Kenia von Nord bis Süd – Tag 6: Sweetwater

Eine kühle Nacht, ein gutes, englisches Frühstück (schwarzer Tee, Toast und Orangenmarmelade) und schon geht es wieder auf die Reise. Allerdings dauert es ein wenig. Wir hatten zwar vor zeitig wegzukommen, aber dann brauchen wir doch wieder 1,5 Stunden: Zelt abbauen, das Termitennest unter dem Zelt entdecken, die klebrige, feuchte Erde vom Zeltboden entfernen, alles trocknen, das Frühstücksgeschirr abwaschen, alles einpacken, Camping zahlen, Auto kontrollieren und noch vieles mehr.
Das mit dem Zeltboden muss ich noch genauer schildern. Ich weiß zwar nicht warum, aber Termiten lieben Zeltböden. Sobald eines wo steht, bauen sie sofort darunter ein Nest, und zwar innerhalb einer Nacht. Da sie dünne Zeltböden auch gerne durchbeißen (allerdings nicht so gern wie Ameisen, das ist aber eine andere Geschichte), empfiehlt es sich immer eine robuste Plane unter das Zelt zu legen. Das hat außerdem den Vorteil, dass die scharfen Dornen, die man vorher nicht entfernt hat, nicht den Zeltboden durchbohren. Das ist besonders bei Zelten wichtig, die sehr leicht sind und daher keinen dicken Boden habe. Dazu kommt noch, dass diese Böden meist auch nicht wasserfest sind und auch hier hilft die Plane dann zumindest bei leichtem Regen.
Die Fahrt zurück nach Isiolo verläuft unspektakulär, ist aber nicht weniger interessant als zwei Tage zuvor die Hinfahrt. Die Menschen sind genauso interessant wie die Landschaft, dort gibt es keine Touristenfolklore, keine Verkleidungen, keine peinlichen Vorführungen – dort ist das Leben so wie es ist. Die Menschen sind von verschiedenen Stämmen, meist Rendile oder Samburu, fast alle groß und schlank.

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Bild 34: Frau mit Baby

Die Straße führt uns wieder hinunter in die Ebene und ist durchaus fahrbar – „Maram Road“ eben, kein Problem für LKW und robuste Autos. Für hiesige Verhältnisse ist das eine exzellente Straße.

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Bild 35: Maram Road

Es fahren hier ausgesprochen wenige Autos, meistens große LKW, die entweder nach Marsabit oder Moyale fahren, wahrscheinlich nicht nach Äthiopien. Sie alle geben dir eine gepflegte Packung Staub mit auf die Reise, ein Gruß von der Straße sozusagen.

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Bild 36: LKW

Die Landschaft verändert sich ständig, obwohl sie auf den ersten Blick eintönig wirkt, aber das ist ein Irrtum. Gerade noch rote Staubpiste mit Hügeln, jetzt auf einmal eine weite Ebene mit seltsamen Pflanzen.

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Bild 37: weißes Gras

Kennen Sie „M-Pesa“? Das ist eine kenianische Erfindung, die es bei uns nicht gibt und mit der in Kenia ein enormer Entwicklungsschub verbunden ist. Die Menschen besitzen dort keine Smart-Phones und es gibt keine Banken. Sie müssen aber genauso wie wir Geld an andere Leute schicken, an Verwandte oder Geschäftspartner. Also haben die Kenianer ein Überweisungssystem erfunden, das mittels SMS funktioniert. Man registriert sich beim Telekomanbieter „Safaricom“ und dann kann man in über 40.000 Stellen im ganzen Land Geld einzahlen oder ausgezahlt bekommen. Eine SMS mit einem Bestätigungscode, den man zugeschickt bekommen hat, reicht vollkommen aus. Einfach, schnell, unbürokratisch – so etwas gibt es bei uns nicht. Wir haben „Apps“ auf unseren Telefonen mit Riesendisplay und Android oder sonst welchen komplizierten Systemen. Aber Geld einfach mittels SMS überweisen, das können wir nicht. Dort kann man es im hinterletzten Eck in der Mitte von Nirgendwo.

