Kenia von Nord nach Süd – Tag 15: Endlich Strand!

Das Bofa Beach Resort stellt sich als nicht ganz so super heraus. Erstens gibt es keinen Beach, man muss über die Straße, durch einen langen Gang zwischen zwei echten Resorts durch und kommt dann ans Meer. Mehr oder weniger ohne Strand, je nach Tidenhub. Die Zelte sind nett und es gibt den kleinen Pool, aber das Ganze Resort zu nennen, ist irgendwie übertrieben.
Im Frühstücksraum läuft ein Fernseher, außer uns gibt es nur ein Pärchen und die Kellnerin, die scheinbar daheim keinen Fernseher hat, weil sie äußerst interessiert zusieht. Weniger interessiert ist sie an unserem Frühstück, das sie eher lustlos herbeischafft.
Ich persönlich hasse Fernsehen zum Frühstück und frage sie, ob sie das leiser oder ganz abdrehen kann. Sie will nicht und daher tut sie so, als ob sie mich nicht versteht. Der Gast ist hier viel, aber sicher nicht König.
Der Toast ist in Ordnung, aber nicht getoastet. Das wiederum finde ich nicht in Ordnung und rufe die Kellnerin, was deren Unmut auslöst, weil ich sie dadurch vom Fernseher weghole. Widerwillig trägt sie meinen Toast in die Küche und bringt ihn mehr oder weniger ungetoastet wieder.
Thomy ist immer noch unrund und will hier nur noch weg. Mich selbst hält auch nicht viel und wir überlegen, wohin wir fahren könnten.
Ein wenig Sorge habe ich wegen der ersten Idee von Thomy, nämlich Diani Beach im Süden von Mombasa. Da gibt es ein Nadelöhr, nämlich die Fähre von Likoni, über die man drüber muss, um zum Flughafen zu kommen. Wir haben einen Flug am Sonntag Nachmittag und wenn wir den versäumen, dann erwischen wir auch den Flug von Nairobi nach Zürich nicht. Das wäre dann eher nicht so gut.
Drei Tage später erfahren wir übrigens von einer Fährenpanne: zwei der drei Likoni-Fähren waren ausgefallen, die Staus endlos und viele Stunden lang ging gar nichts mehr. Das hätte uns auch passieren können.
So suchen wir uns einen Strand nördlich von Mombasa und die Wahl fällt auf Nyali Beach. Eine Bekannte meines Bruders empfiehlt uns das Bahari Beach Hotel und wir nehmen ein Taxi, nachdem wir die Rechnung beglichen haben. Eigentlich hatten wir für drei Tage gebucht, aber unser Auschecken war der Dame an der Rezeption genauso egal wie unser Einchecken.
Das neue Hotel empfängt uns gleich ganz anders. Eine sehr nette Rezeptionistin freut sich sichtlich über unser Erscheinen, wir bekommen sofort ein kaltes, weißes Tuch zum Hände säubern und während des Eincheckvorgangs meldet sich eine Dame, die gerade daneben steht, und stellt sich als Geschäftsführerin vor. Sie heißt Katharina und ist Deutsche. Das stimmt mich zugleich froh (sicher sauber, sicher aufgeräumt) und weniger froh (sicher kein Essen jenseits des Mainstreams, wahrscheinlich leicht geriatrisches Publikum). Ich sollte mit beidem Recht behalten.
Die Zimmer sind zwar wesentlich teurer als im Bofa Beach Resort (hier 70 Euro die Nacht im Einzelzimmer mit Halbpension, dort 45 Euro zu zweit mit Frühstück), aber auch wesentlich besser. Uns geht es aber nicht um die Zimmer, sondern um den Strand und den gibt es hier, wenngleich er bei Flut auch fast zur Gänze verschwindet. Das ist egal, Thomy ist zufrieden und ich denke, dass ich es hier auch gut aushalten kann. Wir haben vorsorglich nur Halbpension genommen und sollten das die kommenden Tage auch nicht bereuen.

Bis wir unsere Zimmer beziehen können dauert es noch eine Weile und wir setzen uns in der Nähe des Pools nieder. Internet funktioniert, es gibt freies W-Lan und wir hängen gleich eine halbe Stunde in Facebook. Schnell ist es nicht, aber es funktioniert und wir sind zufrieden. Im Hintergrund dümpeln ältere Damen mit beachtlichem Leibesumfang im Pool, der sehr sauber wirkt.

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Bild 103: Dicke Damen

Hineinspringen ist verboten, Wellen schlagen auch, aber das macht mir nichts aus, mit Swimmingpools kann man mich sowieso jagen, ich halte Chlorwasser nicht aus.
Doch es gibt ja noch das Meer und das ist hier so wie es überall in den Tropen ist: blau und warm.
Das Hotel hat einen direkten Strandzugang und liegt auf einer Klippe, zum Meer geht man über zwei künstlich angelegte Terrassen hinunter, es gibt auf Wunsch schattige Plätze mit Sand und Liegestuhl auf den Terrassen, die man jedoch bitte in der Früh rechtzeitig samt Handtuch buchen soll. Hier merkt man sofort den deutschen Einschlag,
Handtuchplatzreservierungen sind eine Art deutscher Volkssport.

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Bild 104: Liegen

Später erfahren wir, dass hier sehr viele deutsche PensionistInnen ihren Winter verbringen, es wimmelt nur so von Stammgästen, allerdings sind wir schon ein wenig spät für dieses Ereignis.
Dann können wir unsere Zimmer beziehen und ich ruhe mich aus. Die letzte Nacht war angenehm und ich konnte lang schlafen, trotzdem bin ich sehr müde. Die letzten Tage und vor allem die anstrengende gestrige Fahrt nach Mombasa fordern ihren Tribut. Da das Hotel für mich sowieso keine wirklich interessanten Aspekte bereit hält und ich mich nicht länger als fünf Minuten an einen Pool setzen kann, bleibe ich halt im Zimmer – nicht die ganze Zeit, aber länger als sonst üblich.
Als es Abend wird meldet sich der Hunger. Wir treffen an der Klippe und der dort befindlichen Bar einen braungebrannten Steirer, der Jahrzehnte in der Schweiz gelebt und gearbeitet hat und daher mit einem witzigen Mischdialekt spricht. Er ist einer der Dauergäste und erzählt einiges über die letzten Abenteuer, die er bis vor ein paar Jahren mit und ohne Fahrrad hier erlebt hat. Wir trinken ein Bier und werden immer hungriger, bis es dann um 19.30 soweit ist.
Der nette Steirer verrät uns noch, dass man zum Abendessen lange Hosen anziehen muss, was uns etwas erstaunt, aber so ist.
Das Essen ist so wie erwartet: Schnitzel und gemischter Salat, Nudeln, Bratkartoffeln, Gemüse, Fisch – alles vom Buffet und in durchaus annehmbarer Qualität. Die dicken Damen schaufeln Mengen in sich hinein, die uns den Mund offen stehen lassen. Sie tun das übrigens auch zu Mittag, denn sie haben alle Vollpension. Der sportliche Teil des Tages besteht dann in Herumdümpeln im Pool – so ist das Leben hier im Hotel und ich weiß, dass mir drei Tage reichen werden.
Danach gibt es Entertainment. Das ist nicht nur in Clubs so, sondern auch hier. Jeden Abend ein anderes Programm, wobei ich mir sicher bin, dass sich das wiederholt. Wer mehrere Monate oder Wochen da ist, wird es sicher auswendig können.
Heute ist eine Akrobatengruppe da und zeigt uns Verrenkungen. Thomy ist glücklich, allerdings nicht wegen der Akrobaten oder der dicken Pensionistinnen, sondern weil er endlich sein Gin Tonic bekommt. Ich folge dem Beispiel und gemeinsam trinken wir das eine oder andere Glas.
Die Vorführung ist bemüht, es interessieren sich aber nur wenige Gäste dafür. Alles ist eher gedämpft, ein braun gebrannter Vokuhila-Typ flirtet mit einer langbeinigen Afrikanerin, die Musik ist auch bemüht und der Kellner bringt weitere Gin Tonics.
Dann geht auch dieser Tag zu Ende, durchaus nicht unangenehm, denn nach dem Safaristress tut ein wenig Entspannung und Nichtstun gut.

Kenia von Nord nach Süd – Tag 13: Die Fahrt nach Nairobi

Die Nacht war ruhig, allerdings mit seltsamen Geräuschen, als ob sich in unserem Lager irgend etwas abspielen würde.
In der früh merken wir dann, dass drei Solarduschensäcke und eine große hellblaue Plane fehlen. Sie wurden uns in der Nacht geklaut, und zwar von Hyänen. Das waren diese komischen Schleifgeräusche. Ich hatte am Vorabend vergessen die mit Wasser gefüllten Säcke auf einen Baum zu hängen und das war ein Fehler. Hyänen klauen alles, was sie bekommen können, Plastik gehört dabei zu ihren Favoriten.
Sie können es nämlich nicht nur essen, sondern auch verdauen, so wie sie überhaupt fast alles verdauen können.
Also machen wir uns auf die Suche und marschieren in den Wald, um die Säcke wiederzufinden. Das ist unbedingt notwendig, weil wenn die Game-Ranger die Säcke finden, bekommen wir ernsthafte Probleme, und zwar zu Recht.
Wir dürfen hier überhaupt nur sein, wenn wir nichts, absolut nichts hinterlassen. Eine Ausnahme ist eine kleine Feuerstelle, aber das war es dann auch schon. Das haben auch unsere Vorfahren vor vielen hunderttausend Jahren so gemacht.
Diesmal kommen wir schneller weg und sind um 8 Uhr bereits am Weg zu den Plains. Die Ashnil-Straße ist nicht schwer zu finden und wir kommen gut voran. Am Sekenani-Gate haben wir großes Glück, weil es hat der gleiche Game-Ranger Dienst wie bei unserer Ankunft und erkennt uns auch freudig wieder.
Er hat einen Freund dabei, den wir nach Narok mitnehmen sollen. Wir willigen ein und bekommen das Tor aufgemacht.
Wir haben echtes Glück, denn sie übersehen den vierten Tag. So ersparen wir uns 140 Dollar und sehen das als ausgleichende Gerechtigkeit für die überteuerten Parks davor. Vielleicht hat auch der handgeschriebene Zettel eine Rolle gespielt, den sie sich nicht mehr so genau angesehen haben wie eine Computerrechnung.
Die Fahrt verläuft unspektakulär und wir kommen gut bis Narok. Dort fahren wir zu der Tankstelle, bei der wir schon sechs Jahre zuvor den Bus aufgetankt haben. Als ich um den Toyota herum gehe, fällt mir der linke hintere Reifen auf. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass da Luft fehlt.
Bei der Kontrolle wird klar: wir haben einen Slow Puncture. Das ist ein Patschen, bei dem die Luft nur ganz langsam entweicht. Nun müssen wir entscheiden, was wir tun sollen. Wir können ihn gleich hier reparieren lassen, aber das dauert eine unbestimmte Zeit. Oder wir wechseln das Rad und fahren ohne gutes Reserverad nach Nairobi. Oder wir lassen den wieder aufgepumpten Reifen drauf und kontrollieren jede halbe Stunde den Reifendruck.
Wir entscheiden uns für die dritte Variante und fahren los. Ich bin schon gespannt auf die Strecke, die ich ja seit sechs Jahren nicht gefahren bin.
Der Asphalt ist hervorragend und die Straße ist deutlich breiter als früher – eine Arbeit der Chinesen.
Aber auch hier hat sich sehr viel verändert. Früher ist man durch menschenleere Gegend gefahren, da und dort waren Zebras, Giraffen und Antilopen zu sehen, sogar bis ins Riftvalley hinunter.
Jetzt gibt es das nicht mehr. Wo früher Dornstrauchsavanne war, sind jetzt riesige Felder. Wo früher ein paar Blechhütten standen, befindet sich jetzt ein Dorf. 1983, als ich das erste Mal hierher kam, hatte Kenia 18 Millionen Einwohner. 2013 hatten sie 42 Millionen. Diese Menschen gibt es und sie müssen irgendwo leben und wohnen. Es bedeutet auch, dass von den 42 Millionen 24 unter dreißig Jahre alt sind.

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Bild 97: Straßenverkäuferinnen

So kommt das Land unter Druck und wie immer gibt es Gewinner und Verlierer. Zu ersteren gehören clevere Geschäftsleute und korrupte Politiker. Die Verbindung von beiden prägt das Land massiv, denn so werden Projekte finanziert und genehmigt, die weder dem Land noch den dort lebenden Menschen auf irgend eine Art gut tun – es gibt lediglich kurzfristigen, hohen Profit für einige wenige Menschen, die diesen meist sehr schnell ins Ausland schaffen. Der ehemalige Präsident Kenias, Daniel Toroitich Arap Moi, galt als einer der reichsten Menschen der Welt und hatte mehrere Milliarden Dollar in der Schweiz.
So werden auch hier mit Entwicklungshilfegeldern landwirtschaftliche Projekte gefördert, die niemals Ertrag bringen. Brandneue Massey-Ferguson-Traktoren werden im Dutzend angeschafft, doch es gibt dann niemanden, der sie fahren kann bzw. nach einiger Zeit wird eine Kleinigkeit kaputt, es gibt aber kein Geld für Ersatzteile und irgendwann stehen sie alle da und rosten vor sich hin. Millionen werden ohne jeden Sinn beim Fenster hinaus geschmissen, die Verantwortlichen schieben ihre Verantwortung ab, kassieren ihren Lohn und verschwinden wieder oder sind schon längst beim nächsten Projekt.
Würde man die Entwicklungshilfe evaluieren, so müsste man ihre Sinnhaftigkeit hinterfragen und es ist für alle Beteiligten bequemer, das nicht zu tun.
Die Fahrt von Narok ins Rift Valley geht flott voran und mehrere Reifendrucktests zeigen, dass der Slow Puncture wirklich sehr slow ist. Die Entscheidung war gut und wir passieren noch eine weitere Polizeikontrolle, die wie alle anderen äußerst erfreulich verläuft.
Dann quälen wir uns hinter einer LKW-Kolonne das Rift Valley hinauf ins Hochland. Aber auch das ist bald vorbei und wir befinden uns am Wayaki Way, der uns fast bis nach Hause führt.
Leider versäume ich die richtige Abfahrt – nach sechs Jahren sieht das alles ähnlich aus und auch das GPS auf Thomys Handy funktioniert nicht wirklich. Aber mit einem kleinen Umweg kommen wir gut in Lake View an und haben noch Zeit, um die wirklich wichtigen Vorbereitungen für den nächsten Tag zu treffen.
Zuerst wird ausgeladen und wir verstauen die vielen Boxen in unserem Container. Leider muss der Wagen vollkommen geleert werden, bevor er auf das Schiff darf. Wir nehmen daher nur das allernötigste Werkzeug (Pannendreieck, Wagenheber) mit und unsere persönlichen Sachen, die wir als Fluggepäck wieder mit nach Wien bringen.
Dann geht es um die Reifen. Das ist ein ganz heikler Punkt und ich muss hier ein wenig ausholen.
Seit über dreißig Jahren sind Reifen ein wichtiges Thema für jede Safari. Zu Beginn hatten wir Leihautos, aber auch bei denen gab es Reifenpannen. Zu dieser Zeit hing die Anzahl der Pannen direkt mit der kenianischen Wirtschaftspolitik zusammen. Diese war nämlich so orientiert, dass es steuerliche Nachteile für Importprodukte gab. Wer also in Kenia etwas verkaufen wollte, musste es im Land produzieren. Ansonsten gab es Strafzölle, auf Reifen betrugen diese zwischen 100 und 300%.
Also baute die Firma Firestone eine Reifenfabrik. Die so produzierten Reifen waren zwar nicht billig, weil die Firma ja quasi ein Monopol hatte, aber einigermaßen leistbar. Das Problem lag in der Qualität. Es gab nur Gewebereifen zu kaufen, keine Stahlgürtelreifen. Das wichtigste Modell war der „Trans Lug“ mit – glaube ich – 8 Gewebeschichten. Leider gibt es in Kenia großteils schlechte Straßen und vor allem unglaublich lange und harte Dornen. Gegen die konnte der beste Gewebereifen nicht viel ausrichten und so hatten wir jede Menge Patschen, in schlechten Zeiten einen pro Tag. Das zermürbt, denn du musst massiv längere Reisezeiten einplanen und fährst sozusagen nur von einer Reifenwerkstatt zur nächsten. 1992 hatten wir neben dem Reservereifen noch einen zweiten Reifen ohne Felge mit dabei und das war gut so.
Dann – so gegen Mitte der 1990er-Jahre – beschloss Firestone (ist ein Konzern mit Bridgestone) auch Stahlgürtelreifen zu bauen. Der bekannteste in unserer Dimension für den VW-Bus war der „MS 212“ – sauteuer, aber haltbar. Ab diesem Zeitpunkt verringerte sich die Anzahl der Pannen drastisch, manchmal schafften wir eine oder sogar zwei Wochen ohne Reifenpanne.

Diesmal geht es wieder um die Reifen, Peter hatte auf seinem Toyota die Mud-Terrain drauf, breite und sehr gute Schlammreifen. Für die Straße sind sie brauchbar, nützen sich aber sehr schnell ab.
Daher hatten wir jetzt in der Trockenzeit und mit sehr viel Asphalt-Anteil die indischen Hardcore-Reifen drauf: hart, robust, langlebig, aber im Schlamm unterlegen.
Dummerweise gehören diese Reifen zum anderen Toyota und wir mussten sie in Nairobi tauschen. Luis kontrollierte sie und testete sie noch ausführlich am Vortag, jetzt kam Luis mit seinen Leuten samt Reifen bei uns in Lake View vorbei, um sie zu montieren.
Alles klappte und die Probefahrt verlief sehr vielversprechend: keinerlei Ziehen, kein Schlagen der Lenkung – Luis hatte tadellose Arbeit getan.
Langsam kommt die Zuversicht, dass wir den morgigen Tag gut überstehen können. Schließlich warten 500 Kilometer einer schwierigen Straße auf uns und die Fahrt wird auf jeden Fall anstrengend.
Doch noch ist es nicht soweit und wir fahren nach Westlands ins Einkaufszentrum. Das Sarit-Center hat sich im Laufe der letzten zwanzig Jahre verändert. Das betrifft in erster Linie die Parkplätze, die inzwischen kostenpflichtig sind, mit Schranken und seit neuestem auch mit einem automatischen Bezahlsystem. Noch vor drei Jahren haben hier Menschen gearbeitet und jetzt stehen an dieser Stelle Automaten.
Wir kaufen noch ein paar notwendige Dinge und ich schaffe es für 30 Meter fast eine halbe Stunde zu brauchen – im Stau steckend, während Thomy in den Blue Market geht um ein paar Souvenirs für die Kinder zu kaufen.
Als er zurück kommt, stehe ich mit dem Toyota noch an der gleichen Stelle, der Verkehr ist wirklich ein Horror.
Als uns der Hunger überkommt gehen wir in den Stock, in dem es gleich mehrere Gaststätten gibt. Sofort stürzen eine Handvoll Verkäufer auf uns zu, jeder mit verschiedenen Speisekarten in der Hand, und wollen uns an einen Tisch zerren.
Wir entscheiden uns für den Inder und wissen nachher nicht, ob unsere Wahl schlecht oder besonders schlecht war. Das Essen ist zwar essbar, kostet aber mehr als vergleichbares Fast-Food bei uns.
Hier zeigt sich die Teilung der Gesellschaft. Arme Menschen können sich das Essen hier nicht leisten, was aber noch nicht bedeutet, dass die Qualität in Ordnung ist und schon gar nicht das Preis-Leistungsverhältnis.
Ich fühle mich hier zunehmend immer weniger wohl, alles wirkt viel unpersönlicher als früher, obwohl sich objektiv gar nicht so viel verändert hat.
Wir verlassen die Fressmeile und ich schaffe es mein Parkticket im Automaten stecken zu lassen. Eine freundliche Dame sieht das und sichert es für mich – vielen Dank an dieser Stelle.

Unsere Nachbarin in Lake View hat sich um unsere Tickets gekümmert – ohne sie hätten wir wahrscheinlich keine mehr bekommen. Als wir am Abend wieder nach Lake View fahren, um bei ihr einen Drink zu genießen, ist sie bereits im Aufbruch – ein klassisches Missverständnis. Sie meinte, wir kämen zum Sundowner um 18 Uhr, ich hörte sie sagen „any time“ und so kommen wir erst um 19.30 zu ihr.
Der Drink wird auf das nächste Mal verschoben und wir verbringen noch einen sehr netten und kurzweiligen Abend mit Helge und Stephanie, den Mietern in unserem Haus. Aus dem Gin Tonic werden zwei Gin Tonics, aber gegen zehn Uhr wird es dann Zeit schlafen zu gehen, schließlich muss ich den Wecker auf 4 Uhr früh stellen, damit wir rechtzeitig weg kommen.

Kenia von Nord nach Süd – Tag 12: Die Great Plains und der Talek

Früh schlafen gegangen – früh aufgewacht. Einerseits ist das ein wenig nervig, andererseits ergibt sich sonst selten die Gelegenheit Minute für Minute mitzuerleben, wie sich die Nacht dem Ende zuneigt und der Tag beginnt. Die Geräusche, die sich verändern, dieses ganz langsame Erscheinen des Lichts – noch deutlicher habe ich das in meinem Leben nur einmal gesehen, beim Sonnenaufgang am Kilimandscharo. Da sieht man den ersten hellen Schimmer, während die andere Seite noch in tiefster Nacht liegt. Im Flugzeug gibt es auch manchmal ähnliche Eindrücke.
Hier jedoch ist es nicht nur visuell, sondern vielfältig: die Temperatur verändert sich, die Feuchtigkeit, das Licht, die Geräusche. Es fällt auch wieder ordentlich Tau und ein wenig davon nimmt man mit, wenn man aus dem Zelt kriecht.
Diesmal kommen wir um ca. 09.30 Uhr weg und beschließen, noch einmal eine Runde durch einen bestimmten Teil der Masai Mara zu fahren. Heute sind die großen Plains dran, einen Teil davon haben wir ja schon flüchtig mitbekommen, als wir am ersten Tag zum Zeltplatz gefahren sind. Diesmal halten wir uns weiter östlich und stoßen ins echte Herz der Mara vor. Diese Hügel sind für mich immer wieder faszinierend. „Serengeti“ heißt in der Maasai-Sprache (die wiederum heißt einfach „Ma“) nichts anderes als „große Ebene“ (oder weite Ebene). Hier auf den großen Plains sieht man warum das so ist. Kleine, flache Täler, dazwischen sanfte, sehr flache Hügel, hin und wieder ein Einzelkämpfer von einem Baum. Und Gras, sehr viel Gras, jetzt gerade recht hoch. Wenn der Wind weht, sieht das aus wie endlose grüne Kornfelder. Die Szenerie ist ruhig und wohltuend, irgendwie überirdisch schön.
Teile dieser Ebenen sind vollkommen leer, in anderen befinden sich Tiere, vor allem Antilopen. Aber die Vielfalt ist groß, es gibt Giraffen, Warzenschweine, hin und wieder Büffel, Zebras und natürlich Löwen, die wir aber auch heute nicht zu Gesicht bekommen.

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Bild 90: Warzenschwein

Eher in den kleinen Tälern bzw. bei den Flussläufen halten sich die Elefanten auf, aber auch Strauße sieht man hin und wieder, Nashörner sind dafür extrem selten. Giraffen dafür nicht, die immer für eine gute Show bereit sind.

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Bild 91: Giraffengerangel

Ich kann mich täuschen, aber ich habe den Eindruck, dass die Tiere in den letzten dreißig Jahren immer weniger scheu wurden. Manchmal kann man vom Auto aus einer Antilope fast auf den Rücken greifen und auch die Giraffen lassen einen auf wenige Meter heran.
Die Hügel sind aber nicht eintönig, sondern ausgesprochen abwechslungsreich. Alle paar Minuten fährt man in eine etwas andere Gegend. Plötzlich gibt es Büsche, dann ein kleines Wäldchen, dann wieder völlig andere Büsche inmitten von Felsbrocken, die aussehen, als hätte sie ein Riese hier einfach ausgestreut. Sie sind die kleinen Brüder der legendären Kopjes in der Serengeti. Dann ist das Gras auf einmal kurz und Buschreihen tauchen auf – wir nähern uns der großen Straße von der Keekorok-Lodge zum Talek-Gate, die wir viele Jahre lang gefahren sind, als wir noch zu unseren alten Zeltplätzen am Talek-Fluss wollten.
Kurz vor dem Gate wird die Gegend auf einmal irgendwie unfreundlich. Der Boden wird braun und kahl, jede Lieblichkeit ist verschwunden. Es ist keine schöne Ecke, ich weiß auch nicht warum.
Das Talek-Gate ist die Parkgrenze, dahinter geht der Park auf der linken Seite zwar weiter, auf der rechten jedoch nicht. Die paar Häuser, die früher hinter dem Gate standen, sind einer kleinen Stadt gewichen. Wir weichen nach links aus und fahren auf unserer alten Route den Talek entlang, vorbei am Figtree-Camp, das vor vielen Jahren auch massiv ausgebaut wurde.
Ich erinnere mich gut, wie wir in der Regenzeit hier alle paar hundert Meter durch einen der kleinen Zuläufe des Talek fahren mussten. Jedes noch so kleine Rinnsal wird zum reißenden Fluss und somit zur Herausforderung. Nach oben umfahren ist zwar theoretisch möglich, bedeutet aber erstens einen großen Umweg und zweitens kann es gut passieren, dass man oben im weichen Schlamm stecken bleibt. Es gibt Situationen, wo gar nichts mehr geht und man entweder in mühsamer Fahrt ganz oben auf den Plains bleibt und versucht, immer quasi am Kamm entlang zu fahren, wo sich kein Wasser sammelt. Das ist erstens nicht leicht und zweitens findet man dann den Platz nicht, der sich ja unten beim Fluss befindet. Wenn es dann noch dunkel wird, braucht man einen guten Plan B. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir einmal zu Weihnachten so viel Wasser hatten, dass wir überhaupt nicht mehr weiter kamen und vor einem der Nebenflüsse die Nacht verbringen mussten. Damals hatten wir zwei alte Landrover gemietet, es muss so um 1986 oder 1987 gewesen sein. Draußen regnete es stark und Paula, die damalige Lebensgefährtin meines Vaters, kochte im schräg stehenden Auto irgendwie eine Art Abendessen. Das ist für mich bis heute eine bewundernswerte Tat.
Viele dieser Erinnerungen tauchen jetzt auf, weil ich diese Strecke seit zwanzig Jahren nicht mehr gefahren bin. Wenn ich in der Mara war, dann immer kürzer und da wollten wir stets andere Orte aufsuchen. Diesmal haben wir jedoch länger Zeit und fahren daher diesen alten Weg.
Unter einem Baum sehen wir zwei Touristen ein Picknick machen. Das wird von manchen Luxuscamps angeboten. Ein Tisch mit blütenweißem Tischtuch, Sekt und irgendwelche Leckereien, dazu ein Fahrer, der auf alles und vor allem auf die Touristen aufpasst. So etwas kann man von Europa oder USA aus buchen. Wir winken dem Paar am Tisch freundlich zu und sie winken zurück.
Ich versuche die Furt zu finden, die wir früher immer gefahren sind, um auf die andere Seite des Talek zu unseren damaligen Zeltplätzen zu kommen. Diese hatten immer das Risiko, dass wir wieder zurück kommen mussten. Wenn in den Bergen am Oberlauf ein Gewitter war, dann konnte es passieren, dass der Talek binnen weniger Stunden – meist in der Nacht – um mehrere Meter anschwoll. Dann war es unmöglich durch die Furt zu kommen. Auch das Talek-Gate war offensichtlich schwer zu erreichen, wir haben das nie probiert. Manchmal mussten wir sogar warten, bis das Wasser wieder zurückgegangen war, was mehrere Tage dauern konnte.

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Bild 92: Furt für die Tiere

In Afrika sollte man es nicht eilig haben. Bei der Intrepids-Lodge haben sie später eine Brücke gebaut, die es aber inzwischen nicht mehr gibt. 1992 sind wir sie mit dem VW-Bus gefahren und haben uns einen Reifen ruiniert, weil der Bus eine breitere Spur hat als die von der Lodge verwendeten Landrover.
Irgendwann finde ich die Furt und sehe, dass sie sich total verändert hat. Ich bin sie vor ca. 15 Jahren das letzte Mal gefahren und die alte Strecke gibt es nicht mehr. Es ist nach wie vor eine Furt, aber mit ganz anderer Auffahrt am drüberen Ufer.
So verändert sich alles im Laufe der Jahre. Auch den Passionfruit-Baum, unter dem wir ganz zu Beginn einmal gecampt haben, gibt es nicht mehr. Damals war die Safari in der Maasai Mara noch wesentlich unkomplizierter. Auch damals war Campen schon nicht erlaubt, aber nicht ganz so streng verboten wie heute. Damals durfte man die Wege noch verlassen, etwa wenn man Löwen entdeckt hatte. Das ist heute alles nicht erlaubt und man sollte sich auch nicht erwischen lassen.
Das Problem begann Ende der 1980er-Jahre, als das Safari-Business boomte und es plötzlich Unmengen an Minibussen von tw. billigen und schlechten Safariunternehmern gab. Irgendwann musste die Parkverwaltung zum Erhalt des Gebietes eingreifen und heute ist das irgendwie selbstverständlich, dass man auf den Wegen bleibt. Man ist inzwischen selten unbeobachtet und das Aufkommen des Handy-Booms hat das noch zusätzlich verschärft, denn jetzt rufen sich die Minibusfahrer gegenseitig an, wenn sie interessantes Wild zu Gesicht bekommen. Das ging früher maximal mit Funkgeräten und die hatten nicht alle und es gab auch nicht überall Empfang. Seit ein paar Jahren gibt es überall zumindest Telefonempfang und jeder, wirklich jeder Kenianer hat ein „Mobile“.
Wir suchen noch den Talek nach Krokodilen ab, sehen aber nur zwei kleinere. Dann fahren wir zurück zum Zeltplatz, diesmal noch nicht so spät am Nachmittag und genießen eine ruhige Zeit ohne Stress.
Camping ist Enge und Freiheit zugleich. Einerseits sind die Zelte eng und wenn man im Auto sein muss, ist es noch enger. Andererseits ist ein kleines Zelt wie meines in wenigen Minuten aufgestellt und mit einem Tisch und ein paar Sesseln ist es ebenso. Auch ein Essen ist bald gekocht, wir ernähren uns hier recht einfach: Gemüse kochen, Fleisch abbraten, dazu ein guter Salat – mehr brauchen wir nicht. In der Früh manchmal eine Eierspeis oder Toasts, zu Mittag Bananen oder Sandwiches, am Abend manchmal ein Fruchtsalat.
Natürlich kann es auch Probleme geben, etwa wenn der Kühlschrank seine Funktion aufgibt und man an einem Tag jede Menge Fleisch aufbrauchen muss. Oder wenn, so wie uns das passiert ist, die Eier fast alle zerbrechen und man sie nicht wegwerfen will. Den Müll sammeln wir übrigens in Säcken und bewahren ihn in der Nacht im Auto auf. Wir nehmen ihn dann bis zur Parkgrenze, oft sogar bis Nairobi mit, so dass er weit genug vom Nationalpark entsorgt wird.
Die Hygiene ist meist ein lösbares Thema. Wir haben im Toyota einen 140 Liter Wassertank mit einer Brause, die mittels einer Pumpe eine Dusche neben dem Auto möglich macht. Ansonsten gibt es auf Campingplätzen immer oder fast immer Duschen oder zumindest Wasser, das zum Duschen verwendet werden kann.
Zum Trinken, Kochen und Zähneputzen haben wir die 5-Liter-Plastikflaschen. Das ist nicht wahnsinnig umweltfreundlich, aber immer noch besser als die kleinen Flaschen, die man nach Gebrauch wegwirft.
Ich kaufe stets eine 1-Liter-Flasche, die ich dann täglich auffülle und nach einer Woche austausche. Früher mussten wir recht umständlich an Lodges Wasser schnorren, das oft keine gute Qualität hatte. Als Trinkwasser hatten wir immer einen 20-Liter-Edelstahlkanister mit, den wir in Nairobi mit sauberem Wasser auffüllten.
Wir fahren auch an diesem späten Nachmittag langsam wieder zurück zu unserem Zeltplatz, nicht ohne noch einige interessante Motive vor die Kamera zu bekommen.

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Bild 93: Hippo-Pool

Mara und Talek sind die beiden Flüsse, die die Mara bestimmen. An ihren Ufern liegen die lebensspendenden Galleriewälder, in denen viele Tiere leben.

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Bild 94: Büffel

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Bild 95: Elen-Antilope

Ganz zum Abschluss fahren wir noch an einem der beeindruckenden Termitenhügel vorbei, die in ihrer Größe erahnen lassen, welche Wichtigkeit diese kleinen Tiere für die Landschaft und das Leben darin haben.

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Bild 96: Termitenhügel

Da wir am kommenden Tag früh aufbrechen wollen, beschließe ich die Nacht im Pinzgauer zu schlafen und schon am Abend das trockene Zelt abzubauen. In der Früh wäre es patschnass vom Tau und müsste erst trocknen, da wir in Nairobi wenig bis keine Zeit dazu hätten.
So geht der letzte Tag in der Mara zu Ende und auch der letzte Abend. Wir trinken noch ein gutes Bier und lassen die schöne Zeit ausklingen.
Ich weiß nicht, wie oft ich noch an diesen wunderschönen Ort kommen werde, daher möchte ich die Eindrücke ganz besonders genau festhalten.

Kenia von Nord nach Süd – Tag 11: Über die Paradise Plains

Nach einem guten Frühstück (breakfast – or you break fast) müssen wir zuerst einmal unser Diesel-Problem lösen. Die erste Möglichkeit besteht darin uns Diesel vom Pinzgauer abzuzapfen. Der hat auch zwei Tanks und der zweite wird von meinem Vater eigentlich nur als Reservetank verwendet, den er nur im unwahrscheinlichen Fall braucht, dass der erste Tank leck wird und ausrinnt. Das wäre eine gute Variante, aber recht mühsam, denn wir müssten mit einem Schlauch den Sprit aus dem Tank saugen und dann bei uns einfüllen.
Variante zwei klingt besser: Salomon anrufen und fragen, ob wir in der Ashnil-Lodge Diesel kaufen können.
Salomon ist erreichbar und meint, dass es überhaupt kein Problem sei, sie hätten eine eigene Tankstelle und würden uns gerne was verkaufen. Wir bräuchten einfach nur vorbei zu schauen.
Also tun wir das, zuvor jedoch machen wir auf den Plains einen kleinen Zwischenstopp, um unsere E-mails abzufragen. Ich erfahre, dass das Schiff, mit dem der Toyota nach Bremerhaven geschickt werden soll, schon einen Tag früher eintrifft und wir außerdem 24 Stunden vor Eintreffen des Schiffs in Mombasa das Auto bereits abgeben müssen. Das wirft unsere Pläne ordentlich durcheinander und ich rufe sofort Frank in Mombasa an, um das zu klären.
Er meint, dass das mit den 24 Stunden stimmen würde und er uns empfiehlt, noch einen Tag früher zu kommen.
Das passt überhaupt nicht in unsere Pläne und ich vereinbare, dass wir am Donnerstag spätestens um 14 Uhr das Auto bei seiner Spedition abgeben würden. Eins ist klar: das wird stressig, denn wir wollen die Mara so gut auskosten wie möglich. Das bedeutet, dass wir am Mittwoch nach Nairobi fahren, dann bis am Abend alles für die Fahrt nach Mombasa vorbereiten müssen und am Donnerstag um ca. 4 Uhr spätestens Tagwache haben. Eigentlich haben wir uns den Urlaub anders vorgestellt und außerdem empfiehlt sich in Kenia immer einen Puffertag einzuplanen.
Diesen hätten wir nicht, es darf also nichts, gar nichts schief gehen. Wir diskutieren das Für und Wider und entscheiden uns dann für das Risiko – zu schön ist es hier und außerdem ist die Mara das Highlight unseres Urlaubes. Ich verständige Peter über unsere Entscheidung. Er ist zwar nicht erfreut, akzeptiert es aber.
Die Ashnil-Lodge ist luxuriös, ein Pool schimmert durch die Bäume und wir müssen ein wenig warten, bis der kompetente Mann für den Weg zur Tankstelle erscheint. Wir können tatsächlich hier tanken und zwar so viel wie wir wollen. Der Sprit ist ca. 25% teurer als bei einer normalen Tankstelle, aber das ist in Ordnung und im Verhältnis zu Österreich immer noch billig (ca. 1 Euro der Liter).

Die Lodges und Camps überbieten sich in Punkto Luxus. Für mich ist das allerdings das genaue Gegenteil, denn mein Luxus besteht darin diesen Luxus nicht haben zu müssen. Das ist erstens gut für meine Geldbörse, zweitens für meine Lebenseinstellung und drittens für die Qualität des Urlaubs. Es gilt nämlich folgende Regel: je luxuriöser der Urlaub, desto weniger interessant ist er.
Das muss ich erklären. Das Gegenteil von unserem Campingplatz im Wald ist eine voll ausgestattete Lodge. Dort wohnt man in einem wunderschönen Bungalow und hat den gleichen Komfort wie daheim: es gibt klimatisierte Räume, eine gekühlte Minibar, einen Fernseher oder zwei, Marmorfliesen im Bad, vergoldete Armaturen und die eine oder andere Hilfskraft, die einem jeden Wunsch von den Lippen abliest und alles vorbereitet bzw. einem jeden Handgriff abnimmt.
Man kann sich wie daheim fühlen und tut das dann auch, da man von der Umgebung hermetisch abgeschirmt wird. Das „draußen“ gibt es nur als Horrorvorstellung, denn dort ist es gefährlich und unbequem, gatschig-nass oder trocken-staubig. Man wird daher angehalten, die Lodge bzw. das Camp nicht zu verlassen und eigentlich bleibt man besser in seinem Zimmer, bis man von einem Angestellten auf trockenen, gesäuberten Wegen zum Essen geführt wird.
Luxus bedeutet helle Beleuchtung die ganze Nacht über – schließlich will man am Weg zum Bungalow ja nicht stolpern. Schalldichte Fenster lassen die Geräusche der afrikanischen Nacht draußen, was sehr praktisch ist, weil man dann die Sendung im deutschen Fernsehen besser versteht, das über Satellit hierher übertragen wird.
Der Luxus besteht auch darin, dass man die Angestellten nur als unauffällige dienstbare Geister wahrnimmt, die Konversation beschränkt sich auf Kopfnicken oder „Yes“ und „No“. Der Kontakt zu den hier lebenden Menschen findet nicht statt, und wenn, dann wirkt es wie ein bedauernswerter Unfall, ein letztlich unangenehmer Zwischenfall.
Auch durch den Magen bekommt man im Luxus nichts von Afrika mit. Es gibt Wiener Schnitzel und Schwarzwälder Kirschtorte, Bratkartoffeln und südafrikanischen Wein, wie daheim, das ist wahrer Luxus!
Das Buffet ist stets „Western-European Style“ und gerade mal der Mangosaft erinnert daran, dass man in Afrika ist. Oder doch nicht? Den gibt es schließlich auch bei uns im Supermarkt.
Wenn man im Landrover auf Gamedrive fährt, dann befindet man sich geschützt in einem sicheren Auto, das man unter gar keinen Umständen verlassen darf. Sollte man doch einmal aussteigen müssen, etwa weil man pinkeln muss, dann wird man rundherum von bewaffneten Askaris gegen die Umwelt abgeschirmt.
In manchen Camps darf man sich sogar alleine frei bewegen. Sie sind aber dann von hohen Zäunen und viel Stacheldraht umgeben und dort patrouillieren jede Menge Securities.
Luxus bedeutet nichts zu erleben, nichts mitzubekommen, keine neuen Erfahrungen zu machen – letztlich ist Luxus das Gegenteil von Leben, denn Leben ist Reichtum, Vielfalt und Veränderung. Luxusurlaub ist das möglichst unveränderte Fortführen des Gewohnten und somit entsteht im Luxus die Armut. Der Luxusurlauber ist arm an Erfahrungen, Erlebnissen, Neuigkeiten und Vielfalt. Sein Weltbild erweitert sich nicht und meist sind die Wörter „Jambo“, „Hakuna Matata“ und „Asante sana“ das einzige, was er sich zumindest bis zum Diaabend daheim merkt.

Wir verlassen gerne den Luxus der Ashnil-Lodge und ich hoffe, dass ich hier niemals meinen Urlaub verbringen muss.
Wir fahren heute in Richtung Norden, entlang der Mara und dann entlang des Talek-Flusses, er ist der zweitgrößte Fluss im Reservat und ich kenne ihn gut, schließlich haben wir viele Jahre dort unsere schönsten Zeltplätze gehabt.
Heute gibt es fast überall ein Safari-Camp, wo früher einfach ein schöner Fleck Maasai Mara war.
Bei einem Camp beschließen wir näher hinzufahren. Es befindet sich auf unserem ehemaligen Elefantenplatz und Thomy und ich haben noch sehr klare Erinnerungen an den Abend, als wir dort von Elefanten besucht wurden, als wir gerade vor dem Bus saßen und ein gutes Bier tranken. Sie erschienen in unbestimmbarer Zahl und einer davon kam richtig nahe zu uns. Elefanten respektieren Territorien und so respektierte der Elefant unser Camp. Außerdem saßen wir friedlich da und er erkannte, dass wir keine Gefahr für ihn und die Herde darstellten. Ein spannender Moment war es trotzdem.
Dieser Platz lag fast direkt am Talek, genauer gesagt bei einer Biegung mit einem Hippo-Pool. Wie sieht der Platz heute aus, nachdem sie ein großes Camp dorthin gebaut haben? Wir fahren zum Eingang und werden von einem angestellten misstrauisch beäugt. Ich steige aus und erkläre ihm, dass wir den Platz von früher gut kennen und nur ein Foto machen wollen. Er versteht nicht was ich meine, aber dafür holt er seinen Chef, den Manager des Naibor-Camps.
Dieser stellt sich als netter Südafrikaner heraus, ein fescher Mann Mitte Dreißig mit deutschen Großeltern. Er spricht perfekt und akzentfrei Deutsch und lädt uns zu einer Besichtigung ein. Sofort kommt ein Angestellter und bringt Thomy und mir zwei Gläser Mangosaft.
Das Naibor-Camp ist in der Spitzenklasse angesiedelt und wirklich traumhaft entworfen. Der Luxus ist hier eher dezent im Hintergrund, aber natürlich vorhanden. Details kann man sich auf http://naibor.com ansehen. Dort findet man zwar keine Preise, aber billig ist es ganz sicher nicht.
Ich verlasse diesen Ort mit etwas Wehmut – natürlich ist das Camp sehr geschmackvoll und man hat auch versucht möglichst wenig Natur zu zerstören. Trotzdem gefiel es mir wild besser, vor allem, weil fast daneben schon das nächste Camp errichtet wurde. Was machen sie mit den Abfällen, mit den Abwässern der Luxusduschen? Wir das tatsächlich mit LKWs weggeführt und wenn ja, dann wohin? Luxus bedeutet viel Abfall und ich würde tatsächlich gerne wissen, wie sie das regeln. Darüber findet sich nichts auf der Website.

Wir fahren weiter und suchen eine Furt durch den Talek. Es hat zwei Tage zuvor etwas geregnet und der Fluss führt etwas mehr Wasser als wir uns für eine Durchquerung wünschen. Der Toyota kann so etwas zwar, aber bei höherem Wasserstand gibt es manchmal Auswaschungen, die man nicht sieht.
Wir finden schließlich in der Nähe der Ol-Kiombo-Lodge (auf Englisch „Intrepids“) eine Furt, durch die heute schon jemand gefahren ist.

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Bild 81: Furt

Damit kommen wir auch durch und können am Airstrip der Lodge vorbei in Richtung der Paradise-Plains fahren. Es ist sehr lange her, dass ich dort war und wir haben damals eine nette Mittagspause im Governors-Camp genießen dürfen, mit einem Drink mit Blick auf den Mara-Fluss. Das wollen wir heute auch machen.
Auf den Plains gibt es auf einmal jede Menge Tiere, vor allem Zebras, aber auch viele Antilopen, Warzenschweine und Strauße. Die Landschaft ist hier völlig anders als auf der anderen Seite des Taleks und wir genießen die Abwechslung. Die Zebras werden immer mehr, es muss sich um Tausende handeln, die nicht mit der großen Migration mitgezogen sind.

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Bild 82: Zebras

Auf der Nordseite der Plains tauchen dann auch Gnus auf – nicht so viele wie Zebras, aber auch eine ganze Menge. Irgendwann werden es dann immer mehr, gemeinsam mit Antilopen und Zebras eine riesige Herde Tiere.

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Bild 83: Gnus

Südlich des Talek haben wir kein einziges gesehen. Die Szenerie ist überwältigend, ich habe noch selten so viele Tiere hier in der Mara gesehen. Auch Topis gibt es viele, sie stehen sehr oft auf einem Hügel – das lieben sie wie nichts anderes.

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Bild 84: Topi

Dann sind wir beim Eingang des Governor Camps. Wir werden ausgesprochen freundlich empfangen, ein Security sucht die Wagenunterseite des Toyota mit einem Spiegel ab und notiert sich gewissenhaft unsere Autonummer. Wir tragen uns in ein Gästebuch ein und beantworten einige Fragen. Der Security holt seinen Ober-Security, der ebenfalls sehr freundlich ist und meint, gleich dürften wir die Lodge besuchen, er müsste nur noch seinen Chef anrufen.
Dann die Enttäuschung: wir dürfen leider nicht hinein. Es wäre eine private Gruppe zu Gast, die nicht gestört werden will. Nein, wir dürfen auch keine kleine Mittagspause mit einem Drink machen, es täte ihm sehr leid, wirklich!
Aber wir könnten in ein anderes Camp fahren, nur wenige hundert Meter weiter den Fluss entlang. Dort wäre es möglich.
Wir verschwinden und machen uns auf den Rückweg, irgendwie enttäuscht und etwas verwirrt, was denn da wirklich los sei. Die Fahrt über die Paradise-Plains ist auch in die andere Richtung ein Erlebnis. In der Mara sind die Tiere teilweise schon so an Touristenbusse gewöhnt, dass sie Menschen sehr nahe an sich heran lassen.

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Bild 85: Giraffe

Das sind wirklich tolle Tiere und sie machen stets eine interessante Szenerie.

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Bild 86: Giraffen in der Mara

Furten sind deswegen auch spannend, weil man nicht hängen bleiben sollte. Schließlich weiß man nicht, was da im braunen Wasser alles drin ist. Krokodile sind immer ein heißer Tipp, aber auch die sehr gefährlichen Hippos sollte man nicht unterschätzen. Besser man kommt durch.

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Bild 87: Furt mit Hippo

Als wir wieder auf unserer Talek-Seite sind, fahren wir noch ein wenig am Fluss entlang. Thomy möchte unbedingt ein Krokodil sehen, besser mehrere. Also bleiben wir alle paar Meter stehen und Thomy schleicht sich vorsichtig an die Böschungskante an. Nach vielen erfolglosen Versuchen haben wir Glück – ein riesiges Krokodil liegt auf einer Sandbank. Das ist selten, denn die Krokodile sind sehr scheu und wenn sie die Annäherung eines Autos oder Fußgängers spüren, verschwinden sie sofort im Wasser. Dort kann man dann manchmal noch ihre Augen sehen, sonst aber nichts.
Dieses Prachtexemplar ist sicher vier Meter lang und Thomy ist hoch erfreut.

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Bild 88: Krokodil

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Bild 89: Kroko ins Wasser

Dann sind wir wieder am Löwenplatz und es ist auch schon wieder Abend geworden. Wir lernen einen witzigen, erstaunlich zutraulichen Vogel kennen, der sich auf unserem Zeltplatz um die Entsorgung der Brotreste kümmert. Mein Vater nennt ihn die „Metalissé-Taube“, weil er so ein blau glänzendes Gefieder hat. Ich habe ihn schon am Vortag gesehen und mich gewundert, dass er gar nicht scheu war. Wenn man sich ihm nähert, hüpft er nur ein paar Schritte weg, ist aber sofort wieder da und sucht nach Speiseresten.
Mein Vater meint, dass er schon ein paar Monate zuvor da war und sich scheinbar an uns gewöhnt hat. Wir bekommen auch Besuch von einigen Pavianen. Damit sie nicht zum Zeltplatz kommen und dort Essen stehlen, bringen wir unsere Reste ein paar Meter weit weg und legen sie an einer bestimmten Stelle ab. Die Paviane wissen das und kommen regelmäßig vorbei, um sich ihre Mahlzeit abzuholen. Im Gegensatz zu anderen Parks sind sie hier nicht so aufdringlich und wir können ungestört campen.
Wieder neigt sich ein schöner Tag dem Ende zu und diesmal verstreicht die Nacht ohne Gewitter.

Kenia von Nord nach Süd – Tag 10: Das Mara Triangle

Am Morgen ist mein Schlafsack nass, allerdings nicht vom nächtlichen Gewitter, sondern vom Tau, der an der Innenseite der Außenhülle jede Menge Kondenswasser bildet. Da das Zelt klein ist, streife ich mit dem Fußteil an der Innenhülle, die schleift an der Außenhülle und so ist das Fußende des Schlafsacks nass. Kein großes Thema, denn die Sonne ist so stark, dass sie alle nächtlichen Nässen nach kurzer Zeit getrocknet hat.
Die Maasai Mara liegt ca. 1.500 Meter hoch und hat ein eigenwilliges Klima. Am Tag ist es meist sehr heiß, wir messen am vierten Tag satte 36 Grad, in der Nacht wird es aber kühl bis manchmal kalt. Im Februar ist Trockenzeit und da kühlt es auch in der Nacht nicht so stark ab, aber mehr als 15 Grad hat es trotzdem nicht. Da braucht man am Abend und in der Früh schon einen ordentlichen Pullover oder Sweater.
Wenn wir Internet haben wollen, müssen wir hinauf auf die Plains fahren, dort gibt es eine gute Verbindung. Die ist heute auch sehr wichtig, denn mein Bruder hat uns angerufen und gebeten, die Versicherungsplakette auf der Windschutzscheibe zu fotografieren und außerdem noch die ersten beiden Seiten des Carnets.
Er braucht all das um den Transport des Toyotas nach Bremerhaven zu organisieren. Genau genommen braucht das ein gewisser Frank von der Spedition in Mombasa. Wir sollen die Fotos machen und ihm schicken. Das wäre vor ein paar Jahren noch ein echtes Problem gewesen, heute macht man mit dem Smartphone das Bild und schickt es per Mail sofort weg.
Wir passen bei der Fahrt raus aus unserem Galleriewald sehr darauf auf, dass uns kein Safaribus sieht und sich denkt: da muss was Interessantes drin sein, wenn ein anderes Safariauto dort war. Da derzeit nur sehr wenige Touristen im Park sind, ist das kein allzu großes Problem.
Wir fahren heute ins Mara Triangle, das ist ein Abschnitt der Mara ganz im Südwesten und ich war noch nie dort. Thomy hat in seinem Reiseführer gelesen, dass es dort eine ganze Menge Geparde geben soll und will unbedingt hin. Also machen wir uns auf den Weg und fahren zuerst noch an den Mara-Fluss, wo Thomy hofft Krokodile zu sehen. Auch hier begegnen wir nur zwei oder drei Autos, normalerweise müssten es zwanzig oder dreißig sein.
Am Mara-Fluss ist es eher unspektakulär, aber den einen oder anderen Hippo-Pool gibt es dann doch und die Landschaft ist sowieso überall hier großartig.
Dann fahren wir auf den Lookout-Hill, auf dem ich auch schon seit vielen Jahren nicht oben war, ähnlich wie im Nakuru-Nationalpark.
Auch dieser Hügel belohnt die Auffahrt mit einer absolut spektakulären Sicht über fast den ganzen Park. Die Gegend ist immer wieder atemberaubend und ich kann mich nie sattsehen. Das wird sich bis zu meinem Lebensende auch nicht ändern, hier ist es einfach so unglaublich schön.

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Bild 78: Am Lookout-Hill

Die Mischung aus Hügeln, weiten Ebenen, Tälern mit Flüssen und Galleriewäldern ist so vielseitig und zugleich strahlt sie eine große Sanftheit aus. Und sie verändert sich alle paar Kilometer und bietet immer wieder neue, interessante Perspektiven.
Wir durchqueren eine letzte Furt und kommen zur Hauptstraße, die von der Keekorok Lodge bis an die westlichste Spitze des Parks führt. Dabei muss sie den Mara-Fluss überqueren, was mittels einer Brücke geschieht. Genau genommen gibt es sogar zwei Brücken, eine kleinere, ältere und eine modernere, die auch bei extremem Hochwasser nicht überschwemmt wird.
Davor bleiben wir jedoch noch bei einem Aussichtspunkt am Mara-Fluss stehen und treffen ein paar dort herumlungernde Game-Ranger. Sie fragen uns, ob wir sie zu ihrem Camp mitnehmen können, weil wir ja nach dem Triangle zurück zur Keekorok-Lodge fahren – das habe ich ihnen erzählt, als sie fragten, wo wir denn herkämen.
Wir versprechen bei der Rückfahrt an sie zu denken und fahren zur Brücke. Dort empfängt uns ein sehr unfreundlicher Typ, der misstrauisch unsere Papiere beäugt und dann telefonieren geht, als wir ihm erzählen, dass wir beim Sandriver-Gate campieren würden. Wo wir wirklich kampieren, sollen wir ihnen nicht sagen – so der Auftrag meines Vaters. Mir ist nicht wohl dabei, vor allem, weil der Unfreundliche unsere Autonummer aufschreibt und dann mehrfach telefoniert.
Dann aber kommt er, gibt uns ein Info-Blatt für das Triangle und eine Art Rechnung für die Mara-Brücke, für die wir aber nichts zahlen müssen.

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Bild 79: Die Mara-Brücke

Ich kaufe mir noch schnell eine neue Mara-Karte, weil meine bisherige schon über zwanzig Jahre am Buckel hat und die neue wirklich hervorragend ist.
Dann öffnet sich für uns die Schranke und alles scheint bestens zu sein. Wir fahren los und kommen in einen gänzlich anderen Teil der Mara. Kleine Vulkankegel mischen sich mit langgestreckten Ebenen und wir fahren ins Triangle ein.

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Bild 80: Mara-Triangle

Leider ist dort das Gras sehr hoch und man sieht nur sehr wenige Tiere. Bei diesem Vegetationsstand hat man mehr oder weniger keine Chance auf Geparde. Dafür laufen auf einmal zwei Zebras vor uns her, die keinerlei Lust haben wegen uns schneller zu laufen oder gar die Straße zu verlassen. Sie blicken sich immer wieder um und stimmen scheinbar mit einer Riesenhetz ihre eigene Geschwindigkeit auf unsere ab. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Wir bleiben stehen und lassen sie davonlaufen. Doch das funktioniert nicht, sie werden auch langsamer und warten dann auf uns, bis wir wieder ein paar Meter hinter ihnen sind. Dann laufen sie seelenruhig weiter. Plötzlich, als wir wieder mehr Abstand lassen, verlässt eines der beiden die Straße. Endlich, denken wir und wollen beschleunigen. In diesem Moment rennt das Zebra wieder vor uns auf die Straße und weiter vor uns her, fast wie zum Fleiß.
Das Triangle hat eine ganz eigene Landschaft, einige Bäche und Sümpfe und wird im Norden vom Escarpment begrenzt. Eine faszinierende Landschaft.

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Bild 80: Landschaft im Triangle

Als wir eine Pause machen beschließe ich Diesel vom vollen hinteren Tank in den inzwischen fast leeren vorderen Tank zu pumpen. Die Pumpe gibt allerdings seltsame Geräusche von sich und ich merke nur, dass sich die Dieselanzeige nicht verändert, auch nach einigen Minuten pumpen nicht.
Mir schwant Übles: hat mein Bruder vergessen zu tanken? Hat uns irgend ein Gauner den Sprit abgezapft, aber wenn, dann wo? Wir haben das Auto nicht alleine stehen gelassen und außerdem braucht man dafür einen Schlüssel.
Wir hingegen brauchen Diesel, und zwar eher dringend. Wir könnten zwar noch ein bis zwei Tage Gamedrive machen, aber dann würden wir nicht mehr bis Narok kommen. Also ist guter Rat teuer, bzw. eher guter Diesel.
Wir beschließen, dass es völlig ausreicht, wenn wir uns am Abend darum kümmern, vorher können wir sowieso nichts machen. Also fahren wir weiter über die hervorragenden Straßen im Triangle und sehen leider fast nichts. Ein paar Elefanten, einige Antilopen aber sonst gar nichts.
Die Landschaft ist dafür wirklich schön und so bereuen wir es nicht, hierhergekommen zu sein.
Bei der Rückfahrt treffen wir einen der Game-Ranger wieder, der scheinbar am Straßenrand auf uns gewartet hat, damit wir ihn mitnehmen. Er möchte zu seiner Ranger-Station, die etwa fünf Kilometer Richtung Keekorok liegt. Wir erklären ihm, dass wir später noch einen weiteren Gamedrive machen würden und daher nicht bis zur Keekorok fahren würden. Außerdem würden wir meinen Vater treffen (was ja sogar stimmt) und das wäre der Mann mit dem „big red sixwheeler“. Der Ranger heißt Kamot und meint sich an das Auto und den Mzee (Kiswahili: alter Mann) erinnern zu können. Das kommt gut an und unser Anhalter muss noch zwei Kollegen erklären, warum wir sie nicht mitnehmen können, auch wenn das sehr unhöflich erscheint.
Dann nehmen wir ihn mit und fahren zu seinem Camp. Es liegt direkt neben der Straße in einem kleinen Wäldchen, sehr versteckt auf einer Lichtung. Da stehen einfache Blechbaracken im Kreis angeordnet – wie das in Afrika halt so üblich ist. Kamot spricht eine Einladung aus: wir sind jederzeit herzlich willkommen, er würde sogar seine Hütte für uns räumen und zu einem Kollegen in die Hütte ziehen. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sowohl die Polizisten wie auch die Game Ranger ganz besonders freundlich zu Touristen sind. Vielleicht haben sie ja von weit oben eine Anordnung bekommen, die Freundlichkeit ist zwar angenehm, aber irgendwie ungewöhnlich, zumindest in dem Ausmaß, das wir hier erleben.
Wir verabschieden uns höflich und fahren wieder Richtung Löwenplatz.
Der restliche Tag verläuft ruhig und angenehm: ein erfrischendes Bad im Tümpel, Judy fabriziert ein hervorragendes Abendessen und schon wird es wieder dunkel.
Wir sitzen noch eine Zeit lang bei einem Schluck Kenya Kane und einem Bier vor dem Zelt und beobachten die Glühwürmchen. Wenn man mit einer Lampe den Fluss bzw. das andere Ufer ableuchtet, tauchen immer wieder verschiedene Augenpaare auf, die durch das Licht zu leuchten beginnen. Manchmal kann man erraten, um welches Tier es sich handelt, an diesem Abend ist es z.B. eine Antilope. Auf jeden Fall wird klar, dass es rundherum jede Menge Tiere gibt, die man meist nicht sieht und nur manchmal hört.
Dann zieht wieder ein Gewitter auf, das diesmal ähnlich verläuft wie das gestrige, aber etwas länger dauert. Doch auch in dieser Nacht muss ich die Gastfreundschaft von Thomy im Toyota nicht beanspruchen.
Das ist nicht selbstverständlich, ich will nur eines von zahlreichen nassen Erlebnissen der Vergangenheit hervorkramen. Vor vielen Jahren waren wir öfter zu Weihnachten in der Mara. Das ist gegen Ende der Regenzeit und die Erde in der Mara ist von der Feuchtigkeit gesättigt. Wir schliefen damals in einem Hauszelt und ich merke mitten in der Nacht, dass mich etwas am Kopf stößt. Seltsam, was kann das sein? Dann noch ein Stoß, ich greife zur Lampe und sehe, dass es sich um eine Luftmatratze handelt, die an mich dran geschwommen ist.
Wir alle lagen nämlich in einem kleinen See, der sich im Hauszelt gebildet hatte. Er war so hoch, dass die Luftmatratze, auf der zwei Leute schliefen, einfach aufgeschwommen war. Wir hatten das Zelt nämlich sträflicherweise in einer Mulde aufgestellt. Ich hatte es nicht früher bemerkt, weil der Schlafsack das Wasser noch irgendwie aufgehalten hatte, aber genau genommen lag ich komplett im Wasser und war auch schon entsprechend nass.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, was wir damals getan haben, um die restliche Nacht zu überstehen. Wahrscheinlich haben wir uns in die Autos gelegt, wobei wir damals noch keine Campingmobile hatten, daher saßen wir eher im Auto für den Rest der Nacht. Camping ist nicht immer nur der reine Spaß.

Diesmal war es jedoch nur ein harmloses Gewitter in der Trockenzeit. In den letzten Jahren wurde aber gerade in Afrika der Klimawandel ganz besonders deutlich. Hier ist alles ein wenig stärker und extremer als bei uns in Mitteleuropa. Wenn es einmal stark regnet, dann schwemmt es alles davon und wenn eine echte Hitzeperiode da ist, verdorrt das halbe Land. Früher konnte man sich ziemlich genau auf Regen- und Trockenzeiten verlassen. Sie kamen manchmal mit ein oder zwei Wochen Verspätung oder auch früher als im Durchschnitt, aber sie kamen und waren in etwa gleich stark.
Heute kann es passieren, dass eine Regenzeit komplett ausfällt, dann bedeutet das den Tod für sehr viele Tiere. Aber auch das Gegenteil kommt vor, eine Trockenzeit fällt aus. Dann gibt es Schlamm ohne Ende, Überschwemmungen, Murenabgänge und eine unglaubliche Bodenerosion. Das ist genauso tragisch und leider kommen beide Phänomene immer öfter vor. Das bringt den afrikanischen Kontinent unter Druck, weil ja das Bevölkerungswachstum nach wie vor zunimmt und es so zu Ernährungsengpässen kommt. In Verbindung mit dem Land- und Ressourcenraub durch die Chinesen, Inder, US-Amerikaner und Europäer bedeutet das eine echte Herausforderung für viele afrikanische Staaten. Und es bedeutet Flüchtlinge, die bei uns dann abschätzig „Wirtschaftsflüchtlinge“ genannt und gerne wieder zurückgeschickt werden.
Politische Unruhen, die politische Flüchtlinge erzeugen, entstehen meist durch eine angespannte wirtschaftliche Situation. Somit sind alle Flüchtlinge Wirtschaftsflüchtlinge und viele Menschen, die bei uns im Luxus fast ersticken, sind der Ansicht, dass diese Flüchtlinge ohne guten Grund zu uns flüchten und somit zurückzuschicken sind. Sie könnten uns ja etwas von dem Luxus wegnehmen wollen, den wir übrigens nur haben, weil wir ihn durch die billigen Rohstoffe und die billige Arbeit in ihren Heimatländern bekommen.
Ihre billige Arbeit nehmen wir gerne, sie selbst sind aber bei uns unerwünscht. Wer bei uns etwa billige Kleidung oder billige Blumen kauft, unterstützt dieses System.

Die afrikanische Nacht ist anders als die europäische, sie ist voller Gegensätze:
Heiß – weil es oft heiß hergeht.
Kalt – weil es nach Hitze am Tag oft empfindlich kalt wird.
Laut – jede Menge Geräusche verbinden sich oft zu einem wahren Konzert.
Leise – irgendwann mitten in der Nacht wird es ganz plötzlich totenstill.
Trocken – sehr schnell nach dem Regen trocknet es auf.
Nass – nicht nur in der Regenzeit, auch bei einem Gewitter oder durch Tau am Morgen.
Wild – ungezähmt, oft brutal, unberechenbar, überraschend.
Mild – seit Jahrmillionen unverändert und somit in gewisser Weise geordnet.
Lang – sie dauert fast zwölf Stunden.
Kurz – durch die viele Aktivität vergeht sie schnell.
Beängstigend – wenn man daran denkt, was sich da alles abspielt.
Beruhigend – sie kann einlullen, durch Geräusche und Gerüche auch friedlich stimmen.
Hell – wenn der Mond scheint, kann man ein Buch lesen.
Dunkel – durch die fehlende Lichtverschmutzung ist es vor allem bei Bewölkung oft stockfinster.

Die afrikanischen Nächte sind archaisch im Sinne von ursprünglich, sie zeigen uns den Ursprung der Menschheit fast besser als die Tage.