Mach´s gut, Christian!

Ich kann mich noch nicht daran gewöhnen Todesnachrichten über Facebook zu bekommen. Aber vielleicht ist das ja einfach ein Zeichen der Zeit.

Letzten Sonntag ist mein lieber Freund Christian (*11.09.1974; † 29.06.2014) gestorben.

Ein bitterer Tag, von dem ich gehofft hatte, dass er nicht kommen würde. Von mir aus in 30 Jahren oder später. Aber bitte noch nicht jetzt, nicht kurz vor seinem 40. Geburtstag.

Ich weiß gar nicht mehr, wann und wie ich ihn kennengelernt habe. Entweder bei einer Vespa-Ausfahrt oder einem Modern-Soul-Fest, vielleicht auch in der Galeria oder sonst wo. Ein feiner Mensch, so der erste Eindruck. Erst viel später habe ich erfahren, dass er Restaurator ist und alte Gemälde irgendwo in Österreich oder auch in seinem Atelier herrichtet, in Kirchen und sonstwo.
Christian war ein sehr genau arbeitender Mensch, akribisch, mit viel Gefühl für Materialien und Dinge. Nicht nur deswegen war er auch ein exzellenter Vespa-Zangler. Er beherrschte große und kleine Vespas und Lambrettas und hatte für dieses Wissen und Können meinen vollsten Respekt.
Im Frühjahr 2011 half er mir meinen Rom-Motor aufzubauen. Immer wieder fuhr ich bei ihm im 14. Bezirk vorbei und er nahm sich Zeit eine Proberunde zu drehen. Er war auch der Organisator der Vespa-Ausfahrten am 1. Mai und am 26. Oktober. Das folgende Bild zeigt ihn bei so einer Ausfahrt am Tulbinger Kogel 2012:

chris2012

Auch heuer war er am 1. Mai dabei, schon schwer gezeichnet von der Krankheit, abgemagert, mit eingefallenem Gesicht, ruhig und fein wie eh und je. Da hatten wir alle Hoffnung, dass er es doch noch schaffen würde, dass er wieder gesund wird und wir noch viele Ausfahrten mit ihm machen könnten.

In einem Vespa-Buch schrieb ich bei den Credits „Christian, dem besten Zuckerbäcker der Straße“, weil das eine Art zu arbeiten sehr gut traf. Letzten Herbst musste ich zu meinem Entsetzen erfahren, dass er an einer sehr seltenen, schweren und heimtückischen Krankheit laborierte. Es war schnell klar, dass die Sache ernst ist. Die Behandlung ging los, die Nebenwirkungen waren gering und Christian erholte sich, ging wieder arbeiten und frönte seinem Hobby Platten auflegen. Er war nicht nur ein guter Vespa-Zangler, sondern auch ein begabter DJ und ein guter Restaurator. Und er war Mod. Zwar ein paar Jahre jünger, aber er zelebrierte das Lebensgefühl der „Modernists“ durch feine, immer gut passende Kleidung. Ein Sir, sozusagen. Ein Kommentar auf Facebook hieß „Der letzte Dandy Wiens“.

Christian war immer der Ruhige, der eher am Rand steht, sich selbst dort positioniert. Das folgende Bild zeigt ihn auf der Rollfähre in Klosterneuburg – im Hintergrund, aber Organisator der Ausfahrt.

chris2010

Letzten Sommer bin ich mit ihm zu Allan hinaus gefahren, zu einem Festl in der Nähe von Melk. Ich fand es damals schade, dass er mitten in der Nacht noch nach Wien zurück fuhr. Aber auch das war Christian – streckenweise Einzelgänger und verschlossen, zumindest kam es mir so vor. Die Vespa, die er damals zur Probefahrt quasi ausführte, ging um so viel besser als meine eigene, dass er mir hinauf auf den Jauerling unglaubliche Meter abnahm. Von ihm bekam ich etliche Tipps und Tricks, die mir heute wertvolle Zeit ersparen bzw. die auch ich wieder anderen weitergeben kann.
Typisch für Christian war die Bomberjacke, oft mit Knieschützern kombiniert, er legte Wert auf sichere Ausrüstung, ging aber anderen damit nicht auf die Nerven. Das folgende Bild zeigt ihn mit Flappo und Ronnie beim obligatorischen Tankstellenstart bei einer Ausfahrt 2009.

chris2009

Letzten Herbst, etwa einen Monat vor seiner Krankheitsdiagnose, fuhr ich in die Stadt um ihn beim Auflegen zu besuchen. Es war einer dieser Abende, an denen nur ganz wenige Menschen ihr Haus verließen und so waren wir eigentlich allein. Er der DJ und ich der einzige Gast. Wir kamen ein wenig zum Plaudern und heute weiß ich, dass er damals schon an seiner Krankheit laborierte, jedoch noch nicht wusste, wie ernst es wirklich war. Ich habe ihn danach nicht mehr sehr oft gesehen, er hat nach Ausbruch seiner Krankheit eher verschlossen reagiert und der Kontakt beschränkte sich auf gelegentliche Telefonate.
Wie die meisten aus der Vespa-Community war auch Christian ein ganz eigener Typ. Er liebte italienischen Kaffee, italienisches Essen und die italienische Sprache, die er gut beherrschte. Er war so nett mein Rom-Buch zu redigieren und einige Fehler gibt es daher Dank seiner Mithilfe nicht.

Sein Tod zeigt mir, dass das Leben unberechenbar ist und auch dass wir Gesundheit einfach zu selten hoch schätzen. Es kann unglaublich schnell gehen, Christian hatte keinen ungesunden Lebenswandel, er hat sich weder dickgefressen noch geraucht wie ein Schlot. Und doch hat es ihn erwischt. Er hinterlässt eine Lücke, die seine Umgebung in ihrer ganzen Größe wohl erst nach einiger Zeit begreifen wird.
Only the good die young.

12. Juli 2014

Heute war das Begräbnis von Christian. Zuerst eine stimmungsvolle Feier in der Pfarrkirche in Hütteldorf. Es war eine gute Entscheidung keine Einsegnungshalle am Friedhof zu nehmen, denn die wäre zu klein gewesen. Ca. 150 Trauergäste waren gekommen und ein DJ-Freund von Christian spielte ein paar der wichtigsten Northern-Soul-Nummern. Seltsam, wenn der Pfarrer Pause hat – diesmal waren es sogar zwei. Sie sprachen die üblichen salbungsvollen Worte, die auf jeden Menschen zutreffen, zumindest aus dem Blickwinkel der katholischen Kirche.
Wirklich spannend wurde es als Georg eine Ansprache hielt. Er war einer der Freunde, die Christian als Arzt bis zum Schluss begleiteten und traf mit seinen Worten den Kern der Sache. Christian behielt seine Modernist-Würde ganz bis zum Schluss. Der Krebs konnte seinen Körper zerstören und ihn letztlich auch töten (sich selbst im übrigen auch, was zu einer anderen, nicht minder interessanten Diskussion führt), aber seinem Wesen konnte er nichts anhaben. Christian blieb sich selbst treu und bestätigte seine besondere Stellung in der Gemeinschaft.
Danach ging es im Vespa-Konvoi zum Friedhof. Etwa 50 Roller fuhren vor einer guten Handvoll Oldtimer – Christian hatte auch dafür ein Faible, vor allem für alte Opels, aber auch für historische Fahrzeuge generell.

roller1

roller2

Es war ein heißer Tag, zeitweise schwül und die Trauergemeinschaft war so bunt gemischt wie die Farben von den Bildern, die Christian restauriert hatte. Von alt bis jung, Scooterists, Mods, DJs und jede Menge Freunde, die alles zugleich sind. Von der Lederjacke bis zum Parka, von den Turnschuhen bis zu den Chelsea-Boots, von langer Mähne bis Glatze – ich glaube, Christian hätte sich hier sehr wohl gefühlt. Er wäre etwas abseits gestanden und hätte gelächelt, freundlich und milde, bestimmt und ein wenig in sich gekehrt.
Einige warfen sehr persönliche Gegenstände ins Grab: ein Opel-Zeichen, eine Zündkerze, einen Schraubendreher. Die Sonne brannte herunter und es dauerte eine gute Stunde bis alle sich verabschiedet hatten. In dieser Zeit war es sehr sehr ruhig, kaum jemand sprach ein Wort, Sonne, Wind und Wolken bestimmten die Szenerie.

Dann ging es zurück zur Kirche. Eine Hälfte der Trauernden feierte noch eine Messe, die andere setzte sich ins Francesco, wo Christian des öfteren seine Lieblingspizza aß (über die Pizzaqualität waren wir nicht einer Meinung). Anschließend bat die Familie zur Agape und langsam löste sich die Spannung. Das eine oder andere Lachen war wieder zu hören und es gab die Gelegenheit den Eltern zu kondolieren. Der Leichenschmaus (hier in Form von Brötchen und jeder Menge exzellenter Mehlspeisen) ist eine alte und meiner Meinung nach sehr sinnvolle Tradition, bei der sich die Trauernden wieder dem Leben zuwenden und Christian ziehen lassen. „I´m on my way“ heißt die schöne Soul-Nummer, die seinen Abschied gut symbolisiert.

essen

Er ging uns voraus und niemand kann sagen, wann wir folgen werden. Auf dem kleinen Kärtchen, das wir beim Eingang in die Kirche bekamen, ist ein Gedicht von Rilke zu finden. Ich möchte hier eines seiner schönsten anführen:

„Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.“

Christian hat viele dieser Ringe gelebt und hat den letzten vielleicht doch vollbracht. Er weiß es. Wir wissen es nicht. Noch nicht.

chrisRilke

Ein Gedanke zu „Mach´s gut, Christian!

  • 7. Juli 2014 um 10:04 Uhr
    Permalink

    so traurig es ist aber jetzt kann er es sich aussuchen mit welchem model er bei welcher ausfahrt mit dabei ist und er wird sehr oft mitfahren. bei der nächsten ausfahrt eine gedenkminute einlegen! lg

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