Hauptsache neu, Hauptsache irgendwie originell

…da darf die Funktionalität sich schon mal hinten anreihen. Die dümmste Form dieser Entwicklung habe ich jetzt bei Toyota erlebt. Eigentlich eine Automarke, die ich für hohe Fertigungsqualität und clevere Fahrzeugtechnik kenne. Unser Landcruiser in Afrika ist einfach aufgebaut, hart im Nehmen und hält lange.

Anders die rüschenbesetzten Schnick-Schnack-Kisten, die sie nach Europa bringen. Das neueste Beispiel ist der „Landcruiser 300“, ein Auto, das vor Sinnlosigkeit nur so strotzt. Der Kübel ist riesengroß außen, und kleiner als jeder Golf innen. Noch dümmer ist in dieser Hinsicht nur mehr der Audi Q7 gebaut.
Fast einen halben Meter dick sind die Innenverkleidungen und ich frage mich, was da dahinter steckt. Nur Querstreben und Dämm-Material wird es ja wohl nicht sein. Ich tippe auf heiße Luft. Der Wagen ist übrigens für die Stadt gebaut, dort gehört er hin, auch wenn sein Urahn ein Geländewagen reinsten Wassers war (der J7, das berühmte Buschtaxi, heute noch von allen NGOs weltweit und bei der UNO etc. im Einsatz). Der neue heißt „J15“ und ist nicht mehr vergleichbar. Geländefahren ist strikt verboten, außer man möchte sich alles kaputtmachen.

Design schlägt Funktionalität. Ein paar Beispiele:
1.) Hochglanzlackierte Stoßstangen bei einem Geländeauto. Bei jedem Kratzer darf man das halbe Auto austauschen. Die Werkstätten jubeln, die Kasko-Preise schnalzen gegen unendlich. Braucht kein Mensch, ist ein reines Design-Element, das mir persönlich nicht einmal gefällt.

2.) Bauchige, vielfach gekrümmte und gebogene Karosseriebleche. Das Ende des Autos ist weder vorne, noch hinten, noch auf der Seite auch nur zu erahnen. Deswegen hat sich mein Vater (seit kurzem in Besitz so eines Monsters) auch schon die Seitenflanken zerstört, an der Garagenwand. Auch hier: ein reines Designelement.

3.) Die Scheinwerfer. Undinger, riesig groß, vielfach gebogen, verklebt, jede Menge Plastik. Ein kleiner Steinschlag und man muss seine Kinder als Sklaven verkaufen, um sich eines von den Trümmern neu leisten zu können.

4.) Der Innenraum. Selten was so funktionsbefreites gesehen. Hellbeiges Leder, quasi schon beim ersten Einsteigen automatisch versaut. Alles eng zugebaut, subjektiv fühle ich mich wie in einem Puch 500. Es war mir nicht möglich, einen Platz zu finden, an dem ein Feuerlöscher angebracht werden könnte. Im ganzen Wagen nicht, auch nicht im Kofferraum. Absolut unmöglich, das ist nicht vorgesehen und geht einfach nicht.

5.) Das Mäusekino. Bildschirme wohin man blickt, tausend und eine Anzeige, in allen Farben, alles blinkt und es gibt ein halbes Dutzend Kameras außen, mit denen man die Umgebung betrachten kann. Überall piept es und je nach eingelegtem Gang zeigen die Kameras verschiedene Ausschnitte. Dazu gibt es noch farbige Linien, so dass man erkennen kann, was in der Kamera das eigene Auto und was die Elemente in der Umgebung sind. Ein Overkill an „Features“ und Sinneseindrücken. Die perfekte Ablenkung vom Fahren.

Fahren braucht man mit dem Ding eigentlich nicht mehr, es spielt schon im Stand das gesamte Entertainment-Programm und das verlangt 100% der Aufmerksamkeit. Dann auch noch zu fahren wäre absolut fahrlässig.

6.) Das absolute Highlight: der schlüssellose Zündschlüssel. Damit hat Toyota den größten Bock geschossen. Es ist frei von jeder Funktionalität, ein reines Designelement, in der Praxis völlig unbrauchbar. Zur Erklärung: Man steckt den Schlüssel in die Hosentasche und durch Funksignale erkennt der Bordcomputer, dass ein Schlüssel in der Nähe ist. Dann kann man aufsperren (natürlich mit Druckknöpfchen. Wehe dir, wenn die Batterie leer ist oder kaputt geht, dann bleibt man draußen, denn es gibt keinen Schlüssel und kein Schloss mehr.).
Man kann auch einen Knopf zum Starten drücken und dann wegfahren.

Mein Vater hat mich noch eingewiesen in die vielen Besonderheiten und ich fuhr los. Am Zielort angekommen stellte ich den Wagen ab, das geht auch mittels des Starterknopfes. Ein paar Minuten später wollte ich ihn wieder starten – keine Chance, der Knopf verfärbte sich nicht wie notwendig grün und ein schnarrendes Signal zeigte mir an: do geht jetzt nix!

Den Schlüssel hatte ja mein Vater in der Hosentasche. Während des Startens war er in meiner Nähe, daher hat das funktioniert. Danach nicht mehr. Glücklicherweise war ich nicht weit weg und konnte zurück eilen, um meinem Vater den Schlüssel abzuknöpfen.

Einem Freund meines Mechanikers war das Upgrade dieser Blödheit zuteil geworden. Er stieg in sein Auto und fuhr auf Geschäftsreise nach Tirol. Nach einigen Stunden Fahrzeit fuhr er in Tirol zur Tankstelle und als er vom Bezahlen zum Auto kommt, ist dieses abgesperrt. Manche dieser neuen Kübel haben zu dem saublöden Schlüsselsystem noch ein zusätzliches „Sicherheitsfeature“ – wenn man die Türen zuwirft, versperren sie sich automatisch nach ein paar Sekunden. Wofür das gut ist, weiß ich nicht, ich habe keine Angst vor Dieben und wenn, dann sperre ich mein Auto ab.
So hatte das zur Folge, dass der gute Mann draußen stand und auch dort blieb. Der Schlüssel war im 500 km entfernten Wien, das Handy lag natürlich im Auto und im Handy waren die Nummern für den Notfall. Bei den ständig wechselnden Nummern merkt sich das kein Mensch mehr und es ist eh im Telefonbuch am Handy gespeichert. Das im versperrten Auto liegt. Das war sicher eine gaudige Geschäftsreise.

Bewerben tut Toyota dieses Auto übrigens mit den Worten „Alles andere als Spielzeug“. Was genau sonst, erklären sie leider nicht.

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