Rom mit einer 39 Jahre alten Vespa – Tag 6

Nun hatte ich es geschafft – Rom, die ewige Stadt. Es war über 22 Jahre her, dass ich das letzte Mal an diesem ganz besonderen Fleckchen Erde war.
Ich war erleichtert und froh, dass ich so viel Glück hatte, die vielen netten Menschen zu treffen, die mir geholfen hatten.
Für das Frühstück konnte ich mich allerdings nach wie vor nicht begeistern, was hier aber auch daran lag, dass es sich um ein italienisches Frühstück handelte: Kaffee und Kekse.
Die Italiener essen nicht so ausgiebig in der Früh, dafür umso mehr am Abend. Davon später.
Ich hatte ein sehr schönes Quartier gefunden. Der Vater von Michele, dem das große Haus gehört, war Offizier in der italienischen Armee und stammte ursprünglich aus Bologna. Seine letzte Station hatte er in Rom und dort wurde das Haus ca. 1970 gebaut. Ciampino ist ein Vorort, der bis vor ca. 20 Jahren in völligem Wildwuchs entstand, jeder baute einfach irgendwo irgendwas hin. Das hat sich geändert, Ciampino ist heute ein properes kleines Städtchen mit einem Ortskern plus Hauptplatz, auf dem sich ein Kreisverkehr befindet und von dem aus sternförmig die Straßen wegführen. Ca. 25 Minuten zu Fuß braucht man von der Bahnstation zu Micheles Haus, das in einer ruhigen Seitengasse liegt. Zumindest wenn im benachbarten Behindertenheim kein Karaokeabend stattfindet, wie am Abend zuvor. Glücklicherweise war die Veranstaltung um ca. 23 Uhr zu Ende und ich hätte überhaupt eine perfekte ruhige Nacht haben können, wenn da nicht die Moskitos gewesen wären. Kleine Biester, die schon bei noch starkem Sonnenschein ihren Blutdurst entwickeln. Die Ruheeinheit auf der Terrasse am Vorabend dauerte nicht lange.
Die Italiener verdunkeln ihre Häuser bzw. Zimmer unter Tags vollständig. Daher sieht man überall nur Rollläden und die typischen hölzernen Fensterläden, die alle Häuser so wenig einladend und unbewohnt erscheinen lassen.
In Rom ist es im August meist recht heiß, und dieser August war keine Ausnahme. Auch mit geschlossenen Fensterläden war es in meinem Zimmer noch heiß und ich tat etwas, was ich normalerweise nie tun würde: ich schaltete die Klimaanlage ein. Natürlich nur sehr mäßig und während ich zum Essen ging, aber das war ein gewisses Risiko, weil ich Klimaanlagen überhaupt nicht vertrage. Meist reichen fünf Minuten um mich in ein verschnupftes Häufchen Elend zu verwandeln. Flugzeuge, Bahnabteile, Hotelhallen etc. sind für mich komplizierte Orte, vor allem wenn sie es punkto Klimaanlage übertreiben: draußen 35 Grad, drinnen 18.

Hier konnte ich das selbst steuern und so funktionierte es ganz gut. Ich öffnete in der Nacht die Fenster und benützte einen Gelsenstecker, das funktionierte.

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Bild: Italienische Ordnung

Das Haus selbst ist im italienischen Stil gebaut und hat im Keller eine riesige Garage. Es gibt ein herrschaftliches Foyer, eine sehr schöne Terrasse und die Einrichtung ist ziemlich barock. Im Nebentrakt gibt es die zwei Gästezimmer plus ein Gemeinschaftsbad, das tip-top ist und alle meine Ansprüche erfüllte. Mehr brauchte und wollte ich nicht.
Noch wichtiger war jedoch, dass es Michele gab. Er ist ein älterer Herr und spricht wie gesagt ausreichend Englisch, um sich mit den Gästen gut verständigen zu können. Wenn man selbst noch ein wenig Italienisch kann, lässt sich alles machen.
Für mich war es sehr wichtig, die Vespa wieder instand zu setzen, vor allem den locker gewordenen Auspuff (Panne Nr. 8), der unglaublich schepperte, sowie den kaputten Reifen.
Beides war ein gewisses Problem. Der Auspuff hätte erstens nicht locker werden dürfen, denn er ist mit einer selbstsichernden Mutter bombenfest angeschraubt gewesen. Aber auf dieser Reise war alles anders, dass Material wurde wesentlich mehr beansprucht als sonst. Leider gab es da diese Lasche, die ich zwar umgebogen, aber nicht abgeflext hatte. So kam man zu der locker gewordenen Mutter nicht dazu, der Platz war zu eng. Eine Lösung wäre gewesen, den Motor als Ganzes auszuhängen, aber das ist ein Haufen Arbeit und ich wollte irgend einen anderen Weg finden.
Und es war wichtig, einen neuen Reifen zu bekommen. Dazu mussten wir erst einen Reifenhändler finden, der erstens einen Reifen in der erforderlichen Größe und zweitens am Samstag offen hatte.
Michele war mir in diesem Punkt eine große Hilfe, mein spezieller Dank dafür an dieser Stelle. Er fuhr mit mir durch Ciampino und der dritte Reifenhändler, den wir ansteuerten, hatte offen.
Auf dieser Reise konnte ich nur erfolgreich sein, wenn gleich eine ganze Menge an Wundern geschieht. Hier hatten wir eines davon, der kleine Reifenhändler, der eigentlich nur Autoreifen hatte, kramte unter einem Stapel genau ein Stück in der richtigen Dimension hervor. Es war zwar ein alter, gebrauchter Reifen, aber er musste ja nur als Reservereifen bis Wien seine Dienste tun.
Trotz schwerer Spezialmaschinen brachten sie den alten Reifen nicht von der Felge. Schließlich erledigte ich die Sache selbst und hatte Erfolg (Trick: mit den Füßen auf den Reifen steigen und die große Felgenhälfte mit den Fingern herausreissen. Meist ergibt das auch ein verrissenes Kreuz, ich hatte an diesem Tag Glück. Wenn das auch nicht funktioniert hätte, dann wäre nur noch das Aufschneiden des Reifens gegangen. Theoretisch lassen sich Reifen am Straßenrand selbst wechseln, aber nur theoretisch.).
Der „neue“ Reifen kostete samt Montage und neuem Schlauch Euro 30,-. Das war angesichts der Notlage und des blitzschnellen Samstagdienstes okay. Ich war sehr entspannt, denn meine Vespa war fast schon fertig für die Heimreise.
Die Hauptmieter in Micheles Haus sind eine rumänische Familie. Sehr nette Leute, vor allem der Vater, ein ehemaliger Mechaniker. Ihn bat ich wegen des Auspuffs um Hilfe und durfte bei dieser Gelegenheit wieder etwas lernen. Ich hatte nämlich keine Idee, wie man zu der Mutter so dazu kommen könnte, dass sie fixiert wäre. Der Rumäne wusste es. Er holte einen Franzosen (das ist eine Art Schraubenschlüssel, den man mit einem Rändelrad stufenlos verstellen kann – ein Werkzeug, das ich aus meiner Jugend kannte und das seitdem nicht mehr in meinem Blickfeld war, es ist irgendwie unmodern geworden) und damit kam er zur Mutter. Der Rest war eine Sache von zwei Minuten und der Auspuff saß wieder bombenfest.

Michele nahm mich dann noch mit zum Bahnhof und ich durfte in seiner Parfumerie das Internet nützen. Außerdem konnte ich eine Tube Sonnencreme kaufen, das würde absolut notwendig sein.
Wesentlich schwieriger war der Kauf eines Tickets für den Zug nach Rom. Auf den kleineren Bahnhöfen gibt es kein Personal mehr, man muss die Karten beim Automaten kaufen. Das ist ähnlich kompliziert wie bei uns, er nahm etwa meine Kreditkarte gar nicht, meine Geldscheine überhaupt nicht, erst mit der Bankomatkarte hatte ich Erfolg. Abgesehen davon wurde ich niemals kontrolliert. Es gibt auf den Bahnhöfen auch keinerlei Sitzmöglichkeiten mehr, die Bänke hat man alle abmontiert, das ist auch wie bei uns. Selbst uralte Leute müssen stehen, wenn sie auf den Zug warten. Der Sinn dieser Maßnahme ist mir unbekannt.

Die Fahrt nach Statione Termini ist unspektakulär, man fährt aber einige Zeit neben uralten römischen Aquädukten und bekommt einen Eindruck, wie viel antike Bausubstanz noch vorhanden war – zu viel, um sie zu erhalten.
Rom empfing mich mit einem heißen, wolkenlosen Tag und einer Unmenge Touristen. Nach einer kurzen Orientierung beschloss ich, eine klassische Besichtigungsrunde zu gehen, mich aber auch treiben zu lassen – wohin auch immer dieser Tag mich führen würde.

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Bild: Ape Calessino auf der Via Cavour

Erste Station war aber das Kollosseum, denn das soll demnächst eingerüstet werden, weil es ziemlich baufällig ist. Ich hätte somit die Gelegenheit, es noch im jetzigen Zustand zu sehen.
Am Weg dorthin kam ich bei einem Supermarkt vorbei, der von einem Inder oder Pakistani geführt wurde.
Ich muss an dieser Stelle noch einmal zu den Wurzeln dieser Reise zurück blättern. Ein Picknick auf der Via Appia Antica mit zwei Panini mit Mortadella und einer Flasche Wasser – das war das eigentliche Ziel, auf das ich hinsteuerte.
In diesem Supermarkt gab es Panini und Mortadella, die schöne große runde, und Wasserflaschen hatten sie auch genug, allerdings natürlich alles nur mehr in Plastik, was es vor 28 Jahren noch nicht gab, da waren alle Flaschen aus Glas. Irgendwie hat sich das nicht verbessert.
So erstand ich das Gewünschte und hatte damit für den nächsten Tag vorgesorgt. Da war nämlich Sonntag und es war nicht klar, ob ich die Panini bekommen würde. Wenn nicht, dann hätte ich sie zumindest heute genossen und morgen dann die Via Appia – ein kleiner Trick, ein wenig Schummeln, dass musste erlaubt sein.

So aß ich die Panini als frühes Mittagessen oder spätes Frühstück in einem kleinen Park hinter dem Kollosseum. Ein netter Typ, der dort auch gerade mit seinem Rucksack eine Rast einlegte, machte ein Foto.

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Bild: Guido vor dem Kollosseum, mit Mortadella-Panini und Wasserflasche

Das Kollosseum ist immer noch ein beeindruckender Bau, davor befanden sich aber derartige Touristenhorden, dass eine Besichtigung ganz sicher ohne mich stattfinden würde.

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Bild: Belagerungszustand

Und so geht es weiter am Forum Romanum vorbei zur Schreibmaschine. Das Wetter ist fein und ich erhöhe meinen Wasserkonsum.

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Bild: Links ist das Forum Romanum

Danach hinein in die schattigen Straßen und zum Trevi-Brunnen. Ich hatte es schon geahnt – auch dort nicht ganz menschenleer. Ich finde eine Stufe im Schatten am Aufgang zu einer kleinen Kirche und beobachte das Treiben.

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Bild: Trevi-Brunnen mit einer Handvoll Touristen. Im Hintergrund in dem gelben Eckhaus haben wir seinerzeit eine Flasche Martini gekauft und auf den Stufen des Brunnens genossen. Heute ist erstens das verboten und zweitens ist das kleine Lebensmittelgeschäft inzwischen ein Schmuckgeschäft.

Natürlich musste ich die obligaten drei Münzen in den Brunnen schmeißen. Ich will ja irgendwann wieder kommen.

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Bild: Guido vor dem Brunnen, kurz vor der Tat

Die nächsten Stationen quasi im Word-Rap: Spanische Treppe, Tiberufer, Piazza Navona, Pantheon. Zwischen der Piazza Navona und dem Pantheon war eine Pause geplant und zwar auf der kleinen Piazza St. Eustachio beim gleichnamigen Café. Die verkaufen dort ihren eigenen Kaffee und servieren ihn auch. Das war eines meiner Ziele in Rom und auch das habe ich erreicht.

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Bild: Cappuccino im Café

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Bild: Das Café St. Eustachio – inzwischen berühmt, ich hatte das Glück, trotzdem einen Platz zu bekommen.

Dann ging es wieder zu meinem Quartier in Ciampino. Und am Abend natürlich wieder in die Trattoria. Ich bestellte eigentlich nur eine Pasta Carbonara, bekam aber eine Pfanne mit der 4-5fachen Portion. Unmöglich, das auch nur teilweise aufzuessen. Die Qualität: überragend! Ich kämpfte, musste aber irgendwann aufgeben. Ich hatte bis zum absoluten Gehtnichtmehr gegessen. Trotz zwei Achterln Wein, einer Flasche Wasser, Cuperto und der Pasta kostete der Abend inklusive Maut 15,- Euro. Wer hat gesagt, dass Italien teuer ist?

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Bild: Pasta Carbonara

So ging ein sehr feiner Tag zu Ende und ich freute mich schon auf den nächsten, auch wenn der ungleich härter werden sollte.

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