Bunker Cities und Gated Communities

Bunker Cities

Sie werden auch „Gated Communities“ genannt und sind derzeit weltweit im Aufschwung: Wohnviertel für Reiche, mittels hoher Zäune, Elektronik und Wachpersonal gegen Gefahr von außen abgesichert.

Je weniger ein Staat auf das Gemeinwohl achtet, desto höher werden die Mauern und Zäune der Bunker Cities.

Die einen sind reich, die anderen arm. Die einen sind wenige, die anderen sind viele.

Das Problem: Zum Arbeiten müssen die Reichen ihre Hochsicherheitszonen verlassen.

Das 21. Jhd. wird als ein Jahrhundert der Mauern in die Geschichte eingehen. Diese Entwicklung ist in vollem Gange.

Besonders in denjenigen Gebieten auf dieser Welt, in denen es sehr viele Menschen und eine extrem große soziale Kluft gibt, entstehen die Bunker Cities.

• Südamerika – etwa in Rio
• Südafrika – etwa in Johannesburg oder Kapstadt
• Indien
• Russland
• USA – Florida und Kalifornien

Beispiel 1: Frankreich – Mirail in Toulouse

Es wäre falsch, das System zu verteufeln oder alles in einen Topf zu werfen. Der Beginn verläuft stets nach dem Muster der Ghettoisierung, d.h. die Mischung der ansässigen Bevölkerung löst sich auf, einzelne Gruppen (in Frankreich z.B. die Nordafrikaner) werden größer, übernehmen Häuserblöcke, Straßenzüge und letztlich ganze Viertel. Diejenigen Menschen, die ursprünglich dort gelebt haben, ziehen weg. Zuerst gehen die Sensiblen, aber ganz zum Schluss auch die Robusten, die eigentlich um jeden Preis bleiben wollten. Selbst sie fühlen sich dann nicht mehr wohl.

Diejenigen, die weg gehen, müssen irgendwohin. Sie ziehen manchmal in die harmlose Form der Gated Communities und bilden dort neue Gemeinschaften. Diese zeichnen sich einerseits durch echtes Zusammenleben (Nachbarschaftshilfe, Treffen, Aufeinander schauen etc.) aus, andererseits durch eine gewisse Abgrenzung nach außen, etwa durch interne Regeln, die befolgt werden müssen. Das betrifft meist die Lärmentwicklung, kann aber auch so restriktiv werden, dass sogar die Anzahl der Balkonpflanzen streng reglementiert ist.

Man schafft sich neue Orte des sozialen Friedens, der in dem Viertel, in dem man urspünglich gelebt hat, nicht mehr existiert. Die dortigen Verhältnisse empfindet man als feindselig und anarchisch. Dieser Nicht-Ordnung setzt man die übertriebene Ordnung der Bunker Cities entgegen.

Diese Form hat mit Reichtum nichts zu tun, es sind die Menschen der Mittelschicht, die sich nach Oasen der Ruhe sehnen und sich daher in solchen Communities zusammen schließen. Selbstverständlich zahlt man einen Preis, etwa den der massiv gestiegenen Überwachung – es gibt Videokameras an jedem Eck und man zahlt für Security.

Beispiel 2: Lake View, Nairobi

Die Hauptstadt von Kenia wächst und gedeiht. Das führt ebenfalls zu sozialen Spannungen, denn es gibt eine immer reicher werdende Oberschicht aus Weißen, Kenianern und Indern, aber auch eine ständig wachsende Armut, die sich in Slumbildung widerspiegelt.
Daher entstehen auch in Nairobi in den Außenvierteln Gated Communities und „Lake View“ ist eine davon. In der Mitte ist ein künstlicher See, der von 12 Parzellen umgeben ist. Das Areal wurde von einer indischen Familie (Sanghani) gekauft und angelegt. Davor war dort ein Sumpfgebiet.
Lake View hat rund um die Parzellen noch weitere Grundstücke und alle zusammen sind von einer Mauer umgeben. Es gibt nur eine Einfahrt und diese ist mit Schranken und Sicherheitspersonal versehen.

Im Gegensatz zu anderen Gated Communities ist Lake View relativ offen, somit auch relativ ungeschützt, aber auch weniger goldener Käfig. Es gibt keine Videokameras, keine umherstreifenden Hundestaffeln, keinen Stacheldraht und sogar die Mauer ist eigentlich ein Zaun mit hoher Hecke.

Aber es wohnen nur reiche Menschen dort: Diplomaten, Geschäftsleute, der spanische Botschafter. Bettler und andere Menschen, die dort nicht wohnen und auch nichts anliefern oder sonst wie beruflich zu tun haben, dürfen nicht hinein.

Beispiel 3: Die Condominios in Rio de Janeiro, Brasilien

Allein schon der Name ist Programm – wie ein Kondom schützt es vor Ansteckung und trennt, was eigentlich so gerne vereint wäre. Auf der anderen Seite sind die Favelas, mit armen Leuten, Drogen, Gangs und sonst noch allem, was man gerne nicht in seiner Nähe hätte.
Es ist aber in der Nähe der Condominios, und es verursacht ständige Angst und weitere Aufrüstung, die Mauern werden sozusagen ständig höher gezogen.

Das ist einerseits verständlich, denn die Armen würden sich nur zu gerne bei dem Vielen bedienen, das die Reichen haben (oft zu viel haben?).
Andererseits beschleicht die Menschen hinter den hohen Mauern hin und wieder der Verdacht, dass sie in einem goldenen Käfig leben und dass eigentlich sie die Eingesperrten sind, und nicht diejenigen, die nach ihrem Rechtsempfinden eingesperrt gehörten.

Es ist eine künstliche Trennung, herbeigeführt durch die Einführung des Unterschieds zwischen „arm“ und „reich“, die uns heute schon so selbstverständlich erscheint.

Die Gated Communities, die Bunker Cities trocknen aus. Damit ist nicht gemeint, dass sie kein Wasser mehr haben, denn das können sie sich mit dem vielen Geld kaufen, sondern sie trocknen sozial aus. Die Menschen verdorren innerlich und manche wünschen sich, dort wieder wegziehen zu können – irgendwo hin, wo man leben kann.

Beispiel 4: Die Gated Communities in Indien

Es sieht aus wie in einem Bollywood-Film und das soll es auch, denn es simuliert eine heile Welt. Schöne, reiche Menschen schlendern sorglos über Blumenwiesen, dahinter allerdings befindet sich eine hohe Mauer mit Stacheldraht und Selbstschuss-Anlage. In Indien ist die Kluft arm-reich besonders krass und entsprechend extrem sind auch die geschützten Areale. Aber auch hier besteht das Problem, dass die Menschen zum Arbeiten hinausfahren müssen.

Beispiel 5: USA, Florida und Kalifornien

In diesen beiden Bundesstaaten gibt es die meisten Areale dieser Art in den USA. Hier herrschen im Gegensatz zu Indien nicht Protz und Prunk, sondern alles dreht sich um die Ordnung. Wer in der Früh sein Garagentor offen lässt, nachdem er hinausgefahren ist, riskiert eine Strafe. Die Anordnung, Anzahl und Art der Büsche im Vorgarten ist genau geregelt und darf keinesfalls anders aussehen. Die gesamte Welt wirkt extrem künstlich und hier ist wohl der Begriff des Goldenen Käfigs am ehesten angebracht, wenngleich es auch in Indien mehr Gold gibt.
Im Dokumentarfilm wird gezeigt, wie ein rüstiger Herr im besten Alter dieses Leben nicht mehr aushält. Er zog in die Gated Community, weil seine Frau es so wollte. Jetzt fährt er einmal pro Tag mit dem Rennrad hinaus, um weite Touren zu unternehmen. Sonst würde er es drinnen nicht aushalten, meint er. Und er würde gerne wieder wegziehen. Das ist für ihn nicht das Amerika der Freiheit, die er so liebt.

Hier zeigt sich gut der alte Widerspruch: Wer zu viel Freiheit (in USA: des Marktes, was auch immer das dann genau ist) fordert, bekommt wie bei einem Boomerang die Rechnung serviert, und sie heißt Ordnung und Kontrolle.

Fazit

In gewisser Weise dürfen wir beruhigt sein – die Gated Communities sind ein vorübergehendes Phänomen. Sie werden in der Welt der Zukunft entweder sinnlos sein, oder sie werden überrollt von der Menschenmaschine, die dann alles niederwalzen wird. So hoch können die Mauern gar nicht sein, so dichte Grenzen gibt es nicht, dass sich solche Ungetüme mittelfristig halten können. Sie sind ein Menetekel, ein Mahnmal, dass wir uns dringend um einen Fortschritt in unserem Gesellschaftssystem kümmern sollten, bevor er von alleine entsteht, dann wahrscheinlich unkontrollierbar.

Quellen: Doku-Film „Bunker Cities“ von Paul Moreira, 2011
Doku-Film „Auf der sicheren Seite“ von Corinna Wichmann, 2009

Ein Gedanke zu „Bunker Cities und Gated Communities

  • 1. Juni 2012 um 14:22 Uhr
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    Guter und sehr informativer Artikel! Die gated Community ist aber so alt wie die Menschheit selbst, da ist absolut nichts neues daran. Nimm nur die ganzen Burgen, Klöster, Forts, Höfe und was weiß ich noch.
    Es ist ein menschliches Bedürfnis sein Hab und Gut zu beschützen. Je mehr davon um so aufwändiger wird das Ganze. Wenn dann noch gravierende Klassen- (Einkommens) unterschiede dazu kommen, wie im Artikel sehr schön illustriert, dann nimmt das ganze Bemühen um Sicherheit groteske Ausmaße an.
    Ich würde diese Entwicklung daher nicht allzu pessimistisch sehen, besonders in der heutigen Zeit, in welcher die Menschen doch mehr Wahlmöglichkeiten haben.

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