Kenia von Nord bis Süd – Tag 6: Sweetwater

Eine kühle Nacht, ein gutes, englisches Frühstück (schwarzer Tee, Toast und Orangenmarmelade) und schon geht es wieder auf die Reise. Allerdings dauert es ein wenig. Wir hatten zwar vor zeitig wegzukommen, aber dann brauchen wir doch wieder 1,5 Stunden: Zelt abbauen, das Termitennest unter dem Zelt entdecken, die klebrige, feuchte Erde vom Zeltboden entfernen, alles trocknen, das Frühstücksgeschirr abwaschen, alles einpacken, Camping zahlen, Auto kontrollieren und noch vieles mehr.
Das mit dem Zeltboden muss ich noch genauer schildern. Ich weiß zwar nicht warum, aber Termiten lieben Zeltböden. Sobald eines wo steht, bauen sie sofort darunter ein Nest, und zwar innerhalb einer Nacht. Da sie dünne Zeltböden auch gerne durchbeißen (allerdings nicht so gern wie Ameisen, das ist aber eine andere Geschichte), empfiehlt es sich immer eine robuste Plane unter das Zelt zu legen. Das hat außerdem den Vorteil, dass die scharfen Dornen, die man vorher nicht entfernt hat, nicht den Zeltboden durchbohren. Das ist besonders bei Zelten wichtig, die sehr leicht sind und daher keinen dicken Boden habe. Dazu kommt noch, dass diese Böden meist auch nicht wasserfest sind und auch hier hilft die Plane dann zumindest bei leichtem Regen.
Die Fahrt zurück nach Isiolo verläuft unspektakulär, ist aber nicht weniger interessant als zwei Tage zuvor die Hinfahrt. Die Menschen sind genauso interessant wie die Landschaft, dort gibt es keine Touristenfolklore, keine Verkleidungen, keine peinlichen Vorführungen – dort ist das Leben so wie es ist. Die Menschen sind von verschiedenen Stämmen, meist Rendile oder Samburu, fast alle groß und schlank.

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Bild 34: Frau mit Baby

Die Straße führt uns wieder hinunter in die Ebene und ist durchaus fahrbar – „Maram Road“ eben, kein Problem für LKW und robuste Autos. Für hiesige Verhältnisse ist das eine exzellente Straße.

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Bild 35: Maram Road

Es fahren hier ausgesprochen wenige Autos, meistens große LKW, die entweder nach Marsabit oder Moyale fahren, wahrscheinlich nicht nach Äthiopien. Sie alle geben dir eine gepflegte Packung Staub mit auf die Reise, ein Gruß von der Straße sozusagen.

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Bild 36: LKW

Die Landschaft verändert sich ständig, obwohl sie auf den ersten Blick eintönig wirkt, aber das ist ein Irrtum. Gerade noch rote Staubpiste mit Hügeln, jetzt auf einmal eine weite Ebene mit seltsamen Pflanzen.

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Bild 37: weißes Gras

Kennen Sie „M-Pesa“? Das ist eine kenianische Erfindung, die es bei uns nicht gibt und mit der in Kenia ein enormer Entwicklungsschub verbunden ist. Die Menschen besitzen dort keine Smart-Phones und es gibt keine Banken. Sie müssen aber genauso wie wir Geld an andere Leute schicken, an Verwandte oder Geschäftspartner. Also haben die Kenianer ein Überweisungssystem erfunden, das mittels SMS funktioniert. Man registriert sich beim Telekomanbieter „Safaricom“ und dann kann man in über 40.000 Stellen im ganzen Land Geld einzahlen oder ausgezahlt bekommen. Eine SMS mit einem Bestätigungscode, den man zugeschickt bekommen hat, reicht vollkommen aus. Einfach, schnell, unbürokratisch – so etwas gibt es bei uns nicht. Wir haben „Apps“ auf unseren Telefonen mit Riesendisplay und Android oder sonst welchen komplizierten Systemen. Aber Geld einfach mittels SMS überweisen, das können wir nicht. Dort kann man es im hinterletzten Eck in der Mitte von Nirgendwo.

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Bild 38: M-Pesa Station irgendwo am Straßenrand

Das Land ist trocken und man fragt sich unwillkürlich, wovon die Menschen hier leben. Ich muss zugeben: ich weiß es auch nicht, aber sie schaffen es. Ein paar sind Viehhirten, andere vielleicht bei einer Straßenbaufirma angestellt. Wahrscheinlich haben die meisten gar keinen Job, zumindest nicht so einen, wie wir ihn kennen. Es gibt hier im Norden auch Hungersnöte und Elend, das darf nicht verschwiegen werden. Und doch geht es irgendwie, die Menschen hier kennen aber auch die Genügsamkeit und wissen, wie man mit wenig auskommt.
Die moderne Technik hat aber auch hier Einzug gehalten, auf der ärmsten Wellblechhütte sieht man ein Solarzellenmodul, mit dem sie hier meistens Licht erzeugen.

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Bild 39: Wellblechhütte mit Solarmodul

Manche haben nicht einmal eine Wellblechhütte und ich bin mir gar nicht sicher, ob das nicht meistens sogar angenehmer ist. In so einer Blechhütte wird es echt heiß, bei Regen bietet sie aber mehr Schutz als die traditionellen Behausungen.

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Bild 40: einfache Hütten, mit Autoreifen

An der schon bekannten Tankstelle in Isiolo nehmen wir Alexej mit, einen netten jungen Russen, der seit letzten Oktober alleine unterwegs ist und immer dorthin reist, wo es ihn gerade hinspült und wo er ein Visum bekommt. Bisher führte ihn sein Weg in den Iran, nach Afghanistan, Äthiopien und Kenia. Wohin er weiter will, weiß er noch nicht, vielleicht bis Südafrika.
Noch bevor der lange Anstieg Richtung Nanyuki kommt, befindet sich der Eingang zu Lewa Down, einem privaten Wildreservat, das ich schon lange einmal besuchen wollte.
Wir fahren hin und erkundigen uns freundlich nach den Preisen. Ein eher desinteressierter und etwas abweisend wirkender Mann am Tor meint, er müsse nachfragen und greift zum Handy. Dann fragt er wo wir herkommen und telefoniert weiter.
Und dann durfte ich eine vollkommen neue Erfahrung machen. Das passiert mir nach dreißig Jahren Afrika nicht mehr so oft und schon gar nicht so unerwartet.
Der Torposten meint, wir dürfen nicht in den Park fahren. Also heute sicher nicht und morgen vielleicht, sein Boss hätte diese Entscheidung getroffen und es tue ihm zwar leid, aber da ginge gar nichts.
Ich bin baff. Lewa ist ein sauteurer Park, das wusste ich schon. Dass sie aber kein Geld verdienen wollen, das ist mir neu. Thomy ist noch mehr enttäuscht und wir steigen wieder in das Auto, ganz zart traumatisiert. Wir können uns keinen plausiblen Grund vorstellen und wir haben auch keinen erfahren. Plötzlicher unglaublicher Reichtum? Arroganz? Was auch immer es war, wir werden es nie erfahren. Später hörten wir dann die Theorie, dass man den Wildtieren irgendwie ihre Ruhe lassen möchte und daher nur ein kleines Kontingent pro Tag erlauben würde.
Auch das leuchtet mir nicht ein, Kenia hat derzeit ein veritables Touristenproblem und die meisten reisen aufgrund der Al-Shabab-Anschläge lieber nach Tanzania. Das ist ein außenpolitisches Problem Kenias, weil sie sich an der somalischen Grenze engagieren und das nimmt ihnen die Al-Shabab-Terroristentruppe übel. Leidtragend ist der Tourismus und damit ein wichtiger Teil der kenianischen Wirtschaft. Die SWISS streicht ihre Nairobi-Flüge und fliegt jetzt lieber nur nach Dar es Salam. Blöd für uns und alle anderen Nairobi-Reisenden.
Aber was hat das mit Lewa zu tun?
Wie auch immer, wir fahren weiter und setzen unseren Russen auf eigenen Wunsch am Stadtrand von Nanyuki ab, weil dort ein Äquator-Schild ist, zu dem er unbedingt hin will. Wir fahren weiter Richtung Sweetwater, einem anderen Privatpark am Laikipia-Plateau, in dem es angeblich ein Schimpansen-Weisenhaus gibt. Thomy ist ganz verrückt nach Schimpansen, das habe ich vor drei Jahren schon deutlich mitbekommen.
Der Parkeingang befindet sich nicht weit von Nanyuki und uns zieht es am gleichen Tag ein zweites Mal die Patschen aus: der Parkeintritt beträgt sportliche 95 Dollar pro Mann und noch einmal 90 Euro für das Camping. Dafür ist das Auto nicht teuer, das ist uns aber nur ein geringer Trost.
Also berufen wir ein großes Palaver ein und diskutieren, ob uns der Park den teuersten Eintritt aller Zeiten wert ist. Angeblich kann man ein Rhino streicheln und die Schimpansen wirklich zu Gesicht bekommen.
Wir entscheiden uns hinein zu fahren, außerdem wäre die Fahrt nach Nakuru jetzt schon ein wenig weit.
Der Park ist recht klein, zumindest der für die Touristen zugängliche Teil. Man merkt sofort, dass man in einem Privatpark ist: die Wegweiser, die an jeder Kreuzung stehen, sind gepflegt und die Wege in erstklassigem Zustand. Von überall hat man einen Blick auf den Mount Kenya, was tolle Fotomotive ermöglicht. Wir haben Glück und der Berg ist längere Zeit frei von Wolken. Erste Tiere sind zu sehen, der Park ist flach und hat Baum- und Buschbestand. Außerdem befindet er sich am Ewaso Ngiro, einem Fluss, der in den Bergen entspringt und dann eine weite Schleife durch den Samburu zieht und dann weiter Richtung indischer Ozean fließt.
Obwohl es schon später Nachmittag ist, fahren wir noch bei den Schimpansen vorbei. Dort gibt es einen Parkplatz und wir werden schon von einem Führer empfangen, der uns herum führt. Er betet seinen Spruch runter und erzählt uns von den Schimpansen-Waisen, die aus mehreren Ländern Afrikas stammen und meist traumatisiert hier ankommen. Es gibt zwei Gruppen, eine mit 15 und die andere mit 21 Tieren. Alle Weibchen werden sterilisiert, damit keine Kämpfe ausbrechen. Die gibt es übrigens manchmal zwischen den beiden Gruppen, daher leben sie auf je einer Seite des Flusses. Die Wächter überprüfen immer wieder, ob es eh keine umgestürzten Bäume gibt, auf denen die Schimpansen über den Fluss kommen könnten.
Sie sind ein trauriger Anblick, die Anlage schaut aus wie ein Affen-KZ: überall meterhohe Elektrozäune, dahinter hocken sie und betteln. Die Führer schmeißen ihnen ein paar Nüsse hin und ich fühle mich nicht sehr wohl.

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Bild 41 – Schimpanse hinter Gittern

Es ist gut, dass es das gibt, keine Frage, aber irgendwie ist der Unterschied zu frei lebenden Schimpansen schon gewaltig. Sie haben dort ein Gehege mit viel Auslauf, aber das lässt sich nicht mit der freien Wildbahn vergleichen. Wir wollen morgen noch einmal herkommen und fahren weiter.
Der gesamte Park wirkt wie ein riesiger Zoo. Die Tiere sind meist überhaupt nicht scheu und wir machen noch einen kleinen Game-Drive, bevor wir zu unserem Zeltplatz fahren.
Auch dieser ist genau ausgeschildert und gehört für diese Nacht uns. Er ist sehr schön gelegen, direkt am Fluss, mit Feuerstelle und einem Tankwagen-Anhänger, aus dem man frisches Wasser zapfen kann.
Auch Raubtiere gibt es, denn als wir nach dem Aufstellen des Zelts noch einen kurzen Game-Drive machen, ist die zurück gelassene Wasserflasche aufgebissen. Affen oder Hyänen, beide lieben Plastikflaschen mit Wasser.
Am Zeltplatz gibt es das dümmste Klo Afrikas. Es ist ein Wellblechhütterl mit einer knarzenden, windschiefen Türe, die man nicht zumachen kann. Es gibt so etwas wie eine WC-Muschel, aber darunter keine Grube, so dass alles, was man hinein platziert, unten wieder raus und einem auf die Füße rinnt. Für 95 Dollar. Und 90 Euro Campinggebühr (ja schon für uns beide, okay).

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Bild 42: Das dümmste Klo

Zum Abendessen gibt es Salat und Bier und wir sind zufrieden. Der Zeltplatz ist wirklich schön und ruhig. Die Nacht ist wieder sehr kühl, schließlich befinden wir uns wieder auf fast 2000 Metern Seehöhe und die Berge sind nicht fern.

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Bild 43: Thomy am Ewaso Ngiro

Kenia von Nord nach Süd – Tag 17: Der Abschied

Wieder ein Strandlauf am Morgen – ein guter Tagesbeginn. Heute gönnen wir uns ein besonders üppiges Frühstück, denn es ist nicht sicher, ob wir ein gutes Abendessen haben werden. Ich habe immer noch Erholung notwendig und bleibe die größte Zeit am Zimmer bzw. setze mich ein wenig zu Thomy an den Pool. Es ist angenehm, wenn es einmal nichts zu tun und zu organisieren gibt. So vergeht der Tag und um 17 Uhr kommt Amos, um uns abzuholen.
Das Zahlen im Hotel gestaltet sich unkompliziert, sie nehmen Euro, Dollar oder Kenia-Schillinge bzw. Kreditkarte – je nachdem, was man gerade hat bzw. womit man zahlen will. Bis zur Stunde ist nicht sicher, ob wir mit der früheren oder späteren Maschine fliegen werden, Kenia Airways streicht manchmal einen Flug, wenn er nicht voll genug ist.
Der Flughafen von Mombasa besitzt innen kein Restaurant, wer einmal durch den Eingang und die dortige Kontrolle gegangen ist, kann sich an einem kleinen Buffet gerade mal ein Eis oder ein Sandwich kaufen. Ansonsten ist der Flughafen angenehm, weil klein und recht entspannt.
Auch der Flug verläuft ohne besondere Vorkommnisse und wir haben die frühere Maschine. Nun geht es nur noch darum, ob die Swiss auch pünktlich ist und vor allem ob ich es schaffe einen Gangplatz zu bekommen. Das ist mir ausgesprochen wichtig und da man Plätze bei der Swiss nur kostenpflichtig reservieren kann, heißt es abwarten und hoffen.
Alles klappt gut und wir schaffen es noch in Nairobi ein gutes Abendessen zu bekommen. Etwas versteckt liegt hinter einer Ecke eine Art Sportcafé mit jeder Menge Bildschirmen, wo man aber ganz brauchbar essen kann.
Ich weiß nicht genau wovon es abhängt, ob ich in einem Flugzeug schlafen kann oder nicht. Selbstverständlich spielt der Platz eine Rolle, ich habe zwar einen Gangsitz, es ist aber in der Touristenklasse generell extrem eng. Leider schaffe ich es diesmal nicht zu schlafen und bin mehr oder weniger die ganze Nacht lang wach. Der Flug geht von 00:20 bis 06:50 Uhr (Zeitverschiebung einberechnet) und das ist eine zähe Angelegenheit, wenn man nicht schlafen kann.
Irgendwann ist es aber vorbei und auch der Heimflug von Zürich nach Wien verläuft unspektakulär. Wien hat uns wieder, alles ist gut gegangen, der Urlaub war nicht nur ein voller Erfolg, sondern auch einfach sehr schön.

