Mein neues Leben

Zugegeben – der Titel wird nicht halten, was er verspricht. Aber ich bemühe mich.

Neulich im Vorfeld unserer Veranstaltung „Besser statt mehr – Perspektiven und Chancen einer Postwachstums-Ökonomie (PWÖ)“ hatte ich ein Gespräch mit meinem Kollegen Stefan und wie üblich kamen wir auch auf das Thema Vespa-Basteln.
Sein Kommentar: „Du machst eigentlich schon das, was wir vielleicht in Zukunft alle machen werden: Du arbeitest da und dort, für verschiedene Auftraggeber, hast kein oder nur ein geringes regelmäßiges Einkommen und bist in vielen verschiedenen Bereichen tätig: Motivforschung, Training, Organisationsentwicklung, Vespas Restaurieren, bei der Grünen Wirtschaft, Bücher schreiben etc.“

Aufgrund dieses Gesprächs habe ich begonnen nachzudenken und das mündet manchmal in einem Vordenken. Das Ergebnis deckt sich mit den Annahmen der PWÖ und geht darüber hinaus, als Philosoph darf ich noch etwas freier denken als die Ökonomen und Naturwissenschafter:

1.) Unsere Wirtschaft wird sich verändern und damit unser Leben. Das gilt für fast alle Mitglieder einer Gesellschaft.

Wirtschaft hat sich immer verändert, aber es wird einen Paradigmenwechsel geben und er wird ein recht radikales Umdenken notwendig machen. Das wird alle wichtigen Bereiche unseres Lebens betreffen und fast alle Menschen. Selbst diejenigen, die jetzt schon in einer Art PWÖ und somit „modern“ leben (auch wenn uns das derzeit noch als veraltet vorkommt) werden nicht unberührt bleiben. Die Aussage meiner Freunde, „Du und die Grünen, ihr wollt ja nur, dass wir in Zukunft alle wieder in Lehmhütten leben“ lässt mich kalt, Lehm ist ein sensationeller, umweltfreundlicher, klimaaktiver, billiger und stets vorhandener Baustoff und hat sicher Zukunft.

2.) Die Veränderung wird global sein.

Randgebiete und die dort lebenden Menschen werden etwas weniger betroffen sein, am stärksten wird man es in den großen Städten merken, denn die sind erstens nicht direkt an den notwendigen Ressourcen (deswegen entstehen gerade in New York City gerade so viele Projekte im Community Gardening) und zweitens brauchen sie besonders viel davon.

3.) Sie kommt entweder schnell und heftig oder etwas langsamer.

Alle, auch die Postwachstumsökonomen haben Angst vor einem großen Knall, der weder in seiner Quantität (Ausmaß) noch in seiner Qualität (von Ölkrise bis Weltkrieg) vorhersehbar ist. Von der Theorie, dass die Krise vor allem dann kommt, wenn man sie „herbeiredet“, halte ich nichts. Diese Ansicht wirkt pervers angesichts der hemmungslosen Ressourcenverschwendung, die fast global zu spüren ist. Das einzige Argument, das hier noch zu hören ist, lautet: „Die Technik wird sich so schnell weiterentwickeln und wir (wer eigentlich?) werden so tolle Dinge und Techniken und Verfahren entwickeln, dass es ohne Bruch gut weitergehen wird.“
Wie diese Techniken aussehen, kann von den Anhängern der Theorie „Der (Technik-)Papa wird´s scho richten“ auch niemand sagen. Man vertraut auf mögliche Erfindungen, die uns retten – das ist mir zu wenig.

4.) Es geht um Energie

Wie auch immer man es betrachtet, das Thema Energie steht immer im Vordergrund, sowohl bei den Ressourcen als auch bei der Umweltverschmutzung, dem Verkehr, der industriellen Produktion, der Landwirtschaft, dem Klima etc. Letztlich ist alles eine Energiefrage, vielleicht wurde ja deswegen der Heilsversprechung der Atomenergie so viel Geld in den Rachen geworfen – sie haben eine endgültige Lösung der Energiefrage versprochen. Den Preis dafür haben sie uns nicht verraten, aber inzwischen kennen wir ihn.

5.) Durch die richtigen Schritte können wir die Veränderung weder aufhalten noch verhindern, wir können nur den Weg frei räumen bzw. den Fall dämpfen. Das ist auch das Fazit der Postwachstumsökonomie, vor allem der Spezialisten aus Oldenburg. Daher müssen wir uns überlegen, wie es danach weiter geht, gut weiter geht.

Mein Idealszenario: Ein Weltwährung, die den globalen Handel sowie die Vernetzung ermöglicht. Dazu lokale Komplementärwährungen, die zueinander unabhängig sind und den Handel vor Ort gewährleisten. Die Verwaltungen sind ebenfalls national-global und regional-lokal. In Österreich kann man die Bundesländer weitgehend abschaffen, offiziell können sie aus sentimentalem Lokalkolorit und für den Tourismus erhalten bleiben. Landeshauptleute sind Repräsentationsfiguren ohne jede Macht, Bierzeltclowns, das reicht.
Weltweite Vernetzungen werden auf weit höherem Niveau stattfinden als jetzt, der Lokalbürger wird zugleich Weltbürger sein, wenngleich mehr auf virtueller Ebene, weil den derzeitigen Flugverkehr wird es nicht mehr geben. Wer nach Afrika reisen will, braucht eben mehr Zeit. Die haben wir dann auch, weil der wahnsinnige Druck wegfällt, den wir uns mit dem derzeitigen Produktionsirrsinn selbst schaffen. Druck ist immer Zeitdruck, oder fast immer. Hier folge ich den Ideen der PWÖ, die neue Arbeitsmodelle proklamiert: 20 Stunden klassische Erwerbsarbeit, etwa als Angestellter in einer Firma, der Rest für andere Tätigkeiten, die meist auch Arbeit sind. Hier erfolgt dann die Bezahlung in der Komplementärwährung, etwa in Zeitaustauschmodellen oder ähnlichem.

Wir werden weit weniger Produkte produzieren als jetzt und auch hier habe ich ein Idealszenario: Es werden genau die Produkte wegfallen, die wir jetzt schon nicht brauchen, sondern nur kaufen, weil sie der Nachbar auch hat oder weil uns fad ist oder Konsumrausch es uns ermöglicht, den Kopf so vollzubrummen, dass wir über nichts anderes nachdenken können und daher auch nicht müssen. Es gibt auf jeden Fall genügend Ressourcen auf dieser Welt, um alle Menschen zu ernähren und ihnen ein durchaus gutes Leben auf hohem Niveau zu ermöglichen. Mag sein, dass dann nicht mehr vier Leute mit fünf Autos auf den Golfplatz fahren können. Diesen Preis werden wir bezahlen können, auch wenn einige jammern werden.

Ja, es wird gravierende soziale Veränderungen geben. Die derzeit sich immer noch stark öffnende Schere arm-reich wird sich wieder schließen, schließen müssen. Die Reichen können sich aussuchen, wie das geschieht, diese Wahl haben sie. Ich erinnere mich an die alte Gerechtigkeitsgeschichte, bei der die Mutter einen Kuchen zwischen zwei Kindern aufteilen muss. Sie lässt das erste Kind teilen und das zweite aussuchen. Genau so wird es aussehen, die Reichen werden teilen dürfen und die Armen aussuchen.

Wie immer wird es Gewinner und Verlierer geben und es ist nicht klar, wer wo dabei sein wird. Das erinnert mich ein wenig an die „Theorie der Gerechtigkeit“ des amerikanischen Philosophen John Rawls, der das Modell des „Schleier des Nichtwissens“ erschaffen hat: In einer Art virtuellem Raum treffen Menschen vor ihrer Geburt aufeinander und müssen gemeinsam (und dann natürlich jeder für sich) entscheiden, wer in welcher Rolle geboren wird. Sie wissen aber nicht, was jeder sein wird – wie schnapsen sich die ein Modell aus? Rawls meint, dann wäre es ein gerechtes Modell. Er hat eine gute Theorie erschaffen, allerdings nicht mit einer menschlichen Eigenschaft gerechnet: dem Hasardieren („Ich werde möglicherweise ein armer Schlucker, aber das Risiko geh ich ein, vielleicht werde ich ja Millionär.“)

Sicherheit wird hauptsächlich definiert durch Vielfalt und Vernetzung. Das ist übrigens jetzt schon so, da die klassischen Sicherheiten ohnehin schon weggebröckelt sind (Kirche, Familie, Job, Geld, Energie, Rohstoffe…), nur merken es noch nicht viele. Ich habe aber das Gefühl, dass es viele schon spüren und dass sich ein Hauch von Panik durch die Gesellschaften zieht, wie ein dumpfer, noch recht weit entfernter Donner. Wenn ich die Menschen in meiner Umgebung frage, dann sagen die meisten, dass sie schon Donner gehört haben (bis auf die, die ständig ihre Kopfhörer aufhaben). Viele versuchen auch, sich vor dem kommenden Regen ins Trockene zu flüchten und kaufen Immobilien bzw. versuchen ihr Eigentum auf irgend eine Art zu schützen. Für einige wird das funktionieren, für andere nicht. Blöderweise wissen wir noch nicht, wer durch die Flut wohin gespült wird. Reichtum wird möglicherweise keinen Schutz bieten, zumindest nicht materieller Reichtum.

Ich kann somit nur hoffen, dass dann die Stunde der Philosophen schlägt, der ruhigen Vor- und Nachdenker, die sich jetzt schon Modelle und Techniken überlegen, die uns dann weiter helfen, so dass es möglichst vielen Menschen möglichst gut geht. Übrigens ein gänzlich anderes Modell, als es in unserer Gesellschaft derzeit in Mode ist.

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