Am Friedhof

Ich fahre ja nur eher ungern ins Ausland, aber Simmering ist glücklicherweise nicht allzu weit weg. Eine alte Tante war gestorben, friedlich daheim im 94. Lebensjahr. Ich kannte sie seit meiner frühesten Kindheit, sie war eine der eleganten, alten Damen, die so gerne zu Besuch kommen und von denen es nicht mehr sehr viele gibt. Diese Gattung gilt als fast ausgestorben, von der jetzigen Clubbinggeneration kann man eine derartige Entwicklung nicht mehr erwarten – stets höflich, freundlich und distinguiert, sie war jahrzehntelang Angestellte der British High Commission in Wien (und hat sogar einen Orden von der Queen bekommen, persönlich überreicht).

Das Wetter war gut für ein Begräbnis, eiskalt mit beendetem Schneefall und der Simmeringer Friedhof war nicht schwer zu finden.
Meine Mutter und ich waren noch in der Blumenhandlung gegenüber ein Blümchen kaufen, das wir ins Grab schmeissen konnten – sehr günstig, aber schließlich musste es auch nicht lang frisch bleiben.

Die Aufbahrungshalle war gut gefüllt, vor allem Ehrengast Väterchen Frost machte sich überall bemerkbar (ich glaub, er steht sogar im Kondolenzbuch). Es war so kalt, dass man die Atemwolken der Trauergäste gut sehen konnte.
Pelzmäntel sind wieder in – nahezu alle anwesenden Damen hatten einen an und die Herren sahen alle aus wie Klone von Fritz Muliar, was ein wenig gruselig war, ich weiß auch nicht, wie das zustande kam. Man darf sich ca. 70jährige Männer (eher plus) vorstellen mit weißhaariger Schlurffrisur und Koteletten, auch der Priester war eine solche Gestalt und kam aus Polen oder aus der Slowakei oder aus Simmering, jedenfalls konnte er den Namen der Tante (Martha Kuttler) nicht ordentlich aussprechen und sagte immer „Kchut-tler“.

Warum muss es in Aufbahrungshallen so kalt sein? Vielleicht damit die Toten bis zum Ablaufdatum (ident mit dem des Begräbnisses) frisch bleiben, vielleicht auch weil die Wiener Bestattung keine hohen Heizkosten zahlen will oder kann.
Ansonsten darf man sich eine ganz normale Einsegnung vorstellen, mit viel Vater-Unser und Amen und Kränzen und einem Messdiener, der sich die buckelige Demutshaltung, die Messdiener anlässlich einer lebenslangen Daueranwesenheit von Kruzifixen so zu haben pflegen, bis zu einem Status kultiviert zu haben schien, an dem es für ihn wahrscheinlich die gemütlichste Haltung ist.

Beim Auszug wurde wieder deutlich, an welchem Ort wir uns befinden: „Die werten Trauergäste werden gebeten, sich uns anzuschließen“ – ich kann das „L“ orthograpisch nicht so darstellen, wie man ein Simmeringer „L“ darstellen müsste. Akustisch war es klar.

Draußen war es sonnig, aber kalt und der Trauerzug machte sich auf den Weg. Leider war abseits des Hauptweges nicht geräumt (Kiesweg ist schlecht räumbar) und so hatte vor allem eine der alten Damen leichte Probleme, weil sie mit ihrem Anti-Umfall-Wagerl (ich weiß, das hat einen Fachnamen, aber er fällt mir nicht ein) auf dem holprigen, vereisten und trotzdem gestreuten Weg nicht gut zurecht kam. Sie hatte offensichtlich bei der Bestellung das Offroad-Paket nicht dazugekauft.

Am Grab angekommen, wurde die Rede anlässlich der Witterungsverhältnisse entsprechend gekürzt und ich konnte meine sonstigen Grabspäße („Ich glaube, ich hab ein Klopfen gehört“) diesmal gut unterdrücken. Da ich noch was vor hatte und mich nicht hinter die lange Schlange der Trauergäste stellen wollte, schlich ich mich von der anderen Seite an. Bis auf den etwas scharfen Seitenblick meiner Mutter kam mein Blumenweitwurf ins Grab gut an, glaube ich.

Die Tante Martha ist an ihrer letzten Ruhestätte angelangt, sie ruhe in Frieden!

Ein Gedanke zu „Am Friedhof

  • 7. Februar 2010 um 13:18 Uhr
    Permalink

    das „anti-umfall-wagerl“ ist in fachkreisen auch als „rollator“ oder „gehwagerl“ bekannt.
    diese gibt es in leichtbau-varianten, shopping-varianten, klappbar, als wohnungs- und außenvariante, mit sitzbrett und … und … und.
    nur so zur info (wer weiß, ob man so ein ding nicht einmal selber benötigt?).

    ach ja: die idee von wegen offroad-paket könnte man durchaus als anregung verstehen (da tut sich sicher eine marktlücke auf) ;-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert