Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 2 – Schnee für Dänemark

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der zweite Grund an der Reihe und er führt mich nach Dänemark, das Land im Norden.

Dazu möchte ich Harald Walser von den Tiroler Grünen zu Wort kommen lassen:

http://haraldwalser.twoday.net/stories/534902329/

Walser kritisiert die Österreich-Werbung, die Schnee aus dem Ötztal über 1000 km weit nach Dänemark transportieren lässt. Ich kann mir kaum einen größeren Irrsinn vorstellen. Vielleicht doch: Man könnte den Schnee nach Dubai in die dortige Skihalle transportieren und damit tolle Werbung für Österreich machen.

Mir geht es dabei gar nicht so um die Umweltbilanz, die schröcklicher nicht sein könnte, sondern um die Haltung, die dahinter steckt. Welche Prioritäten setzen die Menschen und welchen Preis sind sie bereit dafür zu bezahlen?
Ich glaube, dass sie jeden Preis zu zahlen bereit sind, so lange sie ihn nicht selbst bezahlen müssen. Die Umwelt bestraft nicht den Schädling direkt, sondern sie ist so wie sie ist. Man kann sich der Kausalität stellen oder sie verleugnen, das ist letztlich eine individuelle, immer aber auch eine politische Entscheidung, weil sie Auswirkungen auf andere hat.
Scheinbar empfinden viele Menschen nur Verantwortung, wenn sie die Konsequenzen ihres Handelns auch selbst spüren, zeitnah und hautnah sozusagen. Diese Menschen möchte ich gerne „Barbaren“ nennen, im Gegensatz zu zivilisierten Menschen, die ich als „Bürger“ bezeichne. Letztere haben außer ihrem eigenen Wohl auch noch das ihrer Umwelt im Sinn und handeln danach. Sie fühlen sich als Mitglied einer Gemeinschaft und tragen dafür auch Verantwortung.

So ergibt sich meine politische Forderung Nr. 2: Ich möchte, dass Umweltkosten in die Kosten eines Produkts eingerechnet werden und dass diejenigen, die davon profitieren, auch dafür zahlen müssen.

Mein Dutzend Gründe für politisches Engagement: 1 – die Borana

Politik ist die Kunst der Gesellschaft. Menschen leben nur dann friedlich in Gemeinschaften, wenn ihre unterschiedlichen Interessen ausbalanciert werden. Diese Vermittlungstätigkeit nennt man meinem Verständnis nach „Politik“. Sie regelt das Zusammenleben der Menschen.
Ich habe ein Dutzend Gründe gefunden um mich politisch zu engagieren. Heute ist der erste Grund an der Reihe und er führt mich nach Afrika, genauer gesagt nach Äthiopien.

„Unser Volk leidet unter der Dürre. Immer mehr sehen sich gezwungen ihr Vieh um jeden Preis verkaufen zu müssen. Den Hirten geht es schlecht und ihre Tiere sind ebenfalls in keiner guten Verfassung. Doch wir haben nichts zu verkaufen außer unserem Vieh. Wer krank wird, kann sich nur so Medikamente besorgen. Wir verkaufen unsere Tiere, weil wir hungern. Uns bleibt keine Wahl.“

Das sagt ein hagerer Mann mit traurigen Augen, der gerade sein Vieh um einen Bettel in der Stadt verkauft hat. (Quelle: „Die Brunnen der Borana“, TV-Doku von Mario Michelini)
Doch was ist danach, wenn das Vieh und damit die einzige Lebensgrundlage weg ist? Der Klimawandel trifft Afrika besonders hart, da die Regenzeiten in den meisten Gebieten länger werden, manchmal jedoch auch ausbleiben, was zu unglaublichen Überschwemmungen samt enormer Erosion führt.

Bis vor nicht allzu langer Zeit haben die Borana als Viehhirten gelebt und hatten ein gutes, erfülltes Dasein. Die Trockenzeit und eventuelle Dürren konnten sie mit den „singenden Brunnen“ gut überstehen. Sie lebten seit Ewigkeiten in Einklang mit der Natur und ihren regionalen Besonderheiten. „Damals herrschte nicht so viel Hass und Missgunst“ meint ein anderer Borana.
Doch jetzt hat das Geld die Macht übernommen. Junge Menschen gehen zur Schule und interessieren sich nicht mehr für die Viehzucht. Immer mehr Borana sind auf internationale Hilfslieferungen angewiesen, um nicht zu verhungern.

Was geht uns das an? Schließlich sind wir ja nicht Schuld am Elend der Borana und anderer Völker. Und wir liefern denen dort ja ohnehin Hilfspakete.

Ist das wirklich so? Oder haben wir in unserer Gier und Maßlosigkeit einfach nur keine Rücksicht genommen und die Folgen unseres Handelns nicht betrachtet?
Wir konsumieren um den Preis des Elends anderer und fühlen uns auch noch im Recht. In Äthiopien gibt es nach wie vor viel fruchtbares Land, das die Bevölkerung und auch die Borana gut ernähren könnte. Doch das wurde den Menschen dort weggenommen, sie wurden einfach von korrupten Politikern enteignet und vertrieben oder umgebracht. Jetzt gehört das Land den Indern und Chinesen, die dort Monokulturen betreiben und die Waren exportieren. Nach China, in die USA und auch nach Europa. Zu uns, um es einmal klar zu benennen. Damit wir T-Shirts um 4,99 Euro bei H&M kaufen können – oder besser noch um 2,99 Euro.
Wir sind es, die dem hageren Mann keine Wahl lassen, nicht das Klima. Eine gesunde Kultur kann mit Klimawandel zurecht kommen, denn den gab es früher auch schon. Und dann regen wir uns furchtbar auf, wenn der hagere Mann vor dem entwürdigenden Leben und den Hilfslieferungen flieht. Dann beauftragen wir Frontex sein Boot zu versenken, damit er unser Land nicht erreicht. Und wir schicken ihn zurück, wenn er es doch schafft.

Ich finde das schlecht und maße mir damit ein Urteil an. Und ich will bei dieser Entwicklung nicht schweigen so wie die meisten. Daher engagiere ich mich bei der einzigen Partei, die mit ihrem Programm glaubhaft, wenn auch nicht oder noch nicht erfolgreich einen anderen Weg einschlagen will.
Ich bin dafür die Ausbeutung Afrikas zu stoppen. Ich empfinde es nicht als Menschenrecht, dass man sich jede Woche eine neue Kiste mit Modeartikeln von Zalando schicken lassen kann. Ich empfinde es jedoch sehr wohl als Menschenrecht, dass man in seinem eigenen Land sauberes Wasser erhält und sich selbst ernähren kann. Wer sich selbst das Recht heraus nimmt, der nimmt es anderen Weg.
Das Zeug von Zalando (stellvertretend für viele Konsumartikel) ist nicht billig. Es zahlt nur jemand anderer den Preis. Vielleicht der hagere Mann der Borana, dessen Augen genauso traurig sind wie die der KundInnen von Zalando. Wären sie es nicht, dann müssten sie nicht jede Woche was Neues kaufen.

Die Borana betreiben seit Jahrhunderten die „singenden Brunnen“. Das sind große, tiefe Brunnen, aus denen die jungen Männer mit Eimern das Wasser nach oben in einer Kette weiterreichen. Sie singen dabei, um sich die schwere Arbeit zu erleichtern. Hirten aus nah und fern kommen zu den Brunnen und dürfen dort ihre Tiere tränken. Für die Borana ist das Wasser aus ihren Brunnen für alle da.
Nun versiegen die Brunnen langsam und man hat einen neuen, motorgetriebenen Brunnen gebaut. Dort gibt es Zank und Streit und jeder denkt nur mehr an sich und sein Wasserbedürfnis. Zudem sind die Borana jetzt von Treibstofflieferungen abhängig, für die sie kein Geld haben.

In einer Welt, in der fast überall das Wasser privatisiert wird, sollten wir uns überlegen, ob das der richtige Weg ist. Oder ob wir Wasser nicht als ein Menschenrecht ansehen sollten, als Garant und Bedingung für eine funktionierende Gesellschaft.
Ich jedenfalls finde, dass dem so sein sollte und so fällt es mir nicht schwer zu entscheiden, welche politische Kraft ich daher unterstützen muss und will.

Daher meine politische Forderung Nr. 1: Dinge, die Menschen zum Leben brauchen, sollten nicht in der Verfügungsmacht bzw. im Besitz einiger weniger sein.

Der Sandler

Landesversammlung der Grünen Wirtschaft Wien und Niederösterreich. Funktionärswahlen, Vorträge, Diskussionen, Buffet – das alles an einem von uns sehr gern gewählten Veranstaltungsort, der IG Architektur auf der Gumpendorferstraße, nur eine Ecke weit vom Apollo-Kino.
Die Stimmung ist gut, der Caterer hat diesmal geschmorten Kürbis zubereitet und sonst noch einige gute Dinge. Lockere Gespräche, Kennenlernen der neuen Landesleitung von Niederösterreich, dazu ein gutes Bier. Geraucht wird vor der Tür, die dann zeitweise offen steht.

Plötzlich drängt sich ein Sandler hinein. Er tut ein wenig so als hätte er drinnen irgend was zu erledigen, es ist aber fast sofort klar, um wen es sich handelt: klein, gebückt, zerlumpt angezogen, mit einem großen weißen Plastiksack, aber schneller durch die Türe als ihn wer aufhalten kann.
Er lässt sich flugs in eine kleine Sitzgruppe fallen und ruft „Capuccino!“

Wer ist für ihn zuständig? Sollen wir ihn rauswerfen – irgendwo meint das jemand, allerdings eher beiläufig. Ich denke mir, dass er eigentlich nicht stört, sofern er nichts fladert oder unangenehm auffällt.
„Capuccino“ ruft er noch mal und ein Kollege lacht „Hey, wird sind kein lokal, das ist privat!“

Er schaut unverständig, spricht scheinbar kein Deutsch. Ich bringe ihm ein Bier und meine, dass wir leider keinen Kaffee haben. Er trinkt das Bier aus, lehnt sich in seinem Sessel zurück und grinst freundlich, zumindest mit den Zähnen, die er noch besitzt, also eher spärlich. Seine Sprache ist nicht verständlich, zumindest nicht für uns. Polnisch? Ungarisch? Russisch? Auf jeden Fall prostet er uns mit „Nastrowje“ zu und ruft „Polak“.
Dann kramt er ein wenig in seinem Sack herum und als wir uns wieder mit uns beschäftigen, fängt er zu singen an. Offensichtlich hat das Bier seine Laune gehoben. Die Lautstärke ist beachtlich und die Unterhaltung wird schwierig. Wieder werden Stimmen laut, dass man ihn eventuell hinausbefördern sollte, bevor er sich dauerhaft einnistet.
Ich blicke aufs Buffet und sehe, dass wir noch mehr als genug Kürbis haben, der sowieso nach Veranstaltungsende weggeworfen wird. Also hole ich ihm eine Portion, die er annimmt und aufisst. Da er während des Essens nicht singen kann, haben wir das Problem gelöst. Zur Sicherheit bringe ich ihm noch eine zweite Portion. Das funktioniert, er singt nicht weiter, sondern ruht sich ein wenig aus.
Dann beginnt er zu schauen, was so herum liegt. Ein dicker Architektur-Bildband fällt ihm in die Hände und wandert langsam Richtung seines Plastiksacks. Irgendwer weist ihn darauf hin, dass ihm das nicht gehört. Er grinst breit und sagt ein paar Worte. Dann ruft er „Zigarra“. Da ihm niemand eine Zigarre oder Zigarette anbietet, beginnt er aus Prospekten auf dem Tisch vor ihm irgendwelche Werbeartikel rauszureissen und in seinen Plastiksack zu stecken. Dann nimmt er wieder den Bildband und verstaut ihn im Sack.
Ich gehe hin und bitte ihn, den Band wieder heraus zu nehmen. Er tut so, als würde er mich nicht verstehen, grinst breit und ruft „Capuccino!“.

Mir reicht es, ich nehme das Buch einfach aus dem Sack und bringe es in Sicherheit. Langsam stellt sich die Frage, wie wir ihn wieder loswerden und Beate bittet mich bis zum Schluss zu bleiben, sie hätte Angst wenn sie mit ihm alleine fertig werden müsste.

Auf einmal steht er auf, schnappt seinen Sack und marschiert wortlos zur Türe. Ihm dürfte fad geworden sein, es gab nichts mehr zu holen und so wandert er zu den Fahrrädern, die ums Eck an Fahrradständern lehnen. Dort probiert er bei jedem einzelnen ob es abgeschlossen ist. Dummerweise für ihn sind alle angehängt und er trollt sich.

Was mich nachdenklich macht:

Der Sandler ist ein Opportunist. Er hat gelernt eine gewisse Frechheit an den Tag zu legen und davon zu profitieren. Sein etwas ungestümes Eindringen hat uns überrumpelt und genau das war wahrscheinlich geplant. Es dürfte öfter funktionieren, ebenso wie er öfter ein Bier bekommt oder eine Zigarette, damit er sich wieder „schleicht“, wie wir auf Wienerisch zu sagen pflegen.
Nicht immer wird er freundlich aufgenommen, aber das ist das Berufsrisiko. Er nimmt außerdem was er bekommen kann und ist nicht heikel. Seine Sprache ist sein Schutz, er kann jederzeit auf „verstehe nix“ umschalten. Wenn jemand doch Polnisch oder Russisch kann, dann bleibt ihm immer noch schweigen, sich deppert stellen oder sonst etwas. Er grinst freundlich und lacht, nickt und schickt immer wieder positive Signale. Und er nimmt einfach alles mit was nicht niet- und nagelfest ist. Dabei ist er aber durchaus wählerisch und hat sich in unserem Fall etwa den wertvollsten Bildband heraus gesucht. Wahrscheinlich hatte er selbst keine Ahnung, was er damit machen könnte. So sind die Opportunisten, irgendwas wird sich schon ergeben, im Notfall kann man das Buch immer noch zerreissen und es sich in den Blättern gemütlich machen.

Jede Gesellschaft produziert solche Opportunisten und in jedem von uns steckt einer. Die Schlangen, die sich vor dem großen Schlussverkauf sammeln, die Spurwechsler am Gürtel, die Markensammler in den Supermärkten – alle wollen profitieren, ökonomisch günstig aussteigen, etwas gratis haben, Geiz ist geil. Wenn kleine Geschenke vor den Wahlen verteilt werden, dann nimmt man zuerst und schaut dann nach, was man da eigentlich bekommen hat. Danach kommt die wählerische Phase, das Goodie muss ein gutes sein, irgendwie brauchbar, essbar, verwertbar.

Die Sandler sind Randfiguren. Sie leben nicht besonders gesund und werden meist nicht sehr alt – wobei sie ohnehin keine Pension bekommen und es daher umso schwerer haben, je älter sie werden. Sie sind selten ganz jung, zumindest nicht in unserer Gesellschaft, in Afrika etwa sieht das anders aus, dort betrifft es schon die Kinder.

Die Sandler haben eine Art Vertrag mit der Gesellschaft. Sie schnorren und bekommen auch etwas, so lange sie nicht unangenehm werden. Sie sind immer nur geduldet und nie erwünscht. Sie sind alle Opportunisten und müssen es sein, um einigermaßen durchzukommen. Sie zeigen uns die Grenzen unseres Wohlstands, unserer Toleranz, unserer Akzeptanz, unserer Großzügigkeit, unserer Kleinlichkeit, unseres Stolzes und unserer Gier. Eigentlich können wir froh sein, dass wir sie haben.

Analyse zur Nationalratswahl 2013

Nein, das wird jetzt nicht lange dauern, weil andere schneller waren als ich. Und vielleicht besser. Daher gibt es jetzt in erster Linie gute Links plus kleinem Kommentar:

1.) Georg Günsberg – er schreibt meistens treffend und gescheit, so auch diesmal. Sein Bericht dekliniert die Parteien durch und wirft einen ausführlichen Blick in die Vergangenheit:

http://guensberg.wordpress.com/2013/09/30/on-the-long-term-nachwahlbetrachtung

2.) Rudi Fussi – mit der notwendigen Schärfe bekommen alle Parteien ihr Fett ab. Und auch das ist letztendlich wahrscheinlich „Wurscht“:

http://www.rudifussi.at/2013/09/30/oesterreich-hat-wurscht-gewaehlt

3.) Armin Wolf – kurz und bündig fasst er die Möglichkeiten nach der Wahl zusammen. Kein Link, sondern hier der ganze Text:

„Noch ein paar Gedanken zum Wahlergebnis.
Oberflächlich ist ja nicht viel passiert, außer, dass statt Orange künftig Pink im Parlament sitzt. Die SPÖ ist nach wie vor Erster, die ÖVP Zweiter, die FPÖ Dritter. Rot-Schwarz sind gemeinsam nicht unter 50% gefallen, weder an Stimmen noch an Mandanten. Zusammen mit den Grünen wird sich nach Auszählung der Wahlkarten noch immer eine Verfassungsmehrheit ausgehen (allerdings nur um ein Mandat. Trotzdem wichtig in EU-Agenden).
Das heißt wohl in Summe das, was es in Ö. (fast) immer heißt: es wird gewählt, aber am Ende kommt eine Große Koalition heraus.
Die FPÖ hat 3,9 Prozentpunkte dazu gewonnen – nicht wenig, aber auch nicht übertrieben viel, wenn man denkt, dass SP +VP + BZÖ 11,5 Prozentpunkte verloren haben. Aber die drei rechtspopulistischen Protestparteien FPÖ, Stronach und BZÖ haben gemeinsam knapp 31%. Das ist mehr als die 27 der FPÖ von 1999 oder die 28, die FPÖ + BZÖ 2008 erreicht haben. (Rechnet man nur FPÖ + BZÖ, kamen sie gestern auf 25%).
Was jetzt?
„So kann es nicht weitergehen“, war gestern abend der meistgehörte Satz aus der ÖVP. Ja, eh. Das hat man allerdings 2008 schon genauso gehört. Auch damals hieß es, es brauche eine „ganz neue Form“ von großer Koalition. Aber wie soll die denn aussehen? In der Steiermark haben Rot & Schwarz genau das probiert, mit ihrer super-kooperativen „Reform-Partnerschaft“. Sie haben gestern doppelt so viel verloren wie im Bundesschnitt, die FPÖ wurde in der Steiermark stärkste Partei – wohl kein besonders einladendes Vorbild für SP & VP.
Dazu kommt ein strategisches Dilemma für die ÖVP: als Juniorpartner in der großen Koalition zwischen 1987 und 99 hat sie 16 Prozentpunkte verloren, seit 2008 wieder 13 Punkte. Warum sollte es die nächsten fünf Jahre als Zweiter in einer Großen Koalition besser für sie laufen?
Zumindest theoretisch hat sie – im Gegensatz zur SPÖ – eine Alternative. Eine Rechtskoalition VP-FP-Stronach hätte gleich viele Mandate wie Rot-Schwarz (99 – 92 sind für eine Regierung nötig). Michael Spindelegger könnte so doch noch „Kanzler für Österreich“ werden, aber in der ÖVP gibt es gewichtige Gegner dieser Variante im Wirtschaftsbund, bei Raiffeisen, in Niederösterreich. Also überall dort, wo in der VP die Entscheidungen fallen.
Wahrscheinlicher ist also, dass die S-B-TS-Variante in den Verhandlungen mit der SPÖ als Gespenst mit am Tisch sitzt, um den Preis für eine neue GroKo hochzutreiben.
Was kann da rauskommen? Eine neue rot-schwarze Koalition, die gleich in ziemlich schlechter Stimmung startet, weil die ÖVP nicht wirklich will und in den Verhandlungen extrem hoch pokern wird. Aber nach außen wird sich die Neuauflage Faymann-Spindelegger „völlig neu“ geben, mit „gemeinsam definierten Projekten“ und einem „ganz neuen Stil“. Ja, eh.
Drei Prognosen für die nächste Wahl kann man da heute schon anstellen: Es wird die letzte große Koalition sein, ein weiteres Mal wird es kaum mehr für 50% reichen. Die FPÖ wird weiter zulegen (auch die 150.000 BZÖ-Stimmen müssen ja wohin). Das Team Stronach wird ohne seinen Guru ein BZÖ-Schicksal erleiden. Bleibt die Frage, ob sich die Neos dauerhaft etablieren können wie die Grünen oder ob sie wiederholen, was das LiF schon einmal vorgemacht hat.
Die nächsten fünf Jahre werden also kaum anders werden als die letzten. Wirklich spannend wird die nächste Wahl.“

4.) Michel Reimon – der Landtagsabgeordnete der Grünen Burgenland ist ein kritischer Geist, daher wollten ihn die Grünen auch nicht auf ihre Nationalratslisten setzen. Er geht weit über die Wahlanalyse hinaus und sein Text ist auch schon fast zwei Jahre alt. Aber ausgesprochen treffend für das, was in Österreich derzeit passiert. Er sieht sich genau an, was mit den Rechten im Land passiert:

http://derstandard.at/1313024413209/Politik-in-Oesterreich-Die-Hegemonie-der-Abstiegsangst

5.) Volker Plass – als Bundessprecher der Grünen Wirtschaft quasi mein „Chef“. Er geht mit den Grünen hart ins Gericht – hart, aber fair. Da er seine Betrachtungen nicht in einem Blog hat und es daher auch keinen Link gibt, hier der gesamte Text, quasi als Abschluss. Ach ja: auch er war den Grünen zu unbequem für einen Listenplatz für die NR-Wahl…

„MEINE ANALYSE

Das Wahlergebnis der Grünen ist mau. Da gibt es nichts zu beschönigen!
Wer es nötig hat, noch »auf die Wahlkarten zu hoffen« und einzelne »wirklich erfreuliche Bezirksergebnisse« herauszustreichen, hat ein Problem. Wer vom »besten grünen Ergebnis der Geschichte« sprechen muss, um den WählerInnen seinen Erfolg zu erklären, der kann vielleicht halbwegs zufrieden sein. Zu den strahlenden Wahlsiegern gehört er nicht!

Zwischen 2006 und 2013 haben wir Grüne gerade einmal eineinhalb Prozent zugelegt. Erdrutschsiege sehen anders aus!
Unser Wahlkampf war sensationell. Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner und Kreativ-Chef Martin Radjaby sind für die beste Grüne Kampagne aller Zeiten verantwortlich. Eva Glawischnig war eine ausgezeichnete Spitzenkandidatin. Auch der Zeitpunkt war ideal: Das alte, reformresistente und von Korruption zerfressene Parteiensystem war sturmreif geschossen. Tausende WahlkämpferInnen – danke allen!!! – waren motiviert, agierten geschlossen und sind gerannt wie noch nie.
Trotzdem reichte es wieder nicht für einen wirklichen Erfolg. Wieder erwarten uns fünf Jahre auf der Oppositionsbank. Um Haaresbreite wäre sogar die rot-schwarz-grüne Verfassungsmehrheit verloren gegangen, die uns wenigstens ein gewisses Maß an parlamentarischer Bedeutung verleiht.

Also kann es nur am Produkt selbst liegen!
An dem, was wir Grüne tatsächlich sind, wenn man all die durchgestylte Verpackung weglässt.
Gestern, am Rande unseres Wahlfestes, habe ich etlichen Freundinnen und Freunden eine Frage gestellt: Welche große, innovative und emotional berührende Idee von uns Grünen ist dir aus den letzten drei Jahren in Erinnerung?
Ich habe keine einzige überzeugende Antwort bekommen.

Wir sind bio & gesund.
Wir sind korruptionsfrei & sauber.
Wir sind schick & sympathisch, sodass die Menschen sogar freiwillig unsere grün-pinken Einkaufstaschen durch die Fußgängerzonen tragen. Aber wenn es wirklich darauf ankommt, sind wir nicht neos, sondern ein bisschen altos!
Für viele Menschen ist das, was wir Grüne bieten, offenbar nicht (mehr) ausreichend.
Wir haben die Korruption der anderen angeprangert und stolz unsere »weiße Weste« präsentiert. Unser Wahlkampf war von »Wohlfühl-Themen« geprägt, und wir haben Bilder von einer besseren Welt gezeigt. Alles sehr gut!
Aber in den Kernbereichen – dort wo Wahlen entschieden werden – waren wir schwach aufgestellt:

In der grünen Sozialpolitik herrscht seit Jahren Tiefschlaf.
In der Gesundheitspolitik sind wir weitestgehend abgemeldet.
In der Bildungspolitik, wo wir Substanz haben, ist es schwierig, uns neben der SPÖ zu profilieren.
Grundlegende Systemkritik ist leider nicht vorhanden.
Nennenswerte budgetäre Einsparungsvorschläge auch nicht.
Und die Wirtschaftspolitik … naja!

Stattdessen haben wir praktisch zur Gänze auf das Korruptionsthema gesetzt. Weil alle Umfragen sagen, dass dieses Thema unseren WählerInnen so wichtig ist. Unseren WählerInnen schon. Aber reicht es für wirkliche Zuwächse?
Wir sprachen über die moralische Verkommenheit der anderen Parteien. Wir erzählten den Menschen monatelang, wer ihr Geld gestohlen oder missbräuchlich verwendet hat. Sogar in der letzten Woche haben wir alle Mitbewerber noch einmal bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.
Die Menschen hörten uns zu.
Sie gaben uns Recht. Und waren dankbar, dass wir diesen Job erledigen.
Aber dann fragten sich offenbar viele:
Was hat das mit mir zu tun?
Geben mir die Grünen damit für mein Leben auch Hoffnung?
Schafft mir das einen Arbeitsplatz?
Sichert das meine Pension?
Bringt uns das den fehlenden Kinderarzt in unserer Gemeinde?

Um nicht falsch verstanden zu werden: Kontrolle und das Aufdecken politischer Verbrechen ist eine Kernaufgabe der Opposition. Aber es ist das Pflichtprogramm – nicht die Kür! Gabi Moser und Peter Pilz machten die Drecksarbeit. Und sie machten das gut. Aber wer war für das Neue und Überraschende zuständig? Für das, was die Menschen wirklich begeistert?
Anders formuliert: Wie erfolgreich wäre Apple mit seinem iPhone gewesen, wenn die Botschaft gelautet hätte: »Nicht so grauslich wie Ihr altes Nokia«?

Die Umfragen, die uns noch vor einer Woche 14 bis 15% prophezeiten, haben gestimmt. Was sie nicht abbilden konnten, waren zwei Wählerbewegungen in den letzten Tagen vor der Wahl. Einerseits kehrten offenbar viele WählerInnen von Stronach zu Strache zurück. Und andererseits hatten viele potenzielle GrünwählerInnen plötzlich das Gefühl, dass eine NEOS-Stimme doch keine verlorene Stimme ist. Viele unserer SympathisantInnen dachten sich, dass wir Grüne ohnehin ein gutes Ergebnis einfahren werden, und wählten deshalb dieses erfrischend neue und dynamische Polit-Start-up auch noch ins Parlament hinein.
Ja, so sind die WählerInnen! Da geht es nicht nur um Ideologie und langfristige Parteibindung. Da sind auch unkalkulierbare Emotionen und kurzfristiges Wohlbefinden mit im Spiel!
Um welche Personen es sich bei NEOS genau handelt, welche Positionen dort im Detail vertreten werden, ist einstweilen vielen nicht so wichtig! Neue Parteien bieten diffuse Projektionsflächen für unterschiedlichste Hoffnungen und Erwartungen. Und Matthias Strolz & Co kamen modern, innovativ und systemkritisch daher. Eigenschaften, die die WählerInnen mit uns Grünen offenbar nicht automatisch verbinden.
Daran sind nicht die NEOS schuld, sondern nur wir!

Nicht die NEOS sind unser Problem, sondern dass NEOS entstehen musste, um diesen enttäuschten WählerInnen eine Alternative zu bieten, die wir nicht bieten konnten. Ein Unternehmen, das selbst nicht fähig ist, ein wirklich innovatives Produkt am Markt zu platzieren, muss damit leben, dass die Konkurrenz diese Marktlücke füllt!
Was nun zu erledigen ist, sind die richtigen Weichenstellungen für das Jahr 2018.

Gewissenhafte Analyse und grundlegende Reformen sind angesagt: Wir Grüne müssen uns noch ziemlich verändern und noch viel besser werden, um wirklich zu wachsen!
Ein Schritt in Richtung 15 bis 20% ist prinzipiell möglich. Aber der gelingt nur, wenn wir Grüne uns für neue Wählerschichten öffnen. Wenn wir näher an der Lebensrealität der Menschen sind. Wenn wir endlich in den politischen Kernbereichen innovativ Flagge zeigen. Wenn wir mit neuen ProponentInnen und deren Netzwerken neue Zielgruppen erschließen.
Wer jetzt noch daran glaubt, dass Wahlen allein mit Kernthemen gewonnen werden oder dass sich Erfolge automatisch einstellen, wenn nur endlich alle kapieren würden, dass wir Grünen die Besten, Saubersten und Gescheitesten sind, der ist mitbeteiligt daran, dass wir Grüne unsere Existenz auch weiterhin bloß auf hohem Niveau verwalten.
Dieses Land gestalten werden wir so voraussichtlich nie!

Haben wir ein Recht auf Qualität?

Schrott verbinden wir gedanklich mit Rost und daher nähere ich mich dem Thema von dieser Seite an. Treue LeserInnen kennen meine Leidensgeschichte betreffend Motorroller und meinen verzweifelten Kampf gegen geplante Obsoleszenz. Ich empfinde es nicht als Zumutung, dass Produzenten bei Materialien und Fertigungsprozessen sparen, die KundInnen wollen schließlich billige Ware, weil der Geiz ja geil ist oder so.
Ich finde es nur schlimm, dass man in vielen, meiner Meinung nach sogar den meisten Bereichen keine Wahl mehr hat. Anders ausgedrückt, ich kann auch um viel Geld kein qualitativ hochwertiges (= langlebiges) Produkt mehr kaufen, weil ein solches einfach nicht erzeugt wird.

Aktuelles Beispiel: die Vespa GTS 125 bzw. 300 (gleiche Karosserie, unterschiedlicher Motor). Ein Besitzer hat wegen Rostproblemen geklagt. Dazu muss man folgendes wissen:

1.) Vespa ist eine Produktmarke des Piaggio-Konzerns. Ursprünglich war es die einzige Marke, heute ist es die Nobelmarke, denn Piaggio hat noch vier weitere: die Eigenmarke „Piaggio“ für die eher einfacher aufgebauten Motorroller und Mofas, mit denen man den Koreanern und Chinesen Konkurrenz machen will. Dann gibt es noch Gilera, einst eine eigenständige Marke, heute im Konzern für die „sportliche“ Linie zuständig. Ich hatte viereinhalb Jahre eine Gilera Fuoco. Vor einigen Jahren hat Piaggio auch die traditionelle Marke Aprilia gekauft und dann gibt es noch Derbi, die vor allem in Spanien groß im Markt sind, bei uns jedoch eine untergeordnete Rolle spielen. Nicht mehr vorhanden ist die alte österreichische Marke Puch, die von Piaggio aufgekauft und inzwischen aufgelassen wurde. Ich hatte zehn Jahre lang eine „Puch Typhoon“ und war sehr zufrieden. Der Nachfolger „Piaggio Typhoon“ hat leider keine Eigenständigkeit mehr und ist einer von vielen Rollern im Konzern.

2.) Die „Vespa GTS 300“ ist das Flaggschiff der Marke. Sie hat zwar nur 278 ccm (und nicht 300 wie der Name sagt, das ist übrigens beim Konkurrenzmodell Honda SH 300 auch so) und 22 PS, ist aber – zumindest in Österreich und einigen anderen Ländern Europas – äußerst beliebt. Sie ist auch preislich das teuerste Modell, wenn man einmal von der Vespa 946 absieht, die aber nicht als Volumsmodell gedacht ist.
Der Listenpreis liegt in der Standardausstattung bei 6.150- Euro, zu haben ist sie derzeit beim Importeur und Händler Faber (www.faber.at) um 5.699,- die GTS 300ie Super sogar um 5.599,-
Das ist somit vielleicht der schönste, sicher aber der teuerste Roller am Markt, zumindest in seiner Klasse. Die Konkurrenzmodelle Honda SH 300i (Euro 5.790,- zu haben um 4.990,- inklusive Topcase) und Kymco People 300 GTi (4.599,- inklusive Topcase) liegen deutlich darunter. Sie sind stärker (27 bzw. 29 PS) und haben trotz größerer Räder ein größeres Helmfach unter dem Sitz.
Die GTS 125 kostet übrigens 4.749,- (Listenpreis 5.150,-) und hat 15 PS.

3.) Die Vespa GTS ist trotzdem der meistverkaufte und somit beliebteste Roller am Markt – zumindest in Österreich. In Italien hat sich das Blatt schon länger gedreht und Piaggio verkauft im Mutterland zunehmend weniger Roller. Dort werden vor allem Honda, Kymco, Sym, Yamaha und Suzuki verkauft, die auch inzwischen das Bild prägen.

4.) Die Vespa ist quasi die Urmutter der Motorroller, für manche sogar ein Synonym dafür. Sie wird seit 1946 gebaut und beruht auf einem genialen Entwurf: selbsttragender Blechpressrahmen, Einarmschwinge, gekapselter Motor, Durchstieg hinter der Schürze. All diese Merkmale findet man auch heute, wenngleich es sich aktuell um einen Automatikmotor handelt und die Vespa einen Stahlrohr-Hilfsrahmen hat. Aber die Verkleidung ist großteils immer noch aus Blech, im Gegensatz zu allen oder fast allen anderen Rollern weltweit, die mit Plastik verkleidet sind.

Im Internet gibt es spezielle Foren, die sich mit dem Thema Vespa beschäftigen. Eines davon ist www.vespaforum.at – dort findet man quasi alles zum Thema und dort wird auch über die Qualität diskutiert.
Nun ist bei einem Besitzer (Eisbaer3) einer GTS 125 ein massives Rostproblem aufgetreten. Er hat geklagt und ein Gutachten anfertigen lassen. Hier ein Auszug aus dem Text:

„Wie Sie diesem Gutachten entnehmen können, sind die Verrostungen zum Teil auf Steinschläge bzw. Schürfspuren zurückzuführen. Andererseits konnte aber auch Spaltkorrosion festgestellt werden, welche offenbar auf einen Fabrikationsfehler zurückzuführen ist, da der Hersteller entlang aller Blechüberlappungen den dahinter befindlichen Hohlraum vor der Lackierung abdichten hätte müssen. Bei einer Neureparatur besteht die Gefahr, wenn der neue Ersatzrahmen in gleicher Art und Weise wie der streitgegenständliche Rahmen lackiert ist, dass es dann wiederum zur bemängelten Spaltkorrosion kommt. Der Sachverständige schlägt daher vor, dass der verbaute Rahmen saniert wird, in dem der nicht zerlegte Rahmen an der Unterseite der Rahmenverblechung sandgestrahlt wird, anschließend mit Epoxylack grundiert wird, dann die Blechstöße abgedichtet werden und abschließend die behandelte Rahmenunterseite in der Vespafarbe lackiert wird. Diese Reparatur würde im Gegensatz zur kompletten Erneuerung des Rahmens nur ca. EUR 750,00 zzgl. MWSt. kosten. Durch diese Reparatur würden auch die Steinschläge und Schürfspuren beseitigt werden, jedoch können jedenfalls zwei Drittel der angeführten Kosten (das sind EUR 500,00) für die Sanierung der Spaltkorrosion angesetzt werden.“

Und jetzt ein Auszug aus dem Gerichtsurteil:

„Dem gegenständlichen Fahrzeug liegt eine
Produktionskonzeption zu Grunde, welche bereits
ursprünglich darauf ausgelegt war, im niedrigen
Kostenbereich zu liegen. Von einem solchen Produkt kann
aufgrund der Umstände nur ein vermindertes Maß an
Qualität und Haltbarkeit erwartet werden. Da es absolut
logisch ist, dass zur Erreichung dieser Zielsetzung,
minderwertigere Bestandteile wie zB Lack mit geringerer
Lackschichtstärke verwendet oder sorgfältige
Hohlraumabdichtung vor der Lackierung aus Kostengründen
nicht durchgeführt und dadurch ein höheres Risiko für
Verrostungen in Kauf genommen wird, handelt es sich um
dem Produkt inhärente „Mängel“. Daraus folgt aber
zwangsläufig, dass es sich somit weder um einen
Produktions- noch um einen Konstruktionsfehler handelt.“

Das ist meiner Meinung nach ein starkes Stück: Die GTS ist der teuerste Roller am Markt, und hier steht „im niedrigen Kostenbereich“.
Wer soll hier geschützt werden? Auf wessen Seite ist das Recht?
Ich bin der Ansicht, dass es sich hier um geplante Obsoleszenz handelt, versteckt in Billigproduktion. Das eigentliche Problem besteht jedoch auch darin, dass die Konsumenten mitspielen. Sie wollen ständig neue Produkte und sind oft selbst nicht daran interessiert, dass ein Gegenstand lange hält – denn dann findet man schwerer einen Grund sich das neuere Modell zuzulegen.

Doch es gibt erste Gegeninitiativen. Der Anwalt Georg Bürstmayr hat einen ersten Entwurf in Facebook online gestellt, damit dieser diskutiert werden kann. Hier ist er:

Liebe FB-FreundInnen: hier ist, wie angekündigt mein Vorschlag zur rechtlichen „Verankerung“ der geplanten Obsoleszenz, sprich: zur Schaffung einer ersten Möglichkeit, jedenfalls die krassesten Fälle abzustellen. Für Anregungen und Beschwerden bin ich dankbar.

Verankerung der „geplanten Obsoleszenz“ im UWG

Die geplante Obsoleszenz wäre als eigener „Tatbestand“ im UWG zu verankern, und zwar in § 1 Abs 3 sowie einer eigenen Definitionsbestimmung (zB einem § 1b). Die konkrete Legaldefinition sollte gemeinsam u.a. mit VertreterInnen der AK, des VKI und der Wirtschaft ausformuliert werden, sie sollte demonstrativ sein, das heißt, dass die Definition nicht von vornherein alle möglichen und denkbaren Fälle mit einschließt, sondern dass bestimmte Beispiele für geplante Obsoleszenz aufgezählt werden..

Zur näheren Begründung:

a) Ob, wo und wie weit geplante Obsoleszenz wirklich systematisch eingesetzt wird, ist in vielen Bereichen nach wie vor umstritten. Die vorgeschlagene Regelung setzt aber eben diese Sicherheit nicht voraus: dort, wo tatsächlich krasse Fälle von geplanter Obsoleszenz auftauchen, könnten Mitbewerber und Konsumentenschutzverbände (vgl. § 14 UWG) sie aufgreifen und einzelne Verfahren – oder auch Musterprozesse – anstrengen.

Die momentane Rechtslage dagegen begünstigt auf diesem Feld Produzenten und Händler: derzeit müssten einzelne KonsumentInnen nach den Regeln des Gewährleistungs- und Schadenersatzrechts, allenfalls auch nach den Regeln der Irrtumsanfechtung, Verfahren anstrengen, deren Prozesskostenrisiko regelmäßig den Wert der vorzeitig unbrauchbar gewordenen Sache bei weitem übersteigt. Bleibt die Rechtslage unverändert, ist zu erwarten, dass kaum ein Konsument einen derartigen Prozess auf sich nehmen würde.

b) Es müsste weder eine eigene Behörde noch ein eigenes System zur Bekämpfung dieses Missstands geschaffen werden, der nötige Eingriff in bestehende Gesetze bzw. Systeme scheint minimal. Die vorgeschlagene Änderung würde die öffentliche Hand nicht nennenswert belasten, da bis auf die Kosten einiger Gerichtsverfahren keine weiteren Ausgaben zu erwarten wären

c) Insgesamt stellt die vorgeschlagene Lösung auch einen sehr geringen Eingriff in wirtschaftliche Freiheiten dar, für den Anfang wäre überhaupt nur in besonders schwerwiegenden Fällen mit Verfahren zu rechnen. Zugleich wäre für derartige krassen Fälle aber ein Instrument geschaffen, das auch abschreckende Wirkung hätte – Mitbewerber und Konsumentenschutzverbände können nach dem UWG relativ weitreichende Ansprüche durchsetzen.

d) Eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen der geplanten Obsoleszenz böte auch die Möglichkeit, zukünftige einschlägige Rechtssprechung auf europäischer Ebene und / oder zB in Deutschland, sowie die Weiterentwicklung der Lehre auf diesem Gebiet schrittweise zu berücksichtigen.

Sauber wirtschaften heißt auch, dass weder KonsumentInnen geprellt werden, noch, dass sich Mitbewerber mit unlauteren Methoden Vorteile auf dem Markt verschaffen. Die Verankerung der geplanten Obsoleszenz im Wettbewerbsrecht böte die Möglichkeit, diesen Missstand gemeinsam mit der österreichischen Wirtschaft zu beenden, mit allen, die im Interesse der KonsumentInnen in Österreich produzieren, handeln und verkaufen. Schrittweise und zielgenau, nämlich genau dort, wo Missstände besonders krass zu Tage treten.