bin quasi Ur-Währinger.
Weiter bergauf komme ich zum Sommerhaidenweg, von wo aus der Blick hinüber auf den Hermannskogel (höchster Punkt Wiens) schweift, und nach einer Stunde Marsch ist auf einem Bankerl die erste kurze Rast fällig.
Bild: Der Blick hinüber auf Dreimarkstein und Hermannskogel ist sehr fein, unten liegen Neustift am Walde und Salmannsdorf
Bild: Der Sommerhaidenweg ist eine beliebte Rad- und Laufstrecke
Dann bin ich oben an der Höhenstraße. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt Wasser nachzutanken, der Türkenbrunnen im Türkenschanzpark, der quasi nur zehn Meter Umweg verlangt, ist leider nicht in Funktion. Hier oben gäbe es einen Hydrant, der hat aber keine Pumpe und ist somit unbrauchbar.
Schade – es gibt übrigens auch sonst am Weg rund um Währing keine Möglichkeit Wasser nachzufüllen.
Dafür kommt jetzt die erste kleine Herausforderung. Die Bezirksgrenze verläuft nämlich auf der anderen Seite der Keylwerthgasse und dort ist kein Weg. Glücklicherweise wurde gemäht und so kann ich auf dem schmalen Streifen bis zur nächsten Kreuzung, bei deren Überquerung Vorsicht angesagt ist, die meisten Autofahrer sind hier flott unterwegs.
Neben diesem Streifen befindet sich übrigens eine Art Refugium. Hier die Website dazu: http://www.himmelshof.at
Bild: Die enge Stelle will mit Vorsicht begangen werden.
Dreck findet sich auf diesem Weg rund um Währing eigentlich nur an der Höhenstraße. Leider schmeißen immer noch viele Autofahrer ihren Müll einfach beim Fenster raus. Mit großem Abstand führend sind Red Bull Dosen. Warum auch immer.
Bild: Das beliebteste Objekt zum Rauspfeffern aus dem Autofenster
Jetzt geht es bergab an der Höhenstraße entlang. Für alle, die es genau nehmen und dem Bezirksgrenzenverlauf wirklich möglichst exakt folgen wollen, bietet sich der alte asphaltierte Weg direkt neben der Straße an. Selbstverständlich kann man auch daneben auf dem neu asphaltieren Kombiweg für Radfahrer und Fußgänger gehen. Das ist angenehmer als neben den Autos.
Bild: Der alte Weg direkt neben der Höhenstraße
Unten komme ich zur sogenannten „Meierkurve“, wo sich vor sehr langer Zeit das Gasthaus Meier befand. Dort zweige ich links in den Wald ab, auf einen kleinen Weg direkt neben dem Bach.
Bild: Der sogenannte „Kräuterbach“
Da hilft Bergfex sehr, denn kurze Zeit später müssen wir links steil hinauf. Es folgt die anstrengendste Passage, denn es geht diretissima auf den Michaelerberg. Die Bezirksgrenze zu Hernals wurde in einem Graben gezogen, der eher nicht die beste Routenwahl darstellt. Gleich rechts daneben führt ein Weg, der gut begehbar wäre, gäbe es nicht die umgestürzten Bäume.
Bild: Links der Graben, rechts der Weg. Was man hier nicht sieht: Es geht wirklich steil bergauf.
Wir befinden uns hier im Biosphärenreservat Wienerwald und zwar in einer der sogenannten Kernzonen. Hier wird der Wald so belassen wie er ist und daher werden auch nur die Hauptwanderwege von Ästen und Bäumen befreit. Wir befinden uns nicht auf so einem Weg.
Bild: Am steilen Weg bergauf gilt es ein paar Baumstämme zu überqueren
Nach einiger Zeit bin ich oben am Michaelerberg angekommen, der dortige Weg ist breit und schön und führt geradeaus bis zu einer Kleingartensiedlung, von wo es wieder bergab geht.
Bild: Dieser Weg führt oben am Kamm entlang. Links hinunter gehen alle vierzig Meter sogenannte „Rückegassen“, die hier verwendet werden, um den Wald zu bewirtschaften und in Ordnung zu halten. Inzwischen gibt es aber noch neuere Konzepte, dieses ist aber schon extrem fortschrittlich im Gegensatz zu dem, was sonst gemacht wird. Der hiesige Förster, Herr Lauscher, achtet sehr genau auf unseren Wald und seine Gesundheit.
Dort oben gibt es auch einen der vielen Wasserspeicher, die für die Versorgung Wiens gebraucht werden. Dieser liegt etwas versteckt und ist auch nicht sehr groß.
Bild: Sieht unspektakulär aus, ist aber sehr wichtig.
Am Ende des fast schnurgeraden Weges geht es bei einer weiteren Kleingartensiedlung gleich wieder rechts hinunter und dann überquert man einen der zahlreichen Wege auf den Michaelerberg und dann ist es auf einmal aus mit Weg. Jetzt führt die Bezirksgrenze quer durch den Wald und zwar ganz ohne Weg. Ich versuche irgendwie dem Grenzverlauf zu folgen und finde einen alten Grenzstein.
Bild: Mitten im Wald ein alter Grenzstein. Ich habe ihn nicht entziffert.
Ich weiß nur: ich muss bergab. Und es findet sich da und dort so etwas wie ein winziger Pfad, der aber nicht durchgängig ist. Ein wenig Klettern durch Gebüsch ist angesagt und es ist interessant zu sehen, wie mühsam es ist, wenn man sich ohne Weg fortbewegen muss.
Bild: Kein Weg. Wald und Gebüsch sind aber nicht so dicht, dass ich nicht mehr durchkommen würde.
Irgendwann bin ich unten bei der großen Wiese angelangt, gleich rechts vom Waldkindergarten.
Bild: Hinaus aus dem dichten Wald auf die sonnige Wiese
Von dort geht es an der nächsten Kleingartensiedlung vorbei bis zu einem Bach. Rechts davon ist die Bezirksgrenze, direkt am Zaun der Schrebergartensiedlung, nur gibt es dort keinen Weg. Also muss ich den Bach überqueren und die große Forststraße hinunter nach Neuwaldegg nehmen. Unten angekommen geht es sofort links wieder steil bergauf auf den Schafberg.
Das ist das zweite wirklich steile Stück, es geht wieder diretissima bis auf die Spitze des Schafbergs und von dort – wie könnte es anders sein – rechts vorbei an einer Schrebergartensiedlung hinunter zu den Schafbergwiesen. Dort haben wir in meiner Jugend viele Picknicks gemacht, mit vorgekühlten Bierkisten und einem kleinen Feuer und einem Radiorecorder mit Musikkassetten. Es gab noch keine Handys und sie haben uns auch nicht gefehlt. Eigentlich hat uns gar nichts gefehlt.
Ich mache die zweite Rast auf einem alten Baumstumpf. Daneben die Reste eines kleinen Feuers. Erlaubt ist das nicht, erlaubt war es auch damals nicht.
Bild: Der Ausblick auf Wien war und ist sensationell. Das ist überhaupt ein toller Ort.
Und wieder ist es aus. Unten angekommen versperrt ein Gitter samt Zaun dahinter den Weg an der Bezirksgrenze entlang. Da ist beim besten Willen kein Durchkommen und ich muss eine kleine Ecke Währing auslassen. Der Weg führt am Schafbergbad entlang und dann durch den Schönbrunnergraben hinunter bis zur Herbeckstraße. In dieser Gegend reiht sich eine riesige Villa an die andere, durchsetzt nur mit – wer es erraten kann – Kleingartensiedlungen, gleich jede Menge davon. Seit ein paar Jahren spielen sich dort Dramen ab, weil seit dem Parkpickerl die Parkplätze gekennzeichnet sein müssen und die Autofahrer ihre Kisten nicht einfach irgendwohin stellen können. Das waren sie aber gewohnt und daher ist der eine oder andere Aufschrei zu hören. Wird aber auch weniger.
Unten angekommen geht es am Fuchupark vorbei, der bei vielen Anwohnerinnen und Anwohnern Kastanienpark genannt wird, weil dort viele Kastanienbäume stehen. Das war aber nie ein offizieller Name und weil der Park jetzt aufgrund irgendeiner japanisch-österreichischen Partnerschaft Fuchupark genannt wurde, gibt es den nächsten Grund sich aufzuregen. Auch das wird vorbeigehen. Außerdem liegt der Park in Hernals und ist daher Sache der dortigen Bezirksvorstehung.
