Gebannt starren wir auf den Euro

In der heutigen Ausgabe von Medianet erklärt uns Erich Streissler (er wird dort als „Doyen der österr. Volkswirtschaft“ tituliert, was auch immer das heißen mag) gemeinsam mit Christian Helmenstein von der Industriellenvereinigung, dass der Euro uns mit 90 % Wahrscheinlichkeit bleibt.

Das ist aber beruhigend! Griechenland könnte vielleicht austreten oder werde austreten müssen – der genaue Wortlaut ist dem Artikel nicht zu entnehmen. Es wird nur geschrieben, dass immer mehr Volkswirte ein Scheitern des Euro „nicht mehr ausschließen“. Da wird von einem „Nord-Euro“ gefaselt und davon, dass dieser dann „eine sichere Sache“ wäre.

Spontan fallen mir da die „Gated Communities“ ein, die rund um die Welt gerade wie Schwammerln aus dem Boden wachsen. Das sind Hochsicherheits-Wohngebiete, in denen reiche Menschen im Luxus hausen. Blöd daran ist nur, dass sie sich erstens dort gegenseitig auf die Nerven gehen, zweitens zum Arbeiten rausfahren müssen (meist in ihren Hochsicherheits-SUVs) und drittens im Fall einer Krise dort ohnehin um nichts sicherer sind als woanders.

Und genauso geht es uns mit dem Euro bzw. dem Nord-Euro. Letztlich wird es niemanden geben, der in einer echten Weltwirtschaftskrise seine Schäfchen ins Trockene bringen kann. Hohe Mauern haben noch nie was genützt und Währungen kommen und gehen.

Sich mit diesem oder ähnlichen Gedanken anzufreunden fällt den meisten Menschen schwer, auch den Experten. Währungsstürze gab es immer und wird es in Zukunft auch geben. Sie führen meist zum Verlust der Ersparnisse, sofern diese in Geldwerten angelegt sind. Deswegen flüchten derzeit so viele Bankmanager in reale Werte wie Grundstücke, Wald, Immobilien – sie ahnen bereits, was sich abspielen wird.

Steht und bald der Tag bevor, an dem unerwartet der Herr Bundespräsident am Sonntag Abend eine förmliche Ansprache an die lieben Österreicherinnen und Österreicher hält, in der er ihnen erklärt, dass die Regierungen im Euro-Raum es zwar sehr bedauern, aber leider aufgrund von blablabla keine andere Möglichkeit sehen, als einen „Euro Neu“ zu erschaffen? Man könne diesen Euro neu ab kommenden Montag bei jeder Bank um zwei Euro alt kaufen. Der Euro alt sei übrigens ab jetzt nichts mehr wert, leider. Aber der Euro neu hätte einen tollen Wert, nämlich so viel wie der Euro alt. Wie EIN Euro alt, wohlgemerkt.

Ich darf die geschätzten Leserinnen und Leser beruhigen, es gibt noch andere Szenarien. Wenn uns eine Krise trifft, und ich rede nicht von so einem Mailüfterl wie 2008/2009, dann wird sie wahrscheinlich hart sein. So hart, dass ich nicht sicher bin, ob ich sie nicht lieber früher als später hätte, weil sie auf jeden Fall umso härter wird, je später sie uns trifft. Warum? Weil wir derzeit mit leichtem Wahnsinn die Blasen aufpumpen und die Entwicklungen fast überall exponentiell sind.
Dann werden die Konsequenzen auch entsprechend hart sein.

Kurz noch zurück zu einer möglichen Krise. Was könnte sie auslösen? Ein paar Hypothesen:
1.) Peak Oil wirkt sich aus. Die OPEC-Staaten schweigen beharrlich über ihre tatsächlichen Vorräte, in Texas pumpt J.R. schon lange kein Öl mehr und der größte Ölfund der letzten 10 Jahre ist ein Ölfeld im Golf von Mexico, das bei Vollausbeutung den Weltbedarf sechs Tage lang decken würde. Für das Schürfen von zwei Litern Öl aus Ölsand muss man einen Liter Öl verbrennen. Und doch wird überall mantrahaft nachgebetet: Wir haben viel Öl, wir haben noch lange sehr viel Öl, es gibt Öl ohne Ende. Das ist sehr bequem. Ob es stimmt, ist eine andere Frage.

2.) Eine Blase platzt. Anbieten würde sich etwa die chinesische Immo-Blase. Derzeit stehen in China ca. 60 Millionen Spekulationswohnungen leer, ähnlich wie die in den Geisterstädten an der spanischen Küste oder in Dubai. Hauptinvestoren sind die chinesischen Banken, die im Falle eines Problems ihre Unmengen US-Staatsanleihen verkaufen müssten. Zu einem miesen Preis, wie das halt so ist, wenn es plötzlich ein riesiges Angebot und wenig Nachfrage gibt. Dann krachen die US-Staatsanleihen und nicht nur die. Es könnte aber auch die US-Immoblase platzen oder die fondsgebundenen Lebensversicherungen, die in den gleichen Schrott investiert haben wie alle anderen. Oder die Kreditkartenblase: sehr viele Menschen leben derzeit auf Pump, vor allem was ihren Privatkonsum betrifft.

3.) Eine Umweltkatastrophe. So etwas wie ein überdimensionales Fukushima. In stabilen Zeiten locker handhabbar. In einer angeheizten, labilen Situation möglicherweise der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

4.) Ein Finanzcrash, der tatsächlich von einer Staatspleite ausgeht und nicht mehr in den Griff zu bekommen ist, weil es zu schnell geht. Die meisten Finanztransaktionen sind heute computergesteuert und automatisiert. Da passieren Milliardenverkäufe in Millisekunden – wir hatten das schon vor einiger Zeit, und man hat damals nichts dagegen unternommen, dass dies nicht wieder passiert. Erst vor ein paar Tagen hat ein Händler der UBS 1,6 Milliarden Euro mit einem Knopfdruck in den Sand gesetzt. Vier-Augen-Prinzip? Viel zu teuer!

Wie funktioniert eigentlich Entschuldung? Kennt jemand eine andere Methode als den Crash, wo die Zähler wieder auf Null gestellt werden? Gab es jemals schon einen langsamen Abbau von so etwas? Ich wüsste kein Beispiel.

Was wäre ein Alternativszenario? Wenn der politische Wille da ist, wäre gegen ein duales System nichts einzuwenden, auch wenn die Experten derzeit noch jammern, dass das nicht geht. Nach der Krise geht es dann doch. Das wäre eine Weltwährung für den internationalen Handel, die z. B. „Energo“ heißt. Da unsere derzeitige Weltwährung ohnehin schon die Energie in Form des Erdöls ist, wäre der Sprung gar nicht so groß. Und er würde bei einer Ölkrise ein schnelles Umsteigen auf alternative Energieformen bringen, denn: Windenergie ist dann Geld in Form des Energo, Wasserenergie auch, Sonne natürlich etc. Weil der Energo aber nicht das kleine, lokale Alltagsleben abfangen kann, gibt es zumindest für eine Übergangszeit regionale Komplementärwährungen (komplementär weil sie die zentral ausgegebene Fiat-Währung, die ja auch der Energo wäre, ergänzen). Es gibt sie übrigens schon und viele stehen in den Startlöchern. Sie basieren oft auf Zeittauschsystemen und wären so eine gute Basis für die Verabschiedung des Wertmonopols der Erwerbsarbeit. Ab da hat auch etwas anderes Wert. Verlierer sind dann übrigens die Herrschaftssysteme, weil sie das Druckmittel Geld für Erwerbsarbeit nicht mehr besitzen. Weniger Herren bedeutet auch weniger Knechte.
Der Energo wäre anfangs eher Buchgeld, um die Verhältnisse zwischen Staaten zu regeln, die Menschen brauchen aber konkretes Geld, mit dem sie ihr Leben organisieren. Da in einer Ölkrise der Welthandel (Transport) ein Riesenproblem hat, muss sich die dann stattfindende Regionalisierung auch in der Form des dazu passenden Geldes ausdrücken.

Es ist ein unangenehmes Gefühl, eine Krise zu ahnen und nichts dagegen tun zu können. Und dass aus Krisen auch immer etwas Neues entsteht, ist auch nur bedingt beruhigend. Es ist letztlich genauso nichts mehr oder weniger als die Hoffnung, dass der Euro eh keine Probleme bekommen wird. Womit wir bei der Frage sind, was wir tun können. Etwas fällt mir ein: Wir können das fassungslose Staunen schon mal üben, das wir anhand der schieren Größe der nächsten Krise ganz sicher haben werden. Immerhin, besser als nichts tun.

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