Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut

Es ist lange her, da wurde Kaiser Franz-Josef I. zu etwas eingeladen, was man heute mit „Event“ bezeichnen würde. Laut Wikipedia trug sich folgendes zu:

Der Suizid des Architekten Eduard van der Nüll, Miterbauer der Wiener Staatsoper, angeblich als Reaktion auf eine Kritik des Kaisers, veranlasste Franz Joseph, zu kulturellen Angelegenheiten nur noch sehr zurückhaltend Stellung zu nehmen. Der Kaiser äußerte sich, statt irgendein Urteil abzugeben, bei kulturellen Anlässen nur noch mit der stereotypen Phrase: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!“ Er war sein Code für Unverbindlichkeit und Gleichgültigkeit.

Als ich neulich auf ebay ein Gebot für eine Schallplatte abgab, wurde mir mitgeteilt, dass ich der Höchstbieter bin. Dazu stand der Satz „Hope you win.“

Und Fürst Rainier von Monaco pflegte zu jedem Gewinner des Grand Prix beim Siegerempfang zu sagen „Ich bin froh, dass Sie es sind.“

Was hat das zu bedeuten? Wieso freuen uns Sätze, Nachrichten, Glückwünsche etc., die nicht von Herzen kommen, die nicht einmal von Menschen generiert sind? Bei ebay ist das eine simple Floskel, die von einem Computerprogramm hingeschrieben wird. Es gibt niemanden, der „hofft“, dass ich gewinne. Ein Programm kann nicht hoffen, und es ist auch kein Adressat da, denn „you“ ist jeder, der das liest.

Wieso hat sich der Architekt umgebracht, nur weil sein Werk dem Kaiser nicht so besonders gut gefallen hat? Wir finden die einzige Erklärung in der scheinbaren Erwünschtheit des Patriarchats. Es ist der gleiche Grund, aus dem Menschen sich die „Gala“ kaufen und begierig nachlesen, welcher Prinzessin irgendwo der Hut davon geflogen ist. Scheinbar haben viele Menschen den Wunsch, sich einer Obrigkeit unterzuordnen. Das kann ein König oder ein Chef sein. Das hat auch seinen Sinn, viele Errungenschaften unserer modernen Gesellschaft wären ohne Hierarchien und den damit verbundenen Ober- und Unterordnungen nicht denkbar. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen der Unterordnung zwecks Erreichen eines gemeinsamen Zieles und der völligen Unterwerfung der gesamten eigenen Person unter eine Autorität, die man nicht einmal kennt. Im extremsten Fall geht das bis zur Aufgabe des eigenen Lebens, gerne auch mal ohne sinnvollen Grund.

Ein Gedanke zu „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut

  • 10. Januar 2024 um 17:05 Uhr
    Permalink

    Ihr Blogposting war sehr schön (und überlegt informativ), es hat mich sehr gefreut. Hope you win! :) LG

    (ps: Eintrag wurde direkt gefunden über google.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert