Ich stimme den Analysten zu, die der Meinung sind, dass es bei dieser Wahl nicht nur um den Bundespräsidenten ging, sondern auch um eine Art Abrechnung mit der Regierung. Punkto Kandidaten gab es früher schon unsympathischere, die trotzdem gewählt wurden – man denke nur an den „Grantscherm“ Waldheim.
Ich möchte diesmal gar nicht so viel schreiben, sondern auf einen für mich sehr wichtigen Artikel meines geschätzten Kollegen Michel Reimon verweisen, der die Ursachen der derzeitigen Politiklandschaft Österreichs gut erklärt:
Was passiert, wenn Hofer gewählt wird? Wir wissen es nicht – so einfach ist das. Aber die Prognosen haben manchmal schon alptraumhafte Ausformungen, wie etwa Hans Rauscher im Standard ausführt:
http://derstandard.at/2000035797740/Wir-werden-uns-wundern-was-wir-sehen-werden?ref=article
Zur Abrechnung mit der Regierung gibt es eine interessante Analyse von Sybille Hamann:
Und für das, was passieren kann, wenn wir einen Rechtsextremen wie Hofer wählen, gibt es ebenfalls schon ein Szenario. Es ist ein Artikel auf Facebook, und da nicht alle in diesem sozialen Medium unterwegs sind, habe ich es kopiert und stelle es hier zur Verfügung. Es ist von Peter Pilz:
DAS BLAUE WUNDER
Clemens Jabloner ist als ehemaliger Präsident des Verwaltungsgerichtshofs ein hoch angesehener, überparteilicher Jurist. Profil zitiert ihn: „Es braucht nur das politische System ins Wanken zu geraten, und schon stehen die Kompetenzen des Bundespräsidenten im Brennpunkt des Geschehens. Sie sind so gewichtig, dass er die Republik jederzeit mit vier aufeinanderfolgenden Entschließungen in eine ganz andere Lage bringen kann. Dazu hätte er bloß mit der ersten Entschließung die gesamte Bundesregierung zu entlassen, mit der zweiten eine ihm genehme Person als Bundeskanzler zu bestellen, mit der dritten auf Vorschlag dieses Bundeskanzlers die übrigen Bundesminister und mit der vierten auf Vorschlag dieser neuen Bundesregierung die Auflösung des Nationalrats zu verfügen.“
Norbert Hofer ist als Kandidat der FPÖ ein weithin bekannter Amtsanwärter. Vor dem ersten Wahlgang sagte er es in aller Offenheit: „Sie werden sich noch wundern, was einem Bundespräsidenten alles möglich ist!“
Wer die Bundesverfassung mit freiheitlichen Augen liest, findet die Elemente eines möglichen Plans in sechs Monaten und neun Stufen:
1. 22. Mai 2016: Norbert Hofer wird zum Bundespräsidenten gewählt.
2. September 2016: Bundespräsident Hofer zitiert den Kanzler zu sich und fordert ihn auf, die Flüchtlingskrise zu lösen.
3. Oktober 2016: Bundespräsident Hofer stellt fest, dass die Regierung in der Flüchtlingskrise weiter versagt und stellt dem Kanzler ein Ultimatum.
4. November 2016: Bundespräsident Hofer erklärt, dass die Regierung in der Flüchtlingskrise handlungsunfähig sei und entlässt gemäß Art. 70 B-VG die gesamte Bundesregierung.
5. November 2016: Daraufhin beauftragt Bundespräsident Hofer seinen Parteichef HC Strache mit der Regierungsbildung.
6. November 2016: Die ÖVP weigert sich, mit Strache und dem Rest des Teams Stronach auf diesem Weg eine Regierung zu bilden.
7. Dezember 2016: Daraufhin schlägt Strache eine rein freiheitliche „Expertenregierung“ vor.
8. Diese Regierung wird nur einmal tätig: Sie schlägt dem Bundespräsidenten vor, die Auflösung des Nationalrats zu verfügen.
9. Bundespräsident Hofer löst nach Art 29 Abs 1 B-VG den Nationalrat auf.
Hofer selbst hat in einem Gespräch mit den Vorarlberger Nachrichten bereits am 3. März 2016 genau diesen Plan begründet:
VN: Wenn Sie die Wahl gewinnen, werden Sie die Regierung „wegen Unfähigkeit“ entlassen, wie Sie es angedeutet haben?
HOFER: Das wird nicht notwendig sein. Wenn ich in die Stichwahl komme, werden sich Neuwahlen abzeichnen.
VN: Sollte es keine Neuwahlen geben, würden Sie die Bundesregierung entlassen?
HOFER: Das hängt davon ab, ob sie in der Lage ist, in den nächsten Monaten ihren Kurs komplett zu ändern.
VN: Würde sie bei ihrem Kurs bleiben, würden Sie sie entlassen?
HOFER: Wenn die Regierung bei ihrem Kurs bleibt, in der Flüchtlingsfrage, bei der Pflege, der Wirtschaft und den Spitälern, würde ich ein Gespräch mit ihr führen. Wenn das nicht taugt, steht am Ende die Entlassung an.
Ein freiheitlicher Bundespräsident und ein freiheitlicher Parteichef lösen gemeinsam einen für fünf Jahre gewählten Nationalrat gegen den Willen der Mehrheit vor der Zeit auf. Auf diesem Weg haben Hofer und Strache die Tapetentüren der Bundesverfassung genützt – und dabei kein einziges Gesetz gebrochen.
Am 22. Mai wird nicht nur zwischen zwei Kandidaten abgestimmt. Da geht es nicht nur um Europa, Menschenrechte und eine politische Kultur des Dialogs und der Integration. Die Schlüsselfrage lautet: Soll die FPÖ am 22. Mai die Möglichkeit zur Auflösung des Nationalrats bekommen?
Wer das will, wird Hofer wählen und dafür sorgen, dass bald beide Seiten des Ballhausplatzes in den Händen der FPÖ sind. Dann erleben wir unser blaues Wunder, ganz demokratisch, im Rahmen unserer Verfassung.
Wer das nicht will, hat ja schließlich die Wahl. Zumindest noch am 22. Mai.