Nightmare on Heathrow, Teil 3

Der 26. Dezember ist endlich ein guter Tag. Dank mangelnder Verbindung in die Außenwelt kann uns die Gepäckfrage egal sein und wir verbringen einen tollen Vormittag mit einem Ausritt auf unglaublich lammfrommen Pferden, sehen Viehweiden ohne Ende, hin und wieder regnet es ein wenig, aber es ist hier sehr schön, die tschechische Managerin ist sehr nett und der heiße Frischwasser-Minipool ist toll. Das ist ein Platz, den ich definitiv weiterempfehlen kann, dort kommen neue Energien, ein Wildbach fließt mitten durch die Lodge und sie haben ein Heißwasserbecken, alles ist sehr einfach ausgestattet, die Hütten ausschließlich aus Holz gebaut, gekocht wird am Holzofenherd.
Auch das gute Essen haben die Leute in Costa Rica nicht erfunden, die einzige echte Landesspezialität ist Reis mit Bohnen. Das bekommt man hier zum Frühstück, zum Mittag- und selbstverständlich auch zum Abendessen. Wer keine Bohnen mag (immer klein und schwarz, als Paste, als Beilage, gekocht, gebraten etc.), sollte Costa Rica großräumig meiden. Alles in allem ist das Essen na ja, Essen halt.

Gegen Mittag brechen wir Richtung Arenal auf, das ist ein berühmter Vulkan an einem See und wir sind dort im Paraiso-Hotel gebucht.
Da in diesem Land irgendwie nichts so funktioniert, wie man es geplant hat, sind unsere Zimmer natürlich 1.) nicht fertig (was sich schnell ändert, nachdem Markus mit altbekannter Verhandlungsstärke droht, dass alle bis zur Fertigstellung von uns getrunkenen Biere aufs Haus gehen müssen – sein leicht nach vorn gestreckter Gössermuskel überzeugt den Rezeptionist) und 2.) bekommen wir Zimmer mit Vulkanblick. Das klingt nett, aber erstens befindet sich zwischen dem Zimmer und dem Vulkan eine mehrseilige Hochspannungsleitung, was den Blick etwas, äh, zerschneidet, und zweitens befindet sich auch noch die Hauptstraße dazwischen, befahren von unzähligen wildgewordenen Irren, die die lange Gerade als Beschleunigungsteststrecke verwenden. In der Nacht, versteht sich.
Dafür gibt es gratis Internet in der Rezeption. Wir sind extrem gespannt und hoffen, dass das Warten bald ein Ende hat – inzwischen müssten sie unser Gepäck ja gefunden haben.
Leider sieht der Report immer noch so aus wie an dem Tag vor Ewigkeiten, als ihn der Chinese in Vancouver verfasst hat. Aus seinem Versprechen, dass wir dort jederzeit unsere eigenen Daten (Aufenthaltsort für die Zustellung, Telefonnummer etc.) updaten könnten, wird leider nichts, da das Programm ständig Fehlermeldungen („Internal Error“) ausspuckt. Selbstverständlich wurde uns auch keinerlei Email geschickt – es ist, als ob wir nicht existieren würden.
Wir beschließen, erstens eine Mail an die AUA und zweitens eine an die BA zu schicken, mit all den relevanten Daten und unserem Aufenthaltsort, jetzt und in den nächsten Tagen. Wir beschließen weiters, meinen Vater um Hilfe zu bitten, der ist in Besitz einer fetten Senatorkarte. Leider befindet er sich zur Zeit irgendwo in Kenia im Busch. Mein Bruder erreicht ihn trotzdem, hat aber nicht auf die Zeit geschaut und weckt ihn um 2 Uhr in der Früh auf. Er verspricht, ein wenig Dampf zu machen, vielleicht rühren die Herrschaften ja bei entsprechender Intervention ein Ohrwaschl. Außerdem verspricht er, eine gute Bekannte einzuschalten, die erstklassige Verbindungen zur British Airways hat, doppelt hält schließlich besser. Das Telefonat zu unserem Vater (mit einem österreichischen Handy in Costa Rica nach Kenia auf ein österreichisches Handy) könnte übrigens eher teuer werden. Das müsste der Maximal-Tarif sein, nur vom Mond aus ist es noch teurer, unser Vater bekommt angeblich demnächst von A1 den Titel „Roaming-Kaiser“ verliehen.
Nun können wir auch Zahnputzzeug kaufen und Deo und Rasierer, aus uns werden wieder Menschen, mit denen man sich in der Öffentlichkeit blicken lassen kann. Eine Sporttasche für jeden von uns muss auch sein, wir wollen einfach nicht noch zwei Wochen aus dem Plastiksackerl leben.
Bei entsprechender Oberbekleidung in Form von T-Shirts sieht es schon schlechter aus. Erstens ist gerade Sonntag und es haben wieder alle Geschäfte zu und zweitens (wir finden nach einer Stunde Wartezeit eines, das auch am Sonntag offen hat) gibt es nur wenig, eigentlich nichts in der Größe, die der mittelgroß gewachsene Europäer nun einmal braucht. Costa Rica ist das Land der Zwerge, zumindest lässt sich das aus der Kleidungsauswahl erkennen. Schuhe? Vergiss es!
Mit dieser Aktion vergeht übrigens ein weiterer Halbtag, den wir gerne mit urlaubsähnlicheren Tätigkeiten verbracht hätten. Danke, Austrian Airlines, London Heathrow, British Airways, Continental und Mexicana, die ihr alle für uns nicht zuständig seid!

Der 27. Dezember vergeht, wir warten immer noch auf die beiden Godots. Gegen Mittag des nächsten Tages reisen wir ab. Leider haben wir immer noch kein Gepäck, aber bei der Abfahrt meint der Rezeptionist, ein Herr von der Mexicana hätte angerufen und bitte um Rückruf. Wir flehen den Rezeptionisten an, uns zu helfen und das Gepäck ins Ocotal Beach Resort nachschicken zu lassen, wo wir ab heute Abend fünf Tage verbringen werden. Auch wenn die ursprünglich geplante Tauchsafari längst abgefahren war (ohne uns und die beiden Godots), vielleicht ließe sich mit Tauchequipment ja wenigstens ein wenig vor Ort tauchen.
Er verspricht es hoch und heilig und wir fahren ab.
Auf einer Raststätte kurz nach Liberia bekommen wir endlich das Essen, das ich mir hier wünsche: Einheimische Kost, alles sehr frisch, sehr geschmackvoll und nicht teuer, plus wirklich gutem Service, fast schon wie man es bei uns bekommt.
Am Abend angekommen meint die Rezeptionistin im Ocotal Beach Resort, ein Herr von der Mexicana hätte angerufen und bitte um Rückruf. Gierig stürzen wir uns auf den Hörer und rufen die Nummer an – leider besetzt, und zwar – modern gesprochen – nachhaltig.
Die Rezeptionistin meint, das wäre durchaus üblich, man lege einfach den Hörer neben das Telefon und hätte Ruhe vor lästigen An- oder Rückrufen, alles ganz normal in Costa Rica.
Da plötzlich – es läutet – der Rezeptionist daneben drückt mir den Hörer in die Hand, eine Stimme fragt „Peter?“ Ich beeile mich zu antworten, dass ich der Bruder von Peter wäre und dann meint die Stimme, ich solle „hold on“ machen. Nach einiger Zeit meldet sie sich noch einmal und bittet, ich solle weiterhin „hold on“ machen. Es vergeht noch eine Zeit und dann: tut-tut-tut-tut… Aufgelegt.
So, werte Leserinnen und Leser, funktioniert das meisterliche Foppen, dafür braucht man sicher eine mehrjährige, sehr schwierige Ausbildung.
Die Rezeptionistin hat jetzt der Ehrgeiz gepackt und nach einer Stunde bekommt sie ihn tatsächlich höchstpersönlich an den Hörer und ersucht dringend, man möge die Gepäckstücke (ja, sie wären gefunden worden und seien in San José) sofort zustellen, ja, sofort, hierher nach Ocotal.
Wieder steigt die Hoffnung, nachdem sie versichert, die Gepäckstücke würden sofort aus San Jose weggeschickt und seien in vier Stunden, also um 9 Uhr Abends da und sie würde sie sofort ohne Verzögerung an uns weiterleiten.
Stunden vergehen, es wird 9, es wird 9:30, es wird 10, es wird 10:30, es wird 11, es wird 11.30, es wird Mitternacht und ich gehe schlafen. Wieder nix, so endet in fröhlicher Fopperei der 6. Tag unserer Reise, wartend auf Godot.

Der nächste Tag beginnt mit einer positiven Überraschung: Unser Gepäck ist da, nach nur 6 Tagen! Bis auf einen entsprechend heftigen Riss in Peters Tauchtrolley sieht äußerlich alles okay aus. Weniger okay ist das Frühstücksbuffet. Obwohl das angeblich ein tolles Hotel ist, gibt es eher das, was die Amis wollen, mit Ahornsirup und waffelartigen Palatschinken oder palatschinkenartigen Waffeln oder so, fett und ohne Geschmack.
Ob Nightmare on Heathrow damit beendet ist? Die nächsten Tage werden es zeigen bzw. das entsprechende Nachspiel, um das sich in erster Linie hoffentlich meine Rechtschutzversicherung kümmern wird.

Nach ein paar Tagen Urlaub geht es zurück Richtung San José. Mir ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass wir wieder eine elendslange Strecke fliegen müssen, mit Continental (CO 1755) von San José Nach Newark, dort drei Stunden Pause, danach noch einmal mit der Continental (CO 056) von Newak nach Paris und dann nach weiteren drei Stunden Aufenthalt mit der Austrian (OS 412) zurück nach Wien.
Wien – ah, der Gedanke löst Freude aus, Hoffnung, Wunsch.
Am Vorabend gilt es noch den Leihwagen zurückzugeben, was nach einigem Hin und Her problemlos klappt. Der Suzuki Jimny hat uns treu begleitet, wir mussten Gott sei Dank keinen Reifen wechseln, da sich irgendwann gezeigt hat, dass das Reserverad gut, aber leider seitlich mit einer seltsamen Beule verziert war. Ansonsten lief alles glatt, bis auf den linken vorderen Kotflügel, der sich teilweise löste, so dass wir den Plastikteil ganz entfernen mussten. Und das Navi fiel einmal aus – es war plötzlich einfach tot, nicht mehr zu starten, einfach tot. Gott sei Dank entschloss es sich nach einiger Zeit wieder zu funktionieren.

Das Versprechen unserer netten Rezeptionisten, dass wir pünktlich um 06:20 zum Flughafen gebracht würden (man hätte ein eigenes Shuttle hier im Hotel!), erwies sich als sehr leer, denn in der Früh wussten sie nichts mehr vom Vorabendversprechen – das Taxi ginge pünktlich um 06:45 und keine Minute früher. Aber es wäre eh nicht weit zum Flughafen.
Ob denn der Verkehr kein Problem machen würde? Nein, so wurde versichert, das wäre schon okay.

Selbstverständlich ging es nicht um 06:45 los, da zwei Amerikanische Schachteln (Mundl hätte „Schastrommeln“ gesagt, aber ich sage das nicht) vergessen hatten auszuchecken. Auf die Bitte, sich ein wenig zu beeilen, da wir sonst unseren Flug versäumen würden, reagierten sie, ich sage mal vorsichtig, „verschachtelt“.
Also mit entsprechender Nervosität zum Flughafen. Gott sei Dank ist das Einchecken okay, die Gürtel hatten wir vorsichtshalber gleich ins Gepäck gesteckt. Wir hatten schon am Vortag per Internet unsere Sitzplätze reserviert (Ganz, ganz wichtig: Gangsitze, vor allem bei der Langstrecke von Newark nach Paris!) und bekommen auch die Bordkarten, allerdings nur bis Paris, dort müssten wir uns bei der AUA neue besorgen. Witzig finde ich nur die Bezeichnung unserer Sitzplätze auf der Langstrecke: 27K und 27L, aber die werden sich schon was gedacht haben bei der Nummerierung.
Die zusätzliche Gepäckkontrolle, die von den Amis in der Fluggastbrücke direkt vor dem Flugzeug gemacht wird, ging flott vonstatten, vor allem, weil es der Dame (aus Costa Rica) irgendwie peinlich war, dass sie bei meinem Rucksack nur den Zipp für das Rucksackerweiterungsfach fand – also verzichtete sie auf das Öffnen aller anderen Fächer, ich hätte jede Menge Sprengstoff in flüssiger Form mitführen können. So viel zur Sinnhaftigkeit der 17 Kontrollen.

Der Aufenthalt in Newark gestaltet sich unspektakulär, da wir uns ja auf entsprechende Schwierigkeiten eingestellt haben. Nun besitzen die Amis meine Fingerabdrücke und meine Irisstruktur, ich wünsche ihnen viel Spaß damit. Unser Gepäck müssen wir rausholen, identifizieren, mitnehmen, wir müssen lustige Fragen beantworten („Haben sie das auch selbst gepackt? Hat ihnen dabei wer geholfen? Sind Sie sich sicher, dass Ihnen niemand dabei geholfen hat? Sind Sie sich ganz sicher, dass das Ihr Gepäck ist? Haben Sie da irgendwas drin, das nicht Ihnen gehört? Hat Ihnen jemand was mitgegeben, das nicht Ihnen gehört? Etc.). Dann stellen wir das Gepäck auf ein Förderband und gehen zu den nächsten Sicherheitskontrollen.
Als wir das Flugzeug nach Paris entern, fängt die Stewardess zu lachen an: Hihihi, 27K und 27L hätte man gar nicht, man hätte die Plätze 27A, 27B, 27C, 27D, 27E und 27F, das wäre alles.
Wir lachen fröhlich mit, was uns aber schnell vergeht, als die Stewardess ihre Chefin holt und die meint, da gäbe es ein Problem, weil man hätte das Flugzeug gewechselt und das wäre jetzt ein anderes, kleineres, und man wäre überbucht, aber sie würde schauen, ob sie für uns noch Plätze findet.
Nach einiger Zeit kommt sie wieder und meint, ja, sie hätte noch die letzten zwei Plätze aufgetrieben, 27B und 27E.
Das sind ganz deutlich die Arschplätze, die miesesten, die man haben kann, sofern man größer als Danny DeVito ist. Leider, so meint sie, aber andere hätte sie nicht.

Es ist ein langer Flug von USA nach Frankreich, wenn man auf B und E sitzt, ein sehr langer. Vergleichbar ist das nur mehr mit der Käfigfolter der Roten Khmer in Kambodscha. Die hatten seinerzeit eine besonders grausame Foltermethode entwickelt, nämlich einen Stahlkäfig mit einer Innenkonstruktion. Diese war so gemacht, dass man darin weder sitzen noch stehen noch liegen konnte. Nach kurzer Zeit wurden die Eingesperrten verrückt und sagten und taten alles, was man von ihnen verlangte.
Auf unseren Sitzen konnten wir auch weder sitzen noch liegen noch stehen. Dazu kommt noch, dass die Sitze in der Boeing 757 eine konkave Lehne haben, die sich oben wieder nach vorne wölbt. Das Brustbein wird extrem zusammengequetscht, vor allem, wenn man es nicht durchbiegen kann, weil daneben auch zwei Breitschultrige sitzen. Die Haltung ist erniedrigend.
Manche Passagiere behelfen sich, indem sie das Essenstablett runterklappen und den Kopf drauflegen, andere stehen fast die ganze Zeit vorne beim Häusl.
Dann endlich, nach einer Ewigkeit kommt das Frühstück und der Plastikbecher mit heißem Tee. Und das Luftloch. Nein, die Mutter aller Luftlöcher. Coffee everywhere, Tea on the ceiling, die Stewardessen teilen Servietten aus, ich bin im Urlaub.
Der Aufenthalt in Paris ist okay, bis auf die lustige Rätselrally, die wir ohne unser Wissen scheinbar gebucht haben. Der Transitbereich ist zwar vorhanden, aber wir können dort nicht den Terminal erreichen, von dem wir mit der AUA weiterfliegen können. Bald stellt sich heraus, dass wir die drei Stunden Zwischenstop tatsächlich brauchen. Irgendwann haben wir den Checkin-Schalter gefunden und freuen uns, dass die Dame außer Französisch noch ein wenig Englisch kann. Ja, wir sprechen vom Schalter der Austrian Airlines. Nein, sie konnte kein einziges Wort Deutsch. Sollte sich irgendwer wundern, warum niemand mehr mit der AUA fliegt – ich kann es ihm sagen!
Dann endlich, nach 27 Stunden ohne Schlaf, sind wir in Schwechat angekommen, wir beide, mein Bruder Peter und ich. Und unsere beiden kleinen Handgepäckrucksäcke auch. Nach einer halben Stunde am Gepäckband stellt sich heraus, dass wir komplett sind, unsere beiden Godots sind wieder einmal fort, irgendwo geblieben, in Newark oder Paris oder sonstwo.
Es gibt dem Urlaub noch die passende Abschlusswürze, das Ausfüllen des Formulars. Die nette Dame meint, sie bedaure uns, aber man warte derzeit auf sehr viele Gepäckstücke aus Paris und man würde uns die Taschen sofort zustellen, wenn sie ankommen.
Am Abend kommt der Anruf, dass die Taschen da seien und mit der 7 Uhr-Lieferung an unsere Adressen gingen, allerdings sollten wir uns auf 3-5 Stunden Verspätung einstellen, das sei einfach so.

Das ist das Ende der Geschichte und ich brauche jetzt dringend Urlaub.

Ein Gedanke zu „Nightmare on Heathrow, Teil 3

  • 14. Januar 2010 um 14:03 Uhr
    Permalink

    tja, wenn einer eine Reise tut, …..
    Auch, wenn Du meinst, einige Deiner Erfahrungen wären entbehrlich, uns würde auf jeden Fall eine Menge Spaß mit Deinen Reiseberichten entgehen. Danke, Guido!
    Falls Du Lust zum Tauchen hast: Wir (Alex, ich und 3 andere) haben 1 Wo. Tauchsafari Ägypten Tiefer Süden vom 8.-15.3. gebucht. Gibt noch Plätze (ca. 900,- pro pax).
    lg, eva

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