Kenia von Nord bis Süd – Tag 8: Fahrt in die Maasai Mara

Ein gutes Frühstück hilft den Tag gut zu beginnen. Am Morgen ist es noch so frisch, dass die Kapuze durchaus angesagt ist. Generell war es hier aber am wärmsten, weil wir tief unten im Rift Valley sind.

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Bild 55: Frühstückstoast

Am Vormittag steht noch ein ausführlicher Game Drive am Programm. In Nakuru kann man sich nicht verfahren und der Park ist so klein, dass man alle wichtigen Wege an einem Tag abfahren kann. Uns genügen heute die Süd- und Ostseite. Wieder einmal ist erstaunlich, wie wenige Touristen im Park sind und Overlander wir unsereiner trifft man gar nicht mehr. Wir begegnen nur sehr selten Safaribussen, ein Fahrer grüßt uns sehr freundlich und meint, wir hätten uns in Sweetwater schon getroffen. Ich kann mich zwar nicht direkt an ihn erinnern, aber unser Toyota ist so auffällig, dass es schon stimmen wird.
Außer den üblichen Giraffen und Antilopen gibt es nicht allzu viel Aufregendes zu sehen. Bis auf die Nashörner natürlich, diesmal sehen wir 14 Stück und im Nakuru haben sie auch noch die Hörner. Aufgrund der Kleinheit und Abgeschlossenheit des Parks dürften sie es hier schaffen die Tiere vor den Wilderern zu beschützen.

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Bild 56: 3 Rhinos beim Grasen

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Bild 57: 6 Rhinos auf einem Bild – das gibt es wahrscheinlich nur in Nakuru

Es ist schon wieder zehn Jahre her dass wir auf dem Lookout-Hill an der Ostseite des Parks waren. Die Auffahrt ist einfach zu bewältigen, auch diese Straße haben sie gut ausgebaut und teilweise ganz neu angelegt. Von oben hat man einen sehr schönen Blick über den Park und die im Norden anschließende Stadt.
Die vor einigen Jahren gebaute Picknick-Site ist bereits wieder dem Verfall preisgegeben.

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Bild 58: Blick vom Lookout-Hill Richtung Nakuru

Der gesamte Park wird durch den See bestimmt und geformt. Die Überschwemmung hat einen guten Teil davon vernichtet, wo früher eine Wegkreuzung war, flattern jetzt die Flamingos.

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Bild 59: Wegkreuzung mit Flamingos

Wir verlassen den Park zu Mittag und folgen den Tipps des netten Fahrers von gestern. Die Fahrt hinauf nach Mau ist langwierig, denn nach einer kurzen Anfahrt auf perfekter Asphaltstraße muss man den Rest auf einer so genannten „D-Road“ bewältigen. Das ist nach A, B und C die unterste Kategorie, in der Regenzeit oft gar nicht fahrbar und auch jetzt, in der Trockenzeit, empfiehlt sich ein Geländewagen, ein LKW oder zumindest ein sehr robustes Auto mit genügend Bodenfreiheit.

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Bild 60: eine sehr wellige Straße

Der Weg ist insofern interessant, als man dort durch mehrere kleine Dörfer und Siedlungen fährt und einen Teil Kenias sehen kann, den man als normaler Tourist nicht zu Gesicht bekommt. Alles ist von klein strukturierter Landwirtschaft geprägt, recht dicht besiedelt und wie überall ist man als „Muzungu“ nach wie vor eine Attraktion, zumindest für die Kinder.

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Bild 61: Landwirtschaft am Mau-Escarpment

Ab Mau, dem Ort, nach dem das Mau-Escarpment benannt ist, erwarten wir eine gute Straße bis Narok, werden aber leider enttäuscht. Nach wenigen Asphaltkilometern wird die Straße immer schlechter und irgendwann einmal wirklich katastrophal. Mehr als 10 bis 15 Kilometer in der Stunde sind nicht drin und wir merken wieder einmal, dass man sich auf Zeit- oder Straßenzustandsangaben der Kenianer nicht verlassen darf. Wir befürchten, dass die Fahrt nach Narok ewig dauern wird, können es aber ohnehin nicht ändern und quälen uns halt voran.

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Bild 62: eine Hauptstraße

Doch plötzlich beginnt wieder eine Asphaltstraße, und zwar eine der ganz feinen. Die Geschwindigkeit steigert sich von 20 auf 90 km/h und wir sind guter Dinge Narok noch einigermaßen früh zu erreichen. Das ganz schlechte Stück ist übrigens etwa 35 Kilometer lang und man sollte 1,5 bis 2 Stunden dafür einplanen.
Selbst wenn dieses schlechte Stück einmal asphaltiert werden sollte, wird das aufgrund der hügeligen Topographie noch lange dauern.

Narok hat sich verändert, so wie die meisten Dörfer und Städte in Kenia. Es ist massiv gewachsen und ausgesprochen belebt. Was zu Beginn meiner Afrikareisen ein größerer, verträumter Ort mit gerade einmal einer Tankstelle war (die legendäre „Kobil“ an der Ortseinfahrt, mit den kleinen Souvenirbuden im Zebra-Look), ist jetzt eine Stadt mit jeder Menge Tankstellen, Hotels und Supermärkten. Der neueste und größte davon ist „Tuskys“ und dürfte erst kürzlich eröffnet haben. Er befindet sich im Areal eines riesigen Einkaufszentrums, das noch nicht ganz fertig ist und irgendwie seltsam neu wirkt. Tuskys selbst ist vergleichbar mit Uchumi und Nakumatt, jedoch verkaufen sie hier keinen Alkohol, warum auch immer. Vielleicht wollen sie sich nicht der Gefahr eines Al-Shabab-Attentats aussetzen oder die Besitzer sind selbst Muslime.
Gaskartuschen bekommen wir zwar keine, aber wir können unsere Lebensmittelkisten wieder auffüllen. Der Supermarkt wirkt auch steril und unpersönlich. Tanken müssen wir nicht, weil wir inzwischen wissen, dass wir mit dem Auto nach Mombasa fahren und es dort einschiffen werden. Die Beförderungsrichtlinien schreiben vor, dass die Tanks maximal zu 25% gefüllt sein dürfen und wir wissen noch nicht, wie streng das überprüft wird. Da wir bisher nur den kleineren, vorderen Tank verwendet haben, müssen wir jetzt bald beginnen den hinteren leer zu bekommen, der ja noch randvoll ist. Zumindest nach dezidierter Aussage meines Bruders.
Die Straße ab Narok ist ebenfalls schön, zumindest bis Ewaso Ngiro und dann noch ein paar Kilometer. Dann sehen wir weiter vorne bereits die Staubsäulen aufsteigen und wissen: heute gibt es wieder eine volle Panier!
Die Oase, die ich seit dreißig Jahren fotografiere, wenn ich vorbei komme, existiert nicht mehr. Sie ist schon seit ein paar Jahren eingezäunt, verändert, kultiviert und vor allem privatisiert worden. Scheinbar gehört sie jetzt jemandem, davor war sie Allgemeingut und hat denen gedient, die sie brauchten.
Als das Sekenani-Gate naht, schauen wir nach der Campingmöglichkeit, die uns der nette Fahrer versprochen hat, angeblich auf der linken Seite, ca. 1,5 Kilometer vor dem Parkeingang.
Tatsächlich stehen hier auf einmal mehrere Schilder, die alle auf irgend einen Campingplatz hinweisen. Und ein ca. 10-jähriger Bub steht auch da, mit seinen Kumpanis, und kommt sofort hergelaufen. In tadellosem Englisch fragt er, ob wir eine Campsite suchen und als wir bejahen, schlägt er uns eine vor. Er würde uns gerne dorthin bringen und sie sei auch gar nicht weit.
Wir sind etwas skeptisch und fragen, ob es dort Wasser und Duschen gibt. Er meint, dass es sogar „Hot shower“ gäbe und wir werden neugierig. Also setzen wir ihn ins Auto (sein Freund muss allerdings dableiben, was diesen gar nicht freut) und er führt uns quer durch Büsche und kleine, trockene Wasserläufe einen langgezogenen Hang hinauf.
Nach wenigen Minuten kommen wir tatsächlich bei einem Camp an und sind schon sehr gespannt.
Der Empfang ist herzlich, wir dürften die einzigen Gäste sein, was uns wiederum etwas zögern lässt. Ist das ein guter Ort? Rundherum stehen einige Maasai und kommen uns begrüßen. Der Bub heißt Emanuel (in seinem englischen Namen, in Kenia hat jeder auch noch einen Stammesnamen, aber den hab ich mir nicht gemerkt und genau deswegen haben sie ja auch englische Namen) und führt uns herum, um uns alles zu zeigen. Das Camp liegt sehr nett ungefähr auf halber Höhe eines Hügels. Unten auf der anderen Seite der Straße sieht man die riesige Lodge, die vor einem Jahr von den Chinesen gebaut wurde. Der Gürtel an Lodges rund um die Maasai Mara wird seit Jahren immer dichter.
Dann kommt James und er hat eine Kanga um plus Laufschuhe, was irgendwie witzig aussieht. Er ist der Älteste und stellt sich als eine Art Chef oder Organisator vor. Es handelt sich um ein Entwicklungsprojekt der Maasai und das Camp ist von einer Gemeinschaft mehrerer Dörfer finanziert und gebaut worden. Es handelt sich um eine Art Genossenschaft, denn sie betreiben es auch gemeinsam.

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Bild 63: James, mit Kanga, Turnschuhen und Laptop

Der Name ist „Semadep Safari Camp“ (eine Abkürzung von Sekenani Maasai Development Project) und natürlich findet man es inzwischen auch auf Facebook und im Internet, etwa auf Tripadvisor oder hier: http://semadepmaracamp.com
Neben dem eigentlichen Camp gibt es auch noch die Möglichkeit ein Maasai-Dorf zu besuchen bzw. dort sogar einige Tage zu leben. Sicher ein Erlebnis der anderen Art, vor allem wenn man Fliegen mag.
Das ist sicher auch der einzige Nachteil: die Fliegen. Sie sind blitzschnell, sehr lästig und es gibt sie in großer Zahl überall dort, wo es Maasai gibt.
Das Camp liegt in einem Akazienwald, den man sich allerdings afrikanisch vorstellen muss. Schatten spenden die Akazien wenig bis gar nicht, aber die gesamte Atmosphäre ist trotzdem eine fantastische. Die Erbauer mussten sehr auf´s Geld schauen, das merkt man natürlich. Trotzdem ist alles sehr sauber und ordentlich und insgesamt auf einem Nivau, das für alle normalen Bedürfnisse ausreicht.
Es gibt eine Art zentrale Hütte mit einer Kochstelle und ein paar Tischen. Davor befindet sich eine Terrasse mit einer großen, gemauerten Feuerstelle. Das ist der schönste Ort im Camp und man blickt von dort hinunter in die weite Ebene, in der sich leider die Chinesen-Lodge unübersehbar befindet.

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Bild 64: Blick vom Semadep-Camp auf die gar nicht so weit entfernte Chinesen-Lodge

Macht nichts, es ist trotzdem ein sehr schöner Ort, den man von der Straße aus nicht erahnen würde. Es gibt eine Handvoll Zelte und sie bauen auch gerade zwei gemauerte Häuser für all jene, die nicht in einem Zelt schlafen wollen. Die Zelte sind alte, ausgemusterte Safarizelte, die sie wahrscheinlich günstig bekommen haben. Sie sind aber in Ordnung und haben davor eine kleine Terrasse und hinten einen gemauerten Waschraum. Das ist in den Luxuscamps auch nicht anders, nur sind dort die Fliesen halt schöner und die Wasserhähne vergoldet. Der Unterschied liegt aber vor allem im Preis und in der Frage, wer das Geld bekommt: hier bekommen es die ansässigen Maasai, dort bekommt es meistens ein internationaler Hotelkonzern. Der Tourist hat die Wahl: hier zahlen wir 30 Euro die Nacht, im Luxuscamp das fünf- bis zwanzigfache.

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Bild 65: Hütte mit Zelt drinnen

Und es gibt noch einen großen Unterschied: in den Luxuscamps ist man von Land und Leuten möglichst abgeschirmt – hier findet man das Gegenteil. Wir sind mit jeder Menge Neugier konfrontiert und auch mit Fremdheit. Unser Leben muss den Maasai so fremd erscheinen wir ihres uns. Da wir heute noch rechtzeitig vor Sonnenuntergang da waren, konnte ich mir eine Rasur gönnen.
Im Nassraum gibt es leider noch keinen Spiegel, daher wird es eine Safari-Rasur, also im Seitenspiegel vom Toyota.
Und es wird eine Rasur mit Publikum. Emanuel, zwei seiner Freunde und noch zwei Maasai – ich schätze sie auf Anfang zwanzig – sind höchst interessiert wie sich ein Muzungu rasiert.
Sie beobachten jeden Handgriff ganz genau und finden es höchst amüsant. Dazu muss man sagen, dass den Maasai nur sehr wenig Bart wächst, sie kennen diese Art der Rasur nicht wirklich, weil sie keine brauchen.

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Bild 66: Rasur mit Maasai-Publikum

Die Betten im Zelt sind übrigens tadellos, nur die Pölster verdienen es irgendwie nicht so genannt zu werden.
Die Dusche ist nach einigen Anfangsschwierigkeiten tatsächlich warm und insgesamt gar nicht schlecht.
Als Abendessen gibt es heute Spaghetti mit einer verfeinerten Fertigsauce und Fruchtsalat. Da wir zu viele Spaghetti gekocht haben, laden wir Emanuel auf eine Portion ein, sind uns aber nicht ganz sicher, ob sie ihm wirklich schmecken oder er sie nur aus Höflichkeit isst.
Danach sitzen wir noch mit James und den Maasai rund um ein Feuer und genießen den lauen Abend in der Savanne. Thomy zeigt den Kindern Videos von seinem Sohn Moritz und dessen ersten Abenteuern im Schnee. Sie sind begeistert, haben aber keinen blassen Schimmer was Schnee ist.
Sie können es sich einfach nicht vorstellen, und das ist nicht verwunderlich. Was für uns selbstverständlich ist, ist ihnen völlig unbekannt und unbegreiflich.
Ich sitze noch länger mit James zusammen und gebe ihm ein paar Marketing-Tipps, wie er das Camp noch attraktiver machen könnte: ein schönes und attraktives Hinweisschild auf der Straße, eine Beschilderung des Weges hinauf zum Camp und noch einiges mehr. Der wichtigste Tipp jedoch sind die Haken, die wie immer überall fehlen. Das wäre ein USP! In ganz Kenia findet man Haken nur in den Häusern der dort lebenden Europäer.
Emanuel hat auch noch ein Anliegen: er möchte gerne auf die Highschool gehen, hat aber nicht das Geld dazu. Die Primary School von 6 bis 14 ist in Kenia seit einigen Jahren gratis, die Secondary School jedoch nicht. Er hat auch schon ausgerechnet, was die vier Jahre kosten würden: 1.500 Euro. Das kostet die Ausbildung eines Jugendlichen in Kenia. Eigentlich nicht viel Geld, möchte man meinen, für den Vater von Emanuel jedoch unerschwinglich.

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Bild 67: Emanuel

Ich finde das vor allem deswegen sehr schade, weil er sehr begabt sein dürfte. Sein Englisch ist jetzt schon sehr gut und auch sonst wirkt er recht aufgeweckt.
Was könnte einmal aus ihm werden? Vielleicht ein Arzt, möglicherweise ein Politiker, vielleicht auch ein Ingenieur? Wenn er die Secondary School nicht machen kann, wird er auf jeden Fall einen anderen Weg gehen müssen.
Ich bin noch am überlegen eine Sammelaktion zu starten. Davor sind noch einige Einzelheiten zu klären: wie kommt er zu dem Geld und wie kann sicher gestellt werden, dass es für seine Schulausbildung verwendet wird?
Mit solchen und noch vielen anderen Gedanken und Eindrücken geht auch dieser Tag zu Ende.

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