Bild: Heinz Kittenberger
Es muss Sommer 93 gewesen sein, als ich nach Liesing fuhr, weil dort ein geiles Fest stattfinden sollte. Ich bin bei Festen gerne früh dort, denn dann kann man interessante Menschen kennen lernen und langsam in das Fest hinein wachsen. Leider hatten mir meine Freunde noch dazu eine falsche Startzeit angegeben und so war ich tatsächlich zu früh dort.
Das Fest war eine House-Party und fand in einem Schießkeller statt. Ich wartete in der langen Auffahrt, als plötzlich ein hünenhafter blonder Typ mit etwas schlacksigem Gang vor mir stand und mich begrüßte.
Das war der Heinz und so hab ich ihn kennen gelernt. Wir entdeckten schnell, dass wir gemeinsame Freunde hatten und er lud mich gleich auf einen Stoli ein, denn er hatte gerade zufällig eine Flasche dabei, da er zu den Veranstaltern gehörte.
Beiderseitige Sympathie führte dazu, dass wir noch in diesem Sommer gemeinsam den Rathausplatz unsicher machten und Heinz im Winter 94 mit der Greifenstein-Runde mit nach Kroatien fuhr, über Silvester.
Heinz war das, was man „immer gut drauf“ nennt, und er war für jedes Fest zu haben. Mit der Zeit entdeckten wir, dass er da und dort ein klein wenig zu übertreiben pflegte. Er hatte eine Stahlbaufirma und war auf Inneneinrichtung spezialisiert. In diesem Job war er wirklich gut, bis auf die Zahlen, die mochte er gar nicht. Und Computer auch nicht. Also schrieb ich ihm mehrere Jahre lang die Angebote, und er schickte sie dann an die Auftraggeber.
Nebenbei jobbte er noch als Mitglied einer militärischen Spezialeinheit. Ich weiß bis heute nicht, was daran erfunden und was die Wahrheit war. Auf einer meiner Parties stand er plötzlich in der Eingangstür, mit Natojacke, Jeans, Sportschuhen und Baseball-Kappe und drückte mir eine Tasche in die Hand: „Bring die sofort in dein Schlafzimmer und versteck sie. Ich komm gerade von einem Auftrag und das soll niemand sehen.“
Die Tasche hatte einen offenen Zipp und so sah ich drin seltsame Dinge, wie eine Maschinenpistole mit Laser-Zielgerät und noch andere Waffen. So war der Heinz. Er war Profisurfer und Kickboxer, Fallschirmspringer und Weiberheld, Snowboarder und Trinker. Er war verrückt, liebenswert, manchmal unausstehlich und oft hilfsbereit.
Heinz erschien auf seinem eigenen Geburtstagsfest – nicht. Wir machten es beim Weihrauch und es war ein Überraschungsfest. Die größte Überraschung bestand darin, dass er nicht auftauchte. So blieb sein Platz leer und davor stand eine Torte. Für den Heinz, der nicht da war. Er meinte später, er wäre spontan nach Wr. Neustadt Fallschirmspringen gegangen und hätte sich dann mit Freunden versoffen. Und sein Handy hätte er nicht mit gehabt. Und auf die tolle Party, auf die ich ihn mitnehmen wollte, hätte er einfach vergessen.
Heinz war ein sehr begabter Mensch. Viele aus meinem bzw. unserem Freundeskreis haben Dinge, die er selbst hergestellt hat. Ich habe das Glück, gleich eine ganze Menge zu haben, einen Kasten, Couchtische, einen CD-Ständer und vor allem eine famose Sitzgarnitur.
ES gibt eine Menge Geschichten, die wir alle mit dem Heinz erlebt haben. Sie waren fast immer lustig und immer schräg.
Seine letzte berufliche Anstrengung war der Aufbau einer neuen Selbstverteidigungsmethode. Das Konzept war toll, seine Art zu unterrichten war professionell und gut. Leider konnte er es nicht mehr vermarkten, er war schon zu sehr in eine Welt hinüber gewandert, die nicht mehr die seiner Mitmenschen war. Diese nahmen ihn nicht mehr oder nur mehr zum Teil ernst. Hin und wieder blitzten seine Talente auf und es fanden Begegnungen statt. Leider nur allzu oft flüchtete er in verrückte Geschichten, die keiner mehr glaubte und die ihn als Mensch von uns abrücken ließen. Ob er dies selbst wollte, werden wir nie erfahren. Der Heinz konnte auch sehr verschlossen sein und gut abblocken, er wechselte einfach das Thema oder meinte: „Ich bin ein Blondchen, ich darf das.“
So konnte er seine letzte wirklich gute Idee nicht mehr umsetzen und driftete immer mehr in eine Welt, in die ihm keiner folgen wollte und konnte. Das Fluchtvehikel war letztlich der Alkohol und es war nur mehr selten der Fall, dass man ihn nüchtern sah. Ich selbst habe ihn seit meinem letzten großen Geburtstagsfest nicht mehr gesehen, das war vor fünf Jahren.
Bei unseren Telefonaten hatte ich nie das Gefühl, noch an ihn heranzukommen. Das war auch früher schwierig, aber nicht unmöglich. Seine Themen waren einseitig und immer die gleichen. Sie wiederholten sich und es war schwierig, das Interesse daran auch nur ein wenig aufrecht zu erhalten.
Die meisten Freunde hatten sich schon von ihm entfernt, und das aus gutem Grund. Heinz ließ sich nicht helfen, bis zum Schluss nicht. Er lebte ein einsames Leben, das immer einsamer wurde, mit Hund und alter Mutter, mit seinen Geschichten aus der Vergangenheit, die leider keine Zukunft hatten. In einem schönen Haus, gut gesichert gegen Eindringlinge, so wie der Heinz selbst auch.
Er ist in seinem Haus gestorben, in seiner Welt, zwischen Design und Alkohol.
Ich werde ihn vermissen, Heinz das Blondchen, Heinz den lustigen Kumpel, den Hundebesitzer, den kreativen Menschen, den Sportler, sogar den Aufschneider und Weiberheld.
Er geht uns voraus und irgendwann werden wir ihm folgen. Mach´s gut, lieber Heinz.