Mikrokredite in Gefahr

Im Frühjahr 2010 tauchten die ersten Berichte über Blasenbildung bei Mikrokreditsystemen auf. So gut und ökonomisch wertvoll Mikrokredite auch sind, sie unterliegen prinzipiell den Gesetzen des Finanzmarktes. Konkret besteht die Gefahr, dass große, international agierende Investoren eigene Mikrokreditvergabesysteme aufbauen und damit den Markt überschwemmen.

Das Problem ist besonders pikant, weil in den Gegenden, in denen diese Darlehen vergeben werden, meist keinerlei Kontrollsysteme vorhanden sind, d. h. niemand überprüft, wie viele Mikrokredite jemand hat und ob er (oder sie) sich diese auch leisten kann. Für diese Menschen ist es auch sehr verlockend, statt 100 Euro auf einmal 500 oder 1000 Euro zu bekommen.

Die Rückzahlungsraten sind zwar immer noch erfreulich hoch, das könnte sich jedoch sehr schnell ändern, weil man zugleich mit den Darlehen auch die Gier verkauft. Selbstverständlich sind auch die Bezieher von Mikrokrediten anfällig für Gier und das führt auf mittlere und lange Sicht dazu, dass die Rückzahlungsrate sinken wird. Die Folge ist eine Erodierung des gesamten Systems, das ja derzeit auf Vertrauen aufgebaut ist. Wenn die Menschen erst einmal merken, dass auch Mikrokredite nur dazu dienen, sie arm zu machen bzw. in der Armut zu halten, dann ist eine der charmantesten Chancen der letzten Jahre wahrscheinlich verloren.

Die Lösung sind lokal agierende Systeme, die entweder mit Komplementärwährungen arbeiten, auf die global agierende und ausschließlich auf schnellen Profit ausgerichtete Unternehmen keinen Zugang haben, oder zumindest lokal operierende Verwaltungen, die kein Kontrollsystem brauchen, weil sie die Menschen kennen, denen sie Kredite geben. Selbstverwaltungsmodelle könnten hier einen zusätzlichen Schutz gegen die Räuber aufbauen.
In Kombination mit gut funktionierender Bildung könnten die Menschen rechtzeitig gewarnt werden – die Frage ist nur, ob das gegen die menschlich-allzumenschliche Gier ausreicht. Die Verlockungen modern-westlicher Konsumgüter haben längst die Küsten Afrikas, Südamerikas und Asiens erreicht und es wird einiger Anstrengung bedürfen, damit die Menschen sich um das vorhandene Geld ein Fahrrad für den Gütertransport und nicht einen Flatscreen-Fernseher kaufen.

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