Gleich vorweg: Neulich habe ich eine Handvoll alter Schulkollegen getroffen und wir hatten einen großartigen Abend.
Leider musste ich von drei weiteren Todesfällen erfahren:
Rainer „Bauxi“ Kempf
Auch mit ihm war ich in der Unterstufe, ich habe immer noch seine Stimme im Ohr und ein Bild von ihm in Erinnerung. Er ist 2024 verstorben, nach einem Leben mit Höhen und Tiefen. Vom guten Job mit gutem Einkommen bis zum Alkohol.
Harald Löscher
Auch ein Klassenkamerad aus der Unterstufe. Ihn habe ich noch zur Schulzeit aus den Augen verloren. Meine stärkste Erinnerung ist die an einen sehr selbstbewußten Typ, der beim Fußball immer hinten in der Verteidigung stand und die Bälle nach vorne verteilte. Zu seinem Tod weiß ich leider nichts.
Vladimir Vaverka
Er hat uns auch nach der Unterstufe verlassen, auch von ihm weiß ich wenig, nur dass er noch in seiner Jugend irgendwie ins Drogenmilieu abgerutscht ist und das nicht überlebt hat. Meine intensivste Erinnerung: Er war schon damals an Chemie interessiert – ich glaube mich zu erinnern, dass sein Vater Chemiker war. Ich bekam damals einen Chemiebaukasten und gemeinsam mit Vladimir habe ich mit chemischen Stoffen experimentiert – auf niedrigem Niveau, aber es hat großen Spaß gemacht – stinkender Schwefel, violett werdendes Kalium-Permanganat etc.
Von seinem Tod wußte ich schon lange, aber mehr als die angeführten Infos habe ich auch nicht.

Bild: Die Unterstufenklasse Maroltingergasse 1980. Bisher haben uns nur die Burschen verlassen.
Um die drei tut es mir sehr leid. Genauso wir um den Michi.
Und auch noch um den Helmut.
Helmut Benedek
Ein Freund aus Jugendtagen, eine Zeitlang Pächter meines ehemaligen Stammlokals „Slupinski“. Ein witziger und immer ein wenig schräger Typ, unverkennbar durch seine Hakennase. Wir sind uns alle paar Jahre irgendwo über den Weg gelaufen und ich hab mich immer gefreut ihn zu sehen. Zu mehr Kontakt ist es aber nicht mehr gekommen.
Auch über seine Todesumstände weiß ich leider nichts.
Der Michi Fink, ein Freund aus lang vergangenen Tagen.
Ich war mit dem Michi vier Jahre in der Unterstufe im Gymnasium und er war immer ein wenig schräg. Vom Typ her kräftig gebaut und von Beginn an mit einer viereckigen Krankenkassabrille ausgestattet (siehe Bild oben), die gefühltermaßen nie mitgewachsen ist.
In der Oberstufe war er dann in der Parallelklasse, wir hatten aber immer Kontakt, der sich nach der Schule noch intensiviert hat. Michi begann mit anderen Freunden ein Jus-Studium, kam aber nicht sehr weit.
Dann erhielt er – ich glaube über seinen Vater oder Onkel – die Möglichkeit bei der Justizwache einzusteigen. Das war ein sicherer Beamtenjob, der ihm zu Beginn einigermaßen taugte.
Damals hatte er noch etwas größere Pläne, etwa eine Dienstprüfung machen, die ihm einen Karrieresprung ermöglicht. Und wir gingen ein paar Mal Mountainbiken, wobei ich mich an eine Tour noch sehr gut erinnere: Wir sind auf den Troppberg bei Purkersdorf gefahren, von der Gablitzseite aus, haben ihn sozusagen überquert und dann hinein in die Pfalzau und hinauf auf den Pfalzberg. Michi kannte die Strecke, vor allem der letzte Anstieg auf den Troppberg war durchaus anspruchsvoll.
Am Pfalzberg gab es damals eine kleine Jausenstation, wo wir uns Brote mit Eiaufstrich hineinwarfen.
Das war irgendwie die konkreteste Geschichte mit Michi, weil sie so besonders war. Alle anderen Treffen spielten sich meistens in Beisln ab, wo wir am Abend und ein Bierchen genehmigten oder zwei.
Michi machte damals irgendwie keine persönlichen Fortschritte, sondern versank in einen Alltagstrott aus Dienst im Gefängnis und Bierbeisl. Dazwischen ging er noch hin und wieder auf ein Hardrockkonzert, das war seine zweite Leidenschaft.
Mit dem Mountainbiken hörte er auf, was ich damals schade fand, denn ich wäre gerne noch weitere Touren mit ihm gefahren.
Zu dieser Zeit hatte er noch Pläne, von deren Umsetzung er sich aber immer weiter entfernte. Das Bier wurde mehr und auch der Michi wurde mehr. Dazu kam noch, dass er nie wirklich Erfolg bei Frauen hatte. Das war insofern schade, als er durchaus nett und witzig war und man mit ihm gute Gespräche führen konnte, wenngleich auch das mit der Zeit immer schwieriger wurde.
Aber es gab noch einen Anknüpfungspunkt: Ostafrika. Genauer gesagt Kenia, das ihn faszinierte. Er fuhr zwar nie mit mir, dafür aber mit meinem Bruder hinunter. Die überbordende Exotik, die wilden Abenteuer, die sie dort gemeinsam verbrachten, waren ein Aufwecker, der leider nicht nachhaltig war.
Dort hatte er auch die Möglichkeit Frauen kennenzulernen. Die wollten zwar in erster Linie sein Geld, man darf sich das allerdings nicht wie normale Prostitution vorstellen. Die Mädchen waren darauf aus einen (mehr oder weniger) reichen Weißen kennenzulernen und im Idealfall eine Beziehung aufzubauen. Das haben gar nicht wenige geschafft, etwa die Lydia vom Erich, einem Freund und Geschäftspartner meines Bruders.
Wenn das nicht klappte, nahmen sie zumindest Geschenke an, meist in Form von Geld, aber auch andere. Einen alten Freund von mir hat eine damals gebeten, dass er ihr das Schwimmen beibringt, weil sie alleine nicht ins Hotel zum Schwimmbecken durfte und außerdem niemand kannte, der das konnte.
Das war quasi die Gegenleistung für eine Woche Begleitung.
Also fuhr Michi in den darauffolgenden Jahren ein paar Mal nach Kenia, um dort das zu bekommen, was er hier nicht bekam.
Er hatte die Gelegenheit mit meinem Bruder und anderen „Haberern“ Safaris zu machen, eine sogar hinauf zum Turkana-See. Das war damals eine andere Zeit, die modernen Straßen von heute waren noch Schotterpisten oder noch schlechter, viele Reisen sind absolut als Abenteuer einzustufen.

Bild: Michi bei einem Bootsausflug am Lake Baringo. Der ist durch den Anstieg aller Seen im Rift Valley heute weitgehend uninteressant geworden. Damals gab es einen feinen Campingplatz und man konnte mit einem Boot Nilpferde beobachten.
Und es gibt eine Menge lustiger Geschichten.
Die Beste ist zweifellos sein erster Kontakt mit einem Corner-Man. Das sind Männer, die einem an einer Straßenecke auflauern (daher der Name) und versuchen irgendwie betrügerisch tätig zu werden.
Die Jungs wollten nach Tansania und dafür braucht man ein Visum. Michi hatte noch keins und daher schickten sie ihn in die City zur Tansanianischen High-Commission. Nachdem er dort das Visum beantragt hatte, wurde ihm mitgeteilt, dass er in zwei oder drei Stunden wiederkommen sollte.
Also setzte Michi sich unten in ein Kaffeehaus, um sich die Zeit zu vertreiben. Auf einmal kommt ein Mann und fragt, ob er sich zu ihm setzen darf, er würde auf ein Visum warten und ihm wäre fad.
Sie plaudern ein wenig, plötzlich kommen zwei Männer in Trenchcoats, der Mann bei Michi springt auf und rennt weg. Einer der beiden Trenchcoat-Männer läuft ihm nach, der andere bleibt bei Michi und fragt ihn, was er mit dem Typen zu tun hätte.
Sie wären nämlich von der Kriminalpolizei und zuständig für die Bekämpfung von Falschgeld. Der Mann, der weggelaufen war, sei so ein lange gesuchter Geldfälscher und es sei nicht auszuschließen, dass Michi sein Komplize ist.
Dem Michi geht der Reis, wie man so schön sagt, und er beteuert, dass er nur auf ein Visum warte und sich der Typ einfach dazugesetzt hätte.
Der Trenchcoat-Typ meint, das klinge plausibel und er glaube ihm durchaus. Allerdings müsse er sicher gehen, dass Michi nicht doch ein Geldfälscher wäre und daher müsste Michi ihn zum Büro der Kriminalpolizei begleiten.
Michi geht noch mehr der Reis und er meint, dass er auf sein Visum warten müsse und außerdem hätte er noch was vor etc.
Der Typ ist milde gestimmt und meint, sie könnten es auch anders machen: Michi solle ihm einfach nur all seine Dollar geben, er würde sie überprüfen und falls sie echt sind, ihm gerne vorbeibringen. Michi müsse ihm nur seine Adresse geben und er würde so schnell wie möglich vorbeikommen.
Einige Zeit später kommt Michi erleichtert ins Hotel zurück und erzählt, dass er jetzt warten müsse, bis der Kriminalpolizist vorbeikommen und ihm seine Dollar wieder bringen würde.
Mein Bruder meint, darüber lachen sie bis heute.
Die zweite, und wahrscheinlich typischste Geschichte spielte sich bei einem späteren Kenia-Besuch ab. Peter hatte einen Geschäftspartner, den Erich, und der war mit einer weißen Südafrikanerin liiert, der Wendy.
Sie war das, was man bei uns eine „Keiffn“ nennt und die beiden pflegten regelmäßig zu streiten, also eigentlich fast immer.
Eines schönen Nachmittags kamen die beiden streitend ins Hotel Boulevard, wo Michi gerade im Schatten am Pool saß und Bier trank. Genau genommen saß er schon den ganzen Tag da und trank Bier.
Er war bei dieser konzentrierten Tätigkeit nie sehr redsam und das Einzige, was er hin und wieder sagte, war „waiter, one more beer please“.
Mehr nicht.
Und dann kamen Erich und Wendy und streiteten und streiteten. Irgendwann hatten sie genug und gingen nach Hause um dort weiterzustreiten.
Michi saß da und hatte noch kein Wort gesagt.
Zeit verging. Dann meinte Michi „die g´heart eam gonz allaa“.
Das war es dann auch schon. Mehr sagte er nicht.
Es war aber auch genug.
Ich hatte Michi irgendwann aus den Augen verloren. Es muss schon zwanzig Jahre her sein, dass ich mit ihm das letzte Mal auf ein Bier war – in Breitensee, wo er gewohnt hat. Es war keine Absicht, aber die alte Freundschaft verging, die Gesprächsstoff wurde weniger, Michi redete nur mehr von Hardrock, Bier und sonst nichts mehr. Seine Karrierepläne hatte er längst aufgegeben und lebte nur noch zur Pension hin. Möglicherweise hatte er es auch aufgegeben eine Frau zu finden.
Vielleicht hat er irgendwann sich selbst aufgegeben. Durch Zufall erfuhr ich von einem alten Schulkollegen, dass er 2024 verstorben ist.
Mir bleiben ein paar schöne Erinnerungen, ein bisschen Wehmut und das Bier, das ich gerne auf ihn hebe, auch wenn gerade das sein Untergang war.