Bild: Links Häuser, rechts der Fuchupark
Bergauf geht es das letzte nicht asphaltierte Stück bis zur Mönergasse, dann die Jeitnergasse hinauf vorbei am brandneuen, großen Wasserspeicher am Schafberg bis zur Czartoriskygasse.
Die geht es hinab bis zu einer neuerlichen unbegehbaren Bezirksgrenze. Sie führt durch eine Kleingartensiedlung und ist nicht begehbar. Also links ausweichen bis zum Lidlberg. Dort wurden neue Bäume gepflanzt und ein Radweg gebaut, rechts daneben lässt es sich wunderbar gehen, vorbei an der Tischlerei Seliger und dann rechts in die Kreuzgasse. Der spektakulärste Teil ist vorbei, jetzt wird es urban.
Bild: Die Stelle am Lidlberg
Durch die Antonigasse geht es Richtung Innerwähring, vorbei am riesigen Block, auf dem das alte Haus der Barmherzigkeit stand. Das wurde abgerissen, die neue Eigentümerin ist die Caritas, die in den nächsten Jahren hier bauen wird.
Bild: Der Häuserblock ist eingezäunt, zwei alte Bäume stehen noch, die aber nicht sehr gesund aussehen. Links dahinter die Kirche St. Severin
In mehreren Links-Rechts-Kombinationen zieht sich die Bezirksgrenze bis hinunter zur Jörgerstraße und dann zum Gürtel. Dort gibt es sehr wenig Grün, fast keine Bäume, es handelt sich um dicht verbautes Gebiet mit viel Gründerzeithäusern. In diesen Gassen habe ich meinen zweiten Ferialjob als Postler einigermaßen würdevoll hinter mich gebracht. Damals gab es hier fast an jeder Ecke noch ein Wirtshaus und davor haben mittelmäßig elegante Herren gewartet, bis ich vorbeigekommen bin. Und zwar immer wenn die Pension oder der Lohn ausgezahlt wurde – das war damals Job der Postler, ich bin mit bis zu 120.000 Schilling herumgegangen. Meistens war es aber wesentlich weniger und die Herren haben mich auf der Straße angesprochen, damit ich ihnen (gegen Vorlage eines Ausweises) ihr Geld gebe. Der eigentlich normale Weg wäre an die Haustüre gewesen, aber dort hätte die Gnädigste das Geld kassiert. So konnten sie es gleich direkt wieder zum Wirtn tragen.
Bild: Nur schön ist es dort nicht immer überall
Bevor ich den letzten Abschnitt gehe, hole ich mir beim Zanoni ein Eis. Verdientermaßen, außerdem ist jetzt Schluss mit Romantik.
Bild: Pfefferminz und Haselnuss, der Zanoni am Gürtel war und ist mein Lieblingseissalon, auch wenn die Bedienung heute nicht mehr ein Süditaliener ist, sondern eine junge muslimische Dame mit Kopftuch. Wir sind halt nicht mehr in den 1980ern und die Hauptsache ist die gute Bedienung.
Jetzt geht es den Gürtel entlang hinauf nach Michelbeuern. Der Weg ist schmal, daneben verläuft ein wichtiger Radweg.
Bild: Manche Blumen lassen sich auch in der Asphaltwüste nicht kleinkriegen
Oben angekommen geht es hinunter an der 42er-Trasse entlang. Ich muss ein Stück auf den Schienen gehen, dann beginnt wieder ein Gehsteig, der sich dann hinunter bis zur U6-Station Währinger Straße zieht.
Bild: Ein paar Dutzend Meter auf den Schienen, immer gut aufpassend, ob nicht von hinten der 42er heranrauscht.
Der letzte Abschnitt führt direkt an der U6-Stadtbahntrasse am Gürtel entlang, glücklicherweise mit viel Altbaumbestand und somit ausreichend Schatten.
Bild: Viele Bäume = viel Schatten im Sommer. Dringend notwendig im dicht verbauten Gebiet, in dem in den immer heißer werdenden Sommern immer mehr Hitzeinseln entstehen.
Dann ist es geschafft. Bergfex liefert die Daten der Runde und zum Abschluss gibt es noch ein Frühlingsbild mit Blumen. Die wachsen glücklicherweise zahlreich am Bezirksrand.
Bild: 18,5 Kilometer, ein ganz ordentliches Stück, aber sehr empfehlenswert
Bild: Irgendwo in Währing
Spannendes Rundumadum…toller Bericht,sehr nachahmenswert!