Die neuen Sicherheiten

In Zeiten der Krise (ein Wort, das aus dem Griechischen kommt…) gehen Sicherheiten flöten. Und das ist schlimm für die Menschen, die viel Energie dazu verwenden, sich ein sicheres Leben zu organisieren. Planbarkeit ist etwa ein Faktor und genau die geht ziemlich verloren. Das gilt vor allem für berufliche Karrieren, aber auch für private Beziehungen. Früher (wann war das genau?) konnte man nach der Matura einen Job etwa in einer Bank annehmen und wusste: da bleib ich bis zur Pension, stehle keine goldenen Löffel, mein Gehalt steigt und ich komme gut aus. Daneben konnte man heiraten und Kinder bekommen und viele Ehen hielten bis zu ihrem Planungsende, nämlich dem Tod als einzigen Scheidungsgrund.

Das hat sich alles deutlich geändert. Das mit den lebenslangen Partnerschaften ist zum Wunschtraum verkommen und in manchen Branchen wechselt man jährlich den Arbeitgeber. Das hat alles Vor- und Nachteile, aber die Sicherheit der Planbarkeit ist verloren gegangen.

Daher suchen sich die Menschen neue Sicherheiten und hier finden wir die wirklich echten Trends:

1.) Hunde bzw. Haustiere
Da gelernte ÖsterreicherInnen Hunde haben und lieben, ist die Basis schon gelegt. Dieser Trend gilt interessanterweise auch für die USA, also einem Land, von dem wir glauben, dass die Menschen viel freier und flexibler sind als wir, ständig umherziehen und nicht so viel Sicherheit brauchen. Mag sein, dass wir unser Bild ein wenig korrigieren müssen.
Hunde statt Beziehungen. Alten Weiblein sagt man es ja schon lange nach, dass sie ihren Hund mehr lieben als etwa schreiende Kinder in der Straßenbahn. Wissenschaftliche Untersuchungen untermauern das nun: In manchen Familien (sozusagen den Trendsettern) wird mehr für Hundefutter ausgegeben als für das Essen der Kinder (Deutschland: 2,6 Mrd. Euro – dreimal so viel wie für Babynahrung). Sinkende Geburtenraten korrelieren indirekt proportional zur Anzahl der Hunde. Die Viecher haben einen eigenen Fitnesstrainer, Frisör, in natürlich eher seltenen Fällen sogar einen Koch, werden modisch gekleidet und angeblich bezeichnen 80 % der Amerikaner ihren Hund als echtes Mitglied der Familie (haha, da lachen wir doch nur hier in Österreich, wir erreichen in diesem Fall 100 %).
Hunde werden in Hochzeiten als wichtiger Bestandteil integriert („Wedding Dogs“) und werden wie selbstverständlich zum Kinderersatz. Natürlich bekommen sie dann auch Menschennamen, die alten Hundenamen haben ausgedient.
36 % der Amerikaner schenken ihrem Hund etwas zum Geburtstag und bezeichnen sich selbst als „Hundeeltern“ und die Köter bekommen das zu (fr)essen, was sie selbst auch gerne essen.

Eine Bekannte hat mir vor einiger Zeit erzählt, dass die Tierarztbesuche ihres Hundes in Summe mehr gekostet haben als ihr VW Golf, der nun schon in die Jahre gekommen ist, aber mangels Geld keinem Neuwagen weichen muss. Hunde besuchen Wellnesscenter, bekommen Diabetes und Übergewicht und dürfen/müssen im Hundefitnesscenter in den Fernseher gaffen. Dafür bekommen sie Massagen und Aromatherapie, das Gassigehen kommt aus der Mode, ähnlich wie bei den BesitzerInnen, die sich auch nur mehr im Fitnesscenter bewegen und die freie Natur als unbequem ablehnen.

Pervers? Das ist noch lange nicht alles: Inzwischen gibt es Tourismusbüros für Hunde, denen man Sightseeingtouren anbietet, „Pet Airways“ transportiert ausschließlich Tiere.

Was passiert da? In einer Zeit steigender Unsicherheit suchen Menschen nach neuen Sicherheiten – vor allem in Beziehungen. Ein Hund redet nicht zurück, denn Bellen sind keine Worte, auf die man sich eine Antwort überlegen muss. „Hör sofort auf damit“ funktioniert seit 10.000 Jahren weder bei Hunden noch bei kleinen Kindern, genauso wie „Aus, Ausss!“
Und trotzdem: Bei einem Hund kann man sich zumindest einbilden, dass er einem gehorcht. Man kann ihn abrichten und sich als „Herrl“ oder „Frauerl“ fühlen – auch wenn man sonst auf der sozialen Leiter schon ganz unten steht. Das halten Menschen nicht gut aus, daher schimpfen eingesessene Einwanderer auf neue, Yugos auf Türken, Türken auf Usbeken, Usbeken auf irgendwen etc. Einen Hund kann man immer tiefer als man selbst ansiedeln. Er ist persönlicher Besitz, was Menschen seit einiger Zeit nicht mehr sind und manchmal sagen sie das auch, dann zerplatzen die letzten Illusionen. Das kann mit Hunden nicht passieren. Wenn ein Hund nicht gehorcht, dann kann man zumindest so tun, als ob das nicht so wäre und er „eigentlich“ eh tut, was man will.
Hunde lieben ihre Besitzer oder tun zumindest so, das ist bei Kindern nicht immer der Fall. Hunde kann man füttern und sie sind dafür dankbar oder tun zumindest so. Kurz: Hunde geben Sicherheit.

2.) Vereinzelung
Der „Vereinzelte“ ist übersetzt der „Idiot“. Viele von uns werden zu Idioten, zumindest was Paarbeziehungen betrifft. Das kann in gewisser Weise durch andere soziale Beziehungen kompensiert werden, aber es bleibt stets die Tatsache, dass Singles eben keine klassische Beziehung haben. Ob sie darunter leiden? Das hängt wahrscheinlich ganz vom Typ ab. Unter meinen Freunden und Bekannten (und auch bei mir) beobachte ich, dass man (frau) immer mehr auf der Suche nach „der/dem Richtigen“ ist. Hypothese dazu: Wenn andere Sicherheiten flöten gehen (Job, Umwelt, Statussymbole etc.), dann bekommt die Partnerbeziehung einen ungleich höheren Stellenwert. Ich weiß natürlich nicht, ob das früher wirklich so anders war und vor hundert oder noch vor fünfzig Jahren man halt einfach geheiratet und Kinder bekommen hat, große Liebe hin oder her. Aber irgendwie erscheint das heute komplizierter, man möchte Kinder in einer sicheren Umwelt zur Welt bringen und aufziehen – und die scheint nicht vorhanden. Also soll zumindest die Partnerschaft sicher und stabil sein und das geht nur mit der „richtigen“ Frau oder dem „richtigen“ Mann.

Ein Gedanke zu „Die neuen Sicherheiten

  • 11. Juli 2012 um 16:44 Uhr
    Permalink

    Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah!

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