Kenia von Nord nach Süd – Tag 14: Die Fahrt nach Mombasa

Meine innere Uhr stellt sich als zuverlässiger heraus als der Wecker, der schlicht und einfach nicht läutet. Es ist 03.59 Uhr und wir trinken einen schnellen Tee. Die am Vortag im Sarit Center gekauften Donuts stellen sich als steinhart heraus, aber ich habe sowieso keinen Hunger. Erstens ist es zu früh, zweitens hat sich doch ein gewisses Reisefieber eingestellt und drittens will ich einfach nur weg. Jede Minute ist eine Verzögerung, von der wir nicht wissen, ob sie sich nicht am Ende bitter rächt.
Schließlich schaffen wir es um 04.40 tatsächlich beim Tor hinaus zu fahren und die kühle, aber angenehme Nachtluft empfängt uns. Es ist ein Erlebnis der anderen Art Nairobi um diese Zeit zu durchqueren und es geht unglaublich schnell.
Zu allem Übel ist uns am Abend noch der Blinker ausgefallen. Wir haben zwar noch am Relais gerüttelt und die Sicherung angesehen, aber wir konnten auch mit Luis Hilfe den Blinker nicht reparieren.
Das ist zwar unangenehm, aber es muss halt ohne gehen.
Um Punkt fünf Uhr fahren wir über den letzten Kreisverkehr am Uhuru-Highway und verlassen Nairobi. Wir haben noch mehr als 1,5 Stunden Fahrt in der Dunkelheit vor uns – etwas, das man nur mit viel Routine auf Kenias Straßen tun sollte. Zu viele Wahnsinnige und Betrunkene sind in der Nacht unterwegs und die Straßen halten das eine oder andere Schlagloch oder sonstige Überraschungen bereit.
Nun wird es spannend: wie viel LKW-Verkehr wird es geben? Wir haben die Information, dass die LKW erst bei Sonnenaufgang Richtung Mombasa aufbrechen. Das stellt sich als grundfalsch heraus, sie fahren die ganze Nacht. Wir befinden uns auf der Hauptverkehrsroute von Mombasa Richung Uganda und manchmal treffen wir auf ganze LKW-Kolonnen.
Das ist mühsam und stressig, denn man muss sie überholen. Viele fahren gerade mal 30 km/h – manche, weil sie nicht schneller können, andere aus welchem Grund auch immer.
Wir haben ein linksgesteuertes Auto und in Kenia ist Linksverkehr. Überholen ist – wenn überhaupt – nur mit einem entsprechend guten Beifahrer möglich, im Idealfall ist man exzellent aufeinander eingespielt.
Da Thomy und ich seit 2000 nun schon das fünfte Mal gemeinsam unterwegs sind, wissen wir wie es läuft: „Langsam raus“ heißt, dass ich etwas nach rechts fahre, so dass Thomy sieht, ob etwas entgegen kommt. „Steig drauf“ heißt: raus und Vollgas!
So kann man ganze Kolonnen überholen, aber es ist sehr sehr anstrengend und nicht ungefährlich: es kann jederzeit ein Auto aus einem Querweg kommen oder ein gerade Überholter schert aus – das Schreckensszenario ist breit gefächert.
Dazu kommt die dauernde Hoffnung, dass es irgendwann weniger LKW werden, leider bleibt sie lange Zeit unerfüllt.
Die Straße ist sehr gut und hat auf beiden Seiten eine Art Pannenstreifen, der jedoch sehr schmal ist und den man vor allem in der Dunkelheit nicht befahren sollte. Es kann jederzeit ein Radfahrer auftauchen oder ein Moped, beide natürlich unbeleuchtet. Oder ein LKW hat eine Panne oder ist aus sonst einem Grund am Rand abgestellt. Auch er unbeleuchtet. Es gibt in Kenia auch nur selten Pannendreiecke. Wer eine Panne hat, reisst ein paar Zweige vom nächsten Baum und dekoriert die Gefahrenstelle rund um das Auto. Wenn es der Fahrer schlau macht, dann legt er noch ein oder zwei Zweige hinter die nächste Kurve.
Die Mombasa-Road ist ab Nairobi eine längere Zeit ziemlich bergig und unübersichtlich. Das ist besonders in der Nacht eine Herausforderung, ich habe sie jedenfalls wesentlich gerader und lang nicht mit so viel auf und ab in Erinnerung. Damals war natürlich wesentlich weniger Verkehr, allerdings war auch die Straße in einem schlechteren Zustand.
Thomy reicht mir immer wieder mal die Wasserflasche, ansonsten machen wir längere Zeit keine Pause. Es ist eine Horrorvorstellung, dass bei einer Pause all die LKW, die wir gerade mühsam überholt haben, wieder an uns vorbei fahren.
Es sind viele LKW, eigentlich sogar sehr viele. Manchmal gibt es ein oder zwei Minuten eine leere Strecke, aber dann fährt man auf die nächste Kolonne auf. Dafür halten die Reifen und wirken sehr vertrauenserweckend. Das beruhigt uns ein wenig.

Dann dämmert es langsam, im Osten zeigt sich ein oranger Lichtschimmer und langsam wird es hell. Das verändert alles, denn jetzt sind die Autos sichtbarer und auch der Straßenrand wird besser überschaubar. So ist das Fahren ein bisschen weniger anstrengend, aber wir haben nach zwei Stunden Fahrt noch immer nicht allzu viele Kilometer zurück gelegt. Die Straße wird jetzt auch flacher, wir kommen langsam aus den Bergen in die Ebene. Leider habe ich keine Augen für die teilweise grandiose Landschaft, der Verkehr verlangt volle Konzentration.

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Bild 98: Morgenröte

Irgendwann machen wir eine kurze Pinkelpause und essen zwei Bananen, doch dann treibt uns der Zeitdruck voran und wir hoffen bald die Hälfte des Weges geschafft zu haben.
Besonders gefährlich sind die Overland-Busse. Das sind riesige Fernbusse, in denen jede Menge Menschen sitzen und vorne ein irrer Fahrer. Die Fahrer von Overland-Bussen sind allesamt irre, ich darf das sagen, weil ich hatte mit ihnen zu tun, in diesem Fall 500 Kilometer lang.
Wenn sie entgegenkommen und überholen, dann bleiben sie einfach draußen. Du siehst, dass sich das nicht ausgeht und realisierst: zurück kann er nicht mehr und wenn er am Gas bleibt, geht sich das nie und nimmer aus. Keine Chance, niemals!

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Bild 99: LKW überholen

Was tun? Du hast eigentlich keine Zeit um eine Entscheidung zu treffen, sondern musst einfach handeln. Das bedeutet, du musst rechtzeitig seinen Überholvorgang bemerken und sofort runter vom Gas gehen, manchmal auch bremsen. Wenn du langsam genug bist, schleichst du dich nach links runter von der Fahrbahn. Sofern dort etwas ist, wo du dich hinschleichen kannst.
Dann donnert er vorbei und du kannst deine Fahrt wieder fortsetzen. Die Fahrer wissen genau, dass sie stärker sind und können dich damit zwingen von der Straße zu weichen. Wer das mit 80 probiert, ist wahrscheinlich um ein paar Überschläge reicher.
Ich möchte nirgends auf der Welt einen Unfall haben, aber hier ganz besonders nicht. Es gibt zwar eine Ambulanz, aber ob die kommt und wann und was die dann mit dir tut oder wohin sie dich bringt, das findet man besser nicht heraus.
Somit ist vorausschauendes Fahren das Gebot der Stunde und für uns des ganzen Tages.

Dann erreichen wir den Tsavo-Nationalpark, den die Mombasa-Road in „Tsavo East“ und „Tsavo West“ teilt. Der Park ist der größte in Kenia und besteht aus einer einzigen, riesigen Ebene. Für Safari kann ich ihn nicht so wirklich empfehlen, trotzdem ist er beliebter Zielort für billige Safaris von Mombasa aus.
Hier entdecken wir auch das nächste Großprojekt. Ich weiß nicht was die Chinesen hier bauen, aber es wird gewaltig. Sie schütten Unmengen rote Erde zu einer hohen, breiten Trasse auf, die neben der Straße verläuft. Wird das ein neuer Mombasa-Highway? Die Menge des Verkehrs würde das erfordern. Auf jeden Fall wird hier eine Unmenge an Material bewegt.
Leider setzt Kenia voll auf den Autoverkehr. Die alten Bahnverbindungen wurden entweder stillgelegt oder sie werden wenig benützt. Wir sehen auf der gesamten Strecke gerade mal einen Güterzug mit Containern, der Rest fährt auf der Straße. Dass die Eisenbahnstrecke nicht elektrifiziert wurde, brauche ich nicht extra erwähnen.
Immer wieder stehen am Straßenrand Crash-Denkmäler. Das sind vollkommen zerstörte Unfallautos, die auf ein Podest gestellt werden, meist garniert mit einem Sinnspruch gegen Raserei.
Ich schätze, dass die genauso viel wirken wie die Warnhinweise auf Zigarettenpackungen. Wir jedenfalls sind uns der Gefahren durchaus bewusst und fahren mit 80, maximal 90 Richtung Mombasa.
Irgendwann erreichen wir Mtito Andei, dann Voi und jetzt wird es punkto Tanken interessant. Wir dürfen maximal 25% Tankinhalt haben, wenn wir das Auto abgeben. Also gilt es die Liter zu berechnen, denn wir wollen noch genug Sprit für meinen Bruder drin lassen, vor allem, weil der hier ja deutlich billiger ist als in Europa. An jedem Stop sieht man natürlich LKW ohne Ende.

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Bild 100: LKW

Die erste Tankstelle, die wir ansteuern, hat keinen Diesel. Die zweite hat zwar Diesel, aber eine lange Warteschlange. Wir stellen uns hinten an und beobachten, wie die LKW, die wir gerade mühsam überholt haben, an uns vorbei ziehen, einer nach dem anderen. Kurz bevor wir an der Reihe sind, meint der Tankwart, dass der Diesel leider aus wäre.
Glücklicherweise ist gleich daneben noch eine weitere Tankstelle und sie haben Diesel, dafür aber keine Warteschlange.
Irgendwann verändert sich die Straße und wird schlechter. Das ist jetzt die Mombasa-Road, wie ich sie von früher kenne: eng und mit Schlaglöchern.
Besonders prickelnd wird es, wenn man einen LKW überholt, der genau dann einem Schlagloch ausweicht. Da es viele LKW gibt und auch jede Menge Schlaglöcher und alle LKW allen Schlaglöchern ausweichen, fahren wir etliche Kilometer Schlangenlinie. Das ist noch anstrengender als sonst und ich merke, wie die 7 Stunden fahrt ohne nennenswerte Pause langsam an meinen Kräften zehren. Auch Thomy geht es nicht viel besser, denn er muss sich fast genauso konzentrieren. Wir merken es daran, dass wir langsam aggressiv werden und uns gegenseitig da und dort sinnlose Vorwürfe machen.
Glücklicherweise sind wir ein wirklich gut eingespieltes Team und können diese kleine Krise bewältigen.
Irgendwann wird die Ebene noch flacher und wir ahnen, dass Mombasa nicht mehr fern ist. Die Landschaft hat sich auch verändert, seit einiger Zeit sieht man die berühmten Baobab-Bäume und es wird auch ständig heißer.

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Bild 101: Baobab-Bäume

Dann ist es soweit, wir merken, dass wir uns Mombasa annähern, weil der Verkehr dichter wird. Er wird sogar sehr dicht und wir fahren langsam durch die Vororte. Diese sind im Laufe der letzten zwanzig Jahre sehr gewachsen und so dauert es relativ lang.
Wir sind trotzdem guter Dinge, denn es ist erst 12.30 Uhr und wir haben noch genügend Zeit um Mombasa zu durchqueren.
Das stellt sich allerdings als gar nicht leicht heraus. Wir befinden uns in einer Art Donnerstag-Mittag-Stau und der ist nicht von schlechten Eltern: LKW, Minibusse, PKW und jede Menge Motorräder und natürlich Tuk-Tuks. Das sind die kleinen Motor-Rikschas, die aus dem asiatischen Raum kommen und ursprünglich in Italien erfunden wurden. Dort hat sie die Firma Piaggio als „Ape“ gebaut, als Lastendreirad, das auch menschliche Last befördern kann.
Hier haben sie sich auch durchgesetzt und es gibt Millionen davon. Sie haben kleine, nicht allzu abgasfreundliche Zweitakter, sind robust und mit sehr einfacher Technik ausgestattet. Die Fahrer sind so wie die meisten Taxifahrer bei uns nicht die Eigentümer der Tuk-Tuks. Sie drängen sich in jede kleinste Lücke und sind wahre Meister im Lückenfinden. Selbst wenn es beim besten Willen keine Lücke mehr gibt, ist noch Platz für ein Tuk-Tuk. Oder auch zwei. Bei drei ist dann allerdings wirklich Schluss, vor allem, nachdem sich das vierte und fünfte hineingedrängt hat.
Wir bewahren die Nerven, unser Toyota hat vorne einen Rammschutz, der auch von Tuk-Tuk-Fahrern problemlos respektiert wird.

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Bild 102: Stau in Mombasa

Nach langer Zeit im heißen Auto kommen wir bei einem Gebäude an, das uns als Treffpunkt von Frank genannt wurde. Leider kann man davor nicht anhalten und schon gar nicht parken, daher fahren wir einmal rundherum bis an die Rückseite des Hauses. Dort befindet sich eine kleine Straße, in der wir provisorisch parken können. Das ist zwar sicher nicht erlaubt, aber wir sind müde, erschöpft, durstig und verschwitzt. Wir bleiben hier jetzt einfach stehen. Sie können uns ja wegtragen, wenn sie wollen.
Es kommt aber niemand und die Wächter des Parkhauses daneben meinen nur, wir sollten zwei Meter weiter nach vorne fahren, dann kämen alle Parkenden vorbei und niemand hätte ein Problem damit.
Ich rufe Frank an und er meint, er wäre in zwanzig Minuten da. Ich rechne daher nicht vor einer halben Stunde mit ihm, eher in 45 Minuten.
Es ist heiß und wir finden glücklicherweise heraus, dass doch noch etwas Wasser im Tank ist. Einmal Banane essen und Hände waschen löst durchaus Entzücken aus. Noch viel schöner wäre es allerdings, wenn uns Frank nicht warten ließe, inzwischen ist eine knappe Stunde vergangen und ich frage mich, warum wir wie die Verrückten LKW überholt haben, wenn wir jetzt in einer staubigen, heißen Nebengasse auf Frank warten müssen.
Ich rufe ihn an und er meint, er wäre gleich da und wo wir denn seien.
Na, auf der Rückseite des ausgemachten Hauses, exakt auf der Rückseite, nicht zu verfehlen. Was soll die Frage?
Frank meint, dass alles klar wäre und ich ihm noch die Autonummer sagen solle, damit er anhand des Autos uns finden könne.
Ich denke mir, dass ich es mit einem Irren zu tun habe. Was ist an „Backside“ nicht verständlich? Der Idiot wird wohl in der Lage sein die Rückseite eines ihm gut bekannten Hauses zu finden. „Backside, do you know what a backside is?“ frage ich ihn und er bejaht.
Dann fragt er noch einmal nach der Autonummer und ich beschließe, ihn langsam zu meucheln, vorausgesetzt er kommt auf die Backside.
Frank dürfte ein gutes Gespür haben und beschließt sich dumm zu stellen. Ich schicke Thomy aus um ihn zu suchen, was vor allem deswegen schwierig ist, weil wir ja keine Ahnung haben wie der Typ aussieht. Okay, er dürfte Afrikaner sein, aber das reicht hier als Erkennungsmerkmal nicht wirklich aus.
Ich rufe ihn noch einmal an und frage ihn, wo er denn sei, denn wir würden bei ihm vorbei kommen, egal wo er ist, das wäre einfacher.
Er meint, dass er fast bei uns wäre, es könne sich nur mehr um Augenblicke handeln. Ich glaube ihm kein Wort und bestehe darauf, dass er mir verrät, wo er sich aufhält. Hätte ich jetzt eine Cruise Missile und seinen Standort, er wäre geliefert.
Leider habe ich weder das eine noch das andere und so überlebt Frank diesen Tag. Irgendwann reiche ich entnervt dem netten Parkwächter das Handy und er verspricht, dem wahnsinnigen Frank zu erklären, wo wir denn seien.
Das funktioniert tatsächlich und Frank taucht auf. Ich bin glücklich und beschließe, ihn ein anderes Mal zu lynchen.
Sein Office ist nur wenige Schritte entfernt, wir fahren trotzdem mit dem Auto hin und parken uns auf der Straße ein.
„Hatschieh“ ist der übliche Gruß in Häusern mit Klimaanlage. Wir betreten genau so ein Haus und werden auf der Stelle schockgefroren. Ich halte so etwas nicht sehr gut aus und hasse daher Klimaanlagen. Draußen hat es 36 Grad, herinnen 16 – das ist nicht lustig.
Wir werden seinem Chef vorgestellt und ich hoffe, dass jetzt alles gut und reibungslos verläuft. Wir überreichen das Carnet und er macht ein paar Telefonate.
Dann erfahren wir, dass alles soweit okay sei und wir nun bestimmte Kosten begleichen müssten. Das ist okay, denn darauf hat mich mein Bruder vorbereitet. Frank meint, dass wir das Auto dann in zwei Tagen abliefern sollten.
Moment, Halt, Stop: es war ausgemacht, dass wir das Auto heute abliefern. Erstens wollen wir nicht mehr damit herumfahren, zweitens sind wir wie zwei Wahnsinnige gerade acht Stunden über eine der gefährlichsten Straßen der Welt gefahren, nur um hier zu erfahren, dass wir erst in zwei Tagen da sein müssten?
Ich beschließe, meine Mordpläne wieder auszupacken. Frank beruhigt und meint, ihnen wäre es nur um das Original des Carnets gegangen, das Auto wäre sozusagen egal.
Frank hat Glück an diesem Tag, großes Glück sogar. Ob er das weiß?
Wir erklären ihm unmissverständlich, dass wir genau original keinen Meter mehr mit dem Toyota fahren würden. Das überzeugt ihn und er meint, wir müssten dann nur drei Tage Parkgebühr zahlen, das wären 1.050 Khs, also umgerechnet zehn Euro.
Außerdem würde er uns gerne das Carnet zukommen lassen und zwar durch einen Boten. Das wäre deswegen möglich, weil der Zoll das Carnet nicht mehr brauchen würde, nämlich ab Morgen Nachmittag.
Wir vereinbaren, dass er es gleich direkt an meinen Bruder in Österreich schickt, was noch einmal 50 Dollar kostet.
Dann passiert das Unerwartete: Frank meint, wir wären fertig. Wir müssten nur noch die persönlichen Sachen aus dem Auto holen und dann würde er uns helfen ein Taxi zu finden, das uns nach Kilifi führt.
Ich hatte schon mehrfach mit Johanna telefoniert, sie erwartet uns schon und hat uns außerdem verraten, dass wir ins „Bofa Beach Resort“ gehen sollten, das würde sie kennen und es wäre sehr nett.
Wir holen unsere Taschen aus dem Toyota und ich schenke einem der Parkwächter meine Schuhe. Vielleicht passt er ja dann besser auf das Auto auf, einen Versuch ist es wert.

Frank organisiert uns ein Tuk-Tuk, mit dem wir zum Taxi fahren können. Es gibt zwei verschiedene Größen von Tuk-Tuks und wir brauchen ein größeres, das auch nach kurzer Zeit verfügbar ist.
Die Tuk-Tuks bestehen eigentlich nur aus lackierten Rohren mit einem Motor und glücklicherweise einer Plane, die vor der Sonne schützt. Sie sind billig, aber einen Unfall darf man damit auf keinen Fall haben.
Wir erreichen die Taxi-Firma und erklären, dass wir nach Kilifi wollen. Ich habe von Johanna in weiser Voraussicht den üblichen Fahrpreis erfragt und kann daher verhandeln, denn sie wollen 7.000 KHS bis nach Kilifi und ich weiß, dass wir maximal 5.000 zahlen müssen. Einige Leute stecken einige Zeit die Köpfe zusammen und raunen Dinge, die ich nicht wissen will. Dann kostet es auf einmal 5.000 Khs und wir marschieren los zum Auto.
Der Fahrer heißt „Amos“ und hat die üppigste Unterlippe, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Er hat außerdem eine sehr tiefe Stimme und spricht langsam und nicht sehr laut. Aber er ist ein guter Fahrer und wir genießen es sehr, nicht selbst fahren zu müssen.
Natürlich ist auch jetzt sehr viel Verkehr und Amos kämpft sich durch.
Mombasa hört im Norden an der Küste nicht einfach auf, sondern es setzt sich in kleinen, aneinander gereihten Orten fort. Es gibt nur eine Küstenstraße und sie ist überlastet. Wir fahren an den ersten Hotels vorbei, die irgendwie alle den Namen „Beach“ haben. Wir müssen aber noch weit in den Norden, ca. 80 Kilometer. Amos fährt bedächtig und wir haben es nicht sehr eilig. Ich war noch nie hier an der Nordküste von Mombasa und sauge die Eindrücke auf.
Nach etwa zwei Stunden Fahrt kommen wir in Kilifi an. Rechts an der Küstenstraße entlang, gleich müssten wir da sein.
Dann biegen wir links ab und Thomy ist enttäuscht, denn er hat sich ein Hotel direkt am Strand erwartet, mit weißem Sandstrand, Palmen und jeder Menge Gin Tonics, die ihm an den Liegestuhl serviert werden.
Das Bofa Beach Resort liegt auf der anderen Seite der Straße und hat nur ein kleines Swimmingpool. Die Anlage ist nett, aber unspektakulär und die Dame, die uns empfangt, ist nicht allzu motiviert.
Wir bekommen ein Zelt und bemerken, dass wir die einzigen Gäste sein dürften. Ich bin fix und foxi und falle erst mal ins Bett, um ein wenig auszuruhen.
Unser Quartier besteht aus einem riesigen Zelt mit zwei großen Betten, von denen das eine leider viel zu kurz ist und selbst mit Querliegen eigentlich nicht bequem. Es gibt gute Moskitonetze und die Duschen sind auch in Ordnung.
Thomy sucht den Strand und findet ihn nicht. Das hat einerseits damit zu tun, dass es hier keinen breiten, klassischen Strand gibt und zweitens damit, dass gerade Flut ist.
Das frustriert ihn über die Maßen und er meint, wir sollten hier schnellstens wieder abhauen. Ich beschwichtige und meine, dass wir heute genau überhaupt nirgends mehr hinfahren würden und morgen könnten wir das dann diskutieren.
Heute brauchen wir noch ein gutes Essen und ein gutes Bett.
Während ich Johanna anrufe, organisiert Thomy sich ein Gin Tonic. Also er versucht es, leider haben sie an der Bar zwar Gin, aber kein Tonic. Daher kauft er eine kleine Flasche Gin in der Hoffnung, dass wir irgendwo noch Tonic auftreiben würden.
Wir fahren zu Johanna ins Pub. Das liegt in Tuk-Tuk-Reichweite und ist irgendwie ganz anders, als wir es uns vorgestellt haben. Es liegt nämlich nicht am Strand, sondern ein paar hundert Meter im Hinterland. Nach einer eher abenteuerlichen Fahrt quer um etliche Häuser auf Wegen, die in der Regenzeit eher nicht befahrbar wären, erreichen wir das „Danube Pub“, fühlen uns allerdings nicht wie an der Donau.
Johanna ist sehr nett und freut sich riesig über Besuch aus Österreich. Ich habe eine Kiste mit hausgemachten Marmeladen quer durch Afrika transportiert und kann diese jetzt los werden.
Das Pub ist geschmackvoll eingerichtet und wir bestellen Oktopus und Curry. Als das Essen kommt, sind wir mehr als nur positiv überrascht. Wir bekommen so ziemlich das beste Essen, das ich in Afrika je gegessen habe. Die Portionen sind riesig und die Beilagen exzellent. Wir können alles mit einem guten, kalten Tusker runterspülen und unseren Bärenhunger befriedigen.
Dann sitzen wir satt im Pub und tauschen Geschichten mit Johanna und ihrem afrikanischen Mann Evan aus. Er hat das Pub selbst gebaut, vor allem hat er den tiefen Brunnen geschlagen, den alle anderen rundherum nicht haben. Das führt leider zu Neid bei den Nachbarn, denn sie hätten alle gerne so einen Brunnen, der Zugang zu frischem Wasser ermöglicht.
Dieses fließt in Form eines kleinen Baches rund um das Lokal und ist viel weniger kitschig als man es sich genau jetzt vorstellt.
Wir plaudern bis lange in die Nacht hinein und nehmen uns dann ein Tuk-Tuk zu unserem Quartier.
Der bisher längste und anstrengendste Tag neigt sich dem Ende zu.

Kenia von Nord bis Süd – Tag 5: Marsabit

Die Nacht war ausgesprochen windig – man hatte es uns schon gesagt, aber jeden Abend frischt es hier ordentlich auf, wenngleich die Nächte nicht so kühl sind wie am Mount Kenya. Einerseits befindet man sich hier schon in der Halbwüste, andererseits doch in einer gewissen Höhe (1.700 m) und der Wind bläst meist von Osten und über die Vulkankegel des Mount Marsabit. Dort befindet sich ein Nebelwald und der schafft ein Kleinklima, von dem die ganze Gegend lebt.
Tau gab es hier keinen und die Nacht war sehr angenehm.
Heute war Nationalpark angesagt. In der Diskussion kamen Thomy und ich zu der Erkenntnis, dass wohl ein Tag genügen würde. Aber wenn es schön ist, bleiben wir halt zwei.

Der Weg zum Nationalparkeingang war nicht schwer zu finden und so marschiere ich frohen Mutes in das Büro, um Tickets zu kaufen. Glücklicherweise hat das Kenya Wildlife Service seine vor ein paar Jahren ersonnene Blödheit (Eintritt in die Parks nur mit einer speziellen Karte, die man nur in Nairobi bekommt) wieder aufgegeben und außerdem sind wir hier so weit weg von der Hauptstadt, dass sowieso alles anders läuft.
Zu meinem Erstaunen geht das hier extrem einfach und entspannt: Zwei Tickets zahlen (sehr günstig mit je 25 Dollar – okay, der Park ist klein, aber immerhin) plus die Fee für den Toyota plus eine Karte vom Park und schon kann es los gehen.

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Bild 26: Nationalparkeingang in Marsabit

Nein, doch nicht. Der Game Ranger kramt in einer Lade und zieht ein schwarzes Plastiksackerl heraus. Darin wären, so meint er, ein paar frisch aufgeladene Handys und ob wir die nicht seinen Kollegen im Park mitnehmen könnten. Die würden beim Lake Paradise auf uns warten. Und nein, wir müssten nicht genau wissen wo, denn sie würden uns finden.
Gut, warum nicht? Wir schnappen das Sackerl und fahren los.
Der Weg ist in gutem Zustand und wir kommen sofort in dichten Bergwald. Würzige Luft, tolle Bäume, aber hier würden wir wohl keine Tiere zu Gesicht bekommen. Außerdem war es inzwischen 10.30 Uhr und die Mittagshitze beginnt sich schon bemerkbar zu machen.
Nach kurzer Fahrt erreichen wir einen Krater mit See und sehen gegenüber eine Lodge.

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Bild 27: See im Krater mit Lodge

Nun muss man wissen, dass der Park klein ist und es daher nur eine einzige Lodge gibt.
Wir besuchen sie und sehen uns an, wie das dort so abläuft. Gäste dürften keine da sein, aber man erwarte welche, morgen oder in ein paar Tagen.

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Bild 28: See

Das ist das Problem von Marsabit, aber auch von den anderen Parks: Es gibt zu wenige Touristen. Die Parks kosten viel Geld und stehen unter gewaltigem Druck, denn sie müssen sich gegen die wachsende Bevölkerung rundherum wehren. Das betrifft alle Reservate in Kenia und in ganz Ostafrika generell.
Je mehr Menschen, desto mehr Ressourcen werden gebraucht: Essen und Feuerholz, d.h. Land um Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Das beste Land gibt es in den Nationalparks und die Menschen rundherum verstehen nicht, warum sie diese nicht abholzen dürfen. Sie könnten das Holz gut gebrauchen und wer heute hungrig ist, der denkt nicht an morgen. Das Problem verschärft sich noch, wenn zu wenige Touristen kommen. Die Bevölkerung rund um einen Park profitiert nämlich von diesem, etwa durch Beteiligung an den Einnahmen oder dadurch, dass einige Leute aus den Dörfern rundherum im Park Arbeit finden.
Wenn zu wenig Touristen da sind, funktioniert das nicht. Und die Bevölkerung sieht noch viel weniger ein, warum man einen leeren Park nicht in Ackerland verwandeln und den Wald verbrennen kann.
Gerade Marsabit steht unter Druck, denn in den letzten Jahrzehnten ist der Ort neben dem Park massiv gewachsen und die Felder wandern immer näher und näher zum Wald.
Das konnten wir auch beobachten, denn unsere Fahrt führte uns auf der Hauptroute eine Runde um den Park. Im Süden und Südosten werden die Berghänge flacher und trockener, es gibt eigentlich keine echte Parkgrenze und so treiben die Hirten ihre Herden in den Wald. Der südliche Teil des Parks ist eigentlich schon Kulturland und die im Park lebenden Tiere können dort nicht mehr hinaus. Sie sind inzwischen mehr oder weniger eingesperrt, was natürlich für den Park nicht gut ist.
Wie soll man das Problem lösen? Irgendwann ist der Park so klein, dass sich die Artenvielfalt und der Tierbestand generell nicht mehr aufrecht erhalten lässt. Dann ist es nur mehr ein kleiner Schritt zur Aufgabe und kompletten Abholzung des Waldes. An seiner Erhaltung sind die dort lebenden Menschen bis auf wenige Ausnahmen nicht interessiert.

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Bild 29: Mittagsrast am Lake Paradise

Am Lake Paradise machen wir Mittagspause und so eine Art Mini-Picknick. Wir wissen nicht genau, ob Aussteigen hier erlaubt ist, aber die Game Ranger dürften schon am Weg in ihre Unterkünfte sein, gemeinsam mit ihren frisch geladenen Handys, die wir ihnen am Aussichtspunkt hoch über dem See gegeben haben.

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Bild 30: Lake Paradise, Blick von der Klippe hinunter

Tiere lassen sich keine blicken und Thomy ist ein wenig enttäuscht. Außer viel Gegend gibt es nicht viel zu sehen und wir fahren weiter.
Der südliche Weg ist nur für Geländeautos befahrbar, zweimal müssen wir mit der Untersetzung über Felsen klettern, der Rest der Straße ist aber gut und bequem befahrbar.
Rund um den Park ist alles Farmland.

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Bild 31: Farmland

An einer Kreuzung bleiben wir stehen um nach dem Weg zu fragen. Ein Mann fragt uns, ob er mitfahren darf. Thomy ist nicht begeistert, aber wir nehmen ihn mit, da wir sowieso schon am Rückweg sind.
Im Ort lassen wir ihn aussteigen und entdecken, dass wir an keinem Gate vorbei gekommen sind. Theoretisch könnte man den Park auch besichtigen ohne durch ein Gate zu fahren – allerdings dürfen sie einen dann im Park nicht ohne Tickets erwischen und außerdem muss man den Trick erst einmal wissen.
Uns ist es aber nicht leid um die 25 Dollar, denn wir haben damit zur Erhaltung des Parks beigetragen.

Wir kaufen noch ein paar Paradeiser und haben im Ort endlich wieder Internet-Empfang. Ein zweiter Krater im Norden von Marsabit am Weg nach Moyale erweist sich als öd und wir fahren zu Henrys Camp zurück.

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Bild 32: noch ein Krater

Eines ist klar: mehr als einen Tag braucht man hier nicht wirklich bleiben und wir werden morgen wieder fahren.
Wie wird das sein, wenn der Afrika-Highway fertig ist? Dann kann man Marsabit von Isiolo aus in 2,5 Stunden erreichen. Werden dann mehr Touristen kommen?
Wir verbringen den zweiten Abend geruhsam und ohne die Kanadier, die heute schon Richtung Süden aufgebrochen sind. Henry haben wir nicht zu Gesicht bekommen.
Marsabit war aus meiner Sicht einen Besuch wert – nur Tiere darf man sich hier nicht viele erwarten. Aber die werden wir woanders noch zu sehen bekommen.
Am Rückweg kommen wir noch an einer Kreuzung vorbei, die für Kenia-Reisende mit Hang zum Abenteuer eine Tafel mit besonderem Inhalt bereit hält: North Horr! Das ist von hier „nur 190 Kilometer, allerdings absolute Rough Road. Da braucht man schon einen Tag, wenn man Glück hat. Wer weiß, ob ich dort irgendwann hin komme?

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Bild 33: Schild nach North Horr

Kenia von Nord bis Süd – Tag 4: Die Fahrt zum Marsabit

TAG 4 – DIE FAHRT ZUM MARSABIT

Ein strahlender Morgen empfängt uns nach einer klaren, kalten Nacht. Wir befinden uns immerhin auf 2.000 Metern Seehöhe und in der Nacht bläst ein kühler Wind vom Berg. Der afrikanische Sternenhimmel ist hier so hell, dass man in der Nacht ohne Lampe auf´s Klo gehen kann, bei Mondlicht kann man ein Buch lesen. Noch extremer ist es nur weiter oben am Berg oder im nördlichen Drittel Kenias, weil dort sowohl Licht- wie auch Luftverschmutzung gering bis nicht vorhanden sind.

Nach einem kurzen Frühstück marschieren wir hinauf zum Bauernhaus. Dort – es ist 8 Uhr – versammeln sich schon die ersten Führer und Träger, alle in freudiger Erwartung der Spenden.
Ich habe ein wenig Sorge: werden sie sich wie wild auf die Sachen stürzen oder wird es geordnet zugehen? Ich vertraue Judy, dass sie das alles managen wird.
Ca. um halb neun sind etwa 25 Personen versammelt und ich bin mir nicht sicher, ob alle davon mit dem Berg zu tun haben. Nachdem ich aber auch hier letzte Nacht erleben konnte wie kalt es sein kann, sind die warmen Sachen – vor allem Jacken und Pullover – auf jeden Fall bei diesen Leuten besser aufgehoben als in irgendwelchen Kellern in Österreich.

Meine Befürchtungen erweisen sich als grundlos, alles läuft sehr gesittet ab: man probiert, tauscht, reicht herum und freut sich. Alle bekommen etwas und es gibt keinen einzigen Streit. Selbst als später noch eine Handvoll Leute daher kommen, ist auch für sie noch etwas da.

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Bild 14: Verteilung der Kleidung

Nach ca. einer halben Stunde haben alle mindestens ein nettes Stück und wir machen Gruppenfotos mit den Trägern, den Führern und Köchen. Die meisten sind Männer, aber es gibt zunehmend auch Frauen, die diesen gar nicht leichten Job ausüben. Wahrscheinlich wird es nicht das letzte Mal sein, dass wir dort hinauf fahren, denn es gibt in Österreich noch jede Menge warme Kleidung, die nutzlos irgendwo herumliegt, weil sich ihre Besitzer längst das nächste oder übernächste Stück gekauft haben.
Hier sind sie glücklich über jedes einzelne Stück, egal was sie bekommen können. Ganz besonders froh sind sie über die vielen Polizei-Uniformen, die mein Bruder bei seinen Kollegen eingesammelt hat. Sie sind meist von exzellenter Qualität und immer in einem sehr guten Zustand, weil oft wenig getragen.

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Bild 15: Polizeipullover, gut passend

Der Abschied fällt nicht leicht, aber ich dränge ein wenig zur Abfahrt. Vor allem die kleine Heather heult Rotz und Wasser und will uns nicht gehen lassen. Sie und noch zwei Buben dürfen eine Runde mit dem Toyota mitfahren, das lindert den Schmerz ein wenig.
Dann sind wir wieder auf der Straße und fahren Richtung Nanyuki. Der Mount Kenia ist komplett frei von Wolken und schenkt uns so zum Abschied ebenfalls einen netten Gruß.
Wir umrunden ihn und sehen die zahlreichen Blumenfarmen, die hier in den letzten Jahren gebaut wurden. Von ihnen stammen die Rosen und Tulpen, die wir im Holland-Blumenmarkt und in anderen, ähnlichen Märkten um wenig Geld kaufen. Sie sind deswegen so billig, weil sie hier in Kenia (und auch in Tanzania) sehr günstig wachsen können. Erstens bekommen die Arbeiter wenig Lohn und zweitens sind die Besitzer meist sehr reiche Geschäftsleute, oft Politiker, die sehr gute Verbindungen zur lokalen Distriktverwaltung haben. So können sie das Wasser vom Mount Kenia in riesige Auffangbecken leiten, die der Bewässerung der Gewächshäuser dienen. Die Leidtragenden sind die Farmen der kleinen Bauern, die jetzt weniger oder gar kein Wasser mehr bekommen. Sie müssen meist ihre Farmen aufgeben und dann werden diese zusammen gelegt und ein reicher Großbauer besitzt wieder eine riesige Farm mehr.

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Bild 16: Rosenfarm, davor Ackerland

Rund um den Mount Kenia wird auch viel Getreide angebaut, die Felder sind riesig und das Korn steht hoch, als wir daran vorbei fahren. Der Anblick wirkt seltsam: Weizenfelder rund um kleine, grüne Vulkankrater. Vor ein paar Jahren war hier noch Wildnis.
Leider gibt es noch weitere Nachteile durch die riesigen Farmen: nordwestlich des Mount Kenya liegt das Laikipia-Plateau, eine wildreiche Hochebene, in der sich zahlreiche private Naturreservate befinden. Sie haben sich zusammengeschlossen, um den Tieren große Korridore für ihre Wanderungen zu bieten. Ihre Gegenspieler sind die mächtigen Farmer, die meist auch lokale Politgrößen sind und versuchen, die meist weißen Betreiber der Wildparks zum Aufgeben zu zwingen. Dieser Kampf dauert an und ich kann noch nicht sagen, wer ihn gewinnen wird: Profitgier oder Naturschutz?

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Bild 17: Der Mount Kenia in voller Pracht.

Wir fahren weiter und erreichen Isiolo. Jetzt müssen wir uns entscheiden, ob wir – wir ursprünglich geplant – in den Samburu Nationalpark fahren oder die wesentlich weitere Strecke nach Marsabit.
Ich rufe Henry an und erreiche eine junge Dame, die mir ausrichtet, dass Henry nicht da wäre und auch heute eher nicht erreichbar sei. Auf meine Frage betont sie jedoch, dass der Weg sicher wäre und dass es auch in Marsabit keine Security-Probleme gäbe.
Ich bin beruhigt und auch Thomy willigt ein dort hinauf zu fahren.
In Isiolo tanken wir voll und es zeigt sich, dass der Diesel nur etwa 76 Cent kostet. Das macht lange Etappen durchaus günstiger als geplant.
Jetzt geht es Richtung Norden und ein Hinweisschild verkündet, dass es 277 km bis Marsabit sind und ca. 500 bis Moyale an die äthiopische Grenze. In ein paar Jahren wird diese Strecke wahrscheinlich fertig asphaltiert sein und dann geht der Transafrica-Highway von Kapstadt bis Kairo.
Noch ist es aber nicht so weit und wir fahren sowieso „nur“ bis Marsabit. Ich bin schon sehr gespannt wie viele Kilometer es tatsächlich sind und wie viel davon „Tamark“ und nicht „Maram“ (Asphalt oder Schotter).

Die Landschaft ist bizarr, wilde Felsformationen stehen in einer weiten Ebene, die Straße führt mittendurch Richtung Nord-Nordost.

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Bild 18: Felsformationen

Und sie ist unglaublich gut, wahrscheinlich die beste Straße, die ich in Afrika je gefahren bin. Das liegt daran, dass sie brandneu ist und ich bin gespannt, wie lange sie halten wird.

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Bild 19: exzellente Straße Richtung Marsabit

Bisher war es so, dass die kenianischen Straßen ein paar Jahre gehalten haben, dann bekamen sie Schlaglöcher, die anfangs noch repariert werden, später dann nicht mehr. In Folge werden die Schlaglöcher immer größer, verbinden sich zu Schlaglochreihen und die Fahrer weichen an den Rand der Straße aus. Dadurch wird auch der Rand kaputt, bröckelt ab und die Straße wird immer schwerer befahrbar. Nach einiger Zeit besteht die Straße nur mehr aus unzusammmenhängenden Asphaltstücken, durchsetzt mit riesigen „Pot-Holes“. Das ist dann mühsamer zu fahren als eine einigermaßen gute Schotterpiste. Wenn dann noch ein paar Jahre vergehen, verschwinden die letzten Asphaltreste und es entsteht eine meist unglaublich schlechte Piste mit vielen Wannen und Löchern, die sich in der Regenzeit in eine Schlammgrube verwandelt und manchmal gar nicht mehr befahrbar ist.
Irgendwann wird sie dann wieder eingeebnet, es kommt Schotter drauf und manchmal wird sie asphaltiert. Dann beginnt das Spiel von vorne.
Das Problem ist einerseits die mangelnde Instandhaltung, andererseits die von Anfang an schlechte Bauweise. In Afrika kosten Straßenkilometer nur einen Bruchteil von dem, was sie in Europa kosten. Das liegt daran, dass sie oft durch lange Ebenen führen und keine besonderen Bauwerke notwendig sind. In der Regenzeit fließen aber überall ganz plötzlich wilde Flussläufe, die alles mitreißen, was ihnen im Weg ist. Sie unterspülen die Straßen und dann entstehen Schlaglöcher. Außerdem gibt die enorme Kraft der Sonne dem Asphalt irgendwann den Rest und das begünstigt ebenfalls die Entstehung von Schlaglöchern.

Seit die Chinesen die Straßen bauen, funktioniert es viel schneller als je zuvor. Man sagt allerdings, dass die chinesischen Straßen nicht lange halten. Sie werden von den Chinesen ja nicht aus Nächstenliebe gebaut, sondern um Geschäfte zu machen, sprich: um den Weg zu wertvollen Rohstofflagerstätten befahrbar zu machen. Dann holen sich die Chinesen die Rohstoffe und wenn sie gar sind, braucht auch die Straße nicht länger zu existieren.
Das machen sie recht schlau, aber die Straße nach Marsabit könnte etwas anders sein. Sie dürfte mit viel Sorgfalt gebaut werden, denn es gibt an allen wichtigen Stellen Brücken, unter denen die Flussläufe durchfließen können. Die Ränder der Straße sind gut aufgebaut und haben so etwas wie einen Pannenstreifen, der ebenfalls asphaltiert ist und die eigentliche Fahrbahn schützt. Außerdem ist die Straße überall gut drainagiert und könnte einem Regen durchaus standhalten. Ich bin gespannt, der Aufwand ist jedenfalls enorm. Und bezahlt wird das Ganze von der EU – gebaut aber von den Chinesen und den Türken.

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Bild 20: bezahlt von der EU

Es gibt in Ostafrika ein Phänomen, das für mich seit fast dreißig Jahren ungeklärt ist. Du fährst auf einer Straße durch eine absolut menschenleere Gegend, meist Dornstrauchsavanne. Viele Kilometer lang gibt es kein Dorf, nicht einmal eine Hütte irgendwo. Dann bleibst du am Straßenrand stehen, etwa um eine kurze Pause zu machen oder auch nur um zu pinkeln, und plötzlich sind Leute da. Sie tauchen hinter einem Busch auf, kommen dahergelaufen, sind einfach da. Als würden sie aus dem Boden entstehen, der Erde entwachsen, sich einfach materialisieren, wo vorher nichts und niemand war.
Ich weiß nicht wie sie das machen, aber es funktioniert immer und überall. Auch diesmal war es wieder so, meist sind es junge Burschen und meist wollen sie etwas. Hier auf der Straße zum Marsabit wollen sie Wasser und zeigen das ganz deutlich. Wenn man wegfährt, sind sie meist enttäuscht, einer schmiss uns einen Stein nach.
Ich weiß nicht, warum das so ist. Auf jeden Fall wissen sie sofort, dass es sich bei uns um Touristen handelt – das schon beschriebene Hochdach tut sein übriges. Und sie wissen, dass Touristen immer Wasser dabei haben. Also muss man ihnen entweder Wasser geben oder schnell abhauen.

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Bild 21: Kamele unter einer Akazie mit Webervögelnestern

Meine Vermutung, dass die Kilometerangabe typisch afrikanisch nichts wert ist, bestätigt sich bei Kilometer 192. Bisher waren alle paar Kilometer Schilder am Straßenrand, die – ähnlich wie bei uns auf Autobahnen – anzeigen, wie viele Kilometer es noch bis Marsabit sind. Bei 193 folgte dann aber nicht etwa 192, sondern 152. Vierzig Kilometer hatten sich in Luft aufgelöst, oder auch nicht. Trauen kann man nur dem eigenen Kilometerzähler im Auto und der sagt einem erst am Ziel wie weit es wirklich war bzw. ist.

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Bild 22: Kilometerangaben sind relativ

Ich darf das Geheimnis hier lüften: Es sind von Isiolo bis Marsabit genau 235 Kilometer. Das ist eine machbare Distanz, wenngleich der Asphalt nicht, wie von Chris behauptet, „fast bis Marsabit“ geht, sondern ca. 100 km davor aufhört. Dann folgt eine durchaus gute Schotterpiste, die neben der neuen Trasse verläuft. Am Fertigausbau der Straße wird eifrig gearbeitet und man kann auf dieser Strecke sehr schön beobachten, wie die Straße gebaut wird, denn man sieht alle Bauabschnitte, von der Trassenbaggerung bis zur fertigen Straße, auf der nur mehr die Bodenmarkierungen fehlen.

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Bild 23: Die neue Straße ist mit Plastikfolie abgedeckt – wozu auch immer.

Es werden unglaubliche Mengen Material bewegt und man hat ca. 30 km vor Marsabit ein eigenes Zementwerk gebaut.
Der Asphalt hört vor dem Ort Merille auf, ab da geht es als Schotterpiste weiter, allerdings gibt es dazwischen, in der letzten großen Ebene, bevor es hinauf in die Vulkanberge geht, noch einmal zwanzig fertige Asphaltkilometer. Das härteste Stück, nämlich durch die Berge, folgt erst später.
Lustigerweise geht ab Marsabit noch ein Stück Asphalt in Richtung Norden, wir wissen allerdings nicht, wie weit – angeblich nur ein paar Kilometer. Dann gibt es Schotterpiste bis Moyale.
Das Problem bei der Schotterpiste ist das Wellblech. Ich weiß nicht genau, wie es entsteht, aber es schüttelt dich gnadenlos durch. Unser Auto war leicht und hatte harte Reifen, aufgepumpt auf 4 bar.

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Bild 24: Wellblechpiste

Das bedeutet, man braucht eine gewisse Mindestgeschwindigkeit, um über das Wellblech drüber zu kommen, nämlich ca. 70 km/h. Darunter ist es unfahrbar und ab 80 fängt das Auto so zu schwimmen an, dass es lebensgefährlich wird. Das liegt an den Reifen und ließ sich in unserem Fall nicht ändern.
Ansonsten ist der Toyota das perfekte Auto für Afrika und nicht umsonst eines der meist verwendeten. Eigentlich halten nur zwei Autos dort durch: der Land Rover Defender, der jetzt 2015 ausläuft, und der Toyota Landcruiser Serie 7, der zwar nach wie vor gebaut wird, aber leider inzwischen in mieser Qualität.
Wirklich geeignet sind letztlich nur Autos mit Starrachsen, Blattfedern und einem Leiterrahmen. Alles andere fährt sich zwar komfortabel, wird aber ziemlich bald kaputt.

Wir hatten also das richtige Auto und verfahren konnte man sich auch nicht. Also erreichten wir nach ein paar Stunden Fahrt Marsabit (nur die letzten 40 km sind ein wenig mühsam zu fahren) und fanden auch Henrys Camp. Henry war tatsächlich nicht da, aber eine hübsche junge Mulattin namens Elisabeth begrüßte uns. Sie stellte sich als die nette Stimme am Telefon heraus und außerdem als Henrys Tochter. Das Camp lag zwar unter Akazien, die nicht wirklich viel Schatten spendeten, war aber sonst tadellos: es gibt ausgezeichnete Duschen mit einem echten Wasserstrahl (im Gegensatz zum üblichen Tröpferlbad) und tief in die Börse greifen muss man auch nicht: 3 Euro pro Person pro Nacht ist eine faire Ansage.
Allerdings stellte sich heraus, dass es außer uns nur zwei weitere Gäste gab: Brandon und Lauren, eine junges Pärchen aus Kanada, das von Kairo nach Kapstadt fuhr. Sie hatten sich in London einen Land Rover Discovery 1. Serie gekauft und von einem älteren Ehepaar ein Dachzelt bekommen, das diese nach ihrer langen Afrikareise nicht mehr brauchten. Ich war durchaus überrascht, dass der Discovery diese lange Fahrt problemlos durchgehalten hatte, aber so war es.
Sie kamen direkt aus Äthiopien und waren wesentlich schlechtere Straßen gefahren als wir. Am Abend spendierten wir ihnen ein eiskaltes Bier und mussten leider feststellen, dass der Kühlschrank zu stark aufgedreht war. Viel Sonne den ganzen Tag, dazu die kräftige Lichtmaschine – ein Bier war gefroren und aufgeplatzt, dazu etwa die Hälfte unserer zwei Dutzend Eier. Alles nicht weiter tragisch, so würden wir in den kommenden Tagen halt mehr Eier als geplant essen.
Die Tropfen an der Vorderachse des Toyota konnte ich als Differenzialöl identifizieren, das aus einem Überlaufschlauch ausgetreten war – kein Grund zur Besorgnis. Sonst war der Toyota sehr gut in Schuss.

Am Abend saßen wir an einem kleinen Feuer und tauschten Geschichten aus. Wir erfuhren von Brandon und Laura einiges über die Straßen in Äthiopien und sie bekamen von uns viele Tipps für Kenia.

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Bild 25: Zubereitung des Abendessens

Das mag ich an diesen Reisen: man trifft fast immer spannende Menschen und kann sich gegenseitig helfen. So profitieren alle vom Wissen der anderen. Was für ein Unterschied zu den vollklimatisierten Hotels, in denen man meist Landsleute am üppigen Buffet trifft. Ob man gerade in Afrika, Dubai oder San José ist, lässt sich maximal an der Hautfarbe des Personals erkennen und oft nicht einmal daran.
Hier plauderten wir unter dem Sternenhimmel von Marsabit, im Hintergrund bizarre Vulkankegel und hin und wieder heulte eine Hyäne.
Wieder ging ein anstrengender Tag zu Ende, aber wir hatten es hierher geschafft und ich hatte mir einen Traum erfüllt, der vor zwanzig Jahren entstanden war.