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Bild 38: M-Pesa Station irgendwo am Straßenrand

Das Land ist trocken und man fragt sich unwillkürlich, wovon die Menschen hier leben. Ich muss zugeben: ich weiß es auch nicht, aber sie schaffen es. Ein paar sind Viehhirten, andere vielleicht bei einer Straßenbaufirma angestellt. Wahrscheinlich haben die meisten gar keinen Job, zumindest nicht so einen, wie wir ihn kennen. Es gibt hier im Norden auch Hungersnöte und Elend, das darf nicht verschwiegen werden. Und doch geht es irgendwie, die Menschen hier kennen aber auch die Genügsamkeit und wissen, wie man mit wenig auskommt.
Die moderne Technik hat aber auch hier Einzug gehalten, auf der ärmsten Wellblechhütte sieht man ein Solarzellenmodul, mit dem sie hier meistens Licht erzeugen.

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Bild 39: Wellblechhütte mit Solarmodul

Manche haben nicht einmal eine Wellblechhütte und ich bin mir gar nicht sicher, ob das nicht meistens sogar angenehmer ist. In so einer Blechhütte wird es echt heiß, bei Regen bietet sie aber mehr Schutz als die traditionellen Behausungen.

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Bild 40: einfache Hütten, mit Autoreifen

An der schon bekannten Tankstelle in Isiolo nehmen wir Alexej mit, einen netten jungen Russen, der seit letzten Oktober alleine unterwegs ist und immer dorthin reist, wo es ihn gerade hinspült und wo er ein Visum bekommt. Bisher führte ihn sein Weg in den Iran, nach Afghanistan, Äthiopien und Kenia. Wohin er weiter will, weiß er noch nicht, vielleicht bis Südafrika.
Noch bevor der lange Anstieg Richtung Nanyuki kommt, befindet sich der Eingang zu Lewa Down, einem privaten Wildreservat, das ich schon lange einmal besuchen wollte.
Wir fahren hin und erkundigen uns freundlich nach den Preisen. Ein eher desinteressierter und etwas abweisend wirkender Mann am Tor meint, er müsse nachfragen und greift zum Handy. Dann fragt er wo wir herkommen und telefoniert weiter.
Und dann durfte ich eine vollkommen neue Erfahrung machen. Das passiert mir nach dreißig Jahren Afrika nicht mehr so oft und schon gar nicht so unerwartet.
Der Torposten meint, wir dürfen nicht in den Park fahren. Also heute sicher nicht und morgen vielleicht, sein Boss hätte diese Entscheidung getroffen und es tue ihm zwar leid, aber da ginge gar nichts.
Ich bin baff. Lewa ist ein sauteurer Park, das wusste ich schon. Dass sie aber kein Geld verdienen wollen, das ist mir neu. Thomy ist noch mehr enttäuscht und wir steigen wieder in das Auto, ganz zart traumatisiert. Wir können uns keinen plausiblen Grund vorstellen und wir haben auch keinen erfahren. Plötzlicher unglaublicher Reichtum? Arroganz? Was auch immer es war, wir werden es nie erfahren. Später hörten wir dann die Theorie, dass man den Wildtieren irgendwie ihre Ruhe lassen möchte und daher nur ein kleines Kontingent pro Tag erlauben würde.
Auch das leuchtet mir nicht ein, Kenia hat derzeit ein veritables Touristenproblem und die meisten reisen aufgrund der Al-Shabab-Anschläge lieber nach Tanzania. Das ist ein außenpolitisches Problem Kenias, weil sie sich an der somalischen Grenze engagieren und das nimmt ihnen die Al-Shabab-Terroristentruppe übel. Leidtragend ist der Tourismus und damit ein wichtiger Teil der kenianischen Wirtschaft. Die SWISS streicht ihre Nairobi-Flüge und fliegt jetzt lieber nur nach Dar es Salam. Blöd für uns und alle anderen Nairobi-Reisenden.
Aber was hat das mit Lewa zu tun?
Wie auch immer, wir fahren weiter und setzen unseren Russen auf eigenen Wunsch am Stadtrand von Nanyuki ab, weil dort ein Äquator-Schild ist, zu dem er unbedingt hin will. Wir fahren weiter Richtung Sweetwater, einem anderen Privatpark am Laikipia-Plateau, in dem es angeblich ein Schimpansen-Weisenhaus gibt. Thomy ist ganz verrückt nach Schimpansen, das habe ich vor drei Jahren schon deutlich mitbekommen.
Der Parkeingang befindet sich nicht weit von Nanyuki und uns zieht es am gleichen Tag ein zweites Mal die Patschen aus: der Parkeintritt beträgt sportliche 95 Dollar pro Mann und noch einmal 90 Euro für das Camping. Dafür ist das Auto nicht teuer, das ist uns aber nur ein geringer Trost.
Also berufen wir ein großes Palaver ein und diskutieren, ob uns der Park den teuersten Eintritt aller Zeiten wert ist. Angeblich kann man ein Rhino streicheln und die Schimpansen wirklich zu Gesicht bekommen.
Wir entscheiden uns hinein zu fahren, außerdem wäre die Fahrt nach Nakuru jetzt schon ein wenig weit.
Der Park ist recht klein, zumindest der für die Touristen zugängliche Teil. Man merkt sofort, dass man in einem Privatpark ist: die Wegweiser, die an jeder Kreuzung stehen, sind gepflegt und die Wege in erstklassigem Zustand. Von überall hat man einen Blick auf den Mount Kenya, was tolle Fotomotive ermöglicht. Wir haben Glück und der Berg ist längere Zeit frei von Wolken. Erste Tiere sind zu sehen, der Park ist flach und hat Baum- und Buschbestand. Außerdem befindet er sich am Ewaso Ngiro, einem Fluss, der in den Bergen entspringt und dann eine weite Schleife durch den Samburu zieht und dann weiter Richtung indischer Ozean fließt.
Obwohl es schon später Nachmittag ist, fahren wir noch bei den Schimpansen vorbei. Dort gibt es einen Parkplatz und wir werden schon von einem Führer empfangen, der uns herum führt. Er betet seinen Spruch runter und erzählt uns von den Schimpansen-Waisen, die aus mehreren Ländern Afrikas stammen und meist traumatisiert hier ankommen. Es gibt zwei Gruppen, eine mit 15 und die andere mit 21 Tieren. Alle Weibchen werden sterilisiert, damit keine Kämpfe ausbrechen. Die gibt es übrigens manchmal zwischen den beiden Gruppen, daher leben sie auf je einer Seite des Flusses. Die Wächter überprüfen immer wieder, ob es eh keine umgestürzten Bäume gibt, auf denen die Schimpansen über den Fluss kommen könnten.
Sie sind ein trauriger Anblick, die Anlage schaut aus wie ein Affen-KZ: überall meterhohe Elektrozäune, dahinter hocken sie und betteln. Die Führer schmeißen ihnen ein paar Nüsse hin und ich fühle mich nicht sehr wohl.

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Bild 41 – Schimpanse hinter Gittern

Es ist gut, dass es das gibt, keine Frage, aber irgendwie ist der Unterschied zu frei lebenden Schimpansen schon gewaltig. Sie haben dort ein Gehege mit viel Auslauf, aber das lässt sich nicht mit der freien Wildbahn vergleichen. Wir wollen morgen noch einmal herkommen und fahren weiter.
Der gesamte Park wirkt wie ein riesiger Zoo. Die Tiere sind meist überhaupt nicht scheu und wir machen noch einen kleinen Game-Drive, bevor wir zu unserem Zeltplatz fahren.
Auch dieser ist genau ausgeschildert und gehört für diese Nacht uns. Er ist sehr schön gelegen, direkt am Fluss, mit Feuerstelle und einem Tankwagen-Anhänger, aus dem man frisches Wasser zapfen kann.
Auch Raubtiere gibt es, denn als wir nach dem Aufstellen des Zelts noch einen kurzen Game-Drive machen, ist die zurück gelassene Wasserflasche aufgebissen. Affen oder Hyänen, beide lieben Plastikflaschen mit Wasser.
Am Zeltplatz gibt es das dümmste Klo Afrikas. Es ist ein Wellblechhütterl mit einer knarzenden, windschiefen Türe, die man nicht zumachen kann. Es gibt so etwas wie eine WC-Muschel, aber darunter keine Grube, so dass alles, was man hinein platziert, unten wieder raus und einem auf die Füße rinnt. Für 95 Dollar. Und 90 Euro Campinggebühr (ja schon für uns beide, okay).

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Bild 42: Das dümmste Klo

Zum Abendessen gibt es Salat und Bier und wir sind zufrieden. Der Zeltplatz ist wirklich schön und ruhig. Die Nacht ist wieder sehr kühl, schließlich befinden wir uns wieder auf fast 2000 Metern Seehöhe und die Berge sind nicht fern.

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Bild 43: Thomy am Ewaso Ngiro

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