Zypern – eine Reise in den Sommer

ZYPERN

Ein paar Betrachtungen anlässlich der Zypernreise 11. Bis 18. Oktober 2022

Ich bin immer wieder erstaunt, dass die Flugbegleiterinnen nach den Worten „Enjoy your flight“ nicht in wildes Hohngelächter ausbrechen. Angemessen und verständlich wäre es allemal, denn das wohl letzte Wort, das mir beim Fliegen einfallen würde, wäre irgend eine Form von „enjoy“ – es gibt zahlreiche Attribute, aber „Genuss“ ist sicher nicht dabei. (Weil ich diese Zeilen mit einiger Verzögerung in mein Weblog stelle, ist es bereits Winter und mein Bruder ist genau jetzt mit seiner Familie inkl. Dreijährigem „stuck“ in Toronto, und zwar vier Tage lang, bevor der nächste Weiterflug nach Florida geht…)

Sehen wir uns das ein wenig genauer an. Flugerlebnisse lassen sich am besten gesamtheitlich betrachten und so beginnen wir am Beginn.
Dieser lässt sich zeitlich auf 03:15 Uhr festlegen, das ist schon mal für die meisten Menschen deutlich außerhalb ihrer Komfortzone, für mich übrigens sowieso.
Aufstehen wird zu Aufstöhnen, mit ein wenig Aufwanken, denn ich kann gar nicht so früh schlafen gehen, dass ich um diese Zeit nicht auf jeden Fall hundemüde bin.
Also anziehen und schauen, dass nichts Wichtiges dem Vergessen anheim fällt.
Mehrfachkontrolle von Reisepass, Handy und Bordkarte sowie Roller- und Autoschlüssel. Den Rollerschlüssel brauche ich, weil mich die Benützung anderer Verkehrsmittel zum Flughafen fast immer Nerven und Geld kosten, und das reichlich, etwa wenn das bestellte Super-Spitzen-Flughafentaxi nicht erscheint.
Erinnerungen kommen hoch: Als ich anrufe wird mir mitgeteilt, dass sich der Fahrer leider verspätet, weil er noch eine andere Fuhre hat, man sei ohnehin ein klein wenig untröstlich.
Und ob mir das eh nichts ausmacht. „Doch“ brülle ich ins Telefon, „ich versäume meinen Flug“. Das Verständnis für mein Problem hält sich auf der anderen Seite in überschaubaren Grenzen und die Dame empfiehlt mir 40100 anzurufen, das wäre die Taxizentrale und die würden mir dann ein Taxi schicken.
Dieses Erlebnis ist zwar schon ein paar Jahre her, hat sich aber in mein Gedächtnis ausgesprochen fest eingebrannt.
Außerdem zahlt man heute für eine Fahrt zum Flughafen ca. 45 Euro und noch einmal so viel zurück. Mit dem Roller kostet es mich ca. drei Euro Sprit, da ist das Benzin aber schon mit zwei Euro pro Liter gerechnet.
Eine Alternative wäre noch DriveNow, das ist inzwischen aber auch nicht mehr viel billiger als das Taxi und in den meisten Fällen muss ich auch noch einen längeren Fußmarsch absolvieren, weil bei mir daheim gerade kein Wagen in der Nähe steht. Seitdem sie die Flotte deutlich verkleinert haben, noch seltener.
Mit dem Bus, der U-Bahn und der Schnellbahn artet der Weg zu einer halben Weltreise aus, abgesehen davon, dass um diese Zeit noch nicht alle Öffis ihren Betrieb aufgenommen haben, schon gar nicht unter der Woche.
Dazu kommt noch das Risiko einer Störung.
Also der Roller – schnell, stausicher, zuverlässig und billig, denn das Parken am Flughafen ist für Zweiräder gratis – übrigens das einzige, was am Flughafen gratis ist. (Für Nachahmer: Von Wien kommend die Ankunftsspur nehmen, links an der Abflugrampe vorbei und gleich dahinter rechts abbiegen und unter der Rampe durchfahren. Danach ist gleich auf der rechten Seite der wunderbar überdachte Zweiradparkplatz, von dem aus man trocken und direkt in die Abflughalle marschieren kann.)

Ich verstaue Helm und Jacke und Handschuhe im Topcase und stiefle los. Der Zeitaufwand Haustüre – Abflughalle beträgt ca. dreißig Minuten und lässt sich sehr gut planen, mit dem Taxi würde es übrigens ähnlich lange dauern, sofern kein Verkehr ist.
Einziger Nachteil: Bei schlechter Witterung ist der Roller keine Option.
Ich fliege diesmal mit WIZZAir und erwarte mir nicht allzu viel von der Billigfluglinie. Zur Sicherheit habe ich mir einen Flug mit Sitzplatzreservierung genommen – Reihe 15 am Notausgang, da habe ich etwas mehr Fußfreiheit.
Den Checkin habe ich ebenfalls schon am Vortag gemacht und mir auch schon die Bordkarten für Hin- und Rückflug ausgedruckt, zudem habe ich einen Tarif, bei dem ich ein Gepäckstück aufgeben kann.
Den Ausdruck mache ich deswegen immer, weil ich dem Handy nicht vertraue. Ein Absturz, der Akku ist leer, es fällt mir runter – okay, dann können sie mich immer noch mit dem Reispass irgendwie einchecken, aber sicher ist sicher.
Spannend wird es jetzt bei der Gepäckaufgabe. Ich habe gestern eine superwichtige Email bekommen, dass ich mein Gepäck am besten bei der Selbstgepäckaufgabe oder Gepäckselbstaufgabe oder so ähnlich aufgeben soll.
In der Praxis ist das dann doch nicht so einfach, wie es in der Mail beschrieben wurde. Ich schaffe es irgendwie an einem Terminal die Bordkarte zu scannen und bekomme einen Klebestreifen ausgedruckt, so ähnlich wie das Ding, das die Dame am Schalter normalerweise um einen Griff meiner Tasche wickelt.
Diesen Streifen muss man nach einem bestimmten System von der Folie befreien, die den Klebestreifen schützt. Das aber nur bis zu einer Stelle, die mit „STOP!“ gekennzeichnet ist. Wer das schafft, kann den Streifen um irgendeine Lasche des Gepäcks schlingen und dann richtig zusammenkleben. Wichtig ist, dass der Strichcode frei bleibt.
Ich schaffe das einigermaßen würdevoll und stelle mich in der Schlange an. Diese ist auch nicht viel kürzer als die Schlange vor den normalen Schaltern und ich frage mich, wo der Vorteil ist.
Wobei – es hat ja niemand gesagt, wer hier den Vorteil hat. Vielleicht ist es ja der Flughafen oder die Fluglinie oder beide, der Fluggast ist es jedenfalls eher nicht.
Vorne am Gepäckaufgabeband befindet sich noch ein weiterer Flughafenmitarbeiter (der erste hilft die Laschen auszudrucken), der den Fluggästen hilft, denn logisch oder intuitiv sind keine Attribute dieses Systems. Man muss nämlich das Gepäck aufs Förderband legen und dann den Strichcode am Klebestreifen mit einem Handscanner scannen. Das schaffe ich nach einer kleinen Einschulung, in Summe war das alles aber wesentlich aufwändiger als mit der herkömmlichen Variante.

Mein Flug scheint nicht als verspätet auf, aber die Erfahrung sagt mir, dass ich den Tag nicht vor dem Abend loben soll.
Bis ich am Flughafen in Larnaca samt Gepäck beim Ausgang stehe, ist Verspätung möglich.
Jetzt gehe ich aber erst einmal durch die Kontrolle zwecks Durchleuchtung. Und ich ziehe auch gleich das große Los als „potenziell explosiv“ eingestuft zu werden, das ist quasi der Hauptpreis.
Eine nette Dame eröffnet mir, dass ich beim Glücksrad die Sprengstoffkontrolle gezogen habe (besonders fein: ohne zu spielen) und bittet mich, den Hosenbund freizumachen, damit sie mit einem flüssigkeitsgetränkten Pad drüberstreichen kann.
Auch mein Handgepäck wird auf diese Art kontrolliert und dann wünscht mir die nette Dame eine gute Weiterreise.
Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass ich diesmal die Schuhe nicht ausziehen musste. Ich fliege immer mit meinen alten Palladium und die muss ich normalerweise immer ausziehen.
Ich ärgere mich ein wenig, dass ich die Wasserflasche ausgetrunken und entsorgt habe, andere Fluggäste haben sie leer mit hineingenommen und dann am WC mit gutem Wiener Hochquellwasser aufgefüllt. Als Profi sollte mir so ein Fehler nicht passieren.
Die Alternative besteht im Kauf einer teuren Plastikwasserflasche mit Wasser, das von der Qualität niedriger als das Wiener Wasser einzustufen ist, vor allem, weil es aus der Plastikflasche kommt. Drei Euro kostet der halbe Liter.
In der WIZZair bekommt man nämlich nicht einmal einen Schluck Wasser gratis.
Sehr schlimm ist das nicht, denn ich kann mir ja im Fall einer großen Durstattacke was kaufen und der Flug dauert auch nicht so lange.
Hoffe ich zumindest.

Immerhin habe ich gehört, dass die Benützung der Bordtoilette noch gratis ist. Ich schätze aber, dass sie noch draufkommen, dass man damit ordentlich Geld verdienen kann. So ein Münzhäusl an Bord ließe sich technisch schon machen, bezahlen kann man ja auch mit der Kreditkarte.
Dafür gibt es in der Bordbroschüre jede Menge gute Tipps zum Geldsparen: Es wird empfohlen sich statt einem Weckerl und einem Getränk gleich ein super-duper-Kombiangebot zu kaufen, das ist in Summe einen ganzen Euro billiger.
Und es gibt immer noch das altbewährte Speibsackerl, jetzt neu mit Wohlfühltipps (wir erinnern uns: „enjoy your flight“).
Wem übel wird, der soll einfach das Rätsel am Speibsackerl lösen, bis die Übelkeit weg ist. So einfach ist das. Ich kannte das vorher nicht, muss aber anmerken, dass ich es eher nicht ausprobieren möchte.

Ich blende noch einmal zurück in das riesige Wartehallenkonglomerat am Flughafen, auf dem ich mich immer noch befinde.
Als nächstes muss ich durch die Passkontrolle, denn Zypern ist zwar in der EU, aber nicht im Schengenraum, warum auch immer.
Dahinter finde ich etwas, das am Flughafen Schwechat etwa so selten ist wie ein Edelweiß im Wienerwald: eine freie Sitzgelegenheit ohne Konsumzwang, quasi ein Jackpot, vor allem, weil ich die superbequeme Variante mit Extra-Fußstützen finde, liegestuhlartig, so richtig zum Relaxen.
Der Flughafen versucht seit längerer Zeit die Fluggäste immer und überall zum Konsum zu zwingen, hier dürfte ihm eine Art letztes Rückzugsgebiet entgangen sein, eine Enklave, ein gallisches Dorf.
Die konsumfreien Zonen wurden und werden immer weniger, dazu kommt noch das Zwangsdurchschleusen durch die Duty-Free-Zone, in der die parfümierte Raubtiere warten und sich gierig auf jedes Opfer stürzen. Unter drei Duftproben kommt man dort nur schwer durch.
Ich döse ein wenig in meinem Luxussessel dahin, schließlich habe ich noch mehr als 1,5 Stunden bis zum Abflug, das zaht sich.
Wobei – ich korrigiere: bis zum Zeitpunkt des geplanten Abfluges. Wann der genau stattfinden wird, lässt sich nicht sagen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit gehe ich zum Gate. Das Boarding ist die nächste Prüfung, denn für die WIZZair gibt es keine Fluggastbrücke. Wir müssen ca. zehn Minuten auf einer zugigen Gangway warten, auf was auch immer. Dann dürfen wir zum Flugzeug gehen und einsteigen. Ich bin ziemlich froh, dass es nicht Winter ist und entere das Flugzeug.
Dort befindet sich schon eine illustre Mischung aus alleinreisenden Geschäftsleuten und Urlaubsgästen, Familien jeder Größe, mit oder ohne schreienden Säuglingen, Pensionist:innen, kichernden, höchstgeschminkten besten Freundinnen, Pärchen etc.
Ihnen allen ist gemein, dass sie eine Vielzahl riesiger Handgepäckstücke haben. Das ist zwar eigentlich nicht erlaubt, aber scheinbar gibt es hier weder Kläger noch Richter.
Was es auch nicht gibt ist mein Platz in der Fußfreireihe.
Die Reihe 15 gibt es, aber anders als im (Online)Prospekt ist sie drei Reihen vor den Notausgängen, sozusagen: Ätsch!
Also sitze ich in maximaler Beengtheit und hoffe auf einen pünktlichen Abflug. Neben mir eine junge Mutter mit Kind, was durchaus okay und nicht stressig ist.
Ich stelle mir einen schwitzenden 150-kg-Typen vor und bin nicht unzufrieden.

Doch eher unzufrieden bin ich, als die Borddurchsage kommt. Aus irgendeinem Grund haben wir eine Verspätung aufgerissen, die Durchsage ist so nuschelig und leise, dass ich Details nicht verstehen konnte.
Aus den angekündigten zehn Minuten wird eine halbe Stunde – immerhin, das ist in der heutigen Zeit quasi fast schon pünktlich.
Die letzten Jahre wurden Heerscharen an Optimierungs-, Rationalisierungs-, und Effizienzberatern durch die Flugindustrie gescheucht. Das Ergebnis dieser Kosteneinsparungsprogramme ist das Fehlen jeglichen Puffers, sowohl was Zeit, als auch was Personal- und sonstige Ressourcen betrifft.
Sie sind sozusagen immer und überall „on the edge“ und wenn auch nur die geringste Kleinigkeit passiert, steht alles.
Wir zum Beispiel stehen. Allerdings mit dem Versprechen, dass es irgendwann weitergehen könnte.
Ich erinnere mich an den Frachter im Suez-Kanal, der durch eine leichte Panne eine Kaskade an Folgeunfällen ausgelöst hat.
Möglicherweise ein gutes Beispiel für das, was uns in Zukunft bevorsteht.

Der Flug verläuft unspektakulär und nach drei Stunden landen wir in Larnaca.
Der Flughafen ist klein und alles läuft hier entspannt ab. Die Passkontrolle geht schnell, auch das Gepäck ist sofort da, wie auch die nette SMS von Wizzair, die mir mitteilt, dass der Flug leider verspätet starten wird. Wenigstens haben sie sich hier das „Enjoy your flight“ gespart.

DIE INSEL

Zypern ist in etwa so wie ich mir das vorgestellt habe. Um diese Jahreszeit sehr trocken, im Südteil wenig bewaldet, in Summe subtropisch, überall wachsen Palmen und das Klima lässt sich in etwa mit dem von Tel Aviv vergleichen, das ja nicht weit weg liegt.
Es gibt in Larnaca mehrere Sandstrände mit Liegestuhlreihen und einem Baywatch-Bademeister auf einem Turm, halt in der zypriotischen Ausgabe. Eine Strandpromenade wird gesäumt von einer Fressmeile inklusive Pub und Hofbräuhaus für saufende Engländer und andere Pauschaltouristen. Die dazu gehörenden Fußballübertragungen sind natürlich ebenfalls omnipräsent.

Die Architektur schwankt zwischen „halbverfallenem Kolonialstilhaus und „später Stahlbeton“. Es gibt auf jedem Dach Wassertanks in Form von weißen Tonnen unterschiedlicher Größe, manche haben auch ein Solarpanel dabei. Das Wasser wird dort hochgepumpt und so versucht man den nötigen Wasserdruck zu erzeugen. In den nächsten Jahren wird die Frage nach genügend Wasser sicher noch akut.
Die Wassertonnen wetteifern ästhetisch mit einer Unzahl an Klimaanlagenkästen um den ersten Platz auf der Hässlichkeitsskala, weit abgeschlagen sind die Sat-Schüsseln.

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Bild: Die Wassertanks in ihrer ganze Pracht

Der Autoverkehr hält sich hier in Grenzen, die ganze Insel hat etwa 800.000 Einwohner:innen, es wird wenig gerast, viel gehupt und natürlich ist auch hier das meistgeliebte und am wenigsten sinnvoll verwendete Auto das SUV.
Es gibt aber keine bis wenig Staus und man parkt dort, wo gerade irgendwie noch Platz ist. Strafzettel werden keine verteilt, stattdessen bekommt man einen Kratzer in den Lack, wenn man zu blöd parkt.
Blöd heißt andere massiv behindernd, etwa den Bus, der das auch mit extra lauter Hupe unüberhörbar bekannt gibt, gerne auch in der Nacht. Das holt nicht nur die Oma aus dem Koma, sondern auch den Autobesitzer aus der Taverne.
Besonders auffällig sind die Gehsteige, vor allem die nicht vorhandenen oder nur in Resten vorhandenen.

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Bild: Gehsteige? Was für Gehsteige?

Die junge Frau mit Kinderwagen, die vor mir geht, muss eine Art ausgedehnten Hindernisparcour bewältigen, mit den Sonderprüfungen „übergangsloser Kreisverkehr“, „elendhohe Bordsteinkante“ sowie „plötzliche Hausmauer mit Kurve ohne Gehsteig“
Flüche waren keine zu hören, es dürfte für sie eine Routinehandlung sein.
Es ist mir nicht klar geworden, wer im Zweifelsfall Vorrang hat, es dürfte aber so etwas wie eine „Mitleidsrücksicht“ geben, man wird meist problemlos über die Straße gelassen.
Als Wiener Bezirksrat bin ich des öfteren bei sogenannten „Ortsverhandlungen“ dabei, wo es um die Genehmigung von Veränderungen auf öffentlichem Grund geht, also etwa um einen Schanigarten. Da geht es um Restgehsteigbreiten, Orientierungshilfen für Blinde, Sichtbeziehungen etc.
Um es kurz zu machen: Kein Gehsteig hier hätte auch nur die geringste Chance auf Genehmigung. Die Damen und Herren der zuständigen Magistratsabteilung würden sich wohl schwer zwischen spontanem Lachkrampf dem sofortigen Herbeirufen eines Räumkommandos entscheiden können. Die Restgehsteigbreite wird hier gerne einmal so zusammengekürzt, dass sie bereits nicht einmal mehr in Zentimetern angegeben werden könnte – „Spalt“ wäre vielleicht noch die passendste Bezeichnung.
Wie auch immer, es dürfte hier weder Kläger noch Richter geben und irgendwie finden sich alle mit der herrschenden Anarchie ab.

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Bild: Eine ganz normale Gasse in Larnaca. Wo irgendwie möglich, stellt man sein Auto hin.

Ebenfalls auffällig sind die omnipräsenten Katzen. Es gibt davon eine große Menge, wobei die Farben schwarz, weiß und semmelrotblond dominieren. Besonders beliebt sind die Katzen allerdings nicht. Sie sind meist recht scheu und sich können oft schwer zwischen der Lust auf eine Streicheleinheit und der Angst vor einem Fußtritt entscheiden, meist siegt zweiteres, sogar wenn sie in der Taverne um Futter betteln. Sie hausen überall, gerne auf verlassenen Grundstücken, die es hier noch zur Genüge gibt. Einer der Gründe dafür ist der Bürgerkrieg zwischen Türken und Griechen, der zur Teilung der Insel geführt hat. Damals gab es so etwas wie ethnische Trennung und daher gibt es eine Menge verlassener Häuser, die jetzt gerne von Katzen bewohnt werden.
Hunde gibt es dafür nur sehr wenige und diese gehören meist Touristen.

Dafür gibt es Motorräder und sie dienen in erster Linie dazu Krach zu machen. Die Zyprioten sind da wie die Griechen, sie donnern mit möglichst viel Lärm durch möglichst enge Gassen zu möglichst später Zeit.
So wirklich stören dürfte das aber niemand und es erinnert mich an das Griechenland der 1980er, wo auf der Landstraße jede Menge Kreuze zu sehen waren. Die meisten davon als Erinnerung an verunglückte Motorradfahrer, denen die Kombination „starkes Motorrad“, „ohne Helm“ und „zu schnell mit Kurve“ nachhaltig auf die Gesundheit geschlagen hatte.

Auf die Gesundheit kann sich auch das Essen schlagen, zumindest wenn man es so reichlich zu sich nimmt, wie wir das getan haben. Es gibt nämlich ausgezeichnetes Essen, zypriotisch und griechisch und libanesisch und noch einiges mehr. Auf dieser Insel gibt es eine große Vielfalt, leider hat auch die Fast-Food-Industrie sich ihren Platz erkämpft und es ist einer in der ersten Reihe.

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Bild: Das exzellente Mittagessen am ersten Tag

ES wimmelt von Burger Kings, McDonalds, Kentucky Fried Chicken, TGI Friday und noch einigen Ketten mehr.
An jeder Ecke gibt es Burger, Pizza, Pasta und natürlich Kebab.
Glücklicherweise finden sich dazwischen noch die klassischen Tavernen, wobei auch von denen viele schon das globale Junk Food führen, scheinbar wollen das entsprechend viele Leute.

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Bild: Eine der zahlreichen, netten Tavernen, in denen wir sehr gut gegessen haben

Besonders beliebt und angeblich auch von hier stammend ist der Halloumi-Käse, den es in verschiedenen Varianten gibt. Die Zyprioten frittieren gerne, das Essen ist noch ein wenig üppiger als in Griechenland.

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Bild: Das Essen ist gut, meist aber sehr fett

Nur gutes Brot ist Mangelware, man bekommt fast überall die Pita-Fladen, die ja ganz nett sind, aber kein gutes Weißbrot ersetzen können, etwa zum griechischen Bauernsalat, der hier „Village Salad“ heißt.

Larnaca hat mit ca. 50.000 Einwohner:innen ungefähr so viele wie Wien Währing. Die Stadt ist sehr auf Tourismus ausgerichtet, was ihr gerade zu Corona-Zeiten zu schaffen gemacht hat, derzeit fehlen aber vor allem die russischen Gäste, die in den letzten Jahren besonders in Form von mittelständigen Familien zahlreich die Insel besucht haben.
Neben den vielen Gastromöglichkeiten gibt es auch jede Menge Geschäfte, vor allem Boutiquen, Juweliere, jedoch keine Supermärkte, Obst- und Gemüsehändler, keine Bäckerei, keine Fleischerei, zumindest nicht im Zentrum.
Es gibt allerdings die Bäckereikette Zorbas, die auch in Larnaca mit einigen Filialen vertreten und sehr gut sortiert ist. Wenn man ein wenig an den Stadtrand fährt, lässt sich dann alles finden, was man braucht.
Im Zentrum sind vor allem Hotels, Bars und Appartementhäuser, die eine lange Strandpromenade säumen.
Der Sandstrand selbst hat Adria-Feeling, es geht sehr lange flach hinein und es ist angenehm zum Schwimmen. Die Anzahl der Liegestuhlreihen hält sich in Grenzen und es geht – zumindest im Oktober – recht entpannt zu.
Hektik kommt generell selten auf, auch nicht im Straßenverkehr, der zunehmend wie bei uns durch kleine E-Scooter einerseits und riesige SUV andererseits geprägt ist. E-Autos habe ich aber keine gesehen, ebensowenig Ladestationen.

Einquartiert bin ich bei Gerhard, einem alten Freund und Kollegen, der vor drei Jahren endgültig hierhergezogen ist. Als Programmierer ist er beruflich weitgehend ortsunabhängig, das Klima ist angenehm, die Wohnung billiger als in Wien und hier noch mit Meerblick, zumindest bis ihm eine Hotelburg vor die Nase gesetzt wird.

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Bild: Ausblick von Gerhards Wohnzimmer im vierten Stock

Zu sehen gibt es in Larnaca ehrlich gesagt nicht viel, in einem halben Tag ist man eigentlich mit allem durch. Es gibt ein altes Castle an der Promenade, das nach zehn Minuten vollständig besichtigt ist, inklusive des Museums.
Und es gibt eine archäologische Ausgrabungsstätte, deren Besuch sich eher nur für Hardcore-Fans von alten Steinen auszahlt. Ein paar Mauern, ein paar Beschreibungstafeln – das war es dann auch schon.

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Bild: Die Ausgrabung in Larnaca – viel mehr gibt es hier nicht zu sehen

Die 2,50 Euro Eintritt sind verschmerzbar, ich konnte im Garten zwei reife Feigen pflücken und war zufrieden.

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Bild: Eine Feige schmeckt immer gut, frisch vom Baum am besten

Der Angestellte von der Ausgrabung ist ein Relikt aus vergangener Zeit. Er hockt in einem kleinen, dunklen Kammerl und verkauft hin und wieder gelangweilt ein Ticket. Ob er sonst noch etwas zu tun hat, konnte ich nicht eruieren. Vielleicht passt er ja auf das Areal auf, macht Rundgänge oder so. Ich habe schon lange keinen Job mehr gesehen, der so leicht durch einen Automaten ersetzt werden könnte.
Ich hoffe natürlich für den Angestellten, dass er seinen Job noch lange machen kann, sofern er ihm gefällt.
Wahrscheinlich ist es ohnehin überall so, aber hier auf Zypern ist der Wandel der Zeit und der damit verbundene Kulturwandel irgendwie deutlicher sichtbar, vielleicht weil er sich von dem bei uns noch ein wenig unterscheidet.
Wie lange wird es den Kassier noch geben? Welche Jobs werden noch verschwinden, welche werden sich wandeln, welche neu entstehen?
Werden etwa die Fischer in Zukunft noch mit ihren kleinen Booten hinausfahren und werden sie dann Fische fangen oder vorher Touristen? Und mit welcher Fangmethode?

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Bild: Eines der kleinen Fischerboote. Ob sie noch viel benützt werden, konnte ich nicht herausfinden

Wird es überhaupt genügend Fische geben, damit sie wirtschaftlich überleben können? Oder kommen die Fische künftig aus einer chinesischen Fabrik, von riesigen Fangflotten industriell gefischt?
Es sind so viele Faktoren, die hier eine Rolle spielen. Die Zukunft des Tourismus ist abhängig von der generellen Wirtschaftsprosperität plus Umweltauflagen. Dann spielt natürlich die generelle Klimakrisensituation eine wichtige Rolle, in Zukunft vielleicht sogar die Hauptrolle. Wenn man sich Flightradar ansieht, dann kann man auf einen Blick erkennen, dass die unfassbare Anzahl der Flüge weltweit wohl so nicht mehr wird stattfinden können. Und auch nicht müssen. Nach Zypern lässt es sich aber nur mit dem Flugzeug bequem reisen.
Dazu kommen noch Pandemien und Umweltkatastrophen und leider dürfen wir auch nicht auf die Kriege vergessen.
Es war vielleicht noch nie so unvorhersehbar, daher werden die Menschen entweder die Augen verschließen und bis zum Untergang feiern, oder ihr Leben anpassen.
Nur, wie könnte und müsste diese Anpassung aussehen? Ohne die Möglichkeit, billig zu fliegen, wird nur mehr ein kleiner Teil der Tourist:innen nach Zypern kommen. Was bleibt dann übrig? Hochwertiger Qualitätstourismus, bei dem die Gäste mit dem großen Segelboot kommen und sich an der unberührten Natur erfreuen? Das wird es wohl eher nicht sein, zumindest nicht in den nächsten Jahrzehnten. Die Insel hat nämlich wenig unberührte Natur, ganz im Gegenteil.

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Bild: Strandpromenade

Wenn der Tourismus kaputt geht, was reißt er dann alles mit? Ein guter Teil der Arbeit, aber auch der Lebenskonzepte der Menschen hier würde wegbrechen. Das würde wiederum eine Welle der generellen Arbeitslosigkeit hervorrufen, denn sehr viele Branchen sind von Touristmus abhängig.
Eine ganze Gesellschaft müsste sich umstellen und das möglicherweise sehr schnell. Aber was wäre die Basis dafür? Landwirtschaft gibt es, aber wie viel davon kann die Menschen hier ernähren? Zypern hat sonst nicht viel zu bieten und nicht viel aufgebaut. Auch die netten kleinen Handwerksbetriebe werden nicht viel an der Gesamtsituation ändern können.

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Bild: Eine kleine Tischlerei in Larnaca

Auf unserer Fahrt ins Landesinnere sehen wir eine eher karge Landschaft, es gibt ein wenig Viehzucht und die Klimakatastrophe wird es den Menschen hier auch nicht gerade leichter machen.

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Bild: Hügel und Berge, spärlich bewaldet, da und dort Olivenplantagen – viel gibt es hier nicht

Viele Menschen hier leben in Eigentumswohnungen oder Häusern, was einiges erleichtert. Das wird aber nicht reichen. Noch ist der Gedanke, die Vorstellung einer Welt, die nicht auf Überfluss und Verschwendung aufgebaut ist, nicht greifbar, nicht angekommen, vielen einfach nicht vorstellbar.
Das lässt sich gut an der momentanen Raumplanung sehen. Erst kürzlich hat man hier ein riesiges Einkaufszentrum mitten in die Natur gestellt, irgendwo aufs Land, wo wahrscheinlich der Grund sehr billig war. Rundherum ist nichts, bis auf zwei kleine Orte und die Autobahn. Es gibt einige Geschäfte und einen McDonalds.

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Bild: Das Einkaufszentrum im Nirgendwo

Dieses EKZ ist absolut nur mit dem Auto erreichbar. In Ermangelung von Bahnlinien gibt es eigentlich nur Autoverkehr auf der Insel. Zur Absicherung dieses Mobilitätskonzepts wurden jede Menge Straßen und Autobahnen gebaut. Das Funktionieren der Mobilität ist auf der Insel also von folgenden Faktoren abhängig:
1.) Leicht verfügbare und günstige Autos
2.) Billiger Sprit, ebenfalls leicht verfügbar
3.) Günstiger und verfügbarer Transport der Autos auf die Insel
4.) Keinerlei Klimakrise, die Umweltmaßnahmen notwendig macht.

Ob sich das in Zukunft ausgeht? Wenn nur ein einziger dieser Faktoren (wahrscheinlich spielen noch einige weitere eine Rolle) sich verändert, bricht die Mobilität zusammen, da sie auf einem einzigen Standbein ruht.
Resilienz sieht anders aus.

Bei der Energie bahnt sich zumindest ein Wechsel an, es gibt erste Wind- und Solarparks, das ist sicher ausbaufähig und da es auf der Insel keine Industrie gibt, hält sich die benötigte Energiemenge in Grenzen, auch weil durch die klimatische Lage nicht viel – und immer weniger – geheizt werden muss.
Dafür wird aber auf der Insel auch wenig erzeugt, sowohl wenig Strom als auch wenig Waren, die man bräuchte, um Energie von außen zu kaufen, so wie derzeit Öl und Gas für die Kraftwerke.
Das wiederum macht Zypern sehr abhängig, weil es umweltpolitisch überhaupt noch nicht sehr weit ist.
Ein gutes Beispiel dafür sind die Plastikflaschen, die allgegenwärtig sind. Es gibt kein Pfandsystem und so landen sie im Müll oder in der Natur, immerhin handelt es sich um ein paar hunderttausend Stück. Pro Tag.
Wegwerfen ist bequem und kostet nichts, daher ist das die bevorzugte Entsorgungsvariante. Leider hat sich die EU bisher nicht getraut entsprechende Gegenmaßnahmen zu setzen.

MEINE REISE

Auf dem Rückweg von der Ausgrabungsstätte hab ich mir ein wenig die Stadt angesehen und versucht, irgendwie das Besondere zu finden, denn in jeder Stadt schlägt ein Herz.
Die Häuser sind – je nach Viertel – meist unspektakulär, die Gassen ähneln einander, sofern es nicht gerade die Strandpromenade ist oder ein Gewerbegebiet.

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Bild: Der Blick von Gerhards Appartment hinunter in die Gasse, die stets sehr belebt und befahren ist. Die Häuser sind Appartments und Hotels.

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Bild: Zwischen den modernen Stahlbetonhäusern gibt es auch die alten, teilweise renoviert, teilweise verfallen.

Das Castle ist – wie schon gesagt – wenig spektakulär, der Blick auf die Promenade zeigt, wie sie gebaut ist.

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Bild: Es gibt genügend Gehweg und die Autos werden in einer Einbahn geführt. Die Bäume dürften einigermaßen mit den winzigen Baumscheiben zurechtkommen.

Meine Spaziergänge durch die Stadt waren entspannt, leider tat mein Knie nach einiger Zeit doch recht weh, ein Relikt von einem Vespa-Sturz Ende August.

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Bild: Der Strand im Zentrum von Larnaca. Man kann gut erkennen, wie flach es ins Wasser geht, Schwimmen ist bis zu einer Anzahl von Bojen erlaubt, weil außerhalb die Motorboote fahren.

Müde und mit schmerzendem Knie bin ich in ein Kaffee gegangen. Der Muffin war verhältnismäßig gut, nachdem ich ihn mir mitsamt einem teuren Kaffee im Plastikbecher im dort üblichen Selfservice geholt hatte. Nur die Plastikgabel war unbrauchbar, glücklicherweise konnte ich mir dann eine Metallgabel besorgen.

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Bild: Der Blick nett, der Kaffee geschmacklich gar nicht übel, leider im üblichen Plastikbecher, der sofort danach im Müll landet.

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Bild: Die Plastikgabel

Auf die Frage, ob es denn nicht einen ganz normalen Kaffee ohne irgendwelche Superaromen gäbe, in einer ganz normalen Tasse, bekam ich nur ein bedauerndes Lächeln von der netten Dame hinter der Theke. Nein, so etwas hätten sie nicht.

Am Weg in den Süden von Larnaca bin ich dann zu meiner Überraschung auf einen Radweg gestoßen. Es gibt durchaus Radverkehr auf der Insel, die meisten dürften Leihräder sein. Die Stadt bietet sich dafür eigentlich an, sie ist flach und die Distanzen sind sehr überschaubar. Es ist wegen des Autoverkehrs allerdings nur mutigen Menschen zu empfehlen das Rad abseits der Strandpromenade zu verwenden.

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Bild: Der Radweg ist anders als Radwege bei uns, funktioniert aber

Weil Gerhard arbeiten musste und mir ein wenig fad war, beschloss ich eine Radtour zu machen. Dummerweise hatte es geregnet und der Radverleih hatte geschlossen, obwohl er eigentlich offen hätte haben müssen. Also rief ich an und riss den Radverleihbesitzer aus dem Tiefschlaf. Mit der passenden Stimme meinte er, dass es regnen würde bzw. geregnet hätte und daher kein Mensch ein Rad ausborgen will.
Also machte ich mich auf die Suche und fand einen anderen Verleih, der aber nur E-Bikes anbieten konnte. Da ich mit so einem Ding noch nie gefahren bin, musste ich mir das natürlich ausborgen, zu einem stolzen Preis, versteht sich. Dafür hätte ich es den ganzen Tag, meinte der Vermieter. Sehr verdutzt reagierte er auf meine Frage nach einem Helm. Das ist hier total unüblich, aber ich bestand darauf und bekam dann auch einen.

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Bild: Auf der Radltour, selbstverständlich mit Helm

Ich beschloss den Salzsee zu umrunden und zum alten Aquädukt zu fahren.
Das Bike fährt sich in Wahrheit nicht wirklich leiwaund. Es ist nicht wendig und man eiert immer ein bisschen herum. Es ist schwer, ungelenk und die Federung ist zu weich.

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Bild: Das E-Bike mit den fetten Rädern sieht zwar cool aus, fährt sich aber sehr mäßig. Hier bin ich gerade am ausgetrockneten Salzsee.

Ich kann diese Tour nicht wirklich weiterempfehlen, denn sie ist miserabel ausgebaut. Man muss tw. am Gehsteig fahren, weil die Fahrbahn als Autobahnzubringer dient, zumindest beim Salzsee. Danach biegt man auf Feldwege ab, die überhaupt nicht ausgeschildert sind, mit dem Navi am Handy konnte ich mich ganz gut durchschlagen, zumindest bis zu einer gatschigen Stelle, bei der ich mit dem schweren Bike stecken blieb. Dann sprang auch noch die Kette raus und als ich das alles wieder in Ordnung gebracht hatte, war ich ordentlich eingesaut. Auch das Radl sah schrecklich aus, aber was solls, im Notfall zahle ich halt eine Reinigung.
Beim Aquädukt angekommen musste ich natürlich hinaufklettern, auch wenn ein Schild dieses Ansinnen als verboten einstufte. Ein netter Ungar, dessen Frau und Tochter sich nicht rauftrauten, machte das Foto.

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Bild: Am Aquädukt. Der Weg oben ist schmal, aber für schwindelfreie Menschen locker zu machen.

Dann fing es zu regnen an und ich musste quer durch die Stadt zum Verleih zurückfahren. Das war alles andere als angenehm, auf den größeren Straßen war ich mit dem Rad ein absoluter Fremdkörper, bestaunt, angehupt und bemitleidet.
Wenigstens musste ich keine Reinigung zahlen, wobei ich das Rad schon nach zwei Stunden wieder zurückbrachte. Ein Abenteuer, das man machen kann, aber nicht muss.

Einen Ausflug ins Landesinnere wollte ich unbedingt machen und hatte extra meine Wanderschuhe mitgenommen. Gerhard ließ sich überreden und wir fuhren los. Mitten in den Bergen dann eine ziemlich neu gebaute Anlage mit jeder Menge Möglichkeiten ein Picknick zu machen. Gut ausgestattete WCs, einige Grillplätze – in Zypern wird schon einiges getan, um die Gegend attraktiv zu machen.

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Bild: Die Freizeit-Ausflugsanlage

Die Wanderung war wunderschön, auf einem sehr gut instand gehaltenen Weg, inklusive durchaus brauchbarer Ausschilderung. Sie haben sogar einen Berg namens Olymp, den wir leider nicht mehr besuchen konnten. Der Weg, den wir einige Kilometer gegangen sind, ist Teil des europäischen Weitwanderwegnetzwerks. Wir sind zwar nicht wirklich weit gekommen, es hat sich aber sehr ausgezahlt.

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Bild: Meine Wenigkeit beim Versuch, mit einem Hut dem Sonnenbrand auf der Glatze zu entkommen. Hat einigermaßen funktioniert.

Ach, ich hab es sehr vermisst: Den Duft der Pinien, den sommerheißen Wald, das Zirpen der Zikaden – da gibt es jede Menge Erinnerungen an Griechenlandurlaube. Bei dieser Wanderung konnte ich wieder ein wenig des alten Gefühls inklusive der alten Sehnsucht („Irgendwann bleib i dann durt“) aufleben lassen.

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Bild: Gerhard bei der Rast an einer Wegkreuzung

Der Abschluss des Tages war ein Besuch einer Taverne am Meer. Das Essen war die Krönung meines Zypern-Urlaubs. Unglaublich gute gefüllte Kalamari, Fisch, diverse exzellente Beilagen und ein herrlicher Rosé-Wein. Kulinarisch lässt es sich auf dieser Insel wirklich aushalten, die Preise sind fair, billig wie Griechenland in den 1980ern ist es aber natürlich nicht mehr.

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Bild: Das großartige Essen

Am nächsten Tag dann ein Ausflug nach Paphos im Westen der Insel. Das Land ist von großen Autobahnen durchzogen und es gibt nicht allzuviel Verkehr. Staus sind maximal in der Stadt zu erleben und auch die sind nicht der Rede wert. Die Geschwindigkeit ist jenseits aller Raserei, die Zyprioten haben es nicht ganz so eilig wie unsereiner, das gilt irgendwie für alles auf dieser Insel.
Da auch die Distanzen überschaubar sind, kann man alle Teile Zyperns mit einem Tagesausflug erledigen. Wir wollen uns die verschiedenen Ausgrabungen ansehen, konkret gibt es zwei davon. Sie sind nur ein paar Autominuten voneinander entfernt. Bei der ersten, der „Archaeological Site of Nea Paphos“ gibt es auf einem weitläufigen Areal einiges zu sehen, von antiken Mosaikhäusern bis zu einem Amphitheater.

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Bild: Im Haus des Dionysos gibt es jede Menge alter Mosaikböden zu bestaunen. Ich fand es besonders nett, dass sie alle Beschreibungstafeln auch in Braille-Schrift angelegt haben.

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Bild: Ein gut erhaltenes oder wieder gut aufgebautes Amphitheater

Die zweite Ausgrabungsstätte sind die „Königsgräber“. Auch sie liegen direkt am Meer und es gibt eine ganze Menge davon. Besonders spektakulär sind sie nicht, dafür waren sie aber gut besucht. In der Hochsaison gibt es hier wahrscheinlich ein ordentliches Gedränge.

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Bild: Gerhard in einem der Königsgräber

Am nächsten Tag stand ein Ausflug nach Nikosia am Programm. Die Vororte der Städte sind wie überall auf der Welt keine wirkliche Offenbarung. Es gibt monströse Einkaufszentren, Gewerberuinen, Spekulationsobjekte und noch vieles mehr.

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Bild: Das „Jumbo“. Laut Gerhard ist das drin, was man draußen sieht. Auch in Zypern hat die bunte amerikanische Spielzeug- und Entertainmentwelt schon um sich gegriffen.

In Nikosia wollte mir Gerhard die Grenze zur türkischen Zone zeigen. Es sieht ein bisschen aus wie eine Berliner Mauer für Arme, ein seltsames, surreales Areal, eine Ausgeburt des Nationalismus und der menschlichen Beschränktheit. Teilweise gespenstisch, dazu kommt ein Fotografierverbot, an das sich aber niemand wirklich hält.

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Bild: Jede Menge Ruinen mitten in der Stadt.

Seit dem Überfall Putins auf die Ukraine und dem seit einem Jahr andauernden Krieg darf das aber niemand mehr verwundern. Wer geglaubt hat, dass die alten, mit ihrer Potenz kämpfenden Männer nicht mehr das Sagen haben, wird derzeit ja deutlich eines Besseren belehrt. Schon wieder schicken alte Männer junge Männer in den Tod.
Aber es gibt auch Erfreuliches, etwa den Co-working-space, den Gerhard mir zeigte.

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Bild: Der Fortschritt macht auch in Zypern nicht halt.

Dann fing es zu regnen an und wir fanden Unterschlupf in einem sehr netten Lokal namens „Itameshi“, das erst in ein paar Tagen eröffnet. Wir durften trotzdem rein und den Regen abwarten. Das Lokal bietet italienisch-japanische Fusionsküche, hat eine sehr nette Bar und könnte ein ziemlicher Hit werden, vor allem bei diesen netten Betreibern.
Nicht so nett war die Tatsache, dass das Dach bei Gerhards altem Mercedes kaputt war. Immer beim Beschleunigen ergoss sich ein kleiner Wasserschwall über mich oder Gerhard, je nachdem, in welche Richtung (mehr links oder mehr rechts) er gerade fuhr. Da die Temperaturen aber eher sommerlich waren, ließ sich das aushalten.
Dafür gab es am letzten Abend noch einmal ein kulinarisches Highlight, nämlich libanesisches Essen. Wer das hat, braucht kein Fleisch mehr. Jedes einzelne Gericht war köstlich, und es waren sehr viele, zu einem durchaus fairen Preis übrigens.

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Bild: Das exzellente libanesische Essen

Mit der einen oder anderen guten Flasche Wein feierten wir eine sehr nette Woche, bevor es am nächsten Tag wieder nach Hause ging.
Die WizzAir hatte nicht einmal nennenswerte Verspätung und ich hatte dazu noch das Glück guten Wetters bei der Heimfahrt mit dem Roller, der brav auf seinem Platz auf mich gewartet hatte.

FAZIT

Zypern ist eine Reise wert, mehr aber auch nicht. Die Bergwanderungen sind nicht so exklusiv, als dass man dafür extra herfliegen müsste, das gibt es in Griechenland auch. Die Landschaft ist ohne Besonderheiten, das Essen ist gut – alles sehr nett.
Der einzige echte Unterschied ist das Klima, das auch im Winter einigermaßen warm ist, vergleichbar etwa mit Tel Aviv, quasi um´s Eck.

Ich denke trotzdem gerne an die Woche zurück und vielleicht besuche ich die Insel ja einmal wieder.

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