Kenia von Nord nach Süd – Tag 3: Die Fahrt zum Mount Kenya

Wir haben nur ein ganz kleines Frühstück eingeplant, aber Marion lässt es sich nicht nehmen ein größeres daraus zu machen.
Außerdem entdecken wir, dass der Kühlschrank nicht funktioniert. Das ist allerdings ein Problem, das wir noch lösen müssen, denn ohne Kühlschrank funktionieren die beiden Campingwochen nicht.
Luis zeigt seine Mechanikerkünste, er improvisiert einen Stecker und einen Anschluss und siehe da – der Kühlschrank funktioniert.
So wird es recht spät als wir endlich wegkommen und hoffen, Nairobi ohne allzu große Verkehrsprobleme hinter uns lassen zu können. Bis auf einen kleinen Stau in Westlands funktioniert das sehr gut und wir befinden uns bald auf dem sechsspurigen Thika-Highway. Man darf sich das getrost als sehr breite Straße vorstellen, eine Art Stadtautobahn mit allen Schikanen. Eine dieser Schikanen sind plötzlich auftauchende Fußgängerübergänge. Sie haben zwar an ein oder zwei Stellen Brücken über den Highway gebaut, aber es gibt davon zu wenige und die Leute bevorzugen es über die Bande zu springen und die Autobahn zu überqueren. Daher empfiehlt sich langsames Fahren, zumindest bis zur Stadtgrenze.
Besonders tückisch sind die Zu- und Abfahrten vom Thika-Highway. Sie sind gänzlich anders konstruiert als unsere heimischen Zufahrten, denn es fehlt die Beschleunigungsspur. Luis hat uns gewarnt, dass es hier jede Menge Unfälle gibt, die er oft bis in seine Werkstatt hinüber hört. Die Chinesen bauen schnell, aber ihre Straßen sind oft nicht ganz durchdacht.
Bei den zahlreichen Police-Checks werden wir seltsamerweise durchgewunken und der Verkehr hält sich in Grenzen, weil am Sonntag weniger LKW unterwegs sind.
Wenn wir schon bei der Sicherheit sind: Am Vortag hat mich noch mein Vater angerufen und gemeint, dass das österr. Außenministerium eine Reisewarnung für Marsabit ausgesprochen habe. Ich kann das nicht ganz glauben und tippe eher darauf, dass eine uralte Meldung einfach nicht gelöscht worden war.
Jedenfalls wollen wir uns noch absichern und rufen bei Henry an, dessen Kontaktdaten wir von Luis in Nairobi bekommen haben.
Er ist Schweizer, hat angeblich 15 Kinder und betreibt ein Camp neben dem Marsabit-Park. Er ist zwar „out“, aber eine nette Frauenstimme beteuert, dass der Weg sicher sei und Marsabit sowieso. Wir müssten auch nicht groß reservieren und könnten einfach vorbeikommen.
Nun stellt sich die Frage, wie relevant das für uns ist. Woher hat das Außenministerium diese Information und wie alt ist sie? Ich beschließe bei Henry anzurufen, um seine Einschätzung direkt vor Ort zu bekommen. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass die Al-Shabab im Niemandsland auf uns wartet und dort oben gibt es enorm viel Gegend und nur ganz wenige Menschen, die meisten davon Hirten vom Volk der Samburu oder Rendile. Die Terroristen brauchen Öffentlichkeit, deswegen haben sie ja auch ein belebtes Einkaufszentrum der Oberschicht attackiert. Außerdem rede ich noch mit Peter Baumgartner, ebenfalls ein Schweizer und ein guter Freund von Luis, der sich dort oben sehr gut auskennt. Er beschwichtigt: dort wäre noch nie ein Tourist zu Schaden gekommen, es sei so friedlich wie immer.
Wir glauben den lokalen Experten und beschließen hinauf zu fahren. Vorher müssen wir aber noch nach Naro Moru und das – wenn möglich – vor der Dunkelheit.
Die Fahrt verläuft unspektakulär und ich erinnere mich wieder an die Route, die ich das letzte Mal vor 9 Jahren gefahren war.
In einem Ort im Hochland überqueren wir eine alte Schmalspur-Bahnstrecke. Sie ist schon seit Jahrzehnten aufgelassen und erinnert daran, dass Ostafrika früher sehr gut durch die Bahn erschlossen war. Heute sind fast alle Linien stillgelegt und alles setzt auf den ständig wachsenden Autoverkehr.

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Bild 6: Buben an einer längst aufgelassenen Bahnstrecke

Der Mount Kenya empfängt uns fast wolkenfrei und in Naro Moru warten sie schon auf uns mit einem üppigen, wenn auch deutlich verspäteten Mittagessen. Wir sind zu Gast auf der Farm der Familie, irgendwo auf einem Grundstück neben einer nicht sehr belebten, staubigen Straße. Aber irgendwie ist es sehr nett hier, wir werden freundlich begrüßt und lernen Heather kennen, die ca. vierjährige Nichte von Judy und Marion. Die Kleine nimmt mich und Thomy sofort an der Hand und beschließt uns nicht mehr loszulassen.
Die Farm ist so wie man sich so eine Farm vorstellt. Hendln rennen herum und fliegen am Abend in einen großen Avocado-Baum, wo jede ihre Schlafstätte hat und in dem sie gegen Raubtiere geschützt sind.

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Bild 7: so wachsen Avocados
Es gibt Fließwasser aus einem Schlauch, der Strom ist aufgrund eines Defekts an der Solaranlage ausgefallen und es gibt eine Handvoll Kühe, etliche Schafe und Ziegen und eine Menge Kinder.

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Bild 8: In Kenya gibt es jede Menge Kinder

Der Tag ist etwas ganz Besonderes, denn wir sind zu Gast bei einer Bauernfamilie am Fuße des Mount Kenia. Als wir ankommen steht bereits ein gutes Essen parat: Hühnchen, ein Gemüseeintopf, Salat, Fladenbrot und ein für diese Gegend typisches Gericht namens „Mukimo“ aus Erdäpfeln, Erbsen und Mais und Spinat, das zu einer Art festem Brei verarbeitet wird. Wir haben es schon am Vortag im Homeland bekommen und es ist eine sehr gute Beilage, die von den Kikuyu auch gerne als Hauptspeise gegessen wird. Man bekommt sie in keinem Touristenlokal, so wie die meisten kenianischen Speisen. Essen die Touristen das nicht, weil sie es nicht bekommen oder bekommen sie es nicht, weil sie es nicht essen? Diese Frage konnte ich noch nicht klären, aber ich finde es sehr schade, weil es gibt exzellente Gemüsesorten, die ich tw. nicht einmal vom Namen kenne. Vor allem die zahlreichen Knollen sind nahrhaft und – richtig zubereitet – einfach köstlich.
Ich glaube, dass hier zwar kein bewusster Keil zwischen die Essenskulturen getrieben wird, aber die Tourismusindustrie tut auch absolut nichts um den breiten Graben zu überwinden. Davon werde ich später noch berichten.
Natürlich schmeckt es anders und tw. auch ungewohnt. Als uns David, der Bruder von Judy am Abend noch einmal Mukimo zubereitet, warnt er uns vor scharfen Knochensplittern. Er hat – wie hier durchaus üblich – einfach Hühnerteile klein gehackt und das darin enthaltene Fett als Basis für die Zubereitung verwendet. So muss man sehr vorsichtig essen, um die Knochensplitter entfernen zu können.

Ich mache den Vorschlag den restlichen Nachmittag zu nützen und die Straße bis zur Grenze des Nationalparks hinauf zu fahren. Ich war seit neun Jahren nicht mehr dort und der Mount Kenya ist einer meiner Lieblingsberge. Wir werden diesmal zwar nicht hinauf gehen, aber zumindest war ich dann dort, mehr oder weniger halt.
Judy und ihre Schwester fahren mit und wir beschließen, nicht zu spät wieder zurück zu fahren, schließlich muss ich noch mein Zelt aufbauen und das funktioniert bei Licht deutlich einfacher.
Die Fahrt ist einfach, ich kenne die Strecke ja recht gut und wir passieren ein paar Dörfer am Weg bergan.
Auch der Mount Kenya National Park gerät inzwischen unter Druck durch die ständig wachsende Bevölkerung, die Acker- und Weideland braucht sowie viel, sehr viel Holz zum Kochen.
Daher treiben die Hirten ihre Herden hoch hinauf in den Bergwald.

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Bild 9: Schafe und Kühe im Bergwald, vor ein paar Jahren noch Dickicht mit Wildtieren

Am folgenden Bild sieht man die Küche unserer Gastgeber – gekocht wird mit Holz und Töpfen, das wäre soweit alles.

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Bild 10: Küche

An der Parkgrenze sehe ich, dass es den alten Hangar für das Rettungsflugzeug zwar noch gibt, Judy erklärt mir jedoch, dass es schon seit vielen Jahren nicht mehr da sei, sondern jetzt auf der anderen Seite des Berges. Das stimmt mich leicht melancholisch, denn ich habe noch das Dia von Gabor vor mir, als wir 1992 an der gleichen Stelle stehen geblieben und den Hangar samt Flugzeug fotografiert haben.

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Bild 11: der leere Flugzeughangar

Es soll nicht das letzte Mal sein, dass ich die Veränderungen von Jahrzehnten leicht schmerzlich zu Gesicht bekomme.
Als wir uns ein wenig die Beine vertreten kommt eine Fuhre Träger von oben – sie sind stets wesentlich schneller als die Touristen und haben wieder eine Tour bewältigt. Ich würde jetzt sehr gerne auf den Berg gehen, auch das Wetter würde passen. Da wir aber weder Ausrüstung noch Zeit mitgebracht und außerdem andere Pläne haben, wende ich mich wieder ab vom Mount Kenia.

Wir fahren wieder hinunter und Judy zeigt uns noch den Betrieb, in dem sie arbeitet. Dort hat ein Amerikaner einen Hochseilgarten gebaut und wir sehen uns das Gelände an. Für eine Übernachtung nahe am Berg wäre das gar nicht übel, es gibt viel Platz um zu campen und auch die notwendige Infrastruktur. Und es ist wie ausgestorben. Judy meint, dass gerade keine Gäste da wären und das stimmt mich nachdenklich.
Wie sieht es aus mit dem Tourismus? Schließlich leben hier sehr viele Menschen davon, ähnlich wie in Österreich.

Die Fahrt zum Grundstück von Judys Eltern ist insofern ein Hallo, als wir von der Hauptstraße, die von der Naro Moru River Lodge zum Parkeingang führt, abzweigen müssen. Das machen Touristen normalerweise nicht und so sind die „Muzungus“ (Weiße) die Attraktion. Es hat sich herumgesprochen, dass wir da sind und wir schauen in viele neugierige, aber freundliche Gesichter.
Luis hat dem Vater seiner Freundin Marion ein Grundstück abgekauft und plant, dort einmal ein Haus zu bauen. Wasser gibt es in Form einer Leitung, die vom Berg kommt. Ansonsten gibt es nichts, zumindest noch nicht. Aber wir können unser Zelt aufschlagen, wobei wir die Aufteilung diesmal so machen, dass Thomy im Auto schläft und ich im Zelt. Der Toyota hat ein Hochdach, in dem theoretisch zwei Personen schlafen können, aber gemütlich ist es nur für eine, zumindest wenn sie so groß ist wie wir.

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Bild 12: Unser Zeltplatz

Leider ist der Toyota ziemlich verbaut. Das Hochdach ist unpraktisch, weil es fix ist und nicht, so wie bei unserem anderen Toyota, ein Hubdach, das man für die Fahrt einklappen kann. Von den Mechanikern von Luis wird der Wagen liebvoll „The Egg“ genannt. Außerdem hat das Hochdach keine Fenster und ist nur mit akrobatischen Verrenkungen zugänglich. Die Dachluke hat eine wackelige Schließkonstruktion und muss während der Fahrt gegen spontanes Aufklappen gesichert werden.
Mit dem Auto fällt man immer und überall auf. Den Toyota gibt es dort wie Sand am Meer, aber nicht mit Hochdach. Wir haben außerdem einen großen Österreich-Aufkleber vorne drauf und das mag einer der Gründe sein, warum wir von Zeit zu Zeit bei einem Police-Check aufgehalten werden. Davon später mehr.

Als es dunkel wird marschieren wir wieder die hundert Meter zum Bauernhaus hinauf. Dort werden all die Kleidungsstücke, die wir mitgebracht haben, vorsortiert. Die Familienmitglieder dürfen sich natürlich ein paar besonders schöne Stücke aussuchen, den Vogel schießt eindeutig der Bruder von Judy ab, der ein weißes Gala-Sakko der Wiener Polizeimusik bekommt – es passt ihm übrigens sehr gut. Alle haben eine Riesenfreude, Judy und ihre Schwester bekommen zwei erstklassige Tagesrucksäcke und auch für die Kinder ist etwas da.
Morgen früh werden die Träger, Führer und Köche zusammengetrommelt, die gerade nicht am Berg sind. Jetzt jedoch ist es Zeit für ein gutes Bier und wir versammeln uns in dem Raum, den man mit etwas Phantasie als Wohnzimmer bezeichnen kann. Er ist auch Esszimmer und es finden sich eine Couch und zwei Sofas plus zwei Tische – ausreichend für uns und die Familie plus noch zwei oder drei Freunde.
Der Abend ist gesellig, wenngleich die Solaranlage einen Defekt hat und wir uns das Licht aus einer brustschwachen, stinkenden Petroleumlampe plus unseren Taschenlampen erzeugen müssen.
Bis spät in den Abend werden Geschichten erzählt – einmal wir, dann wieder sie. Es geht um Politik, Kultur und das Leben ganz allgemein. Das ist auch etwas, das man als normaler Tourist schlicht und einfach niemals erlebt, denn das Zusammentreffen mit den hier lebenden Menschen geschieht nur in streng vorgeplanten Formen: beim Besuch einer Touristen-Manyatta (Lehmhüttendorf der Maasai) oder wenn man mit Servierpersonal oder Zimmermädchen zu tun hat – meist jedoch sind auch das nur sehr kurze Begegnungen.

Wir dürfen ein wenig am echten Leben einer kenianischen Familie teilhaben und das ist interessant und lehrreich. Diese Menschen sind sicher nicht unglücklicher als wir, obwohl sie wesentlich weniger materielle Güter besitzen.

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Bild 13: Bauernhof

Die Familie von Judy ist nicht reich, nicht einmal kenianischer Mittelstand, aber sie leben ein genügsames Leben in einer fruchtbaren Gegend, die sie mit allem versorgt, was lebensnotwendig ist. Und selbstverständlich hat jeder ein Handy, das ist in Kenia mindestens genauso wichtig wie bei uns.
Durch das Mobiltelefon hat sich unglaublich viel verändert. Die meisten Kenianer haben zwar (noch) kein Smartphone, aber das Telefonnetz ist gut ausgebaut und die Tarife sind niedrig. Kenia und auch die anderen afrikanischen Staaten sind bevölkerungsreich und somit interessante Märkte für die großen Mobilfunkfirmen. Es gibt inzwischen eine ganze Menge davon, die bekannteste ist „Safaricom“. Auch wir haben so ein lokales Mobiltelefon und es funktioniert fast überall gut. Nur die Datenübertragung ist da und dort noch nicht möglich oder funktioniert nur temporär.
Die Menschen in Kenia lachen mehr als die in Österreich, so viel ist klar. Offensichtlich kann man auch ohne Flatscreen und Auto glücklich sein, wenngleich sich die meisten Kenianer auch solche Konsumgegenstände wünschen und durchaus der Meinung sind, dass sie dadurch glücklicher werden könnten. Doch auch dort gilt: mehr zu haben als der Nachbar ist das eigentliche Ziel und so können sie mit wesentlich weniger glücklich werden, weil die anderen auch nicht mehr haben.
Werden sie, sofern es dort irgendwann einen ähnlichen Konsumrausch gibt wie bei uns, dadurch wirklich glücklicher? Oder bauen sie dann auch hohe Zäune und Mauern, um den Besitz gegen andere zu sichern? Diese hohen Mauern gibt es jetzt schon überall in Kenia und gefühltermaßen ein Viertel aller Kenianer arbeitet irgendwo als Security, um Besitz – meist von Firmen – gegen die anderen drei Viertel zu schützen.
Ich hoffe nicht, dass die Zukunft dieses wunderschönen Landes so aussieht. Noch ist es nicht zu spät, die Menschen wirken dort noch glücklich, auch wenn sie nicht so viel Dinge besitzen wie wir.

In Kenia muss man den Tagesrhythmus umstellen, sonst erlebt man keine schöne Zeit. Man geht mit der Sonne schlafen und steht mit der Sonne wieder auf. Das muss man zwar nicht so genau nehmen, aber wir sind meist gegen 22 Uhr schlafen gegangen und lange vor dem Morgengrauen aufgewacht. In Wien gehe ich selten vor Mitternacht schlafen, wache dann aber meist auch nicht so früh auf.

Als wir das Farmhaus verlassen, ist es draußen auf einmal eiskalt. Unter Tags hatte es über dreißig Grad, jetzt vielleicht noch zehn. Wir haben nur T-Shirts an und beeilen uns Richtung Schlafsack. Den brauchen wir diese Nacht auch dringend, ich meinerseits habe aus Bequemlichkeit das Überzelt nicht aufgebaut und hoffe, dass es in der Nacht nicht regnet. Dem ist auch so, aber in der Früh ist trotzdem alles nass, weil erheblich Tau gefallen ist. Sobald jedoch die Sonne heraußen ist, trocknet alles blitzschnell und einem frühen Aufbruch sollte nichts im Wege stehen.

Kenia von Nord nach Süd – Tag 2: Die Vorbereitungen

Die erste Nacht schlafe ich meistens schlecht, weil die Klimaumstellung nicht sofort funktioniert. Diesmal war es aber ganz okay und das Frühstück wartete schon. Ich liebe afrikanisches Frühstück, es hat immer einen leichten englischen Kolonialtouch (Tee, Toast) und es gibt frische Früchte.
Leider war über meinem Fruchtsalatteller Joghurt, worauf ich mangels Joghurtleidenschaft diesen wieder zurück schicken musste. Ich hatte es zwar vorher gesagt, aber die Botschaft war nicht bis zur Küche durchgedrungen.
Das stellte die Logistik vor ernsthafte Probleme, denn offensichtlich hatten sie die letzte Banane in meinen Fruchtsalat geschnitten und konnten jetzt keinen neuen mehr zubereiten. Ich hätte ihn auch ohne Bananen genommen, aber das konnte ich der Kellnerin nicht kommunizieren, weil ich es erstens nicht wusste und sie sich zweitens eine halbe Stunde lang nicht blicken ließ. Ich konnte recherchieren, dass sie in der Zwischenzeit irgendwie versuchten eine Banane aufzutreiben. Da Warten für die Afrikaner kein nennenswertes Problem darstellt, war diese Lösung wohl einfacher als mir einfach zu sagen, dass die Bananen aus wären.
Also bekam ich mit Verzögerung meinen Fruchtsalat und war zufrieden. Die Moskitos hatten sich aufgrund der Trockenzeit in der Nacht in Grenzen gehalten und das Auto von Peter stand startbereit da. Also nicht ganz startbereit natürlich, wir mussten noch den Wassertank füllen, was mittels eines im Hof von Chris herumliegenden Schlauches und Thomys Improvisationsgeschick problemlos gelang – immerhin fasst dieser 140 Liter, das dauert eine Zeit.
Die kleine Hürde zuvor (wo sind die verdammten Schlüssel für den Wassertank, am Schlüsselbund sind sie nicht und am zweiten auch nicht) nahmen wir mit Bravour und auch das Gepäck war schnell eingeladen.
Dann ging es um das Carnet, das ist sozusagen das Herzstück des Autos und das wichtigste Dokument für die Fahrt. Es wird in Österreich von der Hilfsbehörde ÖAMTC ausgestellt und besteht aus einer Unzahl von Blättern, von denen bei einem Grenzübertritt jeweils eines herausgerissen wird. So kann man etwa quer durch Afrika fahren, was mein Bruder vor nicht langer Zeit auch getan hat (Nairobi-Kapstadt und retour). Mindestens einmal im Jahr muss man aber eine Grenze überschreiten und außerdem gilt ein Carnet nur für ein Jahr. Also brachte ich ein neues mit, das von Chris abgestempelt wurde. Das Besondere ist die Erlaubnis, die Chris für diesen hochoffiziellen Akt hat und das macht ihn und seine Jungle-Junction auch so wertvoll für die Overlander und für uns.
Nachdem der eben frisch reparierte Kühlschrank bezahlt war, konnten wir aufbrechen. Den ersten Teil des Weges fuhr Frank mit uns, ein in Kenia lebender Deutscher, der in Nairobi mit dem Motorrad unterwegs war und es gerade bei Chris zur Reparatur abgeliefert hatte: eine BWM R 80 GS, eines der alten, robusten Modelle. Frank selbst sah auch etwas alt aus, allerdings nicht mehr sehr robust. Wahrscheinlich frönte er wie die meisten dort lebenden Europäer ein heimlich dem Alkohol. Oder unheimlich, wer weiß.

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Bild 2: Hof von Chris mit Frank und Motorrad

Von Chris hatte ich beim morgendlichen Tratsch noch eine für mich ganz besonders wichtige Information erhalten. Wir hatten nämlich geplant nach der Charity-Geschichte am Mount Kenia gleich dort oben zu bleiben und weiter in den Norden zu fahren, eventuell in den Samburu-Nationalpark.
Plötzlich tauchte die Idee mit Marsabit auf. Das ist für mich seit über zwanzig Jahren ein fast mystischer Name und eines der wenigen größeren Ziele, die ich mir noch nicht erfüllen konnte. Christ meinte, von Isiolo wäre fast alles bis Marsabit asphaltiert. Das war mir neu, sehr neu sogar und ich spürte sofort das Kribbeln des Abenteuers. Bisher war das eine sehr beschwerliche Reise auf einer schlechten Straße, fast so schwierig wie hinauf auf den Turkana-See.
Marsabit ist ein Nationalpark und besteht aus ein paar Vulkanen mit Kraterseen und Nebelwald. Von dort stammt Ahmed, der größte jemals gesichtete Elefant in Kenia. Er wurde nach seinem Tod ausgestopft und steht seitdem im Museum in Nairobi.
Dort wollte ich immer schon hin, und jetzt gab es die Chance dazu. Thomy war nicht ganz so erfreut, denn er ahnte, dass das mit einer langen Fahrt verbunden sein würde. Wir hatten diesmal geplant nicht viele Kilometer zu fressen, weil wir das seit den letzten beiden Afrika-Touren satt hatten und eigentlich den Ball flach halten wollten. Dazu kam noch die Aussicht auf die gar nicht lustige Überstellung des Toyota nach Mombasa, die auch wieder viel Fahrerei bedeuten würde.
Aber ich war Feuer und Flamme und wollte dorthin. „Asphalt bis fast nach Marsabit“ war eine tolle Nachricht, von der wir allerdings nicht wussten, ob sie so auch stimmte. Chris lebt schon seit vielen Jahren in Afrika und die Straßenangaben von Afrikanern entsprechen nicht immer dem, was wir uns darunter vorstellen.
Jetzt aber machten wir uns auf den Weg nach Lake View, denn es gab heute viel zu tun. Die Fahrtstrecke hatte ich mir in Wien schon herausgesucht und ausgedruckt, denn wir mussten Nairobi im Westen umfahren bzw. in den westlichen Teilen durchfahren, wegen des unmöglichen Verkehrs im Zentrum.
Bis zur Ngong-Road ging das auch sehr flüssig, doch dann wurde der Verkehr immer dichter und irgendwann hatten wir dann genau den Stau, den wir vermeiden wollten. Andererseits waren wir noch ganz gut in der Zeit und es ging immer wieder was weiter. Nach dem Dagoretti-Corner konnten wir auf kleine Straßen ausweichen und schlängelten uns bis nach Westlands durch. Unsere erste Adresse war Luis, bei dem wir unser Gepäck zwischenlagern und auch die nächste Nacht verbringen konnten.
Ich war noch nie vorher bei ihm und die Adresse war nicht ganz einfach zu finden, schließlich schnappte ich mir das Handy und rief ihn an. So konnte ich erfahren, dass wir ohnehin gerade vor seinem Tor standen. Er bewohnt ein kleines Haus auf einem Herrschaftsgrundstück, das einer 83jährigen Lady gehört, der schon vor langer Zeit der Mann gestorben war.

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Bild 3: Haus von Luis

So wohnt sie jetzt in einem riesigen Haus mit mehreren Angestellten und in einem der Nebengebäude wohnt Luis mit seiner Freundin Marion. Sie ist eine Kikuyu und stammt aus Naro Moru, dem Ort am Fuß des Mount Kenia, zu dem wir am nächsten Tag fahren wollten.
Ihre Schwester Judy ist Bergführerin und unsere Schnittstelle für die Charity-Aktion, die ich kurz erläutern möchte.

Wärme für die Menschen am Ende der Welt

Im Februar 2012 machten Thomy und ich eine Trekking-Tour durch die Mondberge in der Grenzregion Uganda – Kongo. Das Gebirge heißt auch Ruwenzori und das wiederum heißt „Regenmacher“ und ist bezeichnend für das Klima. Die Touren dauern mindestens sechs Tage und man braucht einen Menge Träger, Führer und Köche. Der Generalveranstalter ist das Ruwenzori Mountaineering Service (RWS). Es ist zuständig für die Erhaltung der Wege und Hütten und es engagiert auch die vielen lokalen Hilfskräfte, die man für so eine Expedition braucht.
Nun ist das RWS gewinnorientiert und hat daher wenig Interesse an teuren Investitionen. Am besten sparen kann man an den Hilfskräften, also bei Trägern, Köchen und Führern. Diese bekommen keine eigene Ausrüstung und müssen sich diese beim RWS mieten. Das können sie sich bei dem Hungerlohn, den sie sie bekommen, aber nicht leisten und daher frieren sie.
Der Ruwenzori ist einer von drei Orten in Afrika (neben Mount Kenia und Kilimandscharo), an dem es Gletscher gibt. Wir reden hier vom Hochgebirge über 5.000 Metern. Die Hilfskräfte müssen bis ca. 4.800 Meter hinauf und dort herrschen immer Temperaturen um den Gefrierpunkt oder auch deutlich darunter.
Wer da keine warme und gute Ausrüstung hat, ist eine arme Sau. Und die haben bis auf wenige Ausnahmen alle keine gute Ausrüstung, vor allem keine warmen Jacken und keine Schlafsäcke.
Die Touristen schlafen in Hütten, die Hilfskräfte machen sich unter einem Felsvorsprung ein Feuer und kauern sich die ganze Nacht lang davor, manchmal gibt es auch alte Schaumgummimatratzen und hin und wieder Blechhütten, in denen es aber mangels Feuer noch kälter ist.
Ich habe einige Träger gesehen, die hatten überhaupt nur mehrere T-Shirts übereinander und froren erbärmlich.
Die Lösung für dieses Problem wäre einfach: Das RWS müsste nur im Vorfeld der Buchungen eine kurze Nachricht an die Bergtouristen schicken, dass jede(r) ein einziges warmes Kleidungsstück mitnimmt. Wir haben davon alle jede Menge daheim, meist in hervorragendem Zustand, weil wir uns längst was Neues gekauft und das alte in den Keller getragen haben.
Dem RWS ist das egal, die tun einfach nichts. Daher haben wir am Ende unserer Tour möglichst viel Gewand hergeschenkt und beschlossen, in Österreich eine Sammelaktion zu starten.
Es gibt eine entsprechende Facebook-Gruppe mit über 370 Mitgliedern und im Jahr 2012 konnte ich über 120 kg warme Kleidung und Schlafsäcke sammeln. Dann verpackte ich das alles in eine riesige Holzkiste, in der ein Freund einen alten Roller aus Asien geschickt bekam.
Leider funktionierte der Transport nicht, mein Kontakt zur österr. Post konnte leider nicht helfen, die Post bringt zwar allen was, nicht aber den armen Leuten am Ende der Welt. Nach fast 9 Monaten warten bekam ich die Nachricht, dass man leider nicht helfen könne.
Mit einer Spedition konnte ich die Kiste auch nicht schicken, denn die Kosten hätten den Wert der Kleidung deutlich überschritten und außerdem hätte ich sie nie und nimmer aus dem Zoll bekommen.
Also beschloss ich beim nächsten Afrika-Urlaub die Sachen selbst in Seesäcken mitzunehmen, in den Toyota zu laden und eigenhändig nach Uganda zu bringen. Die Grenzformalitäten würde ich mit meiner Erfahrung locker packen und die lange Fahrt dorthin hatte ich ja schon einmal gemacht.
Leider spielten bestimmte Faktoren nicht mit und ich konnte weder im Februar 2013 noch 2014 nach Afrika fliegen. Allerdings konnte mein Bruder mit seinem Freund Markus etwa die Hälfte der Sachen schon nach Kenia bringen, weil sie viel Freigepäck hatten.

Dann änderte sich die Situation noch einmal gewaltig: Ich verlor den Kontakt nach Uganda, irgendwann kam auf meine Mails keine Antwort mehr und ich ahnte, dass ich die Sachen wohl nicht ans Ende der Welt würde bringen können.
War das das Ende der ganzen Aktion? War die viele Arbeit umsonst? Genau zu diesem Zeitpunkt (Herbst 2014) erfuhr ich von meinem Vater von Marion und Judy. Das eröffnete ganz neue Perspektiven, denn auch am Mount Kenia gibt es ein ähnliches Problem für die vielen Träger und Führer, wenngleich diese etwas besser ausgestattet sind als die Kollegen in Uganda.
Also fassten wir den Plan: mein Vater würde im Dezember 2014 das schon in Kenia befindliche Gewand nach Naro Moru bringen und dort an die Träger, Führer und Köche verschenken, die Judy informieren und zusammentrommeln könnte.
Im Februar würden dann Thomy und ich den Rest mitnehmen und ebenfalls nach Naro Moru fahren, um alles zu verteilen.
So könnte alles noch ein gutes Ende nehmen.

Erwähnenswert sind noch die Schattenseiten dieser Aktion. Durch die massive Überproduktion von Kleidung für die westliche Konsumgesellschaft besitzen die meisten Menschen bei uns wesentlich mehr als sie je verwenden können. Dazu drängt die Industrie darauf ständig neue Teile zu verkaufen und ist durch den damit verbundenen Modeschmäh („Iiiih, das ist ja vom letzten Jahr, wie kannst du diese Farbe HEUER tragen, schäm dich…“) auch sehr erfolgreich.
Daher landen die alten Sachen entweder im Müll und werden verbrannt oder sie lagern in diversen Kellern, Abstellräumen etc. Fast immer sind die Kleidungsstücke neuwertig oder in sehr gutem Zustand. Vieles davon ist auch in recht guter Qualität gefertigt, wenngleich das in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat, an dieser Stelle ein Dankeschön an die geplante Obsoleszenz, die übrigens mit der Erfindung der Nylonsstrümpfe gleich miterfunden wurde.
Diese Unmengen an Kleidung werden nun zu einem Teil über Hilfsaktionen nach Afrika gebracht und ruinieren dort die ansässige Textilindustrie. Gar nicht wenige Unternehmen in Kenia und Tansania sind schon pleite gegangen, weil sie sich gegen den Preisdruck der Gratiskleidung nicht wehren konnten. Manche Hilfsorganisationen verlangen zwar etwas für die Second-Hand-Ware, aber die AfrikanerInnen haben längst entdeckt, dass die gebrauchte und billige Ware aus Europa und USA teilweise von besserer Qualität ist als die im Land erzeugte.
Ich selbst habe noch einige „Tinga Tinga T-Shirts“ aus der Zeit guter Qualität, da gibt es nicths daran auszusetzen. Wenn aber die afrikanischen Firmen sich dem Preisdruck stellen müssen, so sind sie gezwungen mit der Qualität runter zu gehen und dann können sie erst recht nicht mit der Konkurrenz mithalten.
Unsere Aktion streift diese Problematik nur am Rand, da es wirklich warme Kleidung in Afrika nicht gibt, und zwar mangels niedriger Temperaturen, die gibt es hier nur ganz selten.

Also packten wir unsere Sachen aus und fuhren dann zu unserem Haus in Lake View. Dort empfing uns Helge, ein Deutscher, der das Haus meines Vaters gemietet hat, da dieser nur ca. 4 Monate im Jahr dort verbringt und es den Rest der Zeit nicht nützt.
Wir packten das noch fehlende Camping-Equipment in den Toyota und ich holte mein in Nairobi in zwei Kisten lagerndes Gewand und sonst noch einige Dinge, die man für zwei Wochen Safari braucht.
Danach fuhren wir wieder zu Luis, der nur sieben Minuten entfernt wohnt und dann mit ihm gemeinsam zu seiner Werkstatt und anschließend ins „Homeland“. Das ist ein Lokal am Thika-Highway, das mir bisher gänzlich unbekannt war. Dort kommen fast nur Einheimische hin und man kann günstig und gut kenianisch essen. Das bekommt man in keinem einzigen Touristen-Lokal, selbst wenn man es will.

Der neue Konsum

Am Nachmittag fuhren wir in den Village-Market um für die Safari einzukaufen. Das ist ein riesiges Einkaufszentrum, wie sie in Nairobi in den letzten 25 Jahren in größerer Zahl entstanden sind. Im nobelsten davon gab es vor nicht allzu langer Zeit den Terroranschlag der Al-Shabab, einer Art Ableger der Al-Kaida oder der Taliban oder des IS oder von allen zusammen.
Im Einkaufszentrum am Parkplatz sahen wir dann eine staunende Menge, die einen giftgrünen Lamborghini Aventador bewunderte. Dieser Supersportwagen passt nach Nairobi wie Mangos auf den Nordpol und ist nur auf wenigen Strecken überhaupt fahrbar, da er mangels Bodenfreiheit weder Bumps noch Schlaglöcher aushält. Das Ding kostet deutlich über 300.000 Euro und hatte ein Kennzeichen aus dem Kongo. Nur ein Schelm würde hier Blutdiamanten oder andere Sauereien vermuten.
Die Schere zwischen arm und reich ist hier noch wesentlich größer als bei uns. In Nairobi fahren die Porsches neben den Lastkarren, die mangels Zugtieren von den Menschen selbst gezogen werden – oft mitten auf der Straße, weil es im Straßengraben daneben schlicht und einfach nicht möglich ist.
Bei der Einfahrt in den streng bewachten Parkplatz des Village Market wurden wir durchleuchtet, das Auto wurde an der Unterseite mit Spiegeln untersucht und wir mussten ähnliche Kontrollen über uns ergehen lassen wie am Flughafen.
Das war vor dem Anschlag allerdings auch schon und hat nichts genützt. Wenn dreißig Wahnsinnige mit Maschinenpistolen kommen, laufen auch die Security-Leute weg oder werden erschossen.
Der Nakumatt-Supermarkt ist etwa mit dem Interspar vergleichbar und führt fast alles, was wir brauchten, auch wenn ich die mühsam erstellte Einkaufsliste bei Luis liegen gelassen hatte.
Leider kann man die Verschlechterung der Qualität vor allem bei den Lebensmitteln gut beobachten. Ein Beispiel ist das Fleisch, das bis vor einiger Zeit stets gute Qualität hatte. Jetzt schrumpft es plötzlich beim Braten auf die Hälfte zusammen. Bisher war das nicht der Fall und somit ist klar, dass auch in Kenia die europäisch-amerikanischen Tierfabriken am Vormarsch sind.
Das Gemüse ist wie immer, nur konnte ich beobachten, dass es jetzt auf einmal mehrere Sorten Äpfel gibt. Dazu muss man wissen, dass Äpfel kein afrikanisches Obst sind. Damit sie dort wachsen, muss man 1x im Jahr den Bäumen händisch die Blätter abzupfen, damit sie einen Winter vorgegaukelt bekommen. Ich finde das unnötig, es gibt dort so viel hervorragendes einheimisches Obst und die paar Europäer, die unbedingt Äpfel wollen, sollen diese als Importware bekommen.
Leider betrifft die Veränderung auch das Bier. Bisher gab es vor allem Flaschenbier, jetzt sind die Dosen am Vormarsch. Damit die KonsumentInnen umstellen, werden die Pfandflaschen ab sofort nicht mehr zurück genommen. So einfach geht das und schon ist alles wieder voller Aluminium: umweltschädlich, teuer, weil energieaufwändig in der Herstellung und die Recyclingquote beträgt null Prozent. Da es in Kenia so etwas wie eine grüne Umweltbewegung nicht gibt, haben die internationalen Konzerne samt ihrer Profitgier freie Hand.
Es gibt in Kenia und besonders in Nairobi eine wachsende Schicht reicher Kenianer, die ungebremst und unhinterfragt die Konsumgier des Westens übernehmen. Die bis vor einiger Zeit wirtschaftlich dominierenden Inder sind etwas in den Hintergrund geraten, dafür werden jetzt in der Phase steigenden afrikanischen Selbstbewusstseins die Weißen, speziell die Europäer und Amerikaner attackiert. Es ist derzeit sogar von Landenteignung die Rede, wenngleich ich nicht weiß, ob das ernst gemeint ist.
Daher sind die Einkaufszentren voll mit kauflustigen Kenianern, die auch das Geld dazu besitzen. Das wiederum fördert den Ausbau der großen Handelsketten, ein relativ neuer Player am Markt ist „Tuskys“. Selbst in der bis vor einiger Zeit noch verträumten Maasai-Stadt Narok hat man ein riesiges Einkaufszentrum aus dem Boden gestampft. Die Stadt ist nicht wiederzuerkennen und hier sieht man gut, dass sich die Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten verdoppelt hat.
Zugleich geht die Schere von Arm und Reich weiter auseinander, denn der immer noch sehr schmalen Oberschicht steht eine riesige bettelarme Unterschicht gegenüber, die allerdings ausschließlich davon träumt irgendwann einen Aufstieg zu machen. Daher hat sich auch eine bewundernde Menschenmenge rund um den teuren Sportwagen versammelt.

Unser Einkauf ist auch nicht billig, etwa 20.000 Kenia-Schilling legen wir für Essen und ein paar Safari-Kleinigkeiten hin. Das sollte für einige Tage reichen.

Zurück bei Luis packen wir die Kisten für die morgige Abfahrt. Judy wird uns begleiten und gemeinsam werden wir nach Naro Moru fahren, wo ihre Familie lebt. Sie sind Kikuyu-Bauern und wie die meisten Familien mit einer zahlreichen Kinderschar gesegnet.

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Bild 4: Packlogistik

Gemeinsam mit Luis checken wir den Toyota für die lange Reise. Der linke Türschloss-Schnapper funktioniert nicht und Luis zerlegt die Seitenverkleidung, um den Fehler zu finden. Bis auch ein paar Kleinigkeiten ist das Auto jedoch in sehr gutem Zustand und fahrbereit. Wir haben die harten, aber widerstandsfähigen Reifen vom Toyota meines Vaters montiert und unser Equipment ist vollständig – bis auf die tolle Camping-Lampe, die Thomy in Wien vergessen hat, was ihn seitdem ständig wurmt. Irgendwann ist das Auto dann voll – eigentlich brauchen wir zu zweit nur wenig Gepäck, aber erstens tendiert ein großes Auto mehr Gepäck aufzunehmen als ein kleines und zweitens haben wir ja mehrere Seesäcke mit dem Charity-Gewand mit.

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Bild 5: voller Toyota

Nach der Reparatur des Türschlosses sind wir fertig und auch hungrig. Also beschließen wir noch nach Westlands ins „Gipsys“ zu fahren und eine Kleinigkeit zu essen. Die gute Dusche davor beschränkt sich auf ein kalt-heißes Tröpferlbad, denn auch Luis ist auf die Elektrodusche umgestiegen, allerdings ist sein Fabrikat noch ein wenig bescheidener. Nur durch das schnelle Wechseln zwischen heiß und kalt kann man eine Art unechten Durchschnitt erzeugen, was das Duscherlebnis merklich einschränkt.

Im Gipsys ist die Musik viel zu laut, überall hängen Flachbildschirme, auf denen englische Fußballspiele gezeigt werden. Wir entscheiden uns für Cheeseburger und bekommen durchaus erwähnenswertes Essen mit guter Qualität. Judy und ihre Schwester Marion tauchen auch noch auf und Thomy bestellt sein erstes Gin Tonic und sicherheitshalber auch gleich sein zweites, aber bei weitem nicht letztes in diesem Urlaub.
Da uns die Müdigkeit bald einholt fahren wir zurück zu Luis und beenden diesen doch recht anstrengenden Tag. Als kleiner Abschluss fällt noch die Armaturenbrettbeleuchtung des Toyota aus, kann aber mittels neuer Sicherung repariert werden.

Kenia von Nord nach Süd – Tag 1: Die Ankunft

Eine afrikanische Reise zweier guter Freunde… Stück für Stück werde ich hier in meinem Weblog davon berichten.

Der Ärger von Thomy war groß als er am ersten Abend im Busch seine nagelneue LED-Campinglampe nicht finden konnte – nur die Batterien waren da, jede einzelne ihn verhöhnend.
Wahrscheinlich hatte er sie in der Hektik beim Umräumen am Flughafenparkplatz in Wien Schwechat aus der Tasche genommen und dann im Auto liegen gelassen.

TAG 1 – DIE ANREISE

Aber ich greife vor. Unsere Reise begann eigentlich erst am Freitag, den 20. Februar 2015 um 05:30 Uhr, als mein Bruder uns abholte und auf den Flughafen führte.
Der Transferflug nach Zürich ging pünktlich und war gänzlich unspektakulär. Wir hatten schon in Schwechat den Luis getroffen, einen in Nairobi lebenden Steirer, seines Zeichens Automechaniker und seit einiger Zeit auch Tour-Operator.
Gemeinsam grinsten wir über die Kuhglocken, die Alphorntöne und die Jodler in der U-Bahn des Flughafens Zürich-Kloten und flogen dann mit dem Langstreckenflug LX 292 nach Nairobi.
Das Ticket gab es diesmal um wohlfeile Euro 490,- und es war damit billiger als der Direktflug mit der AUA vor 23 Jahren. Erkaufen muss man sich diesen günstigen Preis durch enge Sitzreihen. Manche bezweifeln, dass die Sitze im Laufe der letzten Jahre immer kleiner, schmäler und enger beieinander sein würden, aber die Alternative dazu bestünde in der Annahme, dass ich in den letzten zwanzig Jahren ständig gewachsen wäre und das ist auszuschließen.
Trotzdem verging dieser Flug irgendwie ohne spezielle Knechtereien, was durchaus nicht selbstverständlich ist.
Dieser Tagflug startet um 09:25 und ist um 19:05 in Nairobi, inklusive zwei Stunden Zeitverschiebung wegen der Winterzeit, im Sommer ist das nur eine Stunde. Dafür gibt es keinen Jetlag und das ist eine Erklärung für den Reiz dieser Urlaubsdestinationen.
Moderne Kommunikationsmedien haben die Sache vereinfacht und erschwert zugleich. Für mich liegt die Herausforderung darin auf Langstreckenflügen einen Gangsitz zu ergattern. Diesmal bekamen wir vom Computer die Plätze „A“ und „B“ zugeteilt und so hatte Thomy seinen Fensterplatz und ich meinen Gangsitz, alles war perfekt.
Keine brüllenden Kleinkinder und keine Mammys, die ihre dicken Hintern kaum durch die doch recht engen Gänge quetschen können – alles verlief einfach wunderbar.
In Nairobi wartete die nächste Hürde auf uns: das Visum. Man kann sich dieses auch in Wien ganz gemütlich auf der High-Commission holen, aber ich hatte so viel zu tun, dass diese Option nicht gegeben war. Die Kosten sind übrigens annähernd gleich.
Der Trick besteht nun darin, möglichst schnell aus dem Flugzeug draußen zu sein um sich nicht an einer langen Schlange anstellen zu müssen.
Ich kämpfte brav und tauschte noch mit Luis Plätze, weil er zehn Reihen vor uns saß. Diese Taktik bewährte sich und ich war mit der ersten Gruppe draußen. Auf Thomy könnte ich auch noch später warten, jetzt ging es einmal ab Richtung Passkontrolle.
Als ich an einem Bus vorbei kam und mir ein Typ das Wort „Business-Class“ zuwarf, ergriff ich die Chance und stieg einfach ein.
Die neue Ankunftshalle ist leider ein Provisorium, da der Flughafen bzw. ein Teil davon vor einiger Zeit abbrannten und angeblich überhaupt neu gebaut werden soll. Das Provisorium soll allerdings gar keines sein, sondern schon die endgültige Lösung. Gerüchten zufolge hat ein pleite gegangener Betreiber Brandstiftung begangen, aber wie immer konnte man ihm das nicht beweisen.
Ich war somit als einer der ersten beim Visum-Schalter und erledigte gleich die Prozedur: freundlich in die Kamera schauen, Finger auf den Scanner – nicht nur in USA werden die Fingerabdrücke genommen, auch hier in Nairobi und das schon seit einigen Jahren. Dann konnte ich noch ausverhandeln, dass Thomy direkt nach vorne gehen und ich einstweilen auf der Seite warten könnte. Das ersparte uns die lange Schlange.

Nach einiger Zeit waren wir draußen und in der glücklichen Lage alle Gepäckstücke vorzufinden – 4 x 23 kg sind erlaubt, auch bei der SWISS, was unserer Charity-Sache sehr zugute kam. Ein paar rundliche Damen am Zoll wollten unser Gepäck durchstöbern, gaben sich aber mit der Erklärung, dass es sich um gebrauchtes Gewand handeln würde, sofort zufrieden.
Wie immer ließen wir uns von Amicabre Travel abholen. Ich habe bei denen aufgrund guter geschäftlicher Kontakte immer einen guten Preis, auch wenn diesmal das Ziel ein anderes war. Luis fuhr gleich mit uns mit und wir verhandelten einen Aufpreis von KHS 1.000 (umgerechnet 10 Euro) für seinen Weitertransport nach Westlands.

Ah, wie gut das tut: Wärme, die würzige afrikanische Abendluft, selbstverständlich durchsetzt mit Dieselgestank und Motorenlärm, aber das gehört einfach dazu. Ich freue mich jedes Mal auf den Moment, wenn der Fahrer nach der Security-Kontrolle auf den Highway hinaus beschleunigt und ich weiß: Afrika!
Leider wird dieser magische Moment seit ein paar Jahren immer mehr durch den ständig ansteigenden Verkehr entwertet. Früher fuhr man fast ohne Stop quer durch die Stadt und bis zu uns nach Lake View. Das geht jetzt gerade noch zwischen Mitternacht und fünf Uhr früh, zu allen anderen Zeiten steht man mehr oder weniger lang im Stau. Nairobi ist in den letzten dreißig Jahren mindestens doppelt so groß bzw. einwohnerreich geworden, hat aber keine neuen Straßen und schon gar kein Verkehrskonzept bekommen. Nahezu alle Haupt- und viele Nebenstraßen sind heillos verstopft und in den Stoßzeiten geht überhaupt nichts mehr, da braucht man auf jeden Fall länger als wenn man zu Fuß geht.
Das kann unglaublich nerven, vor allem wenn es für Flüge entscheidend ist. Sie bauen an einer Außenringautobahn in Form von mehreren Teilstücken („Bypass“), die jedoch erst in wenigen Fragmenten fertig gebaut sind. Die Chinesen sind hier eifrig am Werk, sie bauen sehr schnell und angeblich in schlechter Qualität. Das wäre noch nicht schlimm, denn die bisherigen Straßen haben auch nie lange gehalten und jetzt wird wenigstens zügig gebaut. Trotzdem steckt da kein Konzept dahinter, es gibt keinen öffentlichen Verkehr in Form von U-Bahn oder Straßenbahn, lediglich die Matatus (Kleinbus-Sammeltaxis) stehen in Nairobi zur Verfügung und natürlich ständig im Stau.
Die Stadt hat über vier Millionen Einwohner und platzt aus allen Nähten. Ich weiß nicht, ob man sich in ein paar Jahren überhaupt noch wird bewegen können, auf jeden Fall verleidet es mir langsam den Urlaub, da ich dieses Problem ständig mit einplanen muss.

An diesem Abend war es jedoch relativ egal. Wir kamen gut voran und der Stau vor dem ersten Roundabout dauerte nicht länger als 10 Minuten, dann konnten wir nach links Richtung Langata abbiegen.
Vorbei am Wilson Airport ging es Richtung Jungle Junction, unserem heutigen Endpunkt. Leicht wehmütig musste ich auf der linken Seite das Carnivore erblicken, einst ein unverzichtbares Highlight eines Kenia-Urlaubs. Das Carnivore ist ein spezielles Restaurant, das nicht nur bei Touristen bekannt und beliebt war. Dort bekam man viele Jahre lang „Game-Meat“, also afrikanisches Wild serviert: Kuhantilope, Zebra, Krokodil, Strauß, Impala-Steak und noch vieles mehr. All das wurde über riesigen Feuerstellen an dicken Eisenstäben gegrillt und dann direkt auf den Stäben zu den Tischen gebracht. Man konnte dem Kellner zeigen, wie viel und was er runtersäbeln sollte und zahlte eine Pauschale für den ganzen Abend.
In der Mitte des Tisches stand ein Rondeau mit Saucen, an dessen Spitze eine Fahne steckte. Wenn man mit dem Essen fertig war, nahm man die Fahne herunter und zeigte so den Kellnern, dass sie kein weiteres Fleisch vorbei bringen mussten. Dann ging man nach nebenan in den „Simba-Club“ und genehmigte sich einen Dawa oder zwei (die kenianische Form des Caipiroska). Das waren stets tolle Abende.
Leider wurde die Qualität vor ein paar Jahren immer schlechter, es gab immer weniger Wild und heute gibt es angeblich gar nichts mehr – vielleicht noch Strauß, aber den gibt es sonst auch überall auf der Welt. Die Preise stiegen dafür enorm an und ich führe meine Freunde daher nicht mehr dorthin, wenngleich es ein wenig schmerzt. Dazu kommt noch, dass die Heimfahrt quer durch die Stadt aufgrund des Verkehrs nicht mehr funktioniert. So ändern sich die Zeiten und nicht immer zum Vorteil.

Am Weg nach Langata zeigte sich, dass die Veränderungen auch hier nicht Halt gemacht hatten. Riesige Über- und Unterführungen, wo vor einiger Zeit noch eine eher verträumte, wenn auch sehr befahrene Landstraße lag. Alle sieht anders aus, die legendäre Senke wurde begradigt und die scharfe Rechtskurve bei den Bomas ist jetzt ein Geflecht aus Unterführungen.
Wir fuhren zu Chris Handschuh (ja, der heißt wirklich so) und seinem außergewöhnlichen Ort namens „J-J´s“. Das ist ein Globetrotter-Treff, wo mein Bruder den Toyota abgestellt hatte. Chris ist ein Deutscher, der gut vernetzt ist und bei dem die Overlander (so nennt man die Menschen, die meist mit eigenen Autos Afrika durchqueren und an vielen Orten kürzer oder länger verweilen) ihre Autos bzw. Motorräder für eine Zeit abstellen. Er hat ein riesiges Grundstück, auf dem jede Menge Geländewagen stehen, manche expeditionstauglich und abfahrtsbereit, andere schon mit einer dicken Staubschicht.

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Chris bietet auch Accomodation an und wir hatten das letzte Doppelzimmer gebucht, mit riesigem Bad und gutem Moskitonetz. Der Spaß kostete Euro 55 für die Nacht inklusive Frühstück (statt 48 wie im Prospekt, aber das war uns an diesem Abend egal).
Da wir spät dran waren (ca. 21.30) und ohnehin nicht mehr hungrig, freuten wir uns auf das erste kalte Tusker-Bier. Bei Chris gibt es free WLAN und so konnten wir erste Nachrichten nach Hause und nach Facebook schicken. Eine Handvoll anderer Gäste war auch da, eine Schwedin hing an ihrem Laptop und ein netter Däne kam mit mir ins Plaudern. Ich erzählte ihm davon, dass wir das Auto meines Bruders nach dem Urlaub nach Mombasa bringen würden, um es dort nach Europa zu verschiffen. Und dass wir noch keine gute Spedition hätten.
Darauf meinte er, warum wir es noch nicht mit Roll-on-Roll-off versucht hätten und gab mir einen Internet-Kontakt, den ich umgehend an meinen Bruder weiterleitete. Das Problem bestand darin, dass der Toyota ein Hochdach besitzt und daher in keinen normalen Container passt. Man muss einen oben offenen nehmen und der ist sauteuer, weil er speziell – nämlich ganz oben – gestapelt werden muss. Außerdem ist die Fracht dann nicht sicher, schon vor über zwanzig Jahren haben sie uns den Puch Pinzgauer aufgebrochen und alles rausgestohlen, was nicht niet- und nagelfest war.

Das Tusker-Bier war mit 170 KHS (1,70- Euro, alles durch 10 dividieren) günstig und man konnte es sich mittels Stricherlliste selbst aus dem Kühlschrank nehmen. Zu guter Letzt gönnten wir uns noch eine Dusche und ich lernte wieder was dazu: Derzeit ist gerade die Elektro-Dusche in Mode. Das ist ein Duschkopf mit eingebautem Heizmodul. Er wird einfach statt dem normalen Duschkopf montiert und braucht nur eine Stromzuleitung (die in diesem Fall abenteuerlich verkabelt war, mit offenen Blockklemmen im Nassbereich… Afrika!).
Besonders gut funktioniert dieses System leider nicht, denn das Wasser ist entweder – je nach Schalterstellung – brennheiß oder kalt und die Menge entspricht dem üblichen afrikanischen Tröpferlbad. Da wir das aber gewohnt sind, machte es nichts aus.
Es gibt in Afrika kein Erdgas und daher muss alles mit Strom betrieben werden. Das hat Vor- und Nachteile, weil die Menschen einerseits leichter auf alternative Stromsysteme umsteigen können und nicht an ein Gasnetz gebunden sind, andererseits lässt das Angebot an großen Wind- Solar oder Erdwärmekraftwerken noch auf sich warten und daher muss alles mit Strom aus einigen wenigen Wasserkraftwerken bzw. einigen kalorischen Kraftwerken versorgt werden. Das führt dazu, dass die Atomlobby in Afrika einen Boom erhofft, etliche Länder haben schon die Verträge für den Bau neuer Atomkraftwerke unterschrieben und lassen sich das natürlich brav von Europa und USA über die Weltbank finanzieren.
Das ist verständlich, denn für den radikalen Ausbau alternativer Energieformen fehlen Know-How, Geld und politischer Wille. Die Weltbank sponsert nur zu gerne Atomkraftwerke, weil sie nichts anderes als eine Interessensvertretung der großen, weltweit tätigen Energiekonzerne und der daran verdienenden Banken ist.
Die Europäer haben zudem in Afrika immer weniger zu reden, die neue Kraft sind Indien und China und deren Umweltfreundlichkeit mag jeder selbst einschätzen.
Trotzdem muss ich anmerken, dass ich schon seit ein paar Jahren keine Power-Cuts mehr erlebt habe. Das war noch vor zehn und speziell vor zwanzig Jahren an der Tagesordnung, dass der Strom hin und wieder einfach abgedreht wurde: Am Tag bekamen die Fabriken den Strom, in der Nacht die Privathaushalte. Die meisten vermögenden Menschen bauten sich einen Generator in den Keller, der ihnen ein notwendiges Minimum an Strom liefern konnte, etwa für den Kühlschrank.
Besonders schlimm war das immer in der Trockenzeit, weil sie da für die Stromerzeugung zu wenig Wasser hatten. Die vorhandenen Staudämme samt Turbinen waren außerdem nur zu einem Teil im Einsatz, weil die notwendigen Gelder durch die überall verbreitete Korruption verschwunden waren und die Baufirmen daraufhin ihre Tätigkeit einstellten. Ich weiß das aus erster Hand, weil ich seinerzeit einen der österr. Bauingenieure kannte.

400 Flüchtlinge ertrunken – was geht uns das an?

Erst neulich hab ich einen Shitstorm in Facebook aushalten müssen, weil ich es gewagt habe, die Toten des abgestürzten German-Wings-Flugzeugs mit der gleichen Menge an ertrunkenen Flüchtlingen im Mittelmeer zu vergleichen.
Die wichtigsten Argumente gegen mich:

1.) Die Flüchtlinge würden bewusst ein hohes Risiko eingehen – bei den Fluggästen wäre das nicht der Fall.

Das halte ich für eine sehr menschenfeindliche Aussage. Die Flüchtlinge würden auch lieber mit German Wings nach Europa fliegen, nur haben sie dafür nicht die Mittel.

2.) Das sind ja nur Wirtschaftsflüchtlinge, die zu uns schmarotzen kommen.

Niemand flüchtet aus Jux und Gaudi, sondern weil einem keine andere Wahl mehr bleibt. Das ist für jemand, der Afrika nur aus Kronenzeitungsartikeln, Fernsehnachrichten und dem Badeurlaub in Mombasa kennt, oft nicht verständlich. Von den Medien wird uns gerne das Bild serviert, dass die Afrikaner alle arbeitsscheu wären und uns nur unseren hart erarbeiteten Wohlstand wegnehmen wollen. Sie kämen über´s Mittelmeer, weil sie es bei uns „besser“ haben wollen.
Ja, das stimmt: besser als der Tod und besser als Hunger. Sofern man nicht auf der Überfahrt stirbt oder dann – was meist der Fall ist – zurück geschickt wird.
Sie wollen so wie wir ein gutes Leben führen. Wer jetzt meint, dann bräuchten sie ja nur was arbeiten, soll sich doch bei uns erkundigen, wie reich man mit Arbeit wird. Dazu kommt, dass es dort nicht so viel Arbeit gibt – die Landflucht ist enorm und in den Städten wachsen die Slums. Die Leute flüchten übrigens auch nicht gerne vom Land, sondern tun das nur, weil das Land sie nicht mehr ernähren kann.
Die Gründe dafür ist vielfältig:
Erstens gibt es Klimaveränderungen. Die sind in Afrika deutlich massiver als bei uns. Ob wir sie durch die von uns verursachte Umweltverschmutzung bewirkt haben, möchte ich an dieser Stelle nicht diskutieren.
Zweitens wird ihnen das Land weggenommen. Das funktioniert so: die Menschen leben seit sehr langer Zeit auf dem Land, betreiben Ackerbau und Viehzucht und leben durchaus zufrieden. Dann kommt der neue Distrikt-Verwalter und verlangt eine Besitzurkunde. Da die Menschen dort noch nie eine gebraucht haben und daher so etwas nicht besitzen, werden sie von ihrem Land vertrieben, nicht selten mit Gewalt. Dieses Land wird dann verkauft, meist an Inder oder Chinesen, die das Spiel in ganz Afrika betreiben, vor allem in Ost, aber auch in Zentral- und Westafrika.
Diese Menschen können nur mehr in die Stadt flüchten. Sie sind jetzt schon das, was wir verächtlich als „Wirtschaftsflüchtlinge“ bezeichnen.
Ich bin übrigens der Meinung, dass alle Flüchtlinge Wirtschaftsflüchtlinge sind, denn auch in politischen Konflikten geht es um Geld und somit um Wirtschaft.
Drittens kann das Land sie oft nicht mehr ernähren, weil die Ressourcen fehlen. Ein Beispiel: rund um den Mount Kenya ist fruchtbares Land. Das notwendige Wasser kommt vom Berg und daher siedeln dort seit langer Zeit verschiedene Stämme. Dann kamen reiche Politiker und andere Herrschaften, kauften einen Teil des Landes und legten riesige Farmen an. Fast alles, was dort produziert wird, geht in den Export und macht die Großfarmer sehr reich. Unsere Rosen kommen z.B. zu einem Teil von dort. Damit sie bei uns billig sind, muss der Anbau billig sein. Deswegen leiten die Großfarmer, nachdem sie sich die Genehmigung dafür geholt haben (und ein wenig Bestechungsgeld mag dabei auch fließen), das Wasser auf ihre Farmen. Die kleinen Farmer rund herum gehen kaputt. Sie werden zu Wirtschaftsflüchtlingen.
Viertens macht Europa die afrikanische Wirtschaft kaputt. Eine der bekanntesten Geschichten ist die mit den Hühnern: in Deutschland und Holland essen die Menschen fast nur mehr Hühnerfilet, also das Brustfleisch. Der Rest des Huhnes ist uninteressant und wird daher anderwertig verarbeitet. Man presst die Hühnerteile in große Blöcke (1x1x1 Meter) und exportiert sie nach Westafrika. Dort werden sie spottbillig auf den lokalen Märkten verkauft, weil sie von der EU subventioniert sind (Exportsubvention).
Das macht die lokale Hühnerwirtschaft kaputt. Glücklicherweise konnten sich die Westafrikaner dagegen ein wenig wehren, weil die Qualität der mehrfach aufgetauten und wieder eingefrorenen Hühnerstücke entsprechend mies war. Aber das ist nur ein Beispiel von vielen.

3.) Die Fluggäste sind uns ähnlicher als die ertrunkenen Afrikaner – daher gilt unser Mitgefühl nur ersteren

Hier dürfte ein Lernschritt notwendig sein. Selbst wenn man das psychologisch irgendwie hinbiegen kann, zeigt es nicht gerade eine heroische Seite unserer als so hoch eingestuften Zivilisation. Erst heute kam die Meldung, dass ein Boot mit angeblich 550 Flüchtlingen gekentert sei, nachdem es gerade mal 80 Seemeilen geschafft hatte. Die italienische Küstenwache konnte 150 Menschen retten, die anderen werden „vermisst“.
Das mag sein, dass sie jemand vermissen wird. Europa gehört jedoch nicht dazu. Vielleicht erfahren Angehörige irgendwann, dass ihre Söhne, Väter, Brüder, Töchter, Enkel etc. ertrunken sind. Wahrscheinlich erfahren sie es nicht, denn oft flüchten hier ganze Familien – laut Fernsehbericht sind unter den Ertrunkenen viele Kinder.
Es flüchten also ganze Familien und nicht nur junge, männliche Drogendealer, wie uns gerne gesagt wird. Außerdem ist jeder ertrunkene Flüchtling ein Schmarotzer weniger, der hier bei uns ankommt und uns unseren hart erarbeiteten Wohlstand wegnehmen will. Es ist also ausgesprochen praktisch, wenn möglichst viele ersaufen.
Besser wäre es natürlich, wenn sie erst gar nicht flüchten würden. Aber das steht nun einmal nicht zur Diskussion, und wir sollten uns angewöhnen unsere Worte sorgsamer zu wählen. Diese Menschen flüchten nicht gerne, sondern sehen keine andere Chance.
Es mag unter diesen Flüchtlingen auch böse Menschen geben, aber deswegen sind gleich alle böse? Wie kommen wir zu dieser Anmaßung?
Mitgefühl wäre jedoch gefährlich, denn es führt zu einem Nachdenkprozess, vielleicht sogar zu schlechtem Gewissen. Dann könnte man die Kräfte, die uns diese Flüchtlinge vom Hals halten sollen (Frontex), nicht mehr bedingungslos gut finden. Im Extremfall müsste man sogar sehen, dass wir unseren Wohlstand zum Teil auf deren Armut aufbauen. Dann müsste man eigentlich etwas ändern, und wer tut das schon gern?

Nachtrag am 20. April: gerade kam die Meldung, dass noch einmal ca. 700 Flüchtlinge ertrunken sind. Es überrascht mich nicht, denn es werden immer mehr Menschen versuchen dem Tod zu entkommen und dabei doch nur den Tod finden.
Zur gleichen Zeit wurden im Parlament die Asylgesetze verschärft, nachdem man kurz davor große Betroffenheit geheuchelt hat. Unsere Regierung ist eine Schande.

Konsumgesellschaft im Abverkauf

Gleich zur Sache: Vor ein paar Wochen bekam ich einen Anruf einer Telefonmarketingfirma namens „Swedex“. Eine nette deutsche Stimme überschüttete mich mit einstudierten Sätzen, hohlen Phrasen und Suggestivfragen („Herr Schwarz, günstige Gelegenheiten darf man doch nicht vestreichen lassen, Herr Schwarz“), auf die sie die Antwort gar nicht erst abwartete.
Ich wäre ausgesucht worden und total exklusiv bekäme ich ein universelles Wundergerät frei Haus zugestellt, mit dem ich meine bisher miesen Präsentationen ab nun in sensationeller Qualität erstellen könnte, so dass die Kunden reihenweise um Aufträge betteln würden, schon demnächst – ich bräuchte nur damit einverstanden sein, dass mir das Gerät kostenfrei zur Ansicht vorbeigebracht würde. Schon bald, mit einem Botendienst. Wenn ich es nicht für so toll befinden würde, so käme der Botendienst wieder und würde es abholen.
Meine Einwände wurden gekonnt abgeblockt.

Ich sagte ja. Mit einem miesen Gefühl, aber ich sagte ja. Allerdings wusste ich zu diesem Zeitpunkt bereits, dass ich das Gerät nicht in Betrieb nehmen würde, und zwar einfach deswegen, weil ich es nicht brauche, nicht gebraucht habe und auch in Zukunft sicher nicht brauchen würde.

Warum ich „ja“ gesagt habe? Weil mir die nette Dame leid tat – sie tut nur ihren Job und bekommt hoffentlich Provision wenn ich mir das Gerät vorbeibringen lasse. Außerdem ist das für mich eine gute Möglichkeit Beispiele zu sammeln – mehr dazu weiter unten.

Wenige Tage später kam ein Anruf mit der Frage, ob denn das Gerät schon da wäre. Ich verneinte. Am nächsten Tag wurde es jedoch tatsächlich geliefert. Ich öffnete den Karton, sah mir die Anleitung an und verschloss das Ganze wieder. Dann wartete ich auf einen Anruf, der auch kam: Wie mir denn das Gerät gefallen hätte?
Ich erklärte der netten Dame, dass es sich sicher um ein tolles Gerät handelt, ich es jedoch nicht brauchen könnte. Nach ein paar Minuten Überredungsversuch wurde ihr klar, dass ich es nicht kaufen würde. Also wurde vereinbart, dass es wieder abgeholt würde.

Am Tag danach kam der nächste Anruf. Man hätte noch eine einzige Frage. Dann kam allerdings keine Frage, sondern die Dame erklärte mir, dass sie mir ein spezielles Angebot machen möchte: das Gerät könnte ich gratis behalten. Warum? Weil es „die Produktion ja schon verlassen hätte, somit ein Gebrauchtgerät wäre und wertlos.“ Ich könnte dem netten Botendienst einfach sagen, er könnte ohne das Gerät wieder abrauschen.

Daraufhin stellte ich der Dame eine Frage: ob sie wüsste, was ein „Universal-Harvester“ ist. Sie verneinte und ich erklärte ihr, dass das ein riesiges, ganz tolles Gerät ist, mit dem man in einem Arbeitsgang Bäume fällen, entasten und zerteilen kann. Eine Super-Maschine, leider mit dem Nachteil, dass sie nur für Menschen brauchbar ist, die einen Wald haben und Bäume fällen müssen. Und ich kann das Laminiergerät (darum handelt es sich nämlich tatsächlich) einfach nicht brauchen, weil ich nicht laminieren muss.
Also willigte sie ein, dass das Gerät abgeholt wird. Die Enttäuschung in ihrer Stimme war unverkennbar: wie kann man so ein tolles Gratisgerät ablehnen? (Exakt als ich diese Zeilen schreibe, läutet es an der Tür und ein freundlicher Schwarzafrikaner holt das Gerät ab, sein Telefonat – über Ohrenstöpsel – in einer mir unbekannten Sprache hat er dabei übrigens nicht unterbrochen.)

