Die Destruktivität des Whataboutism

Neulich, drüben auf Facebook. Wir schreiben den 31. Dezember 2022 und es wurden laut ORF mehr Feuerwerkskörper als je zuvor verkauft. Dadurch produzieren die Leute, die das kaufen und dann damit herumknallen und -schießen
1.) die höchste Feinstaubbelastung des Jahres – mitten in einer ernstzunehmenden Klimakrise;
2.) jede Menge Müll, der in der Natur herumliegt, darunter besonders viel Plastik und jede Menge giftige Schwermetalle;
3.) viel Lärm, der sich schädlich auf Tiere auswirkt;
4.) einige Verletzte, die für Hochbetrieb in den chirurgischen Abteilungen der Krankenhäuser sorgen.

Dem gegenüber steht der Spaß der Knallerei.
Nun hat eine Bekannte auf Facebook genau dargestellt, was in dieser Nacht mit ihrer Hündin passiert, wie sich die enorme Angst auswirkt, wie traumatisch das für die Hündin ist.
Eine andere Bekannte hat daraufhin gemeint, das wäre alles übertrieben und sie mag die Vermenschlichung nicht (was auch immer sie damit meint) und außerdem: Was ist mit all den Pflegekräften, die zu wenig bezahlt bekommen?

Ich möchte das ein wenig näher beleuchten. Person A bringt ein Thema X ein und stellt es ausführlich dar. Sie regt damit einen Diskurs an. Dieser soll im Idealfall zu neuer Erkenntnis führen und dann zu einer Verhaltensänderung, nämlich keine Feuerwerkskörper zu zünden.
Person B erklärt, dass das Thema nicht so wichtig ist, weil es das viel wichtigere Thema Y gibt: „…aber was ist mit Y? Irgendwie kommt mir das angesichts so vieler Probleme, die wir auf dem Planeten haben, relativ unwichtig vor.“
Um zu verstehen, wie dieser Mechanismus, diese Technik funktioniert, können wir sie allgemeiner anwenden:

„Okay, das Klima ist ja wichtig, aber was ist mit der Armut?“
„Gut, Armut ist wichtig, aber was ist mit der Parkplatznot?“
„Ihr redet über die Wirtschaft, aber was ist mit der Gesundheit?“
„Alle reden vom Artenschutz, aber was ist mit…“

„Aber was ist mit…“ heißt auf Englisch „But what about…“ – daher kommt der Fachbegriff des „Whataboutism“. Das „-ism“ beschreibt einen Mechanismus, eine Technik, die gerne angewendet wird, um einen einzigen Zweck zu erfüllen: Einen Diskurs zu stören, zu behindern, zu zerstören.
Wenn wir uns noch einmal dem ursprünglichen Thema (Feuerwerkskörper sind schlecht für Tiere) zuwenden, dann hat Person B versucht dieses Thema zu zerstören, also eine destruktive Technik anzuwenden.
Wenn sie es schafft, ist das Thema A (Feuerwerkskörper) weg, was aber nicht bedeutet, dass jetzt über Thema B (schlechte Bezahlung in der Pflege) diskutiert würde, weil es ja nicht um Thema B ging. Andere Baustelle. Es sind dann beide Themen weg, sowohl A als auch B.

Das zeigt, dass die Technik des Whataboutism nur angewendet wird, um etwas zu zerstören, deswegen nenne ich sie destruktiv.
Um sich dagegen zu wehren, hilft es, die Technik aufzudecken und das Thema B dann konsequent abzudrehen.

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