Angeblich wird man hineingezwungen und tatsächlich bin auch ich fast schon in die Falle getappt: „Wenn Du diese Anwendung startest, wirst Du auf die Chronik umgestellt“ hieß es.
Ich habe es nicht getan, aber früher oder später wird Facebook alle Benutzer umstellen. Also muss seitens des Betreibers eine Notwendigkeit dahinter stecken – mit anderen Worten: ein Geschäftsmodell.
Aber wie sieht dieses aus? Noch hüllen sich alle in Schweigen, und auch ich kann nur spekulieren. Hier die ersten Ideen und Ansätze:
1.) Facebook ist kein Charity-Verein. Die wollen Geld verdienen, und zwar so viel wie möglich. Daher verändern sie nur etwas, wenn es mehr Geld verspricht.
2.) Sie sagen es ganz offen: Wir ermöglichen euch Freundschaftspflege (wie auch immer die aussehen mag) und bekommen dafür von euch Daten geschenkt. Das ist eine klare Vereinbarung und ich betone es hier explizit: Alle Daten, die auf Facebook eingestellt werden, gehen in deren Eigentum über. Das betrifft Texte wie Bilder, Filmchen und Chats, – einfach alles.
3.) Der Fachausdruck ist „Data Mining“. Facebook geht davon aus, dass die relevanten Rohstoffe der Zukunft nicht mehr Kupfer oder Öl heißen, sondern Daten. Das bedeutet natürlich nicht, dass die „alten“ Rohstoffe nicht mehr gebraucht werden, sondern nur, dass sich mit ihnen nicht so viel Geld verdienen lässt wie mit Daten. Und genau diese Daten sammelt Facebook ein, viele Terabyte täglich.
4.) „In ihr Eigentum übergehen“ bedeutet, dass sie damit machen dürfen was sie wollen. Sie können etwa die privaten Urlaubsbilder der Nutzer verkaufen. Eine kostenpflichtige Bilder-Datenbank wäre etwa denkbar, ähnlich Fotolia oder Dreamtime. Dort könnten wir dann unsere eingestellten Bilder finden, mit einem Preisschild versehen. Ob es so eine Datenbank geben wird, ist fraglich, denn die Qualität der Bilder ist sehr unterschiedlich. Aber es gehört ihnen und sie dürfen alles damit machen, was man mit Eigentum so machen darf.
5.) Besonders wichtig ist der Aufbau von Zielgruppen-Datenbanken, die man dann teuer verkaufen kann. Unsere Konsumwelt sieht derzeit so aus: Es gibt unendlich viele Konsumartikel und wie im Regenwald die Bäume kämpfen die Hersteller bzw. Vertreiber dieser Artikel darum, ans Sonnenlicht zu kommen, sprich gekauft zu werden. Das wird immer schwieriger, denn die KonsumentInnen haben schon viel. Man bringt sie zwar dazu immer noch mehr zu wollen und verkauft ihnen Gegenstände, die schon nach sehr kurzer Zeit erneuert werden müssen, weil sie entweder kaputt oder aus der Mode sind, aber das alles hat Grenzen. Selbst der dümmste Konsumidiot hat irgendwann eine Sättigung erreicht und die Geldbörse spielt hier auch mit. Das versucht man zwar mit Kredit-Lockangeboten zu umgehen („Kaufen Sie heute, zahlen Sie nächstes Jahr), aber auch das hat Grenzen. Keine ethischen, aber quasi natürliche, etwa wenn die erste Kreditkartenblase explodiert.
6.) Daher geht es um die richtige Ansprache der Konsumentinnen. Das Geschäftsmodell sieht so aus: Wer seine Zielgruppe besser erreicht als der Mitbewerb, bekommt letztlich alles, weil der Mitbewerb das nicht überlebt. Wenn in meinem Basilikum-Beet direkt nebeneinander zwei Samen aufgehen, wird der Stärkere von beiden groß und der Schwächere geht ein. Somit hoffen alle auf generelles Wachstum, das aber wie überall in der Welt irgendwann auch an seine Grenzen gerät. Bei entsprechendem Wachstum überleben auch die Schwachen. Aber was ist, wenn die Spitze erreicht ist, wenn die Bäume im Urwald 35 Meter hoch sind und die Kapillaren das Wasser einfach aus physikalischen Gründen nicht mehr höher in die Wipfel transportieren können? Was ist, wenn die Menschen nicht mehr das Geld haben, um noch mehr zu kaufen oder die Ressourcen ausgehen? Es reicht ja schon ein Stagnieren von Fördermengen, um eine Kettenreaktion auszulösen. Dann wird es eng.
7.) Facebook bemüht sich also erstens viele Daten zu sammeln und diese zweitens ordnen zu können. Darin liegt die eigentliche Herausforderung, denn den ersten Teil der Aufgabe haben sie bereits bravourös gemeistert. Nun gibt es schlaue Computerprogramme, die Benutzerprofile anlegen. Dazu werden scheinbar voneinander unabhängige Daten miteinander in Beziehung gebracht und Schwupps! – schon hat man perfekte Kundenprofile und weiß, dass der Maxi Müller jeden Mittwoch Mörderappetit auf Vanilleeis hat. Also kann man ihm Mittwoch früh eine SMS schicken, dass zwei Häuserecken weiter zufällig heute gerade er zehn Prozent Rabatt auf Vanilleeis bekommt.
Wird das so funktionieren? Sind die Wünsche (nicht: Bedürfnisse! Dazu ein andermal) so stabil und vorausberechenbar? Sind die KonsumentInnen so fetzendeppert, dass sie das einfach so mit sich machen lassen?
8) Möglicherweise schwächelt hier das Geschäftsmodell, denn was ist, wenn die Profile zu keinen steigenden Umsatzzahlen bei der Kundschaft führen und die Käufer der Datenprofile dies bemerken? Hat Facebook dann ein zweites Geschäftsmodell auf Vorrat? Genau hier setzt meine Neugier an: Verhilft die Chronik, die Timeline Facebook dazu, noch andere Möglichkeiten zu generieren? Welche wären das? Ich bin gespannt auf die Diskussion.