Was bedeutet das alles? Ich möchte das aus mehreren Perspektiven beleuchten.

a.) Marketing

Ich sammle seit Jahren schlechte Beispiele für meine Lehrveranstaltung auf der Fachhochschule und habe wahrlich keinen Mangel. Das ist wieder so ein Beispiel, und zwar ein bussifeines. Eine Dame ruft unerwartet und unverlangt an – das ist schon der erste schwere Fehler, denn ich werde oft angerufen und bin von vorneherein schon negativ eingestellt. Außerdem weiß ich schon, was da jetzt kommt und kenne all die Sprüche und Tricks auswendig: die mehrmalige Betonung meines Namens, die Suggestivfragen etc.
Das Problem besteht darin, dass die Dame nicht auf meine Interessen und Bedürfnisse eingehen kann, ganz im Gegenteil: sie DARF nicht darauf eingehen und mich etwa fragen, ob ich Präsentationen mache und ob ich dafür laminierte Unterlagen brauche. Dann würde nämlich nur ein ganz kleiner Teil der Angerufenen übrig bleiben – viel zu wenig für ihr Marketingmodell, das darauf beruht, dass sich möglichst viele Menschen das Gerät zuschicken lassen.
Dahinter steckt die Hoffnung, dass einige von diesen potenziellen Kunden a.) das Gerät wirklich gut finden und kaufen oder b.) es nicht gut finden, aber aus verschiedenen Gründen nicht zurück schicken. Es kann etwa sein, dass die Sekretärin, die es entgegen nimmt oder sich darum kümmern muss, den Aufwand zu hoch findet und da es eh die Firma zahlt und man es irgendwann schon für irgendwas brauchen kann…
Wie hoch der Prozentsatz solcher Firmen bzw. Kunden ist, kann ich schwer abschätzen, aber ich glaube nicht, dass er hoch genug ist, damit sich das rechnet.

Ich halte Telefonmarketing für eine veraltete Methode. Das war in den Anfangszeiten interessant, als man noch wichtig war oder sich wichtig fühlen konnte, wenn man angerufen wurde. Es konnte in einer Zeit funktionieren, in der es noch ganz selten praktiziert wurde und der Reiz des Neuen noch da war.

b.) Geschäftsmodell

Was bringt es mir ein Gerät gratis anzubieten?
Irgendwer muss damit verdienen, sonst würden sie es nicht machen. Also mache ich mich auf die Suche und finde gleich eine ganze Menge an Menschen, die daran verdienen:
1.) Die Firma Swedex, die das Marketing betreibt. Sie verdient natürlich an den wenigen verkauften Geräten, aber auch an denen, die geliefert und wieder abgeholt werden. Sie verdient sogar an den durchgeführten Anrufen – all das wird nämlich an die Produktionsfirma weiterverrechnet. Nach einiger Zeit geht die Firma zwar Pleite, aber bis dahin haben alle verdient: die netten Damen im Callcenter, die Manager der Firma, die Reinigungskraft etc.
2.) Die Produktionsfirma, die das Gerät herstellt. Sie wurde mit Bankkrediten finanziert und produziert eine gewisse Zeit eine Menge Geräte, und zwar nicht aufgrund irgend eines Bedarfs, sondern einfach so. Der Bedarf wird durch die Marketingfirma geweckt, und wenn nicht, dann ist das auch kein Problem, denn die Manager der Firma haben fette Gehälter bezogen, die niemand von ihnen zurückfordern kann.
3.) Die Bankmanager haben auch verdient, denn sie haben fette Provisionen erhalten und dazu noch ihr Gehalt.
4.) Die eigentlichen Hersteller, also die Arbeiter der Firma haben auch verdient, denn sie haben ebenfalls eine gewisse Zeit Gehalt bekommen.
5.) Die Botendienste, welche die Geräte liefern und wieder abholen.
6.) Die Telefonfirmen, über deren Produkte das Telefonmarketing abläuft.
7.) wahrscheinlich noch einige andere.

Wohlgemerkt: all diese Personen haben eine Menge Geld verdient ohne dass ein einziges Gerät verkauft werden muss. Wie kann das funktionieren? Wer bezahlt das alles?
Nun, die Sache ist ganz einfach: bezahlen tun folgende Personen:
1.) Die wenigen Käufer der Geräte. Einige davon verwenden das Gerät tatsächlich im Sinne ihrer Bestimmung und für sie ist es ein gutes Geschäft. Viele stellen es in ein Eck. Das schmälert ihren Geschäftserfolg und wird im Idealfall irgendwie abgefangen, etwa wenn sie es sich einfach leisten können, weil sie ohnehin woanders mehr verdienen.
2.) Die Steuerzahler, und zwar auf mehrere Arten:
a.) Wenn die Firmen, die alle gut verdient haben, nach einiger Zeit pleite gehen, dann beschäftigt das jede Menge Gerichte, deren Angestellte aus Steuergeldern finanziert werden.
b.) Die pleite gegangenen Firmen hinterlassen Gläubiger, die ihrerseits die Verluste auffangen müssen, etwa indem sie ihre eigenen Preise erhöhen oder selbst pleite gehen.
c.) Die Banken haben dieses Modell erst durch ihren Kredit ermöglicht und werden selbst, wenn sie durch viele solche Geschichten krachen, vom Staat – also von den Steuerzahlern – „gerettet“. Sie brauchen sich daher keine Sorgen machen und können wild drauflos finanzieren und tun das auch. Die Verschärfung der Kreditrichtlinien gilt de facto nur für den kleinen Steuerzahler, Privatkunden oder kleinen Geschäftskunden. Alle anderen werden scheinbar weiter finanziert, sonst gäbe es solche Geschäftsmodelle nicht.
d.) Die Anleger: Dort, wo es tatsächlich nicht mehr über einen normalen Kredit funktionierte, bastelt man ein Finanzierungsmodell über ein Finanzprodukt. Dann wird etwa ein Fonds eröffnet wird, in dem ganz viele Unternehmen zwecks Risikostreuung zusammengefasst werden. Diese Fonds werden in Form von Anteilen an Kunden verkauft, als lukrative Anlagemöglichkeiten ohne jedes Risiko.
Dann gehen diese Fonds von Zeit zu Zeit pleite und die Anleger verlieren ihr eingesetztes Geld. Meistens können sie noch froh sein, wenn sie nicht nachschießen müssen, wie dies etwa bei den geschlossenen Schiffsfonds passiert ist und in Zukunft mit den Flugzeugfonds passieren wird.
Die Banken können das völlig bedenkenlos verkaufen, denn sie haften nicht für pleite gegangene Fonds, ganz im Gegenteil: sie haben umso mehr verdient, je riskanter der Fonds war. Man kann auch sagen: je mehr Fonds pleite gehen, desto mehr verdienen die Banken, und zwar ohne jedes eigene Risiko, denn eine Haftungsklage geht nur in so wenigen Fällen durch, dass sie sich das locker leisten können und sowieso in ihr Modell einpreisen.
Das funktioniert übrigens immer, denn gierige bzw. dumme Kunden, die gerne ohne eigene Arbeit viel Geld verdienen wollen („lassen Sie Ihr Geld arbeiten“), finden sich zuhauf. Auch eine Finanzkrise wie 2008/2009 mit vielen pleite gegangenen Fonds hat daran nichts geändert, die Kunden investieren sogar noch riskanter als früher. Die Banken werden sich daher hüten ihr Geschäftsmodell zu ändern.

c.) Konsumgesellschaft

Fabriken bauen Produkte, die niemand braucht und schenken diese dann her. Ressourcenausbeutung, -verschwendung und Umweltzerstörung sind kein Teil des volkswirtschaftlichen Berechnungsmodells und können daher für eigene Zwecke genutzt werden. Da ich immer öfter mit solchen Geschäftsmodellen konfrontiert bin, nehme ich an, dass ihre Anzahl zunimmt.
Wie lange kann das gut gehen? Die Dame von Swedex erklärt mir wie wertvoll und toll das Produkt ist und im nächsten Atemzug bietet sie mir an es herzuschenken, weil es Müll ist, wertlos ab dem Zeitpunkt seiner Produktion – nicht nach langem Gebrauch, sondern ab der Fertigstellung!
Es wird somit Müll produziert, der nicht für den Gebrauch gedacht ist und auch nicht so verwendet wird. Das wieder abgeholte Gerät landet auf der Halde und wird nach Afrika verschifft, wo es von Kindern auseinandergenommen wird. Aus den so gewonnenen Materialien wird dann neuer Müll erzeugt.
Da die Kunden inzwischen gar nicht mehr konsumieren wollen, müssen die Geschäftsmodelle so aufgebaut werden, dass sie ohne Kunden funktionieren. Das erinnert an die Kartoffelmaschine von Otto Waalkes: Sie sät die Kartoffeln aus, düngt sie, jätet sie, erntet sie, wäscht sie, kocht sie, schält sie und isst sie auf.

Ich habe nicht das Gefühl, dass ich übertreibe. Ich habe aber sehr wohl das Gefühl, dass dieses Modell nicht lange funktionieren kann. Ganz im Gegenteil: ich hoffe, dass es bald zu Ende geht, denn es richtet mehr Schaden an als es Nutzen erzeugt. Deswegen bin ich ein durchaus glühender Verfechter der Postwachstumsökonomie.