Was mich an den Grünen stört

„Die Grünen malen die Radwege grün an.“
so bloggen meine Freunde und so schreibt Reinhard Nowak in der Presse. Dieser Satz ist nicht aus dem Zusammenhang gerissen, weil man ihn nicht aus dem Zusammenhang reissen muss oder kann. Er steht für sich und er ist grammatikalisch richtig. Inhaltlich ist er falsch. Erstens malen die Grünen nicht die Radwege an, weil eine Partei (und das meint Nowak) keine Radwege anmalt, sondern maximal die beauftragte Abteilung des Rathauses. Und auch die lassen anmalen und tun es nicht selbst. Aber lassen wir die Spitzfindigkeiten.
Diese Abteilung wird von der Stadtregierung beauftragt, die so einen Budgetposten zuerst im Gemeinderat beschließen muss. Ist das passiert? Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass die Radwege nicht grün angemalt werden.
Hat schon jemand einen grünen Radweg gesehen? Eben. Ich übrigens schon. Vor dem Westbahnhof befindet sich eine ca. 30 m lange Teststrecke. Dort prüft man, wie und ob das überhaupt funktioniert. Und eine zweite gibt es glaub ich auch noch.

Und damit sind wir beim Thema. Derzeit ist Grün-Bashing sehr angesagt. An jeder Ecke lese ich, dass man die „Vassilakuh“ (so wird das gerne geschrieben und man freut sich über diesen rhetorischen Originalitätsuntergriff) doch heim nach Griechenland schicken möge und dass in Wien rot-grün an allem schuld wäre, vor allem aber grün. Wegen dem Parkpickerl. Und wegen der Gebührenerhöhung. Und weil die Radfahrer bei rot über die Ampel fahren. Und wegen dem Parkpickerl. Und den Radfahrern. Erst gestern hat mir ein Bekannter erzählt, wie sehr ihm diese vielen Radfahrer auf die Nerven gehen, die ihn beim Motorradfahren behindern. „Die sollen am Wochenende einen Radausflug machen, wenn sie Radfahren wollen.“ Und nicht ihm im Weg stehen. Oder fahren, zu langsam übrigens.

Aber selbst wenn man das übliche Wiener Geraunze und die Polemik der ÖVP und der Wiener abzieht, bleibt etwas übrig. Und über das möchte ich schreiben.
Es sind mehrere Punkte:

1.) Die Grünen haben Wachstumsschmerzen.
Sie haben als kleine Protestbewegung begonnen, ein paar Umweltschützer, ein paar Kommunisten oder was man so landläufig darunter versteht, ein paar Weltverbesserer und einige -Innen. Das hatte Österreich auch bitter nötig, denn Umweltschutz war so was von kein Thema in den 1980ern. Weder in der Regierung noch in der Bevölkerung. Genau genommen war es sehr wohl ein Thema, sonst hätten es die „Grüne Alternative“ nicht blitzschnell ins Parlament geschafft, obwohl sie hier das aktiviert haben, was gestern die FPÖ aktiviert hat und heute das Team Stronach aktiviert, nämlich die Protestwähler (und -Innen, gerade noch geschafft).
Nun saßen sie im Parlament und redeten mit. Und sie schufen auch ein Parteiprogramm, denn das war damals nicht schwer: Umweltschutz und Sozialreformen. Beides berechtigt und trotzdem mit dem gewissen Maß an Konterdependenz (dagegen sein um des Dagegenseins Willen).
Dann wurden sie größer und schufen Strukturen. Aus Tradition heraus waren sie basisdemokratisch aufgestellt. Das ist toll und funktioniert auch sehr gut, zumindest in kleinen Einheiten (Gruppengröße, also bis zu max. 15 Personen).
Leider haben die Grünen keine Tradition in Gruppendynamik, das wird sogar abgelehnt und wohl auch, um irgendwie anders zu sein als das Establishment. Das war übrigens einer der Gründe, warum ich vor einigen Jahren aus der Grünen Bildungswerkstatt rausgeschmissen wurde: Ich hatte ihnen das vorgehalten und anstatt es zu diskutieren, haben sie mich rausgeworfen. Das war schneller und einfacher.
Selbst in Gruppen sind basisdemokratische Entscheidungen schwierig, zumindest wenn man sie im Konsens erreichen will. Die geheime Suche nach Verbündeten plus einem Sieg in der darauf folgenden Abstimmung, das können die Grünen inzwischen genauso wie alle anderen. Und das ist auch basisdemokratisch, denn die Basis hat ja entschieden. Nur fragt man nicht, warum und wieso und wie das zustande gekommen ist.

So sind sie also gewachsen, die Grünen, aber ihre Entscheidungsstrukturen sind nicht mit gewachsen. Das heißt, sie sind es schon, aber nicht bewusst, nicht diskutiert, nicht reflektiert. Sie versuchen ein System zu leben, das nicht funktioniert. Weil sie aber funktionieren müssen, gibt es dahinter ein anderes System, das sehr wohl funktioniert. Das ist nur nicht basisdemokratisch, eigentlich gar nicht demokratisch, sondern autoritär.
Wie gehen die Grünen mit internem Protest um? Eva Glawischnigg hat es übrigens neulich in der Pressestunde tunlichst vermieden auf diese Frage zu antworten. Und genau hier liegt ein Problem, denn es ist bei den Grünen ein Tabu darüber zu sprechen. Alle wissen, dass Basisdemokratie so nicht funktioniert, aber niemand redet darüber. Interner Protest? Kann nicht sein, denn wir sind ja die Guten, die das Richtige wollen. Gegen das Richtige kann man gar nicht protestieren. Also sind das entweder eine Handvoll verirrte Seelen oder es handelt sich gar nicht um Protest, sondern kreativ versteckte Zustimmung.
Das wurde in der Politik tw. erkannt und wird von der Wiener ÖVP-Opposition gegen die Grünen verwendet. Da sie als Opposition übertreiben muss um ihrer Rolle als Opposition entsprechen zu können, stimmen die Vorwürfe oft nicht. Aber ein ziemlich großes Körnchen Wahrheit ist meist dabei.

Das ist das erste, was mich an den Grünen stört: Sie tun so, sind aber nicht und darüber darf nicht gesprochen werden.

2.) Die Grünen betreiben Klientelpolitik.
Basisdemokratie heißt in vielen Fällen: Man sucht sich eine Hausmacht und setzt mit deren Hilfe Entscheidungen durch. Man intrigiert, mobbt, tuschelt und benützt alle Tricks, die es gibt. Sitzungen werden taktisch verschleppt bzw. verschoben, Abstimmungen für ungültig erklärt und unter besseren Bedingungen wiederholt.
Und trotzdem versucht man die Basisdemokratie aufrecht zu erhalten. Das führt zu seltsamen Auswüchsen. Ich frage mich oft: Wem fällt so eine blöde Idee ein? Damit hat man ja sogar die eigene Wählerschaft gegen sich! Ein Beispiel war der Vorschlag (mehr war es nicht) einer Tempo-30-Zone am Gürtel.
Ganz abgesehen davon, dass wohl nur wenige Leute sich den genauen Wortlaut dieses Vorschlags angesehen haben – wieso kam dieser überhaupt ins Gerede? Um das und ähnliche Ideen zu verstehen, muss man wissen, wie die Entscheidungsstrukturen bei den Grünen funktionieren.
Es gibt eine ganze Anzahl an bezahlten Funktionären und -innen. Diese leben davon, dass sie von der Landesversammlung gewählt werden, denn sie haben sonst keinen Beruf. Daher müssen sie dafür sorgen, dass sie in der Landesversammlung eine Mehrheit für sich bekommen. Und das erreichen sie am besten, wenn sie das laut sagen, was die tatsächlich Anwesenden bei dieser Landesversammlung hören wollen.
Wenn man sich nun ansieht, wer zu dieser Versammlung hin geht, so versteht man die seltsamen Ideen. Es ist der ideologisch harte Kern der Grünen. Und die sind sehr wohl gegen Autos ganz generell.
Nun ist gegen Klientelpolitik nichts einzuwenden, das darf ja ruhig sein und ist nichts Verwerfliches. Aber man sollte dazu stehen. Das bedeutet aber auch, dass man nicht in eine Regierung gehen darf. Zumindest nicht, wenn das eigene Klientel das Protestklientel ist, denn in einer Regierung muss man sich um Kompromisse bemühen und um die Vertretung (fast) aller Bürger.
Das hat natürlich zwei Seiten: Die eine Übertreibung ist die Protestschiene. Man ist gegen alles und macht das zum Programm. Das bringt Proteststimmen und funktioniert bei den Grünen nur mehr im einstelligen Prozentbereich. So kann man nicht mitreden oder wenn, dann nur aus der geduldeten Oppositionsrolle heraus. Und das ist ein bissi wenig.
Die andere Übertreibung sieht man am rechten Rand, bei ÖVP und FPÖ, wo man einer dumpfen Mehrheitsstimmung nachgibt und sich das Programm aus Stimmungen zusammensetzt, auf der einen Seite die der Modernisierungsverlierer und auf der anderen Seite die der Wohlhabenden, die Angst haben, dass man ihnen was wegnehmen könnte vom Körperfett – vom eigenen und vom substituierten (Geld).

Die Regierungsbeteiligungen sehen dann auch entsprechend aus. Was passiert mit Protestierern, wenn sie an die Macht kommen, noch dazu, wenn es eine kleine Macht ist? Derzeit berichten die Bezirke, dass ihnen der Rathausklub nicht wirklich zuhört.
Mir stellt sich die Frage, wie soll moderne Grünpolitik aussehen? Ich möchte nicht im Nörgeln bleiben, obwohl ich das als gelernter und echter Wiener gut kann. Daher eine kurze Skizze:

1.) Eine interne Parteireform nach dem Vorbild der Soziokratie.
2.) Mobilität ist in unserer Gesellschaft ein überproportional wichtiges Thema, emotional maximal besetzt. Daher ist hier für Sachlichkeit zu sorgen. Förderung des Autos dort, wo es derzeit keine sinnvollen Alternativen gibt. Parallel dazu ein überproportionaler Ausbau des öff. Verkehrs, aber mit Augenmaß inklusive einer Verbilligung desselben. Eine Bank weniger retten und wir haben mehr als genug Geld dafür.
3.) Wirtschaftspolitisch muss ganz klar gesagt werden: Ein weiteres Wachstum an Konsumprodukten ist weder möglich noch wünschenswert noch sinnvoll. Klarer Widerstand gegen den Wachstumswahn, statt dessen Förderung des Wachstums von Qualität und Langlebigkeit der Produkte sowie des Wachstums an sozialen Beziehungen und Netzwerken. Umgestaltung des öffentlichen Raums dahingehend. Wenn man nicht alles selbst erfinden will kann man auch den Ideen der Postwachstumsökonomie folgen.
Die meisten anderen Ideen dazu und noch weitere finden sich auf der Website der Grünen Wirtschaft (www.gruenewirtschaft.at)

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