Auf diese Wienerin kann ich verzichten

Gut, ich bin nicht die Zielgruppe, aber ein paar Kommentare erlaube ich mir trotzdem.

Der Ziegel hat 274 Seiten. davon sind 174 reine Werbung. Die restlichen Seiten beinhalten Artikel, die zu den Werbeseiten passen. Dagegen ist nichts einzuwenden, ich frage mich aber, warum man (oder wahrscheinlich eher frau) dafür 3,80- Euro bezahlt. Ich bekomme die (nicht immer erwünschten) Werbezuschriften gratis in meinen Postkasten.

Besonders interessant fand ich eine der dreistesten Produkttäuschungen, die mir je untergekommen sind. Da gibt es eine Firma, die erzeugt das Produkt „Eyelash Growth Booster“. Damit können Sie nichts anfangen? Ich auch nicht, aber glücklicherweise wird noch erklärt, was dieses Zaubermittel kann: „Nachweislich um bis zu 75% längere und vollere Wimpern“.

Der dazu passende Werbetext trieft nur so von versprochener Sexualität: „Bringen Sie Ihre Wimpern zum Höhepunkt – mit natürlichen Wirkstoffen für sensationelles Wimpernwachstum!“

Auf der Website finde ich dann nähere Infos:

„Wirkungsprinzip
Der natürlich in der karibischen Koralle Plexaura homomalla vorkommende Schlüsselwirkstoff Black Sea Rod Oil verlängert die Anagenphase (Wachstumsphase) der Wimpern nachweislich und vermindert den Anteil der Haare in der Katagen- und Telogenphase (Haarausfall).
Die Wurzeln werden stimuliert, die Zellteilung und das Wimpernwachstum angeregt. Außerdem werden die Struktur und Elastizität der Wimpern verbessert und das vorzeitige Ausfallen oder Abbrechen verhindert.“ (Quelle: www.beautylash.at)

Die Kosmetikindustrie bedient sich hier gleich mehrerer Tricks:

1.) Es ist sehr kompliziert herauszufinden, was dieses geheimnisvolle „Black Sea Rod Oil“ wirklich ist. „Black Sea Rod“ ist jedenfalls der englische Name der Koralle. Es ist also ein Öl, das aus dieser Koralle gewonnen wird.
2.) Das Zauberwort „natürlich“ wird ständig damit verknüpft.
3.) Das zweite Zauberwort „Wachstum“ sowie das (in anderen Beschreibungen verwendete) dritte „Wirkstoffkomplex“ simulieren, dass es sich hier um ganz tolle Stoffe handelt, von denen man gar nicht genug auf bzw. in den eigenen Körper schaufeln bzw. pinseln kann.
4.) Schon oben erwähnt: längere Wimpern sollen zeigen, dass die Frau sexuell attraktiv ist. („Klimper, klimper, kommst Du mit hinauf…)
5.) Die 75% längere Wimpern-Angabe ist sehr großzügig gewählt und bezieht sich auf eine Frau mit verdammt kurzen Wimpern. In mehreren anderen Beschreibungen (z.B. www.magiclashes-shop.at) steht was von „bis zu 3mm“ – also vielleicht doch im Normalfall nur 1-2… Und wie wird das gemessen? Ausreissen und dann mit dem Lineal…
6.) Der perfideste Trick ist jedoch ein optischer. In der Werbung wird eine rote Edelkoralle dargestellt, hochglänzend und mit darauf abgestimmter Packungsfarbe, die durch schwarz-rot nicht mit Kontrasten spart. Das sind die Korallen, aus denen man früher Ketten gefertigt hat. Leider passiert das heute auch noch, obwohl diese Korallen streng geschützt sind, weil in ihrem Bestand hoch gefährdet.

Es handelt sich aber hier um keine Edelkoralle und sie ist auch nicht feuerrot, sondern der Stamm ist dunkelbraun bis schwarz und eher unscheinbar. Es handelt sich um eine Gorgonie oder Hornkoralle.

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Bild 1: Koralle

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Bild 1: Koralle, lebend

A pro pos Korallen: Die sind generell weltweit sehr gefährdet (siehe meinen Weblog-Beitrag von Oktober 2011) und sollten geschützt, aber nicht zu Kosmetika verarbeitet werden. Ich habe im Internet keine Quelle der Herkunft gefunden. Werden diese Korallen in Aquarien gezüchtet (das ginge) oder einfach aus dem Meer geholt? Darüber schweigen die Angaben der Firmen.

Und ich habe es (noch) nicht geschafft, etwas über das ominöse Öl herauszufinden. Korallen bestehen aus Polypen (ob die zu Öl zerquetscht werden?) und aus dem Skelett, das aus Kalk gemacht wird, den die Polypen aus dem Meerwasser holen. Die schönen Urlaubsstrände bestehen großteils aus Korallensand, der wiederum aus kleinen Kalkkörnchen besteht.
Manche Korallen lagern noch Algen ein, die ihnen beim Nahrungserwerb helfen und den Korallen die Farbe geben. Werden diese Algen zu Öl? Oder gibt es noch einen geheimnisvollen Stoff in diesen Korallen?

Ein Gedanke zu „Auf diese Wienerin kann ich verzichten

  • 25. Juni 2016 um 17:54 Uhr
    Permalink

    Die Koralle heißt offiziell Plexaura homomalla, sie ist vom Gorgonien-Typ. Der geheimnisvolle Wirkstoff ist Prostaglandin A. Eigentlich werden Prostaglandin Analoga in Augentropfen zur Glaukomtherapie (Grüner Star) eingesetzt. Das Wimpernwachstum ist sozusagen eine Nebenwirkung.
    Liebe Grüße,
    Tina

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