Kenia von Nord nach Süd – Tag 11: Über die Paradise Plains

Nach einem guten Frühstück (breakfast – or you break fast) müssen wir zuerst einmal unser Diesel-Problem lösen. Die erste Möglichkeit besteht darin uns Diesel vom Pinzgauer abzuzapfen. Der hat auch zwei Tanks und der zweite wird von meinem Vater eigentlich nur als Reservetank verwendet, den er nur im unwahrscheinlichen Fall braucht, dass der erste Tank leck wird und ausrinnt. Das wäre eine gute Variante, aber recht mühsam, denn wir müssten mit einem Schlauch den Sprit aus dem Tank saugen und dann bei uns einfüllen.
Variante zwei klingt besser: Salomon anrufen und fragen, ob wir in der Ashnil-Lodge Diesel kaufen können.
Salomon ist erreichbar und meint, dass es überhaupt kein Problem sei, sie hätten eine eigene Tankstelle und würden uns gerne was verkaufen. Wir bräuchten einfach nur vorbei zu schauen.
Also tun wir das, zuvor jedoch machen wir auf den Plains einen kleinen Zwischenstopp, um unsere E-mails abzufragen. Ich erfahre, dass das Schiff, mit dem der Toyota nach Bremerhaven geschickt werden soll, schon einen Tag früher eintrifft und wir außerdem 24 Stunden vor Eintreffen des Schiffs in Mombasa das Auto bereits abgeben müssen. Das wirft unsere Pläne ordentlich durcheinander und ich rufe sofort Frank in Mombasa an, um das zu klären.
Er meint, dass das mit den 24 Stunden stimmen würde und er uns empfiehlt, noch einen Tag früher zu kommen.
Das passt überhaupt nicht in unsere Pläne und ich vereinbare, dass wir am Donnerstag spätestens um 14 Uhr das Auto bei seiner Spedition abgeben würden. Eins ist klar: das wird stressig, denn wir wollen die Mara so gut auskosten wie möglich. Das bedeutet, dass wir am Mittwoch nach Nairobi fahren, dann bis am Abend alles für die Fahrt nach Mombasa vorbereiten müssen und am Donnerstag um ca. 4 Uhr spätestens Tagwache haben. Eigentlich haben wir uns den Urlaub anders vorgestellt und außerdem empfiehlt sich in Kenia immer einen Puffertag einzuplanen.
Diesen hätten wir nicht, es darf also nichts, gar nichts schief gehen. Wir diskutieren das Für und Wider und entscheiden uns dann für das Risiko – zu schön ist es hier und außerdem ist die Mara das Highlight unseres Urlaubes. Ich verständige Peter über unsere Entscheidung. Er ist zwar nicht erfreut, akzeptiert es aber.
Die Ashnil-Lodge ist luxuriös, ein Pool schimmert durch die Bäume und wir müssen ein wenig warten, bis der kompetente Mann für den Weg zur Tankstelle erscheint. Wir können tatsächlich hier tanken und zwar so viel wie wir wollen. Der Sprit ist ca. 25% teurer als bei einer normalen Tankstelle, aber das ist in Ordnung und im Verhältnis zu Österreich immer noch billig (ca. 1 Euro der Liter).

Die Lodges und Camps überbieten sich in Punkto Luxus. Für mich ist das allerdings das genaue Gegenteil, denn mein Luxus besteht darin diesen Luxus nicht haben zu müssen. Das ist erstens gut für meine Geldbörse, zweitens für meine Lebenseinstellung und drittens für die Qualität des Urlaubs. Es gilt nämlich folgende Regel: je luxuriöser der Urlaub, desto weniger interessant ist er.
Das muss ich erklären. Das Gegenteil von unserem Campingplatz im Wald ist eine voll ausgestattete Lodge. Dort wohnt man in einem wunderschönen Bungalow und hat den gleichen Komfort wie daheim: es gibt klimatisierte Räume, eine gekühlte Minibar, einen Fernseher oder zwei, Marmorfliesen im Bad, vergoldete Armaturen und die eine oder andere Hilfskraft, die einem jeden Wunsch von den Lippen abliest und alles vorbereitet bzw. einem jeden Handgriff abnimmt.
Man kann sich wie daheim fühlen und tut das dann auch, da man von der Umgebung hermetisch abgeschirmt wird. Das „draußen“ gibt es nur als Horrorvorstellung, denn dort ist es gefährlich und unbequem, gatschig-nass oder trocken-staubig. Man wird daher angehalten, die Lodge bzw. das Camp nicht zu verlassen und eigentlich bleibt man besser in seinem Zimmer, bis man von einem Angestellten auf trockenen, gesäuberten Wegen zum Essen geführt wird.
Luxus bedeutet helle Beleuchtung die ganze Nacht über – schließlich will man am Weg zum Bungalow ja nicht stolpern. Schalldichte Fenster lassen die Geräusche der afrikanischen Nacht draußen, was sehr praktisch ist, weil man dann die Sendung im deutschen Fernsehen besser versteht, das über Satellit hierher übertragen wird.
Der Luxus besteht auch darin, dass man die Angestellten nur als unauffällige dienstbare Geister wahrnimmt, die Konversation beschränkt sich auf Kopfnicken oder „Yes“ und „No“. Der Kontakt zu den hier lebenden Menschen findet nicht statt, und wenn, dann wirkt es wie ein bedauernswerter Unfall, ein letztlich unangenehmer Zwischenfall.
Auch durch den Magen bekommt man im Luxus nichts von Afrika mit. Es gibt Wiener Schnitzel und Schwarzwälder Kirschtorte, Bratkartoffeln und südafrikanischen Wein, wie daheim, das ist wahrer Luxus!
Das Buffet ist stets „Western-European Style“ und gerade mal der Mangosaft erinnert daran, dass man in Afrika ist. Oder doch nicht? Den gibt es schließlich auch bei uns im Supermarkt.
Wenn man im Landrover auf Gamedrive fährt, dann befindet man sich geschützt in einem sicheren Auto, das man unter gar keinen Umständen verlassen darf. Sollte man doch einmal aussteigen müssen, etwa weil man pinkeln muss, dann wird man rundherum von bewaffneten Askaris gegen die Umwelt abgeschirmt.
In manchen Camps darf man sich sogar alleine frei bewegen. Sie sind aber dann von hohen Zäunen und viel Stacheldraht umgeben und dort patrouillieren jede Menge Securities.
Luxus bedeutet nichts zu erleben, nichts mitzubekommen, keine neuen Erfahrungen zu machen – letztlich ist Luxus das Gegenteil von Leben, denn Leben ist Reichtum, Vielfalt und Veränderung. Luxusurlaub ist das möglichst unveränderte Fortführen des Gewohnten und somit entsteht im Luxus die Armut. Der Luxusurlauber ist arm an Erfahrungen, Erlebnissen, Neuigkeiten und Vielfalt. Sein Weltbild erweitert sich nicht und meist sind die Wörter „Jambo“, „Hakuna Matata“ und „Asante sana“ das einzige, was er sich zumindest bis zum Diaabend daheim merkt.

Wir verlassen gerne den Luxus der Ashnil-Lodge und ich hoffe, dass ich hier niemals meinen Urlaub verbringen muss.
Wir fahren heute in Richtung Norden, entlang der Mara und dann entlang des Talek-Flusses, er ist der zweitgrößte Fluss im Reservat und ich kenne ihn gut, schließlich haben wir viele Jahre dort unsere schönsten Zeltplätze gehabt.
Heute gibt es fast überall ein Safari-Camp, wo früher einfach ein schöner Fleck Maasai Mara war.
Bei einem Camp beschließen wir näher hinzufahren. Es befindet sich auf unserem ehemaligen Elefantenplatz und Thomy und ich haben noch sehr klare Erinnerungen an den Abend, als wir dort von Elefanten besucht wurden, als wir gerade vor dem Bus saßen und ein gutes Bier tranken. Sie erschienen in unbestimmbarer Zahl und einer davon kam richtig nahe zu uns. Elefanten respektieren Territorien und so respektierte der Elefant unser Camp. Außerdem saßen wir friedlich da und er erkannte, dass wir keine Gefahr für ihn und die Herde darstellten. Ein spannender Moment war es trotzdem.
Dieser Platz lag fast direkt am Talek, genauer gesagt bei einer Biegung mit einem Hippo-Pool. Wie sieht der Platz heute aus, nachdem sie ein großes Camp dorthin gebaut haben? Wir fahren zum Eingang und werden von einem angestellten misstrauisch beäugt. Ich steige aus und erkläre ihm, dass wir den Platz von früher gut kennen und nur ein Foto machen wollen. Er versteht nicht was ich meine, aber dafür holt er seinen Chef, den Manager des Naibor-Camps.
Dieser stellt sich als netter Südafrikaner heraus, ein fescher Mann Mitte Dreißig mit deutschen Großeltern. Er spricht perfekt und akzentfrei Deutsch und lädt uns zu einer Besichtigung ein. Sofort kommt ein Angestellter und bringt Thomy und mir zwei Gläser Mangosaft.
Das Naibor-Camp ist in der Spitzenklasse angesiedelt und wirklich traumhaft entworfen. Der Luxus ist hier eher dezent im Hintergrund, aber natürlich vorhanden. Details kann man sich auf http://naibor.com ansehen. Dort findet man zwar keine Preise, aber billig ist es ganz sicher nicht.
Ich verlasse diesen Ort mit etwas Wehmut – natürlich ist das Camp sehr geschmackvoll und man hat auch versucht möglichst wenig Natur zu zerstören. Trotzdem gefiel es mir wild besser, vor allem, weil fast daneben schon das nächste Camp errichtet wurde. Was machen sie mit den Abfällen, mit den Abwässern der Luxusduschen? Wir das tatsächlich mit LKWs weggeführt und wenn ja, dann wohin? Luxus bedeutet viel Abfall und ich würde tatsächlich gerne wissen, wie sie das regeln. Darüber findet sich nichts auf der Website.

Wir fahren weiter und suchen eine Furt durch den Talek. Es hat zwei Tage zuvor etwas geregnet und der Fluss führt etwas mehr Wasser als wir uns für eine Durchquerung wünschen. Der Toyota kann so etwas zwar, aber bei höherem Wasserstand gibt es manchmal Auswaschungen, die man nicht sieht.
Wir finden schließlich in der Nähe der Ol-Kiombo-Lodge (auf Englisch „Intrepids“) eine Furt, durch die heute schon jemand gefahren ist.

furt2.jpg

Bild 81: Furt

Damit kommen wir auch durch und können am Airstrip der Lodge vorbei in Richtung der Paradise-Plains fahren. Es ist sehr lange her, dass ich dort war und wir haben damals eine nette Mittagspause im Governors-Camp genießen dürfen, mit einem Drink mit Blick auf den Mara-Fluss. Das wollen wir heute auch machen.
Auf den Plains gibt es auf einmal jede Menge Tiere, vor allem Zebras, aber auch viele Antilopen, Warzenschweine und Strauße. Die Landschaft ist hier völlig anders als auf der anderen Seite des Taleks und wir genießen die Abwechslung. Die Zebras werden immer mehr, es muss sich um Tausende handeln, die nicht mit der großen Migration mitgezogen sind.

Zebras.jpg

Bild 82: Zebras

Auf der Nordseite der Plains tauchen dann auch Gnus auf – nicht so viele wie Zebras, aber auch eine ganze Menge. Irgendwann werden es dann immer mehr, gemeinsam mit Antilopen und Zebras eine riesige Herde Tiere.

gnus.jpg

Bild 83: Gnus

Südlich des Talek haben wir kein einziges gesehen. Die Szenerie ist überwältigend, ich habe noch selten so viele Tiere hier in der Mara gesehen. Auch Topis gibt es viele, sie stehen sehr oft auf einem Hügel – das lieben sie wie nichts anderes.

topi.jpg

Bild 84: Topi

Dann sind wir beim Eingang des Governor Camps. Wir werden ausgesprochen freundlich empfangen, ein Security sucht die Wagenunterseite des Toyota mit einem Spiegel ab und notiert sich gewissenhaft unsere Autonummer. Wir tragen uns in ein Gästebuch ein und beantworten einige Fragen. Der Security holt seinen Ober-Security, der ebenfalls sehr freundlich ist und meint, gleich dürften wir die Lodge besuchen, er müsste nur noch seinen Chef anrufen.
Dann die Enttäuschung: wir dürfen leider nicht hinein. Es wäre eine private Gruppe zu Gast, die nicht gestört werden will. Nein, wir dürfen auch keine kleine Mittagspause mit einem Drink machen, es täte ihm sehr leid, wirklich!
Aber wir könnten in ein anderes Camp fahren, nur wenige hundert Meter weiter den Fluss entlang. Dort wäre es möglich.
Wir verschwinden und machen uns auf den Rückweg, irgendwie enttäuscht und etwas verwirrt, was denn da wirklich los sei. Die Fahrt über die Paradise-Plains ist auch in die andere Richtung ein Erlebnis. In der Mara sind die Tiere teilweise schon so an Touristenbusse gewöhnt, dass sie Menschen sehr nahe an sich heran lassen.

giraffe2.jpg

Bild 85: Giraffe

Das sind wirklich tolle Tiere und sie machen stets eine interessante Szenerie.

giraffen.jpg

Bild 86: Giraffen in der Mara

Furten sind deswegen auch spannend, weil man nicht hängen bleiben sollte. Schließlich weiß man nicht, was da im braunen Wasser alles drin ist. Krokodile sind immer ein heißer Tipp, aber auch die sehr gefährlichen Hippos sollte man nicht unterschätzen. Besser man kommt durch.

hippofurt.jpg

Bild 87: Furt mit Hippo

Als wir wieder auf unserer Talek-Seite sind, fahren wir noch ein wenig am Fluss entlang. Thomy möchte unbedingt ein Krokodil sehen, besser mehrere. Also bleiben wir alle paar Meter stehen und Thomy schleicht sich vorsichtig an die Böschungskante an. Nach vielen erfolglosen Versuchen haben wir Glück – ein riesiges Krokodil liegt auf einer Sandbank. Das ist selten, denn die Krokodile sind sehr scheu und wenn sie die Annäherung eines Autos oder Fußgängers spüren, verschwinden sie sofort im Wasser. Dort kann man dann manchmal noch ihre Augen sehen, sonst aber nichts.
Dieses Prachtexemplar ist sicher vier Meter lang und Thomy ist hoch erfreut.

kroko.jpg

Bild 88: Krokodil

kroko2.jpg

Bild 89: Kroko ins Wasser

Dann sind wir wieder am Löwenplatz und es ist auch schon wieder Abend geworden. Wir lernen einen witzigen, erstaunlich zutraulichen Vogel kennen, der sich auf unserem Zeltplatz um die Entsorgung der Brotreste kümmert. Mein Vater nennt ihn die „Metalissé-Taube“, weil er so ein blau glänzendes Gefieder hat. Ich habe ihn schon am Vortag gesehen und mich gewundert, dass er gar nicht scheu war. Wenn man sich ihm nähert, hüpft er nur ein paar Schritte weg, ist aber sofort wieder da und sucht nach Speiseresten.
Mein Vater meint, dass er schon ein paar Monate zuvor da war und sich scheinbar an uns gewöhnt hat. Wir bekommen auch Besuch von einigen Pavianen. Damit sie nicht zum Zeltplatz kommen und dort Essen stehlen, bringen wir unsere Reste ein paar Meter weit weg und legen sie an einer bestimmten Stelle ab. Die Paviane wissen das und kommen regelmäßig vorbei, um sich ihre Mahlzeit abzuholen. Im Gegensatz zu anderen Parks sind sie hier nicht so aufdringlich und wir können ungestört campen.
Wieder neigt sich ein schöner Tag dem Ende zu und diesmal verstreicht die Nacht ohne Gewitter.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert