Wenn Schnitzel kollektiv Musik hören

Ein kurzer Bericht über das Lovely Days Festival 2010

Präambel: Es war auch sehr schön und sehr heiß. Das Festival muss fast ausverkauft gewesen sein, es waren enorm viele Leute dort und es war entsprechend voll. So war es nicht leicht, Wiesenplätze zu finden. Also Wiesenplätze in Wiesen, wo man seine Decke ausbreiten und ob des schon höheren Alters der meisten Gäste das Sitzen und gleichzeitig Hören genießen kann.

Die Schnitzel kommen so zustande: Alle Zufahrtstraßen bzw. -wege sind teilweise unasphaltiert bzw. die Autofahrer fahren neben dem Asphalt. So hängt eine ständige Staubwolke über den Wegen und wegen des vielen Schwitz durch die Sonne ergibt das dann eine veritable Panier über das gute Fleisch. So wirken die meisten Gäste etwas bleich, fast ein wenig zombiehaft, aber ich will nicht übertreiben.

Gimme some lovin

Spencer Davis Group beginnt schwungvoll und um 20 Minuten früher als angekündigt. Da wir auch 20 Min. verspätet sind, gehen sich gerade noch die restlichen 20 Minuten aus, denn jede Gruppe spielt gerade mal eine gute Stunde, danach sind 40 Minuten Umbau. Das gut versteckte Bier wird entdeckt und spontan geleert, der Eingang ist aber gut organisiert plus dem obligatorischen vollfetten Stänkerer („I wü do eine“ – „Naa“ – „I wü oba do eine“ – „Naa“ – „Greif mi net au, AU!“ usw.)

Goin´ up the country

Canned Heat setzen noch eins drauf und bringen trotz der sengenden Hitze das Publikum zum Mittanzen. Plus nicht ausgemachter Zugabe, aber sie hatten alle ihren Spaß.

Auffällig die ständig gesünder werdende Ernährung der Gäste: Bier, Spritzer, Eitrige und Pizza haben deutlich die Oberhand.

Lady in black

Sie spielen sie alle, die Hitte, die sie gehabt haben. Und sie geben gut Gas, Stimmung ist prächtig bei Uriah Heep und zumindest mir wird klar, warum ich mir lieber die alten Gruppen anschaue als die meisten neuen.

Ein junger Knilch (lange Federn, Herumteufelhose, Timberlandbock) klettert auf das Dach des Technikhäusels und holt sich seine two minutes of fame, bis ein Security nachklettert und ihn runterscheucht. Dann klettert der Security auch runter und der junge Mann ein paar Meter weiter wieder rauf. Der Security ist unentspannt weil mit kräftigem Bauch und kein echter Kletterkünstler. So kommt der Timberlandtyp noch zu einem abendlichen Freiflug.

Saw a little girl in a Hollywood bungalow

Ray Manzarek und Robbie Krieger – samt neuem, richtig gutem Sänger, akustisch schon sehr nah am großen Vorbild dran. Mit sehr viel Esprit und Spiellust – scheinbar macht Wiesen überhaupt Lust, zumindest den alten Herren. Auch hier eine Umbauzeit verkürzende Zugabe, mit L.A.-Woman wunschgerecht.

Es wird langsam Abend und das merkt man am Wechsel des olfaktorischen Mix: Von Bier-Schweiß-Sonnencreme hin zu Speibe-Öfen-Autan. Ein freundlicher Alt-Hippie neben mir holt seit 14 Uhr alle 20 Minuten zwei Bier für sich und seinen Kumpani. Und er ist auch nach 6 Stunden noch topfit. Steherqualitäten, nicht nur auf der Bühne.

Die WCs sind wie immer voll auf der Damen- und gut begehbar auf der Herrenseite. Weiter hinten verdienen sich vor allem die Getränkebuden dumm und deppert.

bild02.jpg

Bild: Menschen auf der Wiese in Wiesen

Rosanna in Africa

Noch nie gehört und daher mit Spannung erwartet – Toto liefern genau das, was gewollt wird und sie klingen aber exakt wie vor 25 Jahren. Irgendwie kennt man eh jeder Nummer und Toto sind rockiger als gedacht.

Hinter mir ein Knechter, der schon seit Stunden ständig „Ro-sa-ah-na“ schreit und leider kein Bier verträgt, allen rundherum auf die Nerven geht und mir zunehmend unsympathisch wird.

Einen Tipp hab ich noch für Liegewiesendeckenhersteller: Vergesst teure Produkttestzyklen – eine Decke auf den Boden in Wiesen und eine wilde Büffelherde könnte nicht effizienter testen. Da ist dann alles drauf, was denkbar ist.

The Mighty Quinn

Manfred Mann als Schlussakt haben wir uns geschenkt – gut, aber oft gehört und die Gelsen haben diesmal die Tiefflugstaffelformation gewählt. Opfer und deren nackte Beine gibt es genügend.

Das Fazit fällt wieder einmal sehr positiv aus: Für 10 Euro pro Gruppe wahrlich nicht überbezahlt, gut organisiert, mit angenehmem Publikum, auch wenn ich mir für nächstes Jahr ein rundum erneuertes Lineup erwarte.

2 Gedanken zu „Wenn Schnitzel kollektiv Musik hören

  • 15. Juli 2010 um 17:14 Uhr
    Permalink

    Wirklch sehr informativ! Werde aufjedenfall wieder kommen. Danke fuer den Beitrag.

    Gruss
    Andres

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert