111 Tote in Kenia – warum?

Ein Tanklastwagen stürzt um, über 200 Menschen kommen herbei und holen sich Benzin. Eine unachtsam ausgestreute Zigarette bzw. ein Racheakt eines von der Polizei Vertriebenen löst ein Inferno aus, die Feuerwehr aus der nächsten Großstadt (Nakuru) braucht über eine Stunde bis zum Unglücksort.

Was ist da passiert?

Als passionierter Keniareisender erstaunt mich das nicht, obwohl es erschütternd ist. Wenn man dort einen Autounfall hat, kommen sofort die Plünderer und rauben dir bei lebendigem Leib das letzte Hemd, deswegen versucht man als Tourist (oder im Land lebender Weißer) das jeweils stärkere Auto zu haben bzw. sehr aufzupassen, dass es zu keinem Unfall kommt. Wenn doch und es gibt Personenschaden an einem Afrikaner, sollte man sofort Fahrerflucht begehen und sich bei der nächsten Polizeistation stellen, sonst riskiert man gelyncht oder/und ausgeraubt zu werden, vor allem, wenn es sich um Kinder handelt. Bei Nacht fährt man besser nicht auf Überlandstraßen oder in die Vororte von Nairobi.

Man darf nicht vergessen: Das ist ein sehr armes Land (obwohl es sehr reich sein könnte, aber das ist ein anderes Thema) und die Menschen nehmen, was sie bekommen können.
So war es auch bei dem Tanklastwagen. „Fuel for free“ ist ein Zauberwort und so sind alle hingelaufen, die laufen und irgendein Gefäß zum Auffangen des Benzins finden konnten. Was mit dem verunglückten Fahrer passiert, wird den Leuten leider nicht so wichtig gewesen sein.
Wenn die Polizei die Unfallstelle (laut BBC mit 4 Polizisten) absperrt, so ruft das natürlich Unmut hervor, denn man sieht Geld vor sich im Boden versickern – Geld, mit dem man die Schule für die Kinder oder etwas zu Essen kaufen könnte.
Wenn einer hinläuft, folgen alle anderen, und es gibt eine Menge Menschen in Kenia. Wenn man durch eine scheinbar menschenleere Savannenlandschaft fährt und zum Pinkeln stehen bleibt, erscheinen wie durch Zauber mitten aus dem Nichts sofort Menschen, ein paar, dann immer mehr, bis man von staunenden und tw. bettelnden Kenianern umgeben ist – schnell pinkeln ist angesagt.
Es ist traurig, dass es das gibt, aber speziell wir Europäer sind an der Armut Ostafrikas nicht ganz unschuldig.
Der Ruf nach einer besseren Feuerwehr wird im Korruptionsdschungel von Kenias Regierung wahrscheinlich ungehört verhallen. Die Menschen dort sind nicht viel anders als ihre armen Brüder am verunfallten Lastwagen – sie nehmen, was sie bekommen können.
Eine Ursache dafür ist der „tribalism“ – wenn ein Stamm an die Macht kommt, versorgt er zuerst sich und alle Stammesangehörigen. Da werden große Autobahnen von der Hauptstadt in die Geburtsorte der Minister gebaut und alle Jobs mit Verwandten und Leuten aus dem eigenen Stamm besetzt – offiziell nennt sich das Demokratie.
Menschen von anderen Stämmen haben aus der Geschichte heraus keinen Wert, man hat sie bekämpft und tut das heute auch noch, wenngleich mit anderen Mitteln.
Die Kenianer sind ein freundliches und fröhliches Volk, aber es gibt sehr sehr viele und zu wenig Ressourcen. Wer nichts zu essen hat, dem ist jedes Mittel recht, um zu überleben. Sie empfanden es nicht als Diebstahl, als sie sich das Benzin holten. Wenn in der Savanne ein Tier hinkt, kommen die Geier und warten, bis es tot ist. Dann wird es zerfetzt, bis nichts mehr davon übrig ist.

Ist das bei uns so anders? Wenn in einer Firmenabteilung jemand zum Opfer auserkoren ist, wird er/sie auch meist zum Freiwild. „Mobbing“ ist auch nichts anderes als sich auf ein Opfer zu stürzen. Bei uns geht es nur meist nicht um die direkten Ressourcen des Überlebens.
Hoffen wir, dass das tragische Unglück auch in Kenia zu einem Fortschritt führt. Gute Ansätze gibt es auch dort.

Ein Gedanke zu „111 Tote in Kenia – warum?

  • 2. Februar 2009 um 09:55 Uhr
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    wieder einmal ein dramatisches beispiel, was für folgen die armut hat, die mithilfe des westens (und in jüngerer zeit auch immer mehr des ostens!) in einem afrikanischen land verursacht wurde/wird.

    leider ist kenia nur eines von vielen ländern in afria, das durch die habgier der industrieländer vor die hunde geht.
    da werden die bodenschätze und ressourcen auf teufel komm raus geplündert, die einheimischen arbeiten um einen bettellohn. mit den wenigen devisen „dürfen“ sie dann die, in anderen ländern aus den rohstoffen produzierten waren, teuer einkaufen.

    wenn man sich das so ansieht, hat man manchmal direkt verständnis für ein vorgehen gegen ausländische unternehmen wie es etwa hugo chávez in venezuela pflegt.

    in südamerika läuft es ja zum teil nicht anders als in afrika. die einzige „ressource“ die solche länder unbegrenzt haben, sind menschen – und wer weiß, ob die nicht schon bald an unserer türen klopfen